06.12.2012 Aufrufe

Anduin 94

Anduin 94

Anduin 94

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Das Erwachen<br />

nem Bett gelegen und die Decke angestarrt<br />

hatte. Alle Lichter in seiner Wohnung waren<br />

an. Sein Fernseher plärrte. Eine Werbesendung<br />

versuchte ihn davon zu überzeugen<br />

Teile seines Magens entfernen zu lassen.“ Ich<br />

denke ich sollte alles ausschalten… die Sonne<br />

kommt. Gott bin ich müde.“<br />

Seine Augenlieder fielen zu, nur um gleich<br />

wieder auf zu springen. Er wollte diese Bilder<br />

nicht sehen müssen. Hatte er dieses Ding<br />

wirklich gesehen? War das wirklich geschehen?<br />

Seine Gedanken drehten sich immer<br />

wieder im Kreis. Er beschloß zu duschen, hatte<br />

dabei aber Probleme sein Gesicht zu waschen.<br />

Er wollte seine Augen nicht schließen.<br />

Er ging das Problem Seife an, in dem er nur<br />

jeweils ein Auge schloß. „Was zum Henker<br />

mache ich denn da?“<br />

Er hatte keinen Hunger, machte sich aber<br />

dennoch ein Frühstück. Eier und Speck. Sehr<br />

fettig. Sehr lecker. Normales Essen für eine<br />

normale Person. Er merkte, dass er ausgehungert<br />

war und schlang das Essen mit Hilfe<br />

von Orangensaft und einem Kaffee in sich hinein.<br />

Er begann sich besser zu fühlen.<br />

„Was kommt jetzt? Die Zeitung holen und<br />

nach der Post sehen. Sehen was draußen los<br />

ist.“<br />

Rick verließ seine winzige Zweizimmerwohnung,<br />

ging die Treppe runter und trat<br />

auf eine ruhige Vorortstraße. Es waren viele<br />

Leute unterwegs die den sonnigen, warmen<br />

Morgen genossen. Einige Jogger, eine alte<br />

Frau die ihren Pudel Gassi führte, ein Kind<br />

auf einem Fahrrad. Keine Auren, kein rotes<br />

Monster. „Viel Besser!“<br />

Zum Laden war es ein Spaziergang von<br />

etwa 10 Minuten, und Rick bemerkte, dass er<br />

sich wünschte der Weg wäre länger. Er kaufte<br />

die Zeitung und klemmte sie sich unter den<br />

Arm. Er wollte noch nicht in seine Wohnung<br />

zurück, daher schlug er den Weg zum Park<br />

ein. Er konnte sich genau so gut in die Sonne<br />

setzen und lesen, dachte er.<br />

Der Weg zum Park war länger als der zum<br />

Laden, ihm war warm geworden als er endlich<br />

eine freie Bank in der Sonne fand. Er<br />

überprüfte die Bank auf Vogelmist bevor er<br />

sich niederließ und die Zeitung auseinanderfaltete.<br />

Er sah sich kurz um. Kinder spielten<br />

Fußball, ein alter Chinese machte Tai Chi,<br />

ein junges Pärchen spielte mit einer Frisbee,<br />

mehrere Leute führten ihre Hunde aus. Rick<br />

fand die Hintergrundgeräusche beruhigend.<br />

Normal. Er wandte sich der Zeitung zu. Wie<br />

immer war die erste Seite voller unangenehmer<br />

Nachrichten. Er blätterte zu der angenehmeren<br />

Wochenendbeilage.<br />

„Entschuldigung,“ erklang eine zitternde<br />

www.anduin.de - kostenlos und unabhängig<br />

Stimme, „Darf ich mich setzten?“<br />

Es war eine Frau, alt genug um seine Großmutter<br />

zu sein.<br />

„Sicher,“ sagte Rick, und rutschte automatisch<br />

zur Seite um Platz zu machen.<br />

„Danke junger Mann. Ich bin recht müde.“<br />

„Kein Problem.“ Rick las im Immobilienteil<br />

einen Artikel über Ferienhäuser. Es würde<br />

ihm gefallen in ein Haus am Strand zu ziehen.<br />

Mit einem Garten. Das wäre nett. Er konnte<br />

beinahe die frische Seebriese spüren. Wie die<br />

Luft aus einem geöffneten Kühlschrank.<br />

Etwas stupste ihn am Fuß. Es war ein Hund.<br />

Ein Pudel. Seine Augen folgten der Leine bis<br />

zu der Hand der alten Dame. Sie saß immer<br />

noch da. Etwas mit ihren Augen stimmte<br />

nicht. Sie waren komplett schwarz, nichts<br />

weißes war zu sehen.<br />

„Hast du geglaubt du wärst uns entkommen?“<br />

Rick sprang panisch auf. Nein! Er saß immer<br />

noch da. Wie versteinert. Er konnte sich nicht<br />

bewegen. Seine Augen waren auf die der alten<br />

Dame geheftet.<br />

„Ah, so jung. So frisch. So… unerfahren.“<br />

Rick schrie innerlich auf. Ein Wimmern entwischte<br />

seiner Kehle.<br />

„Ein spontanes Erwachen. Sehr interessant.<br />

Sehr lecker.“<br />

Sie lispelte, dachte Rick aufgekratzt.<br />

„Komm mit mir junger Mann.“ Sie stand<br />

auf. Ihr Hund erhob sich geräuschlos um bei<br />

Fuß zu stehen. Rick stand auch auf und folgte<br />

ihr wie ferngesteuert als sie los ging. Sie blieb<br />

stehen. Rick wäre beinahe in sie hineingelaufen.<br />

Jemand blockierte ihren Weg.<br />

„Las ihn frei.“<br />

Es war der alte Chinese. Er war sogar noch<br />

kleiner als die alte Dame. Der Hund ließ ein<br />

dunkles Knurren vernehmen. Zu tief für seine<br />

kleine Kehle.<br />

„Laß ihn frei.“<br />

Rick sah das Bild vor sich flimmern, wie<br />

eine Fatamorgana. Die alte Dame begann<br />

sich zu verwandeln, es sah so aus als würde<br />

sie etwas auf dem Rücken tragen… einen<br />

Rucksack… oder Lederschwingen.<br />

Sie schrie irgend etwas. Zu viele Stimmen<br />

drangen aus ihrer Kehle. Es sah so aus als<br />

würde sie schwarzen Raus ausatmen. Rick<br />

schloß seine Augen als der Chinese so aussah<br />

als würde er wachsen und heller werden.<br />

„Zu hell.“ Er begann geblendet zu werden. Er<br />

versuchte verzweifelt stehen zu bleiben als<br />

heftige Windstöße die kein wirklicher Wind<br />

waren drohten ihn in die Luft zu wehen. Er<br />

ANDUIN <strong>94</strong><br />

konnte nicht atmen. Seine Haut brannte. Er<br />

fühlte sich als würde er am Rand eines Abgrundes<br />

stehen und sein Gleichgewicht verlieren.<br />

Er weinte und es war ihm scheißegal.<br />

„Heilige Maria, Mutter Gottes, bete für uns<br />

Sünder…“<br />

Es war vorbei. Es war als wären Stunden<br />

vergangen, aber es können nur Sekunden<br />

gewesen sein.<br />

„Mach die Augen auf.“<br />

Er lag auf seinem Rücken, im Gras. Er öffnete<br />

langsam seine Augen und blickte in<br />

das freundliche Gesicht des Chinesen dessen<br />

schwarze Augen zwinkerten. Schwarze<br />

Augen mit weißen Augäpfeln drumherum.<br />

„Gott sei Dank.“<br />

„Wo ist es hin? Was zum Henker ist passiert?“<br />

„Es ist weg. Und das ist gut so. Die Hölle<br />

war los.“<br />

„Was?“<br />

„Die Hölle. Setzt dich auf und ich werde es<br />

dir erklären so gut ich kann. Aber du wirst es<br />

nicht hören wollen.“<br />

Er hatte keinen Chinesischen Akzent. „Kein<br />

der Hell bekommt geblatenen Leis!.“ Kicherte<br />

Rick in sich hinein.<br />

„Für jemanden der fast von einem Seelenfresser<br />

verschlungen worden wäre bist du<br />

sehr dreist.“<br />

Rick wurde sofort ernst.<br />

„Ist es das was es war? Diese alte Dame?“<br />

„Das war keine alte Dame,“ erwiderte der<br />

Chinese. Zum ersten Mal bemerkte Rick die<br />

Ringe unter den Augen des Mannes. Der<br />

Mann legte sich neben ihn ins Gras. Fiel neben<br />

ihn, eher gesagt.<br />

„Wir haben vor ein paar Stunden von dir<br />

gehört. Wir haben gefühlt wie jemand den<br />

Äther erschüttert hat als würde er versuchen<br />

die Säulen des Himmels einzureißen.“<br />

„Du meinst letzte Nacht… als…“ Rick<br />

konnte den Gedanken nicht zu Ende bringen.<br />

„Ja. Du bist in den Äther vorgestoßen,<br />

in das was manche Leute als Astralebene<br />

bezeichnen. Es war als würde ein Felsen in<br />

einen bis dahin stillen See geschleudert werden.<br />

Du hast eine menge Wellen verursacht,<br />

Sohn – einen richtigen Platscher.“ Er machte<br />

eine kurze Pause und fuhr dann aufgeregt<br />

fort, „Ein spontanes Erwachen! Das ist schon<br />

seit einer langen Zeit nicht mehr vorgekommen.“<br />

Da war es wieder. „Ein spontanes was?“<br />

Der Chinese schüttelte seinen Kopf. Rick<br />

Seite 101

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!