Archäologie in Bernau bei Berlin - ABD-Dressler
Archäologie in Bernau bei Berlin - ABD-Dressler
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Torsten <strong>Dressler</strong><br />
<strong>Archäologie</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
15 Jahre <strong>Archäologie</strong> im Rahmen der Sanierung des<br />
Stadtkerns von <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Näher als Sie glauben.
Torsten <strong>Dressler</strong> (Autor)<br />
Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong> (Hrsg.)
<strong>Archäologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
15 Jahre <strong>Archäologie</strong> im Rahmen der Sanierung des Stadtkerns von <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Historische Ansicht <strong>Bernau</strong>s, Merian 1652<br />
1
Inhalt<br />
2<br />
Vorwort 4<br />
1. Kurzdarstellung der Besiedlungs- und Stadtgeschichte<br />
Urgeschichtliche Besiedlungsphasen 6<br />
Frühdeutsche Phase / Stadtgründung 13<br />
2. Stadtbefestigung<br />
Stadtmauer 18<br />
Stadtgraben und Wallanlage 19<br />
Stadtpark 19<br />
Stadtgraben – Am Angergang, Klementstraße und Berl<strong>in</strong>er Straße 63-69 21<br />
Stadttore 22<br />
Berl<strong>in</strong>er Tor 22<br />
Mühlentor 24<br />
Ste<strong>in</strong>tor 25<br />
Südlicher Stadtmauerweg zwischen Alte Goethestraße und Ste<strong>in</strong>tor (1. BA) 31<br />
Östlicher Stadtmauerweg zwischen Ste<strong>in</strong>tor und Parkstraße (6. BA) 34<br />
Nördlicher Stadtmauerweg zwischen Parkstraße und Mühlenstraße (5. BA) 36<br />
Äußerer nördlicher Stadtwall an der Jahnstraße / Alte Ladeburger Straße 43<br />
3. Kirchen, Hospitäler und Friedhöfe<br />
St.-Marien-Kirche 44<br />
Friedhof an der St.-Mariern-Kirche 52<br />
Friedhöfe vor dem Mühlentor, vor dem Ste<strong>in</strong>tor und jüdischer Friedhof 58<br />
Hospitäler 58<br />
St.-Georgen-Hospital 59<br />
Heilig-Geist-Hospital 62<br />
St.-Gertrauden-Hospital 62<br />
Kaland / Gaststätte „Schwarzer Adler“ 65
4. Städtische Gebäude und E<strong>in</strong>richtungen<br />
Rathaus 66<br />
Late<strong>in</strong>schule, Am Kirchplatz 10 69<br />
Mühlen: Roßmühle, W<strong>in</strong>dmühlen auf dem Mühlenberg, Wassermühle an der Panke 69<br />
5. Grundstücke, Gebäude, Straßen und Plätze<br />
Marktplatz 70<br />
Marktplatz 1 (ehemaliges „Raumsches Haus“) 71<br />
Marktplatz 3 und 5 (Hakenbuden) 72<br />
Richtplatz 73<br />
Am Henkerhaus 74<br />
Hohe Ste<strong>in</strong>straße zwischen Kirchgasse und Mühlenstraße 75<br />
Hohe Ste<strong>in</strong>straße 16 78<br />
Kirchgasse 3-5 80<br />
Mühlenstraße und Grünstraße 81<br />
Grünstraße, Tuchmacherstraße und Neue Straße 85<br />
Brauerstraße und Breite Straße 92<br />
Brauerstraße 9 94<br />
Brauerstraße 11 95<br />
Brauerstraße 16-18 95<br />
Louis-Braille-Straße 97<br />
Bürgermeisterstraße 2 98<br />
Bürgermeisterstraße 4 99<br />
Bürgermeisterstraße 6 99<br />
Klementstraße 2 100<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 52 101<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 102<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 24 / Ecke Brauerstraße 105<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 33-35 106<br />
Brüderstraße 10 und 12 107<br />
Ste<strong>in</strong>torplatz (Brunnen) 107<br />
Hussitenstraße 109<br />
Literatur / Glossar / Bildnachweis / Impressum 114<br />
3
Vorwort<br />
Mit dieser Publikation der Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong> soll allen an der Stadt- und Besiedlungsgeschichte<br />
<strong>in</strong>teressierten Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern e<strong>in</strong> zusammenfassender<br />
Überblick über die <strong>in</strong>teressantesten Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen<br />
im Stadtkern der vergangenen 15 Jahre allgeme<strong>in</strong>verständlich <strong>in</strong> die Hand gegeben<br />
werden.<br />
Diese Untersuchungsergebnisse, aus der Tiefe unserer mittelalterlichen Stadt ans<br />
Tageslicht gegraben, führen uns nicht nur zurück <strong>in</strong> das Leben und Wirken unserer<br />
<strong>Bernau</strong>er Vorfahren, sondern s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> unschätzbarer Beitrag für die Beschreibung<br />
unseres bisherigen Bildes über die wechselvolle Stadtentwicklung <strong>in</strong>sgesamt. Dies<br />
gilt besonders auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund, dass im Rahmen des Flächenabrisses der<br />
1970er und 1980er Jahre ke<strong>in</strong>e systematische archäologische Begleitung der Bodene<strong>in</strong>griffe<br />
erfolgte – e<strong>in</strong> leider verpasster E<strong>in</strong>stieg umfassenden Erkenntnisgew<strong>in</strong>ns<br />
über untergegangene Ereignisse und Zustände aus alten Zeiten.<br />
Mehr als 14 Mio. € Städtebaufördermittel wurden <strong>in</strong> den zurückliegenden 15 Jahren<br />
für die Erneuerung von Straßen, Wegen und Plätzen sowie von Bürgerhäusern,<br />
Türmen, Toren, Kirche und Rathaus im Sanierungsgebiet Stadtkern e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erheblichem Umfang private Gelder sowie Mittel anderer<br />
Fördergeber für die Sanierung vorhandener Gebäude und die Neubebauung von<br />
Brachflächen zur Verfügung gestellt und <strong>in</strong>vestiert worden.<br />
Die im Stadtbild unübersehbaren Ergebnisse der durchgeführten Bau- und Erschließungsmaßnahmen<br />
wurden häufig mit archäologischen Untersuchungen<br />
verbunden, die nach dem Denkmalschutzgesetz immer dann erforderlich s<strong>in</strong>d,<br />
wenn e<strong>in</strong> Bauvorhaben <strong>in</strong> bedeutungsvollen Boden e<strong>in</strong>greift. Die Kosten für die<br />
archäologische Begleitung hat der Bauherr zu tragen – e<strong>in</strong>e nahezu unabwendbare<br />
Belastung, für die immer wieder um Verständnis geworben werden muss.<br />
Die nach Abschluss jeder beauflagten Maßnahme für das Brandenburgische<br />
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologische Museum (BLDAM) zu<br />
erstellende Dokumentation steht der Fachöffentlichkeit zur Verfügung.<br />
4
Der Autor, Archäologe Torsten <strong>Dressler</strong>, der für e<strong>in</strong>en Teil der Grabungen selbst<br />
verantwortlich zeichnet, hat die im BLDAM aus den vergangenen 15 Jahren vorliegenden<br />
fast 30 Berichte ausgewertet, zusammengefasst und aufbereitet. Mit<br />
der auch für Nichtfachleute verständlichen Form <strong>in</strong> Wort und Bild <strong>in</strong>spiriert er ganz<br />
sicher den Leser, sich aus dem Schatz der Grabungsfunde e<strong>in</strong> lebendiges Stadtleben<br />
mit Handwerk, Gewerbe, Brunnen, Stadtgräben und Bauwerken <strong>in</strong> stolzen und<br />
kummervollen Zeiten an den ehemals sumpfigen Wiesen der Panke vorstellen<br />
zu können und vielleicht aus den Details kle<strong>in</strong>e Geschichten zu erf<strong>in</strong>den.<br />
Dafür ist ihm herzlich zu danken.<br />
Der nachfolgenden Vorstellung der e<strong>in</strong>zelnen Grabungsergebnisse ist e<strong>in</strong>e kurze<br />
Zusammenfassung der Stadt- und Siedlungsgeschichte vorangestellt.<br />
Viel Erkenntnisfreude an der vorliegenden Broschüre wünscht Ihnen<br />
Friedemann Seeger<br />
Planungsamtsleiter<br />
5
1. Kurzdarstellung der<br />
Besiedlungs- und Stadtgeschichte<br />
<strong>Bernau</strong> liegt auf e<strong>in</strong>er Grundmoränenplatte am Rand des Hohen Barnim <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe<br />
um 70 m DHHN (Deutsches Haupthöhennetz). Der Untergrund des Stadtgebiets<br />
besteht aus Geschiebemergel und -kies der weichselzeitlichen Grundmoränenbildung<br />
sowie aus sandigen bis kiesigen Sedimenten der glazialen Niederterrassen der Flüsse. 1<br />
Der sandig-lehmige Moränenboden wird im engeren Ortsbereich durch fluviale Sande<br />
überdeckt, die besonders im Norden der Altstadt anzutreffen s<strong>in</strong>d. 2 Die Stadt bef<strong>in</strong>det<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nach Süden leicht geneigten Hanglage, der südliche Stadtrand stößt an<br />
e<strong>in</strong> ehemals sumpfiges Niedermoorgebiet, das Quellgebiet der Panke. Diese Hanglage<br />
bee<strong>in</strong>flusste auch die Bauweise der gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtverteidigungsanlagen:<br />
Während im Süden das Mauervorland durch den Sumpf geschützt<br />
war, mussten im Norden bis zu 8,00 m tiefe Gräben ausgehoben werden, um e<strong>in</strong>e<br />
Bewässerung der Stadtgräben durch die südlich der Stadt vor<strong>bei</strong>fließende Panke zu<br />
erreichen. Die feuchte Niederung ist heute durch den Bahnhof überbaut. Reste von<br />
Wassergräben und Teichen s<strong>in</strong>d aber besonders zwischen Goethestraße und Ste<strong>in</strong>tor<br />
<strong>in</strong> Park- und Gartenanlagen noch erhalten.<br />
Urgeschichtliche Besiedlungsphasen<br />
Vor der Anlage und Gründung der deutschrechtlichen Stadt <strong>Bernau</strong>, die erstmals<br />
1292 urkundlich erwähnt wurde3 , wurde das Gebiet <strong>in</strong> und um <strong>Bernau</strong> bereits<br />
<strong>in</strong> urgeschichtlicher Zeit besiedelt [1]. E<strong>in</strong> über mehrere Epochen immer wieder<br />
bevorzugt besiedelter Platz war der Bereich südlich und südöstlich der Panke<br />
bzw. der Rohrwiesen: beg<strong>in</strong>nend <strong>in</strong> der Ste<strong>in</strong>zeit (Mesolithikum und Neolithikum;<br />
5. Jahrtausend-2. Jahrtausend v. Chr.) 4 , sich fortsetzend sowohl <strong>in</strong> der mittleren<br />
(15.-13. Jahrhundert v. Chr.) bzw. besonders siedlungs<strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> der jüngeren<br />
Bronzezeit (sog. Lausitzer Kultur ca. 12. Jahrhundert v. Chr.-1. Hälfte des 8. Jahrhunderts<br />
v. Chr.) 5 mit ausgedehnter mehrphasiger Siedlung und Gräberfeld östlich<br />
von <strong>Bernau</strong> (stellenweise auch im heutigen Stadtgebiet) als auch noch sehr <strong>in</strong>tensiv<br />
6<br />
1 Vgl. Geologische Übersichtskarte des Landes<br />
Brandenburg, 1997.<br />
Anmerkung:<br />
Die Weichsel-Kaltzeit – oder auch Weichsel-Glazial<br />
genannt – ist die bisher jüngste der <strong>in</strong> Nordeuropa<br />
und im nördlichen Mitteleuropa aufgetretenen<br />
Vergletscherungsphasen (Glazial) des pleistozänen<br />
Eiszeitalters. In absoluten Zahlen ausgedrückt, begann<br />
die Weichsel-Kaltzeit vor ca. 115.000 Jahren und<br />
endete vor 11.700 Jahren.<br />
2 Vgl. im Folgenden Domnick et al., 2003.<br />
Der Barnim selbst ist e<strong>in</strong> sanfter Höhenrücken<br />
zwischen Berl<strong>in</strong> und Eberswalde mit e<strong>in</strong>er maximalen<br />
Höhe 158 m über NN (veraltet: Normalnull), gebildet<br />
aus Grundmoränen und kle<strong>in</strong>en Sandern. Das Plateau<br />
des Barnims wird zerschnitten von e<strong>in</strong>er schmalen,<br />
eiszeitlichen R<strong>in</strong>ne – dem Gamengrund –, <strong>in</strong> dem sich<br />
mehrere aufe<strong>in</strong>anderfolgende schmale Seen bef<strong>in</strong>den.<br />
Die Oberflächengestalt des Barnims wurde im<br />
Wesentlichen durch die <strong>bei</strong>den letzten Eiszeiten geprägt:<br />
Während der Saale-Eiszeit, <strong>bei</strong> der die Gletscher<br />
aus Skand<strong>in</strong>avien bis nach Norddeutschland vordrangen,<br />
modellierten die Eismassen und die späteren<br />
Abschmelzvorgänge die Grundform des Barnimrückens.<br />
Während des zweiten Eisvorstoßes der Weichselzeit<br />
erhielt das Gebiet <strong>in</strong> Form der hochaufragenden Endmoränen<br />
se<strong>in</strong>e heutige Gestalt.
3 Riedel, A VIII, S. 186 (1296); A XII, S. 413 (1300) und<br />
S. 166 (1391); Friske 2000, S. 67.<br />
4 Vgl. Fundstellenverzeichnis zu <strong>Bernau</strong>, Kreis Barnim,<br />
Messtischblatt 3347 und 3246. Fundplätze der Ste<strong>in</strong>zeit:<br />
Nr. 2, 13, 15, 17 und 20.<br />
5 Vgl. Fundstellenverzeichnis zu <strong>Bernau</strong>, Kreis Barnim,<br />
Messtischblatt 3347 und 3246. Fundplätze der Bronzezeit:<br />
Nr. 3/8.45.50, 4, 5, 8, 11, 12, 13, 15, 17 und 18.<br />
[1] Urmesstischblatt 3347<br />
(<strong>Bernau</strong> von 1839) mit den<br />
Fundplätzen der Urgeschichte<br />
Fundplatz Ste<strong>in</strong>zeit (vor 7000 v. Chr.)<br />
Fundplatz Bronzezeit (2200-1200 v. Chr.)<br />
Fundplatz Vorrömische Eisenzeit (450-100 v. Chr.)<br />
Fundplatz Römische Kaiserzeit (100 v. Chr.-400 n. Chr.)<br />
Fundplatz Slawenzeit (500-1200 n. Chr.)<br />
Fundplatz Wüstung Dt. Mittelalter (600-1500 n. Chr.)<br />
7
<strong>in</strong> der vorrömischen Eisenzeit (Mitte des 8. Jahrhundert v. Chr.-Zeit um Christi<br />
Geburt) 6 und anschließend – wenn auch s<strong>in</strong>gulär am Fundplatz <strong>Bernau</strong> 6 – <strong>in</strong> der<br />
Römischen Kaiserzeit (1.-5. Jahrhundert n. Chr.) 7 . Hier stieß man <strong>bei</strong> Rigolenar<strong>bei</strong>ten<br />
<strong>in</strong> Höhe der He<strong>in</strong>ersdorfer Straße 33-35 auf e<strong>in</strong>em zu denPankewiesen abfallenden<br />
Gelände am südwestlichen Stadtrand auf mehrere Brandstellen, die u. a. die Reste<br />
e<strong>in</strong>es Kumpfes mit e<strong>in</strong>ziehender Mündung der Römischen Kaiserzeit enthielten.<br />
Ungeklärt bleibt der Fundzusammenhang, wo<strong>bei</strong> man damals angeblich neben<br />
größeren Mengen an kaiserzeitlichen Scherben auch e<strong>in</strong>ige Münzen barg. 8<br />
Insbesondere vom Fundplatz <strong>Bernau</strong> 13 – <strong>in</strong> der Niederung und am Hang südlich zur<br />
Panke und den Rohrwiesen gelegen – stammen viele urgeschichtliche Fundobjekte<br />
verschiedener Siedlungsperioden: Bei Oberflächen- und Flurbegehungen wurden<br />
aus der Ste<strong>in</strong>zeit u. a. neben den typischen Silexgeräten, Fl<strong>in</strong>tabschlägen, Stichel,<br />
Kratzer, Schaber, Kl<strong>in</strong>gen mit und ohne Retusche, Resten von Kernste<strong>in</strong>en auch e<strong>in</strong>ige<br />
querschneidige mikrolithische Pfeilspitzen geborgen [2]. 9 Aus der späten Bronzezeit<br />
stammen e<strong>in</strong>ige grob gemagerte und unverzierte Keramikfragmente sowie aus der<br />
jüngeren vorrömischen Eisenzeit u. a. e<strong>in</strong>ige Henkelstücke, Wandungsscherben mit<br />
Kornabdrücken und Randstücke mit scharf ausladenden Rändern [3]. Die hier ebenfalls<br />
geborgene spätslawische Keramik weist die charakteristische Kammstrichverzierung10<br />
bzw. Gurtfurchen- und Wellenverzierung auf; weitere Siedlungsfunde s<strong>in</strong>d<br />
Hüttenlehmreste und Eisenschlacketeile. 11<br />
E<strong>in</strong>e ähnliche Siedlungstätigkeit – Ste<strong>in</strong>zeit, Bronzezeit und Slawenzeit – zeichnet sich<br />
<strong>bei</strong>m Fundplatz <strong>Bernau</strong> 15 ab: Neben den bekannten ste<strong>in</strong>zeitlichen Silexgeräten und<br />
8<br />
[2] Silexgeräte<br />
6 Vgl. Fundstellenverzeichnis zu <strong>Bernau</strong>,<br />
Kreis Barnim, Messtischblatt 3347 und 3246.<br />
Fundplätze der Vorrömischen Eisenzeit: Nr. 3/8,<br />
8, 11 und 13.<br />
7 Vgl. Fundstellenverzeichnis zu <strong>Bernau</strong>,<br />
Kreis Barnim, Messtischblatt 3347 und 3246.<br />
Fundplatz der Römischen Kaiserzeit: Nr. 6.<br />
8 BLDAM-Fundmeldung zu Fundplatz 6.<br />
9 BLDAM-Fundmeldung vom 11. 02. 1985<br />
(F<strong>in</strong>der: R. Rohrlack, H. Haase, A. Thiele,<br />
D. Symkowski/Berl<strong>in</strong>), vom 10.09.1985<br />
(F<strong>in</strong>der: Hr. Ullrich/Berl<strong>in</strong>) sowie vom<br />
06.04.1975 (B. Fischer/Zeuthen).<br />
10 BLDAM-Fundmeldung vom 11. 02. 1985<br />
(F<strong>in</strong>der: R. Rohrlack, H. Haase, A. Thiele,<br />
D. Symkowski/Berl<strong>in</strong>).<br />
11 BLDAM-Fundmeldung vom 06.04.1975<br />
(F<strong>in</strong>der: B. Fischer/Zeuthen).
12 BLDAM-Fundmeldung vom 15.09.1974 und<br />
06.04.1975 (F<strong>in</strong>der B. Fischer/Zeuthen) sowie<br />
vom 10.09.1985 (F<strong>in</strong>der: Hr. Ullrich/Berl<strong>in</strong>).<br />
13 BLDAM-Fundmeldung von November 1982<br />
(F<strong>in</strong>der: B. Fischer/Zeuthen).<br />
14 BLDAM-Grabungskurzbericht vom 10.01.1995<br />
(B. Wittkopp/ehemals GAD Berl<strong>in</strong>).<br />
15 BLDAM-Fundmeldung vom 04. u. 06.04.1973<br />
(F<strong>in</strong>der: B. Fischer). Unter den vielen Gefäßfragmenten<br />
waren u. a. Tellerschalenränder vom Köpenicker<br />
Typ und solche mit facettierten (gegliederten und<br />
abgestuften) Rändern, Rand- und Wandungsscherben<br />
von hohen gerauhten Töpfen sowie von rillen- und<br />
dellenverzierten Gefäßen.<br />
[3] Zwei Gefäße aus der<br />
jüngeren vorrömischen<br />
Eisenzeit<br />
Kl<strong>in</strong>gen traten bronzezeitliche sowie gurtfurchenverzierte spätslawische Keramikfragmente<br />
auf. 12 Im Bereich des Fundplatzes <strong>Bernau</strong> 17 weisen die Fundobjekte – e<strong>in</strong><br />
Kernste<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>ige bronzezeitliche Gefäßscherben – auf e<strong>in</strong>e Besiedlung <strong>in</strong> der<br />
Ste<strong>in</strong>- und Bronzezeit h<strong>in</strong>. 13<br />
Der Fundplatz <strong>Bernau</strong> 11 lokalisiert die umfangreichste spätbronzezeitliche Siedlung<br />
<strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> Süd im Bereich der Pegasusstraße: Beim Siedlungsneubau wurde durch die<br />
ehemalige Gesellschaft für archäologische Denkmalpflege (GAD) im Jahre 1994 e<strong>in</strong>e<br />
Fläche von knapp 6.000 qm baubegleitend <strong>in</strong> mehreren Abschnitten untersucht. 14<br />
Das dokumentierte Gelände liegt auf e<strong>in</strong>em Abhang und wird im Westen vom<br />
Wiesengraben sowie im Osten von der Pegasusstraße begrenzt.<br />
Bereits 1973 konnte der F<strong>in</strong>der B. Fischer <strong>bei</strong>m DDR-Plattenbau südöstlich der o. g.<br />
Pegasusstraße bzw. östlich der Rohrwiesen und etwa 400 m südlich der Straße nach<br />
Börnicke mehrere dunkle Siedlungsgruben mit zahlreichen spätbronzezeitlichen<br />
Scherben, zerglühten Ste<strong>in</strong>en, Hüttenlehm und Pfostenlöchern feststellen. 15<br />
Weitere Oberflächenfunde von diesem bedeutenden bronzezeitlichen Siedlungsplatz<br />
lieferten ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger im Jahre 1983 ab: Darunter befanden<br />
sich z. T. mit Schrägriefen, Dellen, Doppelrillen und Strichen verzierte bronzezeitliche<br />
Keramikscherben sowie scharfkantige, von ehemaligen Herdstellen geschwärzte<br />
Feldste<strong>in</strong>e. E<strong>in</strong>e Scherbe enthielt noch e<strong>in</strong>en Getreideabdruck, was wiederum den<br />
2 cm<br />
9
eständigen Siedlungscharakter dieses Fundplatzes unterstreicht. 16 Bei der großflächigen<br />
Untersuchung im Jahre 1994 traten u. a. drei spätbronzezeitliche Brunnen<br />
mit Holzbefunden, neun Herdstellen, diverse Ste<strong>in</strong>packungen, etliche Siedlungs- und<br />
Pfostengruben, die z. T. Hausgrundrisse ergaben, sowie e<strong>in</strong> im Grundriss vollständig<br />
erfasstes Grubenhaus auf. Erwartungsgemäß stellen die größtenteils kle<strong>in</strong>fragmentierten<br />
Keramikscherben der Spätbronzezeit und Frühen Eisenzeit den größten Anteil<br />
an den geborgenen Fundobjekten dar. An Verzierungen lassen sich die für diese<br />
Epoche typischen Kanneluren, Ritzverzierungen, F<strong>in</strong>gerkniffe und -knubben erkennen.<br />
Rekonstruierbare Gefäße s<strong>in</strong>d u. a. e<strong>in</strong>e Tasse mit Omphalosboden (Gefäßboden mit<br />
Buckel bzw. Wölbung), e<strong>in</strong>e weitere Tasse mit Kannelurverzierung (Objekt mit Rillen<br />
bzw. konkaven Furchen), e<strong>in</strong> Vorratsgefäß mit aufgerauhter Oberfläche (unebene,<br />
aufgeraute Oberfläche i. d. R. urgeschichtlicher Keramik) sowie e<strong>in</strong> Teller mit flachem<br />
Rand. Daneben kamen aber auch andere typische Siedlungsfunde zutage: e<strong>in</strong> Flach<strong>bei</strong>l<br />
aus geschliffenem Grünste<strong>in</strong>, mehrere Silexabschläge und -kl<strong>in</strong>gen, drei Reibste<strong>in</strong>e<br />
als Läufer und e<strong>in</strong> Mahlste<strong>in</strong>, etliche bear<strong>bei</strong>tete Tierknochen, Hüttenlehm,<br />
Holzkohle, e<strong>in</strong> Webgewicht, e<strong>in</strong>e Perle sowie Schlacke- und Eisenreste und Glas.<br />
Bei der Erweiterung des Neubaugebietes nördlich der Pegasusstraße im Folgejahr<br />
1995 war e<strong>in</strong>e archäologische Baubegleitung durch die ehemalige Firma GAD<br />
gewährleistet. 17 Immerh<strong>in</strong> erweiterte sich die Untersuchungsfläche um ca. 950 qm,<br />
wodurch sich die Chance und Notwendigkeit ergab, die Ausdehnung dieser Siedlung<br />
der Spätbronzezeit und Frühen Eisenzeit genauer zu def<strong>in</strong>ieren. Wiederum konnten<br />
mehrere Siedlungs- und Pfostengruben, die sich z. T. zu rechteckigen Hausgrundrissen<br />
rekonstruieren ließen, dokumentiert werden. Dieser konstante Siedlungscharakter<br />
wurde durch den Nachweis von Feuerstellen, Ste<strong>in</strong>setzungen und e<strong>in</strong>er<br />
Gefäßdeponierung unterstrichen. Das Bild der geborgenen Keramik entspricht genau<br />
dem der vorangegangenen Kampagne im Jahre 1994; allerd<strong>in</strong>gs gelang hier die<br />
Bergung e<strong>in</strong>es ca. 50 cm hohen vollständigen Vorratsgefäßes mit aufgerauhter<br />
Oberfläche. Auch die übrigen Funde wie Silexkl<strong>in</strong>gen und -abschläge, Webgewicht,<br />
Reibste<strong>in</strong>, bear<strong>bei</strong>tete Tierknochen, Eisenschlacke und Hüttenlehm stellen <strong>in</strong> der<br />
Summe e<strong>in</strong>e Fortsetzung von 1994 dar.<br />
Im Umfeld des ehemaligen, im Anfang des 17. Jahrhunderts wüst gefallenen Dorfes<br />
L<strong>in</strong>dow bzw. des L<strong>in</strong>dower Feldes – Fundplatz <strong>Bernau</strong> 5 – fand e<strong>in</strong> <strong>bei</strong> Schachtungs-<br />
10<br />
16 BLDAM-Fundmeldung vom 22.08.1983<br />
(F<strong>in</strong>der: R. Rohrlack, J. Piskulla und<br />
D. Symkowski/Berl<strong>in</strong>).<br />
17 BLDAM-Grabungskurzbericht vom 19.11.1995<br />
(A. Krämer/ehemals Fa. GAD Berl<strong>in</strong>).
18 BLDAM-Fundmeldung von 1931 (gez. W. Hedergott).<br />
19 BLDAM-Fundmeldung vom 07.09.1954<br />
(F<strong>in</strong>der: H. Netzker/<strong>Bernau</strong>; Fundbericht von<br />
Hr. W<strong>in</strong>kler/Kreisbodendenkmalpfleger und<br />
Museumsleiter) und von Oktober 1954<br />
(Hr. W<strong>in</strong>kler/Heimatmuseum <strong>Bernau</strong>).<br />
[4] Zwei Buckelurnen<br />
aus der Späten Bronzezeit<br />
ar<strong>bei</strong>ten beschäftigter Kle<strong>in</strong>siedler um 1930 viele bronzezeitliche Scherben, darunter<br />
e<strong>in</strong>e Henkeltasse. 18 Südwestlich davon <strong>in</strong> Richtung Zepernick stammen vom Fundplatz<br />
<strong>Bernau</strong> 4 laut e<strong>in</strong>er Fundmeldung von 1930 mehrere zerscherbte bronzezeitliche<br />
Urnen, die teilweise von e<strong>in</strong>er Ste<strong>in</strong>packung umgeben waren und im Innern<br />
Leichenbrand enthielten. Charakteristisch s<strong>in</strong>d hierfür terr<strong>in</strong>enartige Buckelurnen<br />
aus der Späten Bronzezeit (etwa 1200 -700 v. Chr.), der so genannten Lausitzer<br />
Kultur, <strong>in</strong> der Brandbestattungen bevorzugt wurden [4]. Die Graburnen enthielten<br />
noch teilweise den Leichenbrand, der <strong>bei</strong> jüngeren Grabungen für anthropologische<br />
Bestimmungen benutzt wird. Der Verstorbene wurde auf der Ustr<strong>in</strong>e am Rande des<br />
Gräberfeldes verbrannt, weshalb von den Grab<strong>bei</strong>gaben des Toten meist nur wenig<br />
erhalten ist. Jedoch wurden Überreste des verbrannten Toten mit großer Sorgfalt<br />
aus dem Scheiterhaufen gelesen, gere<strong>in</strong>igt und möglichst <strong>in</strong> anatomischer Ordnung<br />
wieder <strong>in</strong> die Urne geschichtet.<br />
E<strong>in</strong> weiteres bekanntes Gräberfeld der Späten Bronzezeit sowie der vorrömischen<br />
Eisenzeit liefert der Fundplatz <strong>Bernau</strong> 8 an der Eberswalder Straße 32 gegenüber<br />
der Gaststätte „Weißer Hirsch“. 19 Hier fand man u. a. <strong>bei</strong> Rohrleitungsar<strong>bei</strong>ten im<br />
Bürgersteig <strong>in</strong> den Jahren 1954/55 zunächst e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne bronzezeitliche Urne mit<br />
e<strong>in</strong>em Bodendurchmesser von 13 cm, <strong>in</strong> der wiederum e<strong>in</strong>e weitere, kle<strong>in</strong>ere Urne<br />
2 cm<br />
11
mit Leichenbrand positioniert war. Beide stark zerscherbten Urnen waren mit e<strong>in</strong>er<br />
Deckplatte geschützt und konnten <strong>in</strong> Bruchstücken wieder zusammengesetzt<br />
werden. Später fanden sich <strong>in</strong> ca. 80 cm Tiefe <strong>bei</strong> Erdar<strong>bei</strong>ten für e<strong>in</strong>e neue Wasserleitung<br />
im Jahre 1963 <strong>in</strong> Höhe der Eberswalder Straße/Jahnstraße weitere aufgereihte<br />
Gefäße mit Leichenbrand, die jeweils auf Flachste<strong>in</strong>e gestellt und mit<br />
Deckste<strong>in</strong>en geschützt waren. Diese zerstörten Urnenbestattungen von vier Gräbern<br />
können aufgrund ihrer Machart und Verzierung <strong>in</strong> die vorrömische Eisenzeit datiert<br />
werden [5]. 20<br />
Die Scherben wurden wieder zu vollständigen Gefäßen zusammengesetzt. Darunter<br />
befand sich e<strong>in</strong>e schwarze Urne mit zwei Henkeln und Schnur-/Punktverzierungen,<br />
e<strong>in</strong>e rhombische Urne mit Leichenbrand sowie ferner e<strong>in</strong>e Schale, die über e<strong>in</strong><br />
anderes Gefäß gestülpt war.<br />
Vom heutigen Stadtkernbereich <strong>Bernau</strong>s gehören die urgeschichtlichen Funde fast<br />
ausnahmslos <strong>in</strong> die Späte Bronzezeit bzw. die vorrömischen Eisenzeit, so dass hier<br />
aufgrund der Funddichte und Zusammensetzung des Fundmaterials von e<strong>in</strong>er<br />
ausgedehnten unbefestigten Siedlungsstelle ausgegangen werden kann. Die erste<br />
Fundmeldung an bronzezeitlichen Funden aus dem Stadtkern <strong>Bernau</strong>s ist <strong>in</strong> den<br />
Ortsakten (Fundplatz <strong>Bernau</strong> 7) im Jahre 1930 vermerkt: Der Ackerbürger Ernst<br />
Frehde lieferte e<strong>in</strong>e Vielzahl an bronzezeitlichen Scherben aus grauem und rötlichem<br />
Ton – teilweise mit Wellenl<strong>in</strong>ien verziert – ab, die er <strong>bei</strong> Kanalisationsar<strong>bei</strong>ten auf<br />
se<strong>in</strong>em Grundstück <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Straße 51 barg. Von e<strong>in</strong>er nicht eher lokalisierbaren<br />
Humusdeponie aus dem Stadtkern stammt e<strong>in</strong>e Fundmeldung aus dem Jahre<br />
198321 : über 100 gut erhaltene, gerauhte sowie unverzierte glatte, blaugraue bis<br />
schwarze Wandungs- und Randscherben von größeren Vorratsgefäßen wie Rauhtöpfe<br />
mit Knubben oder Kegelhalsterr<strong>in</strong>en, aber auch von kle<strong>in</strong>eren Gefäßen wie Tassen,<br />
Näpfe, Turbanrandteller, Henkel- und Omphalosschalen. An Verzierungen treten<br />
neben Knubben, durchlöcherten Rändern, senk- und waagerechten sowie schrägen<br />
Riefen auch ovale Dellen, Ritzl<strong>in</strong>ien und plastische Leisten auf. Im Zuge der Neugestaltung<br />
und Medienneuverlegung am Platz vor dem Ste<strong>in</strong>tor im Jahre 2002 wurde<br />
durch die Archäologen e<strong>in</strong>e vorgeschichtliche, höchstwahrsche<strong>in</strong>lich spätbronzezeitliche<br />
Kulturschicht mit dazugehörigen Gruben und Keramikscherben dokumentiert. 22<br />
Nach den siedlungsleeren bzw. unkont<strong>in</strong>uierlichen Zeiten der Völkerwanderungszeit<br />
12<br />
20 BLDAM-Fundmeldung vom 09.12.1963<br />
(F<strong>in</strong>der: Mitar<strong>bei</strong>ter vom VEB (K) Wasserwirtschaft<br />
<strong>Bernau</strong>); Griesa 1982, S. 123.<br />
21 BLDAM-Fundmeldung vom 22.10.1983<br />
(F<strong>in</strong>der: P. Mikeska/Stahnsdorf).<br />
22 BLDAM-Grabungskurzbericht UBO 2002: 61 vom<br />
30.09.2002 (M. Engel/Dr. Th. Urban & Partner).<br />
[5] Urne aus der<br />
vorrömischen Eisenzeit
23 Vgl. Fundstellenverzeichnis zu <strong>Bernau</strong>, Kreis Barnim,<br />
Messtischblatt 3347 und 3246. Fundplatz der Slawenzeit:<br />
Nr. 10, 12, 13, 14, 15, 16 und 21.<br />
24 BLDAM-Fundmeldung vom 04.04.1973 und vom<br />
06.04.1975 (F<strong>in</strong>der: B. Fischer). Unter der geborgenen<br />
Keramik befanden sich neben unverzierten Gefäßresten<br />
auch e<strong>in</strong>e Randscherbe des sog. frühslawischen<br />
Prager Typs, e<strong>in</strong>e gurtfurchenverzierte spätslawische<br />
Gefäßscherbe sowie typisch frühdeutsche harte<br />
Grauware und Scherben mit Rollrädchenverzierung.<br />
25 BLDAM-Fundmeldung von 1979<br />
(Fundplatz 10).<br />
26 BLDAM-Fundmeldung vom 25.03.1983<br />
(F<strong>in</strong>der: Fr. A. Betke/Berl<strong>in</strong>). Der Fundplatz <strong>Bernau</strong> 16<br />
wurde aufgrund dieses Fundes e<strong>in</strong>getragen.<br />
27 Barthel, 2000, 41; Friske 2000, 67.<br />
28 Barthel, 2000, 41; Friske 2000, 67.<br />
29 Wernicke 1992, 283; He<strong>in</strong>rich 1995, 125;<br />
Dehio 2000, 70.<br />
markieren die Slawen – hier die frühslawische (8.- Anfang 10. Jahrhundert n. Chr.)<br />
und vor allem die spätslawische Phase (11. Jahrhundert - Anfang des 13. Jahrhunderts<br />
n. Chr.) – die nächste Siedlungsepoche im <strong>Bernau</strong>er Raum. 23 Wahrsche<strong>in</strong>lich bestand<br />
e<strong>in</strong>e slawische Siedlung mit Marktverkehr und Handelsbeziehungen auf dem<br />
heutigen Stadtgebiet; allerd<strong>in</strong>gs treten die slawischen Siedlungsfunde konzentriert<br />
eher südlich von <strong>Bernau</strong> bzw. der Panke auf. Interessanterweise liegt im Bereich<br />
des Fundplatzes 10 e<strong>in</strong> slawischer Siedlungsplatz neben e<strong>in</strong>er nachgewiesenen<br />
deutschen Wüstung24 ; e<strong>in</strong> Indiz für e<strong>in</strong>e zeitliche Überschneidung und Berührung<br />
<strong>bei</strong>der Bevölkerungsgruppen. Der F<strong>in</strong>der B. Fischer sieht aufgrund der geborgenen<br />
Keramik und lockeren Anordnung der dunklen Siedlungsgruben mit scharfkantigen<br />
und zerglühten Ste<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>en spätgermanischen bzw. frühslawischen Siedlungscharakter;<br />
verschiedene Gruben werden teilweise von der späteren frühdeutschen<br />
Siedlung überlagert. Hierzu gehören an Fundobjekten u. a. Eisenschlacke, zahlreiche<br />
Scherben von Kugeltöpfen, Eisenr<strong>in</strong>ge, e<strong>in</strong> Eisenmesser sowie Lehmbrockenstreuungen.<br />
E<strong>in</strong> besonderes Fundstück ist e<strong>in</strong> halber Brakteat aus der Zeit der ersten<br />
Hohenzollern, konkret der Regentschaft Friedrich II. von 1440-1470. 25<br />
E<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>gulären slawischen E<strong>in</strong>zelfund stellt e<strong>in</strong>en silbernen Schläfenr<strong>in</strong>g dar,<br />
der <strong>bei</strong>m Umgraben e<strong>in</strong>er Wiese im Jahre 1983 freigelegt wurde. 26<br />
Frühdeutsche Phase / Stadtgründung<br />
Um 1200 bis 1230 entstand im Zuge der Kolonisation des Barnim hier e<strong>in</strong> vorstädtischer<br />
Marktort. 27 Zwar ist der Zeitpunkt der Stadtgründung nicht überliefert,<br />
der Prozess muss aber gegen Ende 1300 abgeschlossen worden se<strong>in</strong>, da <strong>Bernau</strong><br />
schon 1296 als civitas (lat. Stadt) bezeichnet wird. 28 Als nicht gesichert gilt das Gründungsjahr<br />
1232, das auf den askanischen Markgrafen Albrecht den Bären bzw. den<br />
Markgrafen der Mark Brandenburg und Brüdern Otto III. und Johannes I. zurückgehen<br />
soll. 29 „Das Erste, welches zur Sicherung des Ortes geschah, nachdem derselbe mit den<br />
ihn von dem platten Lande unterscheidenden Privilegien, Markrecht, eigener Stadtgerichtsbarkeit,<br />
Stadtrecht etc. begabt worden, war dessen Befestigung durch Wälle,<br />
Gräben, vielleicht auch durch e<strong>in</strong>en Plankenzaun. Damit war der Stadt erst der eigentliche<br />
Schutz gewährt, und es konnten sich nun neben Ackerbau und Viehzucht Gewerbe<br />
13
und Handel entwickeln.“ 30 Ende des 14. Jahrhunderts war <strong>Bernau</strong> mit Marktplatz und<br />
gitterförmigem Straßennetz von e<strong>in</strong>er ste<strong>in</strong>ernen Mauer und Wall umgeben.<br />
<strong>Bernau</strong> war mit durchschnittlich ca. 2.000 bis 3.000 E<strong>in</strong>wohnern im Spätmittelalter<br />
im Verhältnis zu anderen Städten relativ dicht bevölkert; immerh<strong>in</strong> war die Stadt<br />
<strong>Bernau</strong> die bevölkerungsreichste Stadt des Barnim. 31 Noch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts<br />
war die große Stadtkirche <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er dreischiffigen Basilika aus Feldste<strong>in</strong><br />
fertiggestellt worden. E<strong>in</strong>e weitere, noch heute erhaltene geistliche E<strong>in</strong>richtung ist die<br />
St.-Georgen-Kapelle des gleichnamigen Hospitals nördlich des Mühlentores aus dem<br />
14./15. Jahrhundert.<br />
Die verkehrsgünstige Lage <strong>Bernau</strong>s – an Furten durch die sumpfige Pankeniederung<br />
gelegen – erwies sich vor allem <strong>in</strong> wirtschaftlicher H<strong>in</strong>sicht als förderlich: Die Stadt<br />
<strong>Bernau</strong> erfuhr überregionale Bedeutung, als e<strong>in</strong>e Fernhandelsroute von Berl<strong>in</strong> nach<br />
Oderberg und e<strong>in</strong>e Fernstraße von Berl<strong>in</strong> über Angermünde nach Stett<strong>in</strong> über <strong>Bernau</strong><br />
geführt wurde. 32<br />
Der regelmäßige, abgerundet-viereckige Stadtgrundriss mit gitterförmigem Straßennetz<br />
wird im höchsten Stadtbereich, der um 1519 geweihten St.-Marien-Kirche, durch<br />
radial angelegte Straßen bzw. auf die Kirche zugeschnittene Straßenführung unterbrochen,<br />
was auf e<strong>in</strong>en älteren, später <strong>in</strong>tegrierten Siedlungskern an dieser Stelle<br />
schließen lässt [6-7]. 33<br />
14<br />
30 Wernicke 1992, 283.<br />
31 Friske 2000, 69.<br />
32 Siedler, 1914, 99.<br />
33 Siedler, 1914, 76; Dehio 2000, 125; Friske 2000, 69.<br />
[6] Luftbild des<br />
Siedlungskerns mit<br />
der Kirche<br />
[7] <strong>Bernau</strong>er<br />
St.-Marien-Kirche
34 Domnick, 2003, 60.<br />
35 Scäuble, 2005, 10 ; Wittkopp 2000, 122.<br />
36 Barthel, 2000, 43.<br />
37 He<strong>in</strong>rich, 1973, 125.<br />
38 Friske 2000, 68 Anm. 272.<br />
[8] Darstellung der archäologisch<br />
dokumentierten<br />
Bereiche (Stand 2010)<br />
anhand e<strong>in</strong>es rekonstruierten<br />
Stadtgrundrisses <strong>Bernau</strong>s<br />
um 1620 nach dem Stich<br />
von Merian<br />
[9] Sühnekreuz vor der<br />
Berl<strong>in</strong>er St.-Marien-Kirche<br />
Dies ist <strong>in</strong>zwischen archäologisch bestätigt worden, da <strong>bei</strong> verschiedenen Ausgrabungen<br />
<strong>in</strong>nerhalb und um die St.-Marien-Kirche sowohl die Überreste der ursprünglichen<br />
romanischen Basilika, dem Vorgängerbau der heutigen Kirche, als auch Spuren<br />
e<strong>in</strong>er slawischen und frühdeutschen Siedlung entdeckt wurden. 34<br />
An die St.-Marien-Kirche schloss sich der alte städtische Friedhof an. 1598 wurde<br />
im Zuge e<strong>in</strong>er Pestepidemie wegen Überbelegung e<strong>in</strong> weiterer Friedhof vor dem<br />
Mühlentor angelegt. 35<br />
Gesichert ist e<strong>in</strong>e Propstei <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> im 14. Jahrhundert: Nachdem der Propst<br />
Nikolaus von <strong>Bernau</strong> im Jahre 1325 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> erschlagen worden war, musste e<strong>in</strong><br />
Sühnekreuz am Portal der Berl<strong>in</strong>er St. Marienkirche errichtet werden [9].<br />
Die den Markgrafen direkt unterstellte Immediatstadt (Stadt unter direkter<br />
Herrschaft des Königs oder Kaisers) trat 1393 dem mittelmärkischen Städtebund<br />
<strong>bei</strong>, um sich u. a. gegen die damaligen Ritterfehden zur Wehr zu setzen. 36 Die außergewöhnlich<br />
stark befestigte Stadt mit fast 1.500 m langer und ca. 6-7 m hoher Stadtmauer<br />
und Wallanlage trotzte 1402 den Angriffen e<strong>in</strong>es Heeres unter Führung der<br />
Quitzows sowie der Belagerung durch die Hussiten im Jahr 1432, was den Abzug des<br />
Hussitenheeres aus der Mittelmark zur Folge hatte. 37 Vor <strong>Bernau</strong> wurden die Hussiten<br />
am 22./23. April 1432 erfolgreich zurückgeschlagen. 38<br />
15
Bedeutendste Gewerbe der Ackerbürgerstadt waren seit dem späten Mittelalter<br />
bis zum Dreißigjährigen Krieg neben der Landwirtschaft als Haupterwerbszweig39 die Tuchmacherei, das Brauereiwesen und der Bierhandel, durch den das <strong>Bernau</strong>er<br />
Bier e<strong>in</strong>en hohen Bekanntheitsgrad und weite Verbreitung <strong>in</strong> der Mark erlangte. Das<br />
„männerbezw<strong>in</strong>gende“ <strong>Bernau</strong>er Schwarzbier schenkten im Mittelalter immerh<strong>in</strong><br />
13 märkische Städte und 47 Gaststätten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aus. 40 Der E<strong>in</strong>fluss und die ökonomische<br />
Potenz der wohlhabenden Handwerkszunft der Tuchmacher lässt sich u. a. an<br />
ihrer Stiftung des St.-Georgen-Hospitals vor den Toren der Stadt im Jahr 1328 ablesen.<br />
1406 und 1485 zerstörten Großbrände weite Teile der Stadt, wo<strong>bei</strong> derjenige von<br />
1406 u. a. das Rathaus betraf und den alten Urkundenbestand vernichtete41 sowie<br />
derjenige von 1485 die halbe Stadt <strong>in</strong> Mitleidenschaft zog. Trotz mehrerer Pestepidemien,<br />
die <strong>Bernau</strong> im 14., 15. und 16. Jahrhundert heimsuchten, zählte <strong>Bernau</strong><br />
im 16. Jahrhundert noch zu den mittelgroßen Städten der Mark Brandenburg.<br />
Für <strong>Bernau</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Zahlen der Todesfälle e<strong>in</strong>zelner Pestepidemien überliefert:<br />
im Jahre 1516 ca. 1100 Tote, im Jahre 1538 ca. 700 Tote, im Jahre 1550 ca. 800 Tote.<br />
Im Jahre 1566 waren es 946 Tote sowie im Jahre 1598 genau 1137 Tote. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
belegen diese Opferzahlen zugleich auch den relativ raschen Ausgleich des epidemiebed<strong>in</strong>gten<br />
Bevölkerungsschwundes. 42<br />
Durch den Dreißigjährigen Krieg und weitere Pestwellen erfolgte der Niedergang der<br />
Stadt: Die E<strong>in</strong>wohnerzahl sank dramatisch, viele Hausstellen verfielen. 1638 lebten<br />
16<br />
39 Friske 2000, 68. Neben den ursprünglichen<br />
104 Hufen (altes Flächenmaß) erwarb <strong>Bernau</strong> bereits<br />
im 13. Jahrhundert großflächige Gebiete h<strong>in</strong>zu: so die<br />
Feldmark Liepnitz (der Stadtforst) und die Feldmark<br />
L<strong>in</strong>dow mit nochmals 84 Hufen Land.<br />
40 Domnick, 2003, 60.<br />
41 Barthel, 2000, 41.<br />
42 Friske 2000, 69.<br />
[10] Das Kantorhaus <strong>in</strong> der<br />
Tuchmacherstraße im<br />
Zusammenhang mit der Altbebauung<br />
auf e<strong>in</strong>er Fotografie<br />
aus den 1930er Jahren<br />
[11] Das Kantorhaus <strong>in</strong> der<br />
Tuchmacherstraße nach dem<br />
Flächenabriss im Zusammenhang<br />
mit der Neubebauung<br />
um 1980
43 Friske 2000, 69 Anm. 273.<br />
44 Schäuble, 2006, 30.<br />
45 Barthel, 1993, 41; 40 He<strong>in</strong>rich, 1973, 126. Die<br />
Refugées wurden mit besonderen Rechten ausge-<br />
stattet, darunter mit e<strong>in</strong>er eigenen Gerichtsbarkeit<br />
und e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de mit der Kapelle des Hospitals<br />
St.-Georgen im Mittelpunkt.<br />
46 Wernicke, 1894, 1.<br />
47 Pastenaci, 2003, 69.<br />
Gebäudebestand<br />
um 1965<br />
Verbliebener Altbau-<br />
bestand nach 1984<br />
Gebäudebestand mit der<br />
Neubebauung <strong>in</strong> Block-<br />
und Plattenbauweise,<br />
Stand 1992<br />
[12] Gebäudebestand vor<br />
und nach dem Flächenabriss<br />
von 1975 und 1984<br />
nur noch 500 bis 600 E<strong>in</strong>wohner <strong>in</strong> der Stadt; <strong>in</strong> jenem Jahr fielen 953 Bewohner<br />
<strong>Bernau</strong>s der Pestepidemie zum Opfer. 43 Die Hälfte der ca. 300 Gebäude war unbewohnt.<br />
Der wirtschaftliche Niedergang g<strong>in</strong>g zudem durch s<strong>in</strong>kende E<strong>in</strong>nahmen des<br />
Bierbrauergewerbes <strong>in</strong>folge der großen Konkurrenz e<strong>in</strong>her. 44<br />
E<strong>in</strong>e bescheidene Belebung der Wirtschaft und Kultur stellte die Ansiedlung von französischen<br />
Hugenotten <strong>in</strong> der Mark unter Kurfürst Friedrich III. im 17. Jahrhundert dar:<br />
1699 wurden 25 französischen Familien wüste Hausstellen <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> zugewiesen. 45<br />
Um 1800 waren die wirtschaftlichen Haupterwerbsquellen <strong>Bernau</strong>s Land- und Forstwirtschaft,<br />
Bierbrauerei, Branntwe<strong>in</strong>brennerei sowie die Tuchmacherei, Wollweberei<br />
und Sp<strong>in</strong>nerei, wo<strong>bei</strong> die Textil<strong>in</strong>dustrie den größten Anteil hatte. 46<br />
Im 19./20. Jahrhundert wurde der Stadt besonders der Ausbau der Infrastruktur<br />
förderlich: Der Chausseenbau Mitte des 19. Jahrhunderts, 1842 die Anb<strong>in</strong>dung an<br />
das Eisenbahnnetz zwischen Berl<strong>in</strong> und Stett<strong>in</strong> mit eigener Bahnstation und die 1891<br />
erbaute S-Bahn-Strecke, die <strong>Bernau</strong> mit Berl<strong>in</strong> enger verb<strong>in</strong>det, waren Grundlage für<br />
den wirtschaftlichen Aufschwung der Zeit. Der historische Stadtkern von <strong>Bernau</strong> blieb<br />
von Kriegse<strong>in</strong>wirkungen im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont. 1967 gab es im<br />
Stadtkern <strong>Bernau</strong>s 286 Wohnhäuser mit 1084 Wohne<strong>in</strong>heiten, von denen 82 % der<br />
Bausubstanz vor 1870 errichtet worden war, 16 % im Kaiserreich von 1871 und 1918<br />
und nur 2 % zwischen 1919 und 1967. Die gravierendste Umgestaltung des Stadtbildes<br />
<strong>Bernau</strong>s seit den Stadtbränden im 15. Jahrhundert erfolgte im Zuge der DDR-<br />
Flächensanierung ab 1975 bis 1989. Die monofunktionale Plattenbauweise hatte zur<br />
Folge, dass nur noch etwa 30 % an historischer Bausubstanz im Stadtkern erhalten<br />
blieb. <strong>Bernau</strong> sollte als Muster für alle Kle<strong>in</strong>- und Mittelstädte der DDR dienen,<br />
da man dem zunehmenden Verfall der historischen Innenstädte mit Abriss und<br />
Neubebauung begegnen wollte [10-12]. 47 Es blieben lediglich e<strong>in</strong>ige historische<br />
Repräsentationsbauten erhalten, so die Stadtmauer, die Stadtkirche sowie wenige<br />
Wohnbauten (34 vor 1870 und 10 zwischen 1900 und 1917 errichtete Häuser).<br />
Die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen des historischen<br />
Stadtkerns revitalisieren entscheidend die bestehende Stadtstruktur wieder.<br />
Archäologische Baubegleitungen und dokumentierte Befunde und Funde sichern<br />
e<strong>in</strong>e authentische Lokalisierung und Rekonstruktion des alten Stadtbildes über<br />
e<strong>in</strong>en Zeitraum von über 750 Jahren.<br />
17
2. Stadtbefestigung<br />
Stadtmauer<br />
In die Zeit der Ersterwähnung der Civitas Ende des 13. Jahrhunderts bzw. m<strong>in</strong>destens<br />
vor 1340 fiel wohl auch der Bau der Stadtmauer aus Feldste<strong>in</strong>en [13]. Im Verlauf des<br />
15. Jahrhunderts wurden an der Mauer repräsentative Anbauten <strong>in</strong> Backste<strong>in</strong>, wie<br />
das Ste<strong>in</strong>tor, vorgenommen. In der Mark Brandenburg zählt <strong>Bernau</strong> zu den wenigen<br />
Städten mit e<strong>in</strong>er noch weitgehend vollständig erhaltenen spätmittelalterlichen<br />
Stadtmauer mit <strong>in</strong>nerem Stadtmauerweg von über 1.400 m Länge, ursprünglich<br />
7-8 m Höhe und 5 m durchschnittlicher Breite, mehreren Lughäusern, Wehrgängen,<br />
zwei Wehrtürmen (Pulverturm und Hungerturm), Wohnhäusern (Kantor- und<br />
Henkerhaus) und Stadttor (Ste<strong>in</strong>tor). Nicht mehr erhalten s<strong>in</strong>d das ehemalige<br />
Mühlentor im Norden sowie das Berl<strong>in</strong>er Tor im Westen, wo<strong>bei</strong> <strong>bei</strong>de jedoch archäologisch<br />
nachgewiesen werden konnten. Laut der bekannten Wernicke-Chronik<br />
war die Stadtmauer mit „… 4 halbrunden und 38 viereckigen, zusammen also 42 …<br />
Mauerthürme …“ 48 ausgeführt worden, von denen heute noch 32 existieren. Die<br />
Errichtung der mit 42 Lughäusern, drei Toren, zwei Rundtürmen aufwendig konstruierten<br />
und 8 m hohen Feldste<strong>in</strong>mauern begann vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts<br />
und trotzte Anfang des 15. Jahrhunderts den Angriffen e<strong>in</strong>es Heeres unter<br />
Führung der Quitzows sowie der Belagerung durch die Hussiten im Jahr 1432.<br />
Durch das umfangreiche Sanierungsprogramm an Stadtmauer und Stadtmauerweg<br />
(wo<strong>bei</strong> der Mauerweg <strong>in</strong> sechs Teilbauabschnitte gegliedert wurde) konnten<br />
die meisten der Mauertürme bzw. Lughäuser mit den dazwischen bef<strong>in</strong>dlichen<br />
Stadtmauerabschnitten im Bestand und gegen Abreißen nach außen gesichert,<br />
Fundamente verstärkt, schadhaftes Backste<strong>in</strong>mauerwerk erneuert und Naturste<strong>in</strong>mauerwerk<br />
ergänzt werden. Zudem wurden e<strong>in</strong>ige Abschnitte des Wehrganges<br />
durch erneuerte Gewölbekappen und Holzboden sowie durch völlig überar<strong>bei</strong>tete<br />
Holzkonstruktionen und neu gedeckte Dächer wieder begehbar hergerichtet.<br />
18<br />
48 Jerchel/Seeger 1939, S. 62 f. mit e<strong>in</strong>er zeichnerischen<br />
Abwicklung der umlaufenden Stadtmauer von<br />
1939; Wernicke 1992; Plate 2005, Kap. 1; Friske 2000,<br />
68 Anm. 269.<br />
[13] Stadtmauer mit e<strong>in</strong>em<br />
sogenannten Lug-, Wieck-<br />
oder Weichhaus als Teil des<br />
Verteidigungssystems der<br />
Stadt
49 Wanzek, 1993/94, 137.<br />
50 Wanzek, 1994/94, 138.<br />
[14] Rekonstruierte<br />
Wallanlage<br />
Stadtgraben und Wallanlage<br />
Die mittelalterliche Befestigung von <strong>Bernau</strong> bestand aus der umlaufenden Stadtmauer<br />
mit dem Mühlen-, Ste<strong>in</strong>- und Berl<strong>in</strong>er Tor, den Türmen und Weichhäusern<br />
sowie dem zusätzlich im Norden, Westen und Osten vorgelagerten mehrfachen Wallund<br />
Grabensystem. Besonders nördlich der St.-Marien-Kirche zwischen der Park- und<br />
Mühlenstraße zeichnen sich noch vier Wälle (Mauer-, Kirchhofs-, Jungfern- und Hoher<br />
Wall) mit drei ehemaligen Wassergräben ab. Im Westen zwischen der Mühlen- und<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße verläuft noch e<strong>in</strong> Stadtgraben zwischen dem Kalands- und Berl<strong>in</strong>er<br />
Wall sowie dem Schützenwall. Somit befand sich nördlich der St.-Marien-Kirche der<br />
am aufwendigsten geschützte Bereich <strong>Bernau</strong>s. 49 Da im Süden die schwer passierbaren<br />
sumpfigen Panke-Niederungen natürlichen Schutz boten, wurde hier auf<br />
die aufwendige dreifache Wallgrabenanlage verzichtet. Man beschränkte sich auf<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Stadtmauer mit Graben. Teile dieses Grabens kamen <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>er Baubegleitung<br />
zu Tage, und die gewonnenen Dendrodaten e<strong>in</strong>iger der dar<strong>in</strong> enthaltenen<br />
Hölzer erbrachten Fälldaten aus den Jahren 1425, 1482, 1792 und 1802. 50 Von der<br />
Sohle der Wälle bis zur Mauerkrone betrug der Höhenunterschied e<strong>in</strong>st etwa 14 m.<br />
Im Jahre 1598 wurden die Wälle am Mühlentor abgetragen und der Alte Friedhof<br />
angelegt. Erst im Jahre 1848 begann die eigentliche Abtragung der Wälle, die heute<br />
nur noch an der Nordseite erhalten s<strong>in</strong>d und nun Parkcharakter tragen [14].<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Stadtpark<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Stadtpark 2 [2007]<br />
- Am Angergang, Klementstraße,<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 63-69 [1993]<br />
Die Herausnahme des Kellerbereichs während des Gebäudeabbruchs Stadtpark 2,<br />
e<strong>in</strong>em Nachkriegsnotbau mit schweren Bauschäden, erfolgte unter e<strong>in</strong>er baube-<br />
19
gleitenden archäologischen Dokumentation im Jahre 2007. Diese begründete sich aus<br />
der unmittelbaren Nähe westlich vor dem Pulverturm und der Stadtmauer sowie aus<br />
der Standortnähe auf dem Bereich des vermuteten ersten Wallgrabens der <strong>Bernau</strong>er<br />
Stadtbefestigung. 51 Träger der Baumaßnahme war die Stadt <strong>Bernau</strong>. Der im Westen<br />
der Stadtmauer <strong>in</strong>tegrierte Pulverturm ist 25,70 m hoch, besitzt e<strong>in</strong>en Durchmesser<br />
von 7,40 m und zählt somit zu den höchsten Festungstürmen <strong>in</strong> der Mark Brandenburg.<br />
Im unteren Bereich ist er mit Feldste<strong>in</strong>en, darüber mit Ziegelste<strong>in</strong>en und Kalkmörtel<br />
ausgeführt. Geme<strong>in</strong>sam mit dem Ste<strong>in</strong>tor, dem Hungerturm, dem Mühlentor<br />
und dem Berl<strong>in</strong>er Tor gehört der Pulverturm zu den repräsentativen Anbauten <strong>in</strong><br />
Backste<strong>in</strong>, die im Verlauf des 15. Jahrhunderts an der Stadtmauer <strong>Bernau</strong>s vorgenommen<br />
wurden. Der Ausschnitt des Kupferstiches von Merian von 1652 zeigt vor dem<br />
Pulverturm den ersten Wall sowie den ersten Wallgraben [15].<br />
Das Ensemble Stadtpark 2 bestand aus dem unterkellerten Hauptgebäude, das ohne<br />
tragenden Giebel mit dem westlich angrenzenden, aus der Gründerzeit stammenden<br />
Stadtgärtnerhaus Stadtpark 1 e<strong>in</strong>e bauliche E<strong>in</strong>heit bildete. 52 Im Süden des Hauptgebäudes<br />
schloss sich e<strong>in</strong>e nichtunterkellerte Baracke mit e<strong>in</strong>er Gründung aus Streifenfundamenten<br />
an. Untersucht wurde im Profil die Baugrube des tonnengewölbten<br />
Kellers e<strong>in</strong>schließlich Kellerzuwegung des Hauptgebäudes mit e<strong>in</strong>er Tiefe von etwa<br />
2,50 m. Während im Westen des Kellerbereichs das Fundament des Stadtgärtnerhauses<br />
unmittelbar anschloss, waren die Nord- und Ostprofilwände modern gestört.<br />
Im Südprofil kamen die Streifenfundamente der ehemaligen Baracke zu Tage. Das<br />
verlängerte Profil im Osten des Kellerbereichs zeigte e<strong>in</strong> leicht abfallendes Schichtenpaket<br />
aus e<strong>in</strong>er Folge von unterschiedlich e<strong>in</strong>gefärbten Fe<strong>in</strong>sanden, die teils mit<br />
Ziegelbruch sowie Kalkmörtelresten angereichert waren. Der Höhenverlauf des<br />
Geländes, der im Abstand von 4 m zur Stadtmauer e<strong>in</strong>e Böschung bildet, legt nahe,<br />
dass es sich um die neuzeitliche Füllung e<strong>in</strong>es Grabens gehandelt haben könnte.<br />
Sichtbare starke Risse des abgebrochenen Gebäudes ließen auf die nichtverdichtete<br />
Füllung des Untergrunds schließen. Das angrenzende Stadtgärtnerhaus weist ke<strong>in</strong>e<br />
Bauschäden auf. 53<br />
Obwohl die archäologische Begleitung ke<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>genden Beweise für die Existenz<br />
e<strong>in</strong>es Stadtgrabens lieferte, ist die Summe der H<strong>in</strong>weise der externen Quellen, wie<br />
die topographische Situation, die Risse an der Altbebauung, der Geländeabfall im<br />
20<br />
51 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2007:124 (K. Geßner/<br />
Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
52 Zunächst diente dieses Gebäude als K<strong>in</strong>dertagesstätte.<br />
Se<strong>in</strong>e Errichtung gehörte zu den ersten<br />
Befehlen des späteren Regisseurs Konrad Wolf, der<br />
als Neunzehnjähriger im April 1945 für kurze Zeit die<br />
sowjetische Stadtkommandantur <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> <strong>in</strong>nehatte.<br />
Das Gebäude wurde später als Stadtarchiv genutzt.<br />
53 Freundliche Mitteilung von A. Müskes,<br />
Bauregie <strong>Bernau</strong>.<br />
[15] Kennzeichnung des<br />
1. Walls und des Grabens<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ausschnitt aus<br />
der Stadtansicht nach<br />
Merian 1652
54 Wanzek 1995, 137-138; BLDAM-Grabungskurzbericht<br />
vom 16.01.1995 (B. Wanzek/ehemals Fa. GAD<br />
Berl<strong>in</strong>).<br />
[16] Längsschnitt durch<br />
den Stadtgraben<br />
Legende<br />
H = Holzbohlen/-planken<br />
1 = Geschiebesand<br />
2 = Fe<strong>in</strong>sand<br />
3 = humoser Sand<br />
4 = brauner Sand<br />
5 = mod. Schicht<br />
6 = gelb-brauner Lehm<br />
7 = mod. Schuttschicht<br />
8 = gelber Sand<br />
9 = mod. Ziegelbruch<br />
10 = mod. Schicht<br />
11 = braungrauer Lehm<br />
Abstand von 4 m zur Stadtmauer, so deutlich, dass die Lokalisierung des ersten<br />
Wallgrabens mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit auf dem Gelände des späteren Gebäudes<br />
Stadtpark 2 zu vermuten ist.<br />
Stadtgraben – Am Angergang, Klementstraße und Berl<strong>in</strong>er Straße 63-69<br />
E<strong>in</strong> Bauvorhaben im Quartier Berl<strong>in</strong>er Straße 63-69, Am Angergang und Klementstraße<br />
vor dem ehemaligen Berl<strong>in</strong>er Stadttor im Bereich des zugeschütteten Stadtgrabens<br />
bot im Jahre 1993 die Möglichkeit zur archäologischen Untersuchung im Bereich<br />
des mittelalterlichen Wall- und Grabensystems von <strong>Bernau</strong>. 54 Von sechs angelegten<br />
Geländeschnitten über <strong>in</strong>sgesamt ca. 92 m Länge und ca. 12 m Breite entlang der<br />
südlichen Seite der Berl<strong>in</strong>er Straße verlief <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong> Schnitt über die gesamte<br />
verfüllte ehemalige Stadtgrabenbreite von ca. 12 m. Hierzu wurde e<strong>in</strong> Belegprofil<br />
angelegt [16]. Dieser Stadtgraben enthielt noch Reste e<strong>in</strong>er begrenzenden Holzkonstruktion<br />
über die gesamte Breite. Von dieser ehemaligen hölzernen Stadtgrabenbewehrung<br />
aus Eichenstämmen ließen sich noch e<strong>in</strong>ige Dendrodatierungen ermitteln:<br />
Die ältesten Eichenbohlen wiesen Fälldaten von 1425 und 1482 auf. In deren<br />
Zusammenhang wurden ausschließlich Keramikfragmente spätmittelalterlicher<br />
harter Grauware geborgen. Daneben wurden u. a. Terrakotta, Ste<strong>in</strong>gut, Ste<strong>in</strong>zeug,<br />
Tierknochen, Ledersohlen, e<strong>in</strong> Knochenkamm sowie Holz- und Holzkohlestückchen<br />
aufgelistet. Die jüngeren Fälldaten von 1792 und 1802 spiegeln die frühneuzeitliche<br />
Verfüllungsphase des Stadtgrabens wider. In den übrigen Untersuchungsschnitten<br />
fanden sich u. a. e<strong>in</strong>e Ste<strong>in</strong>lage sowie Pfostengruben- und Grubenverfüllungen, die <strong>in</strong><br />
21
den anstehenden Sand e<strong>in</strong>tieften. Aus der Grabenverfüllung wurden enorme Mengen<br />
an zeitlich entsprechender Keramik des 18. Jahrhunderts geborgen: glasierte Irdenware<br />
(handgefertigte Töpferware, siehe Glossar), Ste<strong>in</strong>zeug, Ste<strong>in</strong>gut und Porzellan.<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Stadttore<br />
<strong>Bernau</strong> besaß bis Ende des 18. Jahrhunderts drei Stadttore, von denen heute nur<br />
noch das östlich gelegene Ste<strong>in</strong>tor erhalten ist. Die Stadtore bestanden üblicherweise<br />
aus e<strong>in</strong>em Haupttor, welches oft als Turm ausgeführt war, sowie e<strong>in</strong>em oder<br />
mehreren Vortoren, die meistens mit e<strong>in</strong>er Wehrgangs- oder Zw<strong>in</strong>germauer<br />
(Zw<strong>in</strong>geranlage) umschlossen waren.<br />
Berl<strong>in</strong>er Tor<br />
Das Berl<strong>in</strong>er Tor im Westen der Stadt besaß ursprünglich e<strong>in</strong> Außentor und wurde<br />
1790 abgebrochen [17]. 55 Während der Sanierung der westlichen Straßenhälfte der<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße zwischen der Kreuzung Weißenseer Straße (B2) und der Straßene<strong>in</strong>mündung<br />
Alte Brauerei standen <strong>in</strong>sbesondere die fortifikatorischen (militärisch<br />
befestigten) Anlagen vor dem ehemaligen Berl<strong>in</strong>er Tor sowie das Berl<strong>in</strong>er Tor im<br />
Westen der Stadt selbst im Visier der archäologischen Baubegleitung. 56 Im Jahre<br />
1789 bzw. 1790 wurden der Turm sowie im Jahre 1799 das Tor selbst abgerissen. 57<br />
Im Standortbereich Berl<strong>in</strong>er Straße konnte nahezu das gesamte mittelalterliche bis<br />
neuzeitliche Befestigungs- und Verteidigungssystem am Berl<strong>in</strong>er Tor dokumentiert<br />
werden. Es zeigten sich drei bis zu ca. 16 m breite Wallgräben, deren Sohlen unter der<br />
sichtbaren Bautiefe von 2,30 m lagen. In allen drei Gräben hatten sich noch hölzerne<br />
22<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
Stadttore<br />
- Mühlentor [1999]<br />
- Berl<strong>in</strong>er Tor [2008]<br />
- Ste<strong>in</strong>tor [1997/1998, 2010]<br />
55 Plate 2005, Kap. 1.2.<br />
56 BLDAM- Grabungskurzbericht UBO 2008-27 vom<br />
16.01.2009 (M. Roeder/Fa. ASR).<br />
57 s. Plate 2005, Kap. 1.2.<br />
[17] Berl<strong>in</strong>er Tor, Ausschnitt<br />
aus der Stadtansicht nach<br />
Merian 1652
[18] Zw<strong>in</strong>geranlage Mühlentor,<br />
bestehend aus Tor, Zollhaus,<br />
Vortor, Wehrgangs-<br />
oder Zw<strong>in</strong>germauer und dem<br />
Stadttor. Dah<strong>in</strong>ter ist die<br />
St.-Marien-Kirche mit dem<br />
großen Turm zu erkennen.<br />
Ansicht von 1829<br />
Uferrandbefestigungen erhalten. Diese bestanden aus angespitzten und tief e<strong>in</strong>gerammten<br />
Holzpfählen, gegen die wiederum Holzplanken parallel zum Ufer verlegt<br />
waren. An e<strong>in</strong>er Stelle konnten die <strong>in</strong> den Boden gerammten Pfeiler e<strong>in</strong>er hölzernen<br />
Brücke bzw. Brückenkonstruktion geborgen werden. Mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
wurden ferner die noch <strong>in</strong> der Wernicke-Chronik erwähnten Fundamente e<strong>in</strong>es<br />
hölzernen Vortors ausgegraben, deren Dendrodaten allerd<strong>in</strong>gs erst auf das Ende<br />
des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts weisen.<br />
Die dendrochronologische Bestimmung des ältesten geborgenen Balkens der <strong>in</strong>neren<br />
Uferrandbefestigung ergab das Fälljahr 1223. Weitere Datierungen verweisen <strong>in</strong> die<br />
Mitte des 13. Jahrhunderts. H<strong>in</strong>gegen stammen die Hölzer der äußeren Uferrandbefestigung<br />
aus dem 14. Jahrhundert (1327 und 1336) bzw. noch jünger aus der<br />
Mitte bzw. vom Ende des 16. Jahrhunderts, also <strong>in</strong> etwa zeitgleich mit dem hölzernen<br />
Vortor. Reste des Fundaments des ersten Vortors zeigten sich <strong>in</strong> Form von zwei ste<strong>in</strong>ernen<br />
Plattformen mit e<strong>in</strong>er Vertiefung, die als Unterlage des ehemals etwa 20 m<br />
vor dem Haupttor bef<strong>in</strong>dlichen hölzernen Flügeltors dienten. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>erer Feldste<strong>in</strong>-<br />
23
mauerrest der südlichen <strong>in</strong>neren Torwange blieb trotz der massiven älteren Abrissar<strong>bei</strong>ten<br />
erhalten. Innerhalb der Stadtmauer bzw. im Inneren des Stadtgebiets entlang<br />
der Berl<strong>in</strong>er Straße traten trotz des hohen Zerstörungsgrades durch modernen<br />
Leitungsbau immer wieder mittelalterliche Kultur- und Wegeschichten, jedoch ohne<br />
klare Strukturen auf. Dies deutet auf e<strong>in</strong>e seit Jahrhunderten kont<strong>in</strong>uierliche Straßenlandnutzung<br />
der Berl<strong>in</strong>er Straße h<strong>in</strong>. An e<strong>in</strong>igen Stellen deuteten Schichtgrenzen<br />
auf Bauhorizonte <strong>in</strong> der Nähe der früheren Bebauungsgrenze h<strong>in</strong>. An der westlichen<br />
Straßenecke Berl<strong>in</strong>er Straße / Tuchmacherstraße befand sich noch <strong>in</strong> 1,70 m Tiefe e<strong>in</strong><br />
horizontal liegender Schwellbalken e<strong>in</strong>es mittelalterlichen Fachwerkhauses mit e<strong>in</strong>er<br />
Dendrodatierung von 1242 ( + /- 10 Jahre).<br />
Mühlentor<br />
Im Jahre 1999 wurden das zur Stadtseite liegende Torgebäude sowie die Zw<strong>in</strong>germauern<br />
des 1885 abgerissenen, ehemals 42 m langen Mühlentors und das mittelalterliche<br />
Straßenpflaster <strong>in</strong> ca. 1 m Tiefe erfasst. 58 Bis zum Jahre 1824 bestand das<br />
Mühlentor noch aus drei Toren, danach wurden das erste und zweite Torgebäude<br />
abgebrochen [18-20]. 59<br />
24<br />
58 Wittkopp 2000, 122.<br />
59 Plate 2005, Kap. 1.3.<br />
[19] Mühlenstraße um 1880,<br />
noch mit dem Mühlentor und<br />
dem Kieselackschem Haus<br />
(rechts neben dem Tor)<br />
[20] Aktueller Blick <strong>in</strong> die<br />
Mühlenstraße stadtauswärts
60 Plate 2005, Kap. 1.4.<br />
61 Plate 2001, S. 15.<br />
62 BLDAM-Zwischenbericht Grabung <strong>Bernau</strong>, Bahnhofstraße<br />
+ Hussitenstraße UBO 2010:83 (M. Pytlik +<br />
T. <strong>Dressler</strong>/ Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
[21] Ste<strong>in</strong>tor oder Königstor,<br />
Ausschnitt aus der Stadt-<br />
ansicht nach Merian 1652<br />
(perspektivisch idealisierte<br />
Darstellung)<br />
[22] Heutige Ansicht des<br />
Ste<strong>in</strong>tors mit barockem Dach<br />
Ste<strong>in</strong>tor<br />
Das Ste<strong>in</strong>tor – teils auch Königstor genannt – im Osten der Stadt ist das e<strong>in</strong>zige im<br />
Stadtbild noch erhalten gebliebene Stadttor <strong>Bernau</strong>s. Das Bauwerk selbst wurde<br />
im 13./14. Jahrhundert als Teil der Stadtbefestigungsanlage errichtet und ist e<strong>in</strong><br />
quadratischer, spätgotischer Ziegelbau mit e<strong>in</strong>mal gestuften, übereck gestellten<br />
Strebepfeilern jeweils an den Ecken. 60 Zwei Wehrgänge zusammen mit dem 28 m<br />
hohen Hungerturm verb<strong>in</strong>den den ursprünglich dreitorigen Stadtorkomplex. Im<br />
Hungerturm bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> 8 m tiefes Verließ. Im Jahre 1751 wurde das Ste<strong>in</strong>tor<br />
mit e<strong>in</strong>em barocken Dach e<strong>in</strong>gedeckt [21-22].<br />
Bei baubegleitenden Untersuchungen <strong>in</strong> den Jahren 1997 und 1998 durch D. Kunert<br />
und R. Herrmann wurden an archäologischen Befunden die Fundamente des Zw<strong>in</strong>gertores<br />
sowie Ziegelgewölbe e<strong>in</strong>es Kanalisationsschachtes erfasst. 61<br />
Die Untersuchungen des <strong>Archäologie</strong>büros <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong> im Bereich der Hussitenund<br />
Bahnhofstraße von Juli bis Oktober 2010 zum grundhaften Ausbau der Straße<br />
e<strong>in</strong>schließlich Medienneuverlegung bestätigen die alten Grabungsergebnisse und<br />
belegen den Aufbau der gesamten Zw<strong>in</strong>geranlage des Ste<strong>in</strong>tores sowie e<strong>in</strong>en<br />
Bohlenweg im Kreuzungsbereich Bahnhofstraße / Hussitenstraße [24, Befund 3]. 62<br />
25
Östlich des <strong>in</strong> spätgotischer Zeit umgebauten Ste<strong>in</strong>tors wurden mehrere Baureste<br />
des mittelalterlichen Zw<strong>in</strong>germauerwerks freigelegt. Auf ca. 30 m Länge wurden<br />
gut erhaltene Feldste<strong>in</strong>fundamente mit vermörtelten Backste<strong>in</strong>en der mittelalterlichen<br />
nördlichen Wehrmauer [24, Befund 1]. gefunden, die um 1850 seitens der Stadt<br />
endgültig abgetragen wurden. Diese mit leichten Versätzen laufenden Fundamente<br />
reichten bis an den unterirdisch verlaufenden, mit Ziegelste<strong>in</strong>mauern e<strong>in</strong>gefassten<br />
Pankekanal [24, Befund 25-26] aus dem 19. Jahrhundert heran. Auf das <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich zu erwartende, im Jahre 1823 abgerissene Vortor deuten tief <strong>in</strong> den Sand<br />
gesetzte Feldste<strong>in</strong>fundamente parallel zur Stadtmauer westlich vom Pankedurchlauf.<br />
Bereits 1992 konnten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tiefe von ca. 1,10 m unter der Geländeoberkante und<br />
ca. 30 m östlich vom Ste<strong>in</strong>tor Feldste<strong>in</strong>fundamente [23 u. 24, Befund 46] vom ersten<br />
Vortor erfasst werden, <strong>in</strong> deren Umfeld ausschließlich mittelalterliche harte Grauware<br />
geborgen wurde. 63 Die Fundamente aus Feldste<strong>in</strong>en, Ziegelbruch und Kalkmörtel<br />
<strong>in</strong> Schalenmauertechnik waren allerd<strong>in</strong>gs schon zu e<strong>in</strong>em großen Teil – wohl 1823<br />
oder später – abgebrochen worden. E<strong>in</strong> noch etwa 2,50 m breites, erhaltenes Fundament<br />
konnte 2010 abermals unter dem südlichen Gehweg dokumentiert werden.<br />
26<br />
63 BLDAM-Grabungskurzbericht Hussitenstraße<br />
10/1992 (B. Eccarius/Museumsdirektor;<br />
U. Gennermann/Zeichner). Vgl. hierzu den Plan<br />
mit dem vermuteten Standort des Vortores.<br />
[23] Fundamentreste des<br />
Vortors (Befund 46)
[24] Archäologischer Lageplan der<br />
Zw<strong>in</strong>geranlage Ste<strong>in</strong>tor <strong>in</strong> der Hussitenstraße<br />
Befundbeschreibung:<br />
Befund 1: nördl. Wehrmauer/Mittelalter<br />
Befund 2, 4, 5: Begrenzungsmauer von 1857<br />
Befund 3: Bohlenwege/Mittelalter<br />
Befund 6, 7: Stützmauern des <strong>in</strong>neren<br />
Stadtgrabens/Mittelalter<br />
Befund 8: Holzbalken/Mittelalter<br />
Befund 14: südl. Wehrmauer/Mittelalter-Neuzeit<br />
Befund 22: Fundamentreste ehem. Restaurant<br />
Elysium/Neuzeit<br />
Befund 23: anstoßende Mauer an Bef. 22/Neuzeit<br />
Befund 25, 26: Sockelmauern des verrohrten<br />
Pankekanals<br />
Befund 31: Feldste<strong>in</strong>fundament/Mittelalter<br />
Befund 32: Fundament Ste<strong>in</strong>tor/Mittelalter<br />
Befund 46: Fundament Vortor/Mittelalter<br />
27
Das Vortor kann man sich als e<strong>in</strong>en kräftigen Torbogen oder e<strong>in</strong> Torhaus – zwischen<br />
24 und 30 m vom Ste<strong>in</strong>tor entfernt <strong>in</strong> der Hussitenstraße – als östliches Abschlussbauwerk<br />
der Zw<strong>in</strong>geranlage vorstellen. Die alte Torsituation verdeutlicht am besten<br />
der Merian-Stich von 1620. Vor dem Vortor verlief der äußere Stadtgraben. Als se<strong>in</strong><br />
Nachfolger kann der e<strong>in</strong>gefasste Pankekanal gelten, der heute jedoch von e<strong>in</strong>em<br />
Ziegelgewölbe überdeckt unter der Hussitenstraße verläuft.<br />
Ebenfalls parallel zur Stadtmauer östlich des Ste<strong>in</strong>tors verlaufen zwei bis <strong>in</strong>s Grundwasser<br />
reichende Feldste<strong>in</strong>mauern [24, Befund 6-7]. Unter bzw. vor deren Fundamenten<br />
war e<strong>in</strong>e Reihe eckiger und runder Holzbalken [24, Befund 8] <strong>in</strong> den anstehenden<br />
Sand gerammt. Darüber h<strong>in</strong>aus zeigte sich <strong>in</strong> diesem Abschnitt unter dem mittelalterlichen<br />
Mauerrest der südlichen Wehrgangmauer e<strong>in</strong> gemauerter Durchlass<br />
bzw. e<strong>in</strong>e Kanalwölbung von ca. 2,50 m Spannbreite [26 u. 24, Befund 14]. Diese<br />
Befunde belegen die hölzerne, später ste<strong>in</strong>erne Böschungsbefestigung des somit<br />
nachgewiesenen <strong>in</strong>neren Stadtgrabens, über den im Spätmittelalter e<strong>in</strong>e nicht mehr<br />
erhaltene Brücke errichtet wurde.<br />
Parallel zum mittelalterlichen Fundament der nördlichen Wehrgangmauer verläuft<br />
nördlich e<strong>in</strong> weiteres Mauerfundament mit Strebepfeiler [24, Befund 2, 4-5] aus dem<br />
gleichen Baumaterial. Die Feldste<strong>in</strong>e und Backste<strong>in</strong>brüche wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e handgemischte<br />
Mörtelmischung gesetzt; ebenso könnte die Bauweise e<strong>in</strong>e Datierung <strong>in</strong>s<br />
28<br />
[25] Archäologische Grabung<br />
<strong>in</strong> der Hussitenstraße unmittelbar<br />
vor dem Ste<strong>in</strong>tor mit<br />
den Fundamentresten der<br />
ehemaligen Zw<strong>in</strong>geranlage<br />
[26] Wehrmauer mit Durchlass<br />
oder Kanalwölbung im Verlauf<br />
des <strong>in</strong>neren Stadtgrabens<br />
(Befund 14)
[27] Fundamentreste der<br />
Begrenzungs- und Wehrmauer<br />
der ehemaligen<br />
Zw<strong>in</strong>geranlage<br />
späte Mittelalter erlauben. Dokumente des Stadtarchivs legen jedoch nahe, dass es<br />
sich hier<strong>bei</strong> um e<strong>in</strong>e 1857 neu errichtete Begrenzungsmauer zwischen Straßenraum<br />
und dem nördlich anschließenden Gartengelände handelt. Für deren Fundamentierung<br />
sollte möglichst das Abrissmaterial der alten Vortormauer wieder verwendet<br />
werden. E<strong>in</strong>e bauhistorische Untersuchung durch D. Schumann ergab e<strong>in</strong>e Bestätigung<br />
der neuzeitlichen Errichtung, da diese Mauer [24, Befund 2] u. a. auf e<strong>in</strong>en<br />
Strebepfeiler des Ste<strong>in</strong>tores stößt und somit nach der spätgotischen Veränderung des<br />
Tores entstanden se<strong>in</strong> muss. Normalerweise unterscheiden sich Mörtelmischungen<br />
im 19. Jahrhundert gerade im Detail der Zuschlagstoffe und Körnigkeiten von älteren.<br />
Dennoch ist es vorstellbar, dass man sich 1857 ganz bewusst an den vorgegebenen<br />
mittelalterlichen Mörtel der benachbarten Mauer [24, Befund 1] annäherte. Da die<br />
E<strong>in</strong>griffstiefe nicht bis an die Fundamentsohle heranreichte, kann nicht ausgeschlossen<br />
werden, dass das Mauerwerk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren Bauphase auf ältere Teile e<strong>in</strong>es<br />
spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Zw<strong>in</strong>gerfundaments aufgesetzt wurde.<br />
Bislang wurden 14 Dendroproben von der Hussitenstraße entnommen, deren dendrochronologische<br />
Auswertungen <strong>in</strong> Bezug auf das Fälldatum und Holzart durch<br />
das Deutsche Archäologische Institut (DAI) <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> – Herr Dr. U. Heußner – bereits<br />
vorliegen. Hier<strong>bei</strong> zeichnen sich zwei Schwerpunkte ab, die gezielt dokumentiert<br />
29
wurden: e<strong>in</strong>erseits die Bohlen- und Bretterauflagen der Bohlenwege [24, Befund 3]<br />
im Kreuzungsbereich Hussitenstraße / Bahnhofstraße bzw. <strong>in</strong> der verlängerten<br />
Hussitenstraße sowie andererseits die Uferbefestigungen [24, Befund 8] im Bereich<br />
des ehemaligen <strong>in</strong>neren Stadtgrabens vor dem Ste<strong>in</strong>tor. Insgesamt 6 Dendroproben<br />
vom Bohlenweg weisen e<strong>in</strong>en Ausführungszeitraum von 1229 ( + /-WK) bis 1246 ( + /-10)<br />
auf, wo<strong>bei</strong> die höchste Konzentration zwischen 1240-1245 liegt. 64 Die bereits <strong>bei</strong> den<br />
Untersuchungen 1992 hier geborgene Dendroprobe mit e<strong>in</strong>em Fälldatum von vor<br />
1232 reiht sich hier sehr gut e<strong>in</strong>. An Holzarten wurden bevorzugt Eiche, aber auch<br />
Birke und Weide verwendet. Die bislang älteste Dendroprobe <strong>Bernau</strong>s stammt von<br />
e<strong>in</strong>er Holzbohle vermutlich e<strong>in</strong>es weiteren Bohlenweges, die im Zuge der Schachtungsar<strong>bei</strong>ten<br />
für e<strong>in</strong>en Fernwärmeanschluss <strong>in</strong> Höhe der Hussitenstraße Nr. 10<br />
geborgen werden konnte. 65 Diese eichene Holzbohle weist e<strong>in</strong> Fälldatum von 1209<br />
( + /-10) auf und belegt somit den bislang ältesten Nachweis der mittelalterlichen<br />
Stadtentstehung <strong>Bernau</strong>s.<br />
Die hölzernen Uferbefestigungen [28, 29 u. 24, Befund 8] im Bereich des ehemaligen<br />
<strong>in</strong>neren Stadtgrabens vor dem Ste<strong>in</strong>tor kennzeichnen h<strong>in</strong>gegen zwei unterschiedliche<br />
Bauphasen: Die ältere wird dadurch <strong>in</strong> die Mitte des 13. Jahrhunderts (1244 WK-<br />
1254 SWK) 66 , die jüngere ca. 100 Jahre später um die Mitte des 14. Jahrhunderts<br />
(1340 WK) 67 datiert.<br />
30<br />
1 m<br />
64 BLDAM-Zwischenbericht Grabung <strong>Bernau</strong>, Bahnhofstr.<br />
+ Hussitenstr. UBO 2010:83 (M. Pytlik + T.<br />
<strong>Dressler</strong>/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>). Dendroprobe UBO 2010:83<br />
DP 1: 1241 +/-10 aus Eiche, DP 2: 1246 +/-10 aus<br />
Eiche, DP: 4: 1238 +/-10 aus Eiche, DP 11: 1229 +/-WK<br />
aus Eiche, DP 12: nicht bestimmbar aus Birke?, DP 13:<br />
nicht bestimmbar aus Weide.<br />
65 Dendroprobe UBO 2010:83 DP 14: 1209+/-10 aus<br />
Eiche.<br />
66 Dendroprobe UBO 2010:83 DP 5: zu kurz aus Erle,<br />
DP 6: 1254 SWK aus Eiche, DP 8: 1244 WK aus Eiche<br />
und DP 10: zu kurz aus Eiche.<br />
67 Dendroprobe UBO 2010:83 DP 7: 1340 WK aus Eiche<br />
und DP 9: 1340 WK aus Eiche.<br />
Anmerkung:<br />
Waldkante (WK), Sommerwaldkante (SWK)<br />
siehe auch Glossar Stichwort Dendrochronologie<br />
[28] Holzbalkenfund der<br />
Uferbefestigung des ehemaligen<br />
<strong>in</strong>neren Stadtgrabens<br />
(Befund 8, Dendroproben DP5<br />
und DP8)<br />
[29] Fundzeichnung zweier<br />
gezogener Holzbalken der<br />
Uferbefestigung des ehemaligen<br />
<strong>in</strong>neren Stadtgrabens<br />
(Befund 8a 1244 WK und<br />
Befund 8e 1340 WK)
68 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2003: 93 (M. Pytlik/<br />
Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Südlicher Stadtmauerweg [2004]<br />
Südlicher Stadtmauerweg zwischen Alte Goethestraße und Ste<strong>in</strong>tor<br />
(1. Bauabschnitt)<br />
Die Sanierung des Innenweges entlang der gut erhaltenen Stadtmauer erfolgte<br />
durch die Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>in</strong> sechs Bauabschnitten. Im Bereich des 1. Bauabschnitts<br />
zwischen dem Mauerdurchbruch der Goethestraße und dem Ste<strong>in</strong>torplatz wurden<br />
im Jahre 2004 Erde<strong>in</strong>griffe auf etwa 120 m Länge, 3 m Breite und teilweise 2 m Tiefe<br />
<strong>in</strong>sbesondere für die Medien vorgenommen. Vom bisher unbefestigten Weg wurde<br />
der aus festgestampftem Bauschutt bestehende Altbelag ca. 70 cm tief abgetragen.<br />
Da im historischen Altstadtbereich <strong>bei</strong> Aufschlüssen dieser Tiefe und der unmittelbaren<br />
Nähe zur Stadtmauer zw<strong>in</strong>gend mit der Störung mittelalterlicher Strukturen<br />
gerechnet werden musste, wurde e<strong>in</strong>e archäologische Baubegleitung beauftragt. 68<br />
Aufgrund der vorgegebenen E<strong>in</strong>griffsbreite und der Baurichtung wurden hauptsächlich<br />
Ostprofile von 3 m Breite dokumentiert, deren Aufbau über die gesamte Trassenlänge<br />
sehr e<strong>in</strong>heitlich war.<br />
Unter dem genannten Schuttauftrag folgte e<strong>in</strong>e etwa 50 cm starke Brandschuttschicht,<br />
die sehr viel Ziegelbruch, verkohltes Holz, Flaschenglas, Ofenkacheln und<br />
Hauskeramik wie bemalte Irdenware der Frühen Neuzeit enthielt. Darunter lagen bis<br />
zu 1 m mächtige Sandaufschüttungen <strong>in</strong> immer ähnlicher Schichtenabfolge. Diese<br />
sowie die darunter folgende Schicht steigen stark nach Süden gegen die Stadtmauer<br />
h<strong>in</strong> an. In e<strong>in</strong>er Tiefe von etwa 2 m folgte e<strong>in</strong>e weitere lehmige Kulturschicht mit viel<br />
Holzsplittern, Tierknochen und Holzkohle unmittelbar über den anstehenden Boden.<br />
Diese nach oben abgeschlossene Schicht wird durch die gefundene Keramik – harte<br />
Grauware (Gebrauchskeramik, siehe Glossar) – <strong>in</strong>s späte Mittelalter datiert.<br />
31
Die Gründungstiefe des Stadtmauerfundaments reichte nicht bis auf diese mittelalterliche<br />
Siedlungsschicht h<strong>in</strong>ab, sondern setzte ca. 75 cm darüber an. Die zur Stadtmauer<br />
h<strong>in</strong> ansteigenden bzw. stark e<strong>in</strong>fallenden Schichten wurden somit unmittelbar<br />
vor bzw. nach dem Mauerbau aufgetragen. Dies lässt darauf schließen, dass sich <strong>in</strong><br />
diesem Bereich des heutigen Stadtmauerweges e<strong>in</strong>e tiefe Senke befand. Diese wurde,<br />
beg<strong>in</strong>nend mit den Aufschüttungen für den Mauersockel, erst nach und nach verfüllt<br />
und wohl erst <strong>in</strong> der frühen Neuzeit nach der flächigen E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung der Schuttschichten<br />
als Pflasterweg begehbar.<br />
Vor der Straßennutzung wurde hier häufig Abfall entsorgt, wie die hohe Anzahl von<br />
Schuttgruben belegt. In e<strong>in</strong>er dieser Gruben fand sich sehr dicht gepackter Glaserabfall<br />
bestehend aus Resten von runden Butzenscheiben, z. T. <strong>in</strong> Bleifassung sowie<br />
streifenförmige Randabschnitte von 2 mm dickem Tafelglas. 69 Das Glas ist klar und<br />
farblos bis gelblich. Weiterh<strong>in</strong> enthielt die Grube zahlreiche Streifen von Flachglasabschnitten,<br />
Bruchstücke rund gebrochener Gläser (Butzen), Bleistreifen für die Butzenscheibenherstellung,<br />
verschiedene Eisenteile sowie e<strong>in</strong>en Tonpfeifenstiel. Gleiche<br />
Flachglasstreifen sowie Bruchstücke von Butzen fanden sich auch <strong>in</strong> der Verfüllung<br />
des benachbarten Abwassergrabens. Unter den geborgenen Glasstreifen fielen e<strong>in</strong>ige<br />
wenige bemalte Scherben e<strong>in</strong>es Glaspokals mit S<strong>in</strong>nspruch und e<strong>in</strong>em Zunftwappen<br />
auf. Die dargestellten Instrumente und Werkzeuge wie Zirkel, Breit<strong>bei</strong>l, Stechaxt, Setzlot<br />
und Schrotsäge weisen deutlich auf die Zunft der Zimmermannsleute h<strong>in</strong>.<br />
Der S<strong>in</strong>nspruch konnte wegen fehlender Stücke jedoch noch nicht gedeutet werden.<br />
Erhalten blieb aber die unter dem Text bef<strong>in</strong>dliche Jahreszahl: 1716 [30-31]. 70 Für e<strong>in</strong><br />
Halbfabrikat spricht, dass die Bemalung noch nicht überfangen war und sich das<br />
Gefäß also noch <strong>in</strong> der Herstellung befand sowie se<strong>in</strong>e Lage zwischen Unmengen an<br />
Glaserabfall. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass im Bereich Berl<strong>in</strong>er Straße 7 bis 9<br />
e<strong>in</strong>schließlich der langgestreckten Grundstücke bis zum Stadtmauerweg Anfang des<br />
18. Jahrhunderts e<strong>in</strong>e Glaserwerkstatt bestanden haben muss.<br />
Im untersuchten Bereich wurden 4 Gräben angeschnitten [32]. Graben 1 verlief parallel<br />
zur Goethestraße rechtw<strong>in</strong>klig auf die Stadtmauer zu und führte wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
unter dieser h<strong>in</strong>durch weiter. Der über 2 m breite Graben, dessen Sohle nicht erreicht<br />
wurde, schnitt durch die mittelalterliche Schicht bis <strong>in</strong> den anstehenden Boden e<strong>in</strong>.<br />
32<br />
[30-31] Scherben e<strong>in</strong>es<br />
Zunftpokals mit der<br />
Jahreszahl 1716 und der<br />
Rekonstruktionsversuch<br />
des S<strong>in</strong>nspruchs
69 Bis zur <strong>in</strong>dustriellen Flachglasproduktion, <strong>bei</strong> der<br />
e<strong>in</strong> endloser Glasstrang aus der Schmelze gezogen<br />
wird, wurde die Schmelze auf flach liegenden Formen<br />
ausgestrichen, wo<strong>bei</strong> e<strong>in</strong> verdickter Rand anstand, der<br />
vor der Verar<strong>bei</strong>tung abgeschnitten wurde.<br />
70 Die <strong>in</strong> Abbildung 23-24 gezeigte Rekonstruktion der<br />
Beschriftung entspricht nicht dem Orig<strong>in</strong>alzustand<br />
der Scherben, von denen die oberste Schicht mit der<br />
Bemalung unmittelbar nach der Bergung abplatzte.<br />
Jedoch blieben an den Stellen der Buchstaben leichte<br />
Veränderungen <strong>in</strong> der Glasstruktur zurück, die unter<br />
Schräglicht sichtbar werden und nach denen sich die<br />
ursprüngliche Beschriftung rekonstruieren ließ.<br />
[32] Lage der Gräben 1 bis 4<br />
am Stadtmauerweg<br />
Im Profil wurden noch E<strong>in</strong>bauten aus waagerechten Brettern als Grabenabdeckung<br />
sowie senkrechten Pfosten erkannt. Die Funktion der <strong>in</strong> zwei Gruppen stehenden<br />
Pfosten ist nicht deutlich. Die vielen Grabenfüllschichten belegen e<strong>in</strong>e lange zeitliche<br />
Nutzung. Am Ende wurde der nur noch als E<strong>in</strong>senkung spürbare Graben durch die<br />
o. g. Schuttschicht planiert. Graben 2 zeigte e<strong>in</strong>en Aufbau aus Feldste<strong>in</strong>sockel und<br />
aufgesetztem Ziegelmauerwerk. E<strong>in</strong>e Abdeckung war nicht vorhanden, jedoch weisen<br />
an den Mauer<strong>in</strong>nenseiten erkennbare Aussparungen ebenfalls auf e<strong>in</strong>e Bretterabdeckung<br />
h<strong>in</strong>. Die Verfüllung des etwa 1,50 m breiten Grabens wird <strong>in</strong>direkt datiert<br />
durch Flachglasstreifen, die Anfang des 18. Jahrhunderts produziert wurden. Auch <strong>bei</strong><br />
diesem Graben ist e<strong>in</strong>e Weiterführung unter der Stadtmauer h<strong>in</strong>durch wahrsche<strong>in</strong>lich.<br />
Mit der Schuttschicht wurde die nach se<strong>in</strong>er langsamen Verfüllung gebliebene<br />
Senke nivelliert. Graben 3 ist ähnlich wie Graben 2 aufgebaut, nur ist er straßenparallel<br />
<strong>in</strong> Ost-West-Richtung angelegt. Er mündet <strong>in</strong> den wiederum nordsüdlich<br />
verlaufenden, über 2 m breiten Graben 4, der ohne erkennbare Ausbauten angelegt<br />
war. Graben 4 diente als Sammler für Seitengräben, was sowohl durch die Sohlenbreite<br />
von 1,20 m als auch durch den Tiefenunterschied zu Graben 3 von etwa 40 cm<br />
unterstrichen wird. Auch Graben 4 wurde mehrfach gere<strong>in</strong>igt und die nach se<strong>in</strong>er<br />
Auflassung verbliebene Senke wie gewohnt mit Schutt planiert. Das Verhältnis der<br />
Gräben zu den angrenzenden Grundstücken Berl<strong>in</strong>er Straße konnte dah<strong>in</strong>gehend<br />
geklärt werden, dass Graben 2 laut Katasterplan auf der westlichen Grundstücksgrenze<br />
von Berl<strong>in</strong>er Straße 7 und Graben 4 auf der östlichen Grenze von Berl<strong>in</strong>er<br />
Straße 5 liegt. Vermutlich leiteten diese Gräben von der Berl<strong>in</strong>er Straße aus entlang<br />
der Grundstücksgrenzen Abwasser mit dem Gefälle aus der Stadt ab. Ursprünglich<br />
könnten sie auch der Wasserversorgung der zahlreichen <strong>Bernau</strong>er Brauereien gedient<br />
haben. Bei Graben 1 f<strong>in</strong>det sich im heutigen Katasterplan ke<strong>in</strong>e korrespondierende<br />
Grenze, jedoch ist zu berücksichtigen, dass sich die Grundstücke durch den Mauerdurchbruch<br />
und die Neuanlage der Goethestraße im 19. Jahrhundert verändert<br />
haben. Vor Anlage der Straße lag dort nach e<strong>in</strong>em älteren Katasterplan das Grundstück<br />
Nr. 1625/327, zu dessen Ostgrenze der Graben <strong>in</strong> Beziehung stehen könnte. Die<br />
archäologische Begleitung im Stadtmauerweg zwischen Goethestraße und Ste<strong>in</strong>torplatz<br />
ergab, dass <strong>in</strong> diesem Bereich wohl erst im 19. Jahrhundert e<strong>in</strong> Mauer<strong>in</strong>nenweg<br />
entstanden ist. Hierfür sprechen die gefundenen Aufschüttungen, fehlende Abgren-<br />
33
zungen sowie drei den heutigen Straßenverlauf querende Gräben auf Grundstücksgrenzen,<br />
die ehemals bis zur Stadtmauer durchliefen. Auch diese Gräben wurden<br />
wohl ursprünglich für die Wasserversorgung der Brauereien angelegt, später aber<br />
für die Abwasserentsorgung umfunktioniert und müssten daher e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung<br />
zur Panke oberhalb der Stadt, also <strong>in</strong> Richtung Ste<strong>in</strong>tor, gehabt haben. In der Frühen<br />
Neuzeit wurde dieser rückwärtige Teil der Grundstücke Berl<strong>in</strong>er Straße 5-15 häufig zur<br />
Entsorgung von Haus- und Gewerbemüll genutzt, wie zahlreiche Abfallgruben, u. a.<br />
mit Glaserabfall, belegen. Bauliche Strukturen haben unmittelbar an der Stadtmauer<br />
offenbar nicht bestanden.<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Östlicher Stadtmauerweg zwischen Ste<strong>in</strong>tor und Parkstraße<br />
(6. Bauabschnitt)<br />
Im Zuge des Neubaus e<strong>in</strong>es Regenwasserkanals mit Anb<strong>in</strong>dung der Hausanschlüsse<br />
war im Jahre 2004 im Bereich des 6. Bauabschnitts zwischen dem Ste<strong>in</strong>torplatz und<br />
der E<strong>in</strong>mündung Parkstraße e<strong>in</strong>e archäologische Baubegleitung entlang des Innenweges<br />
der Stadtmauer erforderlich. Für die Verlegung des Kanals musste e<strong>in</strong> Schacht<br />
von ca. 125 m Länge, 1,20 m Breite und 2,80 m-3,50 m Tiefe ausgehoben werden.<br />
Für den Wegebau wurde der Deckboden auf der gesamten Straßenbreite von etwa<br />
5 m um ca. 60 cm Tiefe abgetragen. Die Baumaßnahme griff <strong>in</strong> das Bodendenkmal<br />
„Mittelalterliche Stadtmauer e<strong>in</strong>schließlich Lughäuser“ e<strong>in</strong> und ermöglichte e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Genese des historischen Stadtkerns von <strong>Bernau</strong>. 71 Neben Grubenkomplexen<br />
wurden <strong>in</strong>sbesondere Baubefunde, Pflughorizonte und Kulturschichten<br />
gesichtet. So konnten die Reste von zwei spätmittelalterlichen und e<strong>in</strong>er urgeschichtlichen<br />
Kulturschicht erfasst werden [33].<br />
34<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Östlicher Stadtmauerweg [2004]<br />
71 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2003: 54<br />
(M. Escobedo + M. Pytlik/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).
72 Im untersuchten Bereich wurden <strong>in</strong>sgesamt 4 nicht<br />
näher zu def<strong>in</strong>ierende Siedlungsgruben identifiziert,<br />
die mit e<strong>in</strong>er graubraunen, sandigen Aufschüttung<br />
und e<strong>in</strong>igen Keramikfragmenten (harte Grauware),<br />
Holzkohlereste, Tierknochen und kle<strong>in</strong>eren Feldste<strong>in</strong>en<br />
verfüllt waren.<br />
[33] Mittelalterliche<br />
Kulturschichten am<br />
östlichen Stadtmauerweg<br />
Im Zusammenhang mit dem ersten mittelalterlichen Kulturhorizont s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />
Siedlungsgrube sowie die Fundamente dreier Lughäuser entlang der Stadtmauer<br />
zu sehen. Die Vorsprünge der Lughäuser basierten auf Fundamenten aus großen<br />
und mittelgroßen Feldste<strong>in</strong>en, die mit Kalkmörtel verfugt s<strong>in</strong>d und sich noch<br />
0,80 m-1,40 m <strong>in</strong> Westrichtung und bis ca. 1 m unterhalb der Straßenoberfläche<br />
erstrecken. Im Bereich der Fundamentbaugrube konnten zwei verschiedene spätmittelalterliche<br />
bzw. frühneuzeitliche Schichten differenziert werden. Daraus ergab<br />
sich, dass das Fundament der Stadtmauer <strong>in</strong> diesem Bereich bis auf die erste mittelalterliche<br />
Siedlungsschicht h<strong>in</strong>ab reichte. Die schmale Kulturschicht selbst war mit<br />
zahlreichen Grauwarefragmenten, sehr wenigen Irdenwarescherben, Tierknochen,<br />
Holzkohleresten und starken Brandspuren durchsetzt.<br />
E<strong>in</strong> zweiter Kulturhorizont umfasst e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en Grubenkomplex72 und Baustrukturreste,<br />
die aufgrund der dar<strong>in</strong> enthaltenen Keramikfragmente <strong>in</strong>s Mittelalter<br />
zu datieren s<strong>in</strong>d.<br />
Im Planum wurde der Rest e<strong>in</strong>es südöstlich-nordwestlich ausgerichteten Mauerfundaments<br />
aus großen und mittelgroßen Feldste<strong>in</strong>en dokumentiert. Das Fundament<br />
wurde <strong>in</strong> Lehm gesetzt und vertiefte die zweite Kulturschicht. Zehn Meter nördlich<br />
davon entfernt wurde e<strong>in</strong>e weitere, dreilagige Ste<strong>in</strong>konzentration im Profil freigelegt.<br />
Der Befund sche<strong>in</strong>t auch der Rest e<strong>in</strong>er Bauaktivität <strong>in</strong>nerhalb der zweiten mittelalterlichen<br />
Kulturschicht zu se<strong>in</strong>. Andererseits gehört der Rest e<strong>in</strong>es Pflughorizonts<br />
mit Spatenstichspuren, die sich <strong>in</strong> dem anstehenden Boden vertiefend erhalten<br />
haben, sowie partiell e<strong>in</strong>ige mächtige Aufschüttungen ebenfalls <strong>in</strong> die Siedlungsaktivität<br />
dieser zweiten mittelalterlichen Kulturschicht. Der zweite Kulturhorizont<br />
ist jedoch vorrangig durch e<strong>in</strong>e 20 cm-25 cm starke, durchlaufende Kulturschicht<br />
aus graubraunem Sand mit Holzkohleresten, kle<strong>in</strong>en Feldste<strong>in</strong>en, zahlreichen Grauwarefragmenten<br />
und Tierknochen charakterisiert.<br />
Der dritte und älteste Kulturhorizont wird durch e<strong>in</strong>e ca. 20 cm starke graubraune,<br />
sandige Schicht def<strong>in</strong>iert. Sie verlief <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tiefe von ca. 2,50 m unter der Geländeoberkante<br />
und zeigte e<strong>in</strong>e Konzentration aus Holzkohle und Brandspuren. Aus dem<br />
Befund konnte an Keramik e<strong>in</strong> urgeschichtliches unverziertes Fragment geborgen<br />
werden.<br />
35
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Nördlicher Stadtmauerweg zwischen Parkstraße und Mühlenstraße<br />
(5. Bauabschnitt)<br />
Die archäologische Dokumentation umfasste die Kontrolle der Profile der Regenwasserleitung<br />
mit e<strong>in</strong>er Tiefe bis 2,60 m und e<strong>in</strong>er Breite von 1,40 m sowie des Planums<br />
<strong>bei</strong> den Straßenar<strong>bei</strong>ten bis 1,20 m Tiefe zwischen der Parkstraße und der Mühlenstraße<br />
über ca. 300 m Länge im Jahre 2006. 73 Während der Schachtungsar<strong>bei</strong>ten<br />
wurden <strong>in</strong>sbesondere der untere verbreiterte Fundamentbereich der Stadtmauer<br />
sowie die Fundamente und Sockelbereiche der Weichhauswangen freigelegt. Insgesamt<br />
konnten von den 12 vorhandenen stadtseitigen Weich- bzw. Wachhäusern<br />
<strong>in</strong>sgesamt 8 archäologisch dokumentiert werden [34-36]. Die Weichhäuser als Verteidigungselement<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em regelmäßigen Abstand von etwa 30 m <strong>in</strong> die Stadt-<br />
36<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Nördlicher Stadtmauerweg [2006]<br />
[34-35] Dokumentierte<br />
Fundamentreste der<br />
Weichhäuser 3 und 4<br />
[36] Stadtmauer mit den<br />
Weich- bzw. Lughäuser 3<br />
und 4 am Stadtmauerweg<br />
zwischen Hohe Ste<strong>in</strong>straße<br />
und Parkstraße nach Fertigstellung<br />
der Baumaßnahmen
73 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2006: 34<br />
(K. Grüneberg/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
Anmerkung:<br />
Die erfassten Weichhäuser beg<strong>in</strong>nen aufsteigend und<br />
nummerisch westlich der Parkstraße mit Weichhaus 1<br />
und enden an der Mühlenstraße mit Weichhaus 12.<br />
Jedes Weichhaus erhielt e<strong>in</strong>e Befundnummer. Diese<br />
wurde für die West- und Ostwange <strong>in</strong> a und b aufgeteilt.<br />
74 Vgl. Berl<strong>in</strong>er Straße (UBO 2005:92); Hohe Ste<strong>in</strong>straße<br />
(UBO 2005:03); Ste<strong>in</strong>torplatz (UBO 2004:109);<br />
Südlicher Stadtmauerweg: 1. Baubschnitt zwischen<br />
Ste<strong>in</strong>torplatz und Alte Goethestraße (UBO 2003:93)<br />
und Östlicher Stadtmauerweg: 6. Bauabschnitt<br />
zwischen Parkstraße und Ste<strong>in</strong>torplatz (UBO 2003:54).<br />
[37] Zeichnerische Dokumentation<br />
der Funde zwischen<br />
den Weichhäusern 10-12<br />
[38-39] Stadtmauerweg <strong>in</strong><br />
Höhe der Weichhäuser 9-10<br />
früher und heute<br />
mauer e<strong>in</strong>gebettet und weisen <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> Sockelaußenmaß von 5,60 m-6,20 m<br />
sowie e<strong>in</strong> Sockel<strong>in</strong>nenmaß von 2,90 m-3,50 m auf. E<strong>in</strong> hölzerner Wehrgang konnte <strong>bei</strong><br />
ke<strong>in</strong>er der bisherigen archäologischen Maßnahmen am Stadtmauerweg festgestellt<br />
werden; vermutlich war er nicht existent.<br />
Im Stadtmauerweg zeigte sich der Profilaufbau wie folgt: Unter dem modernen Wegaufbau<br />
bzw. e<strong>in</strong>er Ziegelbruchschicht trat e<strong>in</strong>e bis zu 1 m starke Mittelsandschicht<br />
mit Ziegelbruch und Keramikmaterial der Frühen Neuzeit bis Neuzeit auf. Diese lag <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>igen Bereichen über e<strong>in</strong>em ca. 10 cm starken Kle<strong>in</strong>pflaster oder e<strong>in</strong>er bis zu 40 cm<br />
starken graulehmigen, harte Grauware führenden Mittelsandschicht (jüngere mittelalterliche<br />
Kulturschicht). Darunter folgten bis zu 1 m starke sandig-lehmige Auffüllschichten.<br />
E<strong>in</strong>e weitere harte Grauware führende Schicht schloss sich unter dieser an<br />
(ältere mittelalterliche Kulturschicht). Der anstehende Boden wurde selten erreicht.<br />
Von e<strong>in</strong>er urgeschichtlichen Besiedlung zeugt e<strong>in</strong>e muldenförmige Grube, die sich<br />
unter der ältesten mittelalterlichen Kulturschicht im Bereich der Weichhäuser 11-12<br />
befand. Die Grube enthielt e<strong>in</strong> urgeschichtliches Keramikfragment und ist somit der<br />
älteste angetroffene Befund <strong>in</strong> diesem Abschnitt [37-39].<br />
Für das Mittelalter konnten e<strong>in</strong>e ältere und jüngere Kulturschicht festgestellt werden,<br />
e<strong>in</strong>e Situation, die sich an mehreren Stellen der Stadt wiederholt. 74 Die ältere, nahezu<br />
durchlaufende Kulturschicht stammt aus der Zeit vor dem Stadtmauerbau, d.h. vor<br />
dem Ende des 14. Jahrhunderts. Indizien hierfür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits das entsprechend<br />
37
datierende Keramikmaterial mit wenigen Holzkohlepartikeln, andererseits verläuft<br />
sie an zwei Stellen unterhalb der Fundamente von Weichhäusern bzw. unterhalb der<br />
damit verzahnten Stadtmauer. Aus ihr zogen mehrere Gruben und e<strong>in</strong> Pfostenloch-<br />
Komplex, d. h. die ehemaligen Standspuren von Pfostenträgerbauten.<br />
Unmittelbar an die Stadtmauer und die Weichhäuser angrenzend erstreckte sich<br />
nachweislich <strong>in</strong> den Bereichen der Weichhäuser 2-3, 5-6, 6-7 und 8-9 e<strong>in</strong> schmaler<br />
Pflasterstreifen. Dieser bestand aus unregelmäßig angeordneten, faustgroßen Feldste<strong>in</strong>en<br />
im Sandbett. Direkt über dem Pflaster kamen vermehrt Fragmente von harter<br />
Grauware und e<strong>in</strong> Messerfragment zutage. Die Pflastersetzung erfolgte nach dem<br />
Bau der Stadtmauer und der Weichhäuser, da sie über den Fundamenten der Weichhäuser<br />
lag und somit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e jüngere spätmittelalterliche Phase datiert. Es stellt den<br />
Überrest des <strong>in</strong>neren Umweges dar, der Teil des Befestigungssystems war [40].<br />
Aufgrund dieser unbebauten Situation und Funktion fanden sich <strong>in</strong> dem untersuchten<br />
Abschnitt auch ke<strong>in</strong>e Spuren von den großen Stadtbränden der Jahre 1406 und<br />
1484. Lediglich e<strong>in</strong>e ca. 10 m lange Brandschicht mit Brandlehm und viel Holzkohle<br />
im Bereich des Weichhauses 2-3 kann e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>flächig begrenzten Brand zugeordnet<br />
werden. Die Stadtmauer selbst ist bis zu 1,50 m breit, teils noch bis zu 8 m hoch<br />
und besteht aus geschichteten mittleren bis großen Feldste<strong>in</strong>en mit entsprechenden<br />
Ausgleichslagen von kle<strong>in</strong>eren Ste<strong>in</strong>en [41].<br />
38<br />
[40] Stadtmauerweg mit dem<br />
historischen Altpflasterfund<br />
unterhalb der heutigen Geländeoberkante<br />
[41] Freigelegtes Fundament<br />
der Stadtmauer
[42] Verzahnung der<br />
Fundamente des Weich-<br />
hauses mit dem der Stadtmauer<br />
Das klassische Aufbausystem e<strong>in</strong>es Weichhauses stellt sich wie folgt dar: Das Fundament<br />
ist gebildet aus e<strong>in</strong>em Rücksprung <strong>in</strong>nerhalb der <strong>in</strong>neren Stadtmauer. Dieser<br />
ausgesparte und gleichzeitig <strong>in</strong>tegrierte Teil stellt die Rückwand des Weichhauses<br />
dar. Zwei seitlich ansetzende, ca. 1 m-2 m starke, stadte<strong>in</strong>wärts gerichtete Wangen<br />
fungieren als Seitenwände. Jede Wange setzt sich aus dem Grundfundament, dem<br />
Sockelbereich sowie dem aufgehenden Mauerwerk zusammen, wo<strong>bei</strong> das Fundament<br />
meist verbreitert und zwei- bis dreilagig ausgeführt ist. Jede Lage besteht aus<br />
zwei bis drei großen Feldste<strong>in</strong>en ohne Kalkmörtelverbund. Kalkmörtel f<strong>in</strong>det sich<br />
meist erst <strong>in</strong> der obersten Lage. Der Sockel besteht ebenfalls aus zwei bis drei Lagen<br />
Feldste<strong>in</strong>en unterschiedlicher Anzahl und Größe im Kalkmörtelverband, ausgezwickelt<br />
mit Ziegelbruch und kle<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>en. In mehreren Fällen wurde der obere,<br />
aus dem Erdreich herausragende Sockelbereich bzw. das aufgehende Mauerwerk<br />
rezent (nachträglich) mit Zementmörtel stabilisiert. Die Fundamente liegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
dunkelgelben, lehmigen Mittelsandschicht; <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall konnte die Baugrube nachgewiesen<br />
werden. Die Verzahnung der Stadtmauer mit dem Fundament der Weichhäuser,<br />
wie sie <strong>in</strong> den Bereichen der Weichhäuser 2A, 4 und 11 dokumentiert wurden,<br />
belegt e<strong>in</strong>e Gleichzeitigkeit der Entstehung [42].<br />
Direkt über der ältesten mittelalterlichen Kulturschicht lagern mehrere Auffüllschichten,<br />
die <strong>in</strong> Richtung Stadtmauer ansteigend und zeitlich im Zusammenhang<br />
mit deren Bau zu setzen s<strong>in</strong>d. Ob es sich hier<strong>bei</strong> differenziert um e<strong>in</strong>en Vorgängerwall<br />
oder um e<strong>in</strong>e Wallaufschüttung zur Erhöhung der Stadtmauer handelt, konnte<br />
nicht e<strong>in</strong>deutig bestimmt werden. Die jüngere, etwa 40 cm starke mittelalterliche<br />
Kulturschicht besteht aus leicht lehmigem Mittelsand. Sie enthält vere<strong>in</strong>zelt Holzkohle-<br />
und Ziegelbruchpartikel und liegt über der oben genannten Auffüllschicht.<br />
Im wenigen Bereichen konnte über ihr liegend noch das nicht klar abzutrennende<br />
Kle<strong>in</strong>pflaster dokumentiert werden.<br />
Seit der Frühen Neuzeit bis zur Sanierungsmaßnahme 2006 existierte <strong>in</strong> diesem<br />
Abschnitt nur e<strong>in</strong> unbefestigter, aber befahrbarer Stadtmauerweg. Im Gegensatz<br />
zum Stadtmauerweg zwischen Ste<strong>in</strong>torplatz und Goethestraße (1. Bauabschnitt)<br />
wurden hier ke<strong>in</strong>e Mülldepots e<strong>in</strong>gebracht. E<strong>in</strong>e stellenweise aufgebrachte Ziegelbruchschicht<br />
diente der besseren Befahrbarkeit des Weges. In mehreren Bereichen<br />
existierten Gebäudefundamente, entweder Streifenfundamente aus Feldste<strong>in</strong>en<br />
39
oder Feldste<strong>in</strong>fundamente mit teilweise aufgehendem neuzeitlichen Mauerwerk<br />
der zum größten Teil <strong>in</strong> den 1970er Jahren abgerissenen Häusern. Somit gelang der<br />
Nachweis e<strong>in</strong>er stadtseitigen Bauflucht. Die Streifenfundamente bestanden aus <strong>in</strong><br />
Lehm gesetzten Feldste<strong>in</strong>en, Ziegelbruchstücken und Kalkmörtel. Meist fanden sich<br />
auf den älteren Fundamenten die Reste e<strong>in</strong>er aufgehenden neuzeitlichen Ziegelmauer.<br />
Die Fundamente verliefen parallel zur Stadtmauer und lagen <strong>in</strong> der Flucht<br />
der noch heute vorhandenen Bebauung des 18./19. Jahrhunderts, wofür ihre Lage<br />
und die sie umgebende Mittelsandschicht mit entsprechend datiertem Fundmaterial<br />
spricht. So fanden sich <strong>in</strong> der rückseitigen Flucht zur Hohe Ste<strong>in</strong>straße 10<br />
und parallel zur Stadtmauer verlaufend Reste der ehemaligen Bebauung sowie e<strong>in</strong><br />
Grubenkomplex. Ferner wurden die freigelegten Feldste<strong>in</strong>fundamente mit aufgehendem<br />
Ziegelmauerwerk und Fachwerk sowie Streifenfundamente mehrerer noch<br />
stehender Gebäude <strong>in</strong> der Hohen Ste<strong>in</strong>straße Nr. 26, 32 und 34 dokumentiert [43-44].<br />
Die archäologischen Ergebnisse stimmen mit der Aussage des Chronisten Wernicke<br />
übere<strong>in</strong>: „Auf e<strong>in</strong>e geregelte Bauflucht an demselben (Stadtmauerweg) wird erst <strong>in</strong><br />
neuerer Zeit strenge gehalten. Der Weg ist an der Stadtseite meistenteils mit Stall-,<br />
Wirtschafts- und Remisen-, an e<strong>in</strong>igen Stellen auch mit bewohnten H<strong>in</strong>tergebäuden<br />
40<br />
[43] Stadtmauerweg vor den<br />
Pflasterar<strong>bei</strong>ten <strong>in</strong> Höhe der<br />
Weichhäuser 3 und 4 ohne die<br />
e<strong>in</strong>st historisch parallel zur<br />
Mauer verlaufende Bauflucht<br />
[44] Fundamentfunde der<br />
Gebäude aus dem 18. Jahrhundert<br />
an der Stadtmauer<br />
[45 a-i] Funde am nördlichen<br />
Stadtmauerweg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hier<br />
idealisierten Schichtfolge<br />
Anmerkung:<br />
Die Abfolge <strong>bei</strong> Auffüllschichten ist <strong>in</strong> der Regel chronologisch<br />
wie folgt: Die älteste Schicht ist die unterste, sie<br />
bef<strong>in</strong>det sich über dem anstehenden Boden – also dem<br />
Boden, der noch nicht von Menschen berührt wurde.<br />
Darüber bef<strong>in</strong>den sich jeweils die jüngeren Schichten.<br />
Idealerweise also von zuunterst nach oben: urgeschichtliche<br />
Schichten, mittelterliche, frühneuzeitliche und<br />
unter dem Straßenpflaster neuzeitliche Schichten. Aber<br />
es können natürlich auch Zeitstellungen fehlen, weil <strong>in</strong><br />
diesen Zeiträumen nicht gesiedelt wurde. Oder es gibt<br />
mehrere Schichten aus derselben Epoche, z.B. wegen<br />
Brandkatastrophen, Wegebau o. ä.
frühneuzeitliche<br />
und neuzeitliche<br />
Auffüllschicht<br />
(nach 1850)<br />
2 cm<br />
Maßstab 1:2<br />
frühneuzeitliche<br />
Kulturschicht<br />
(nach 1500-<br />
1850)<br />
jüngere<br />
mittelalterliche<br />
Kulturschicht<br />
(14.-15. Jh.)<br />
ältere<br />
mittelalterliche<br />
Kulturschicht<br />
(13.-14. Jh.)<br />
plastisch verzierte<br />
Ofenkacheln [a],<br />
der obere Teil e<strong>in</strong>es<br />
Kerzenständers aus<br />
heller Irdenware [b]<br />
und e<strong>in</strong> glasierter<br />
Topfdeckel mit<br />
Pfannengriff [c]<br />
kle<strong>in</strong>teilige Scherben<br />
harter Grauware,<br />
frühneuzeitliche und<br />
neuzeitliche Keramik,<br />
Fragmente von<br />
plastischen Tonfigürchen<br />
[d], Glas- und<br />
Metallobjekte [e-f]<br />
sowie Fragmente an<br />
Tierknochen<br />
Fragmente an<br />
harter Grauware [g]<br />
harte Grauware [h],<br />
darunter auch e<strong>in</strong><br />
Fehlbrand [i]<br />
[d]<br />
[a]<br />
[g]<br />
[e]<br />
[i]<br />
[b]<br />
[c]<br />
[h]<br />
[f]<br />
41
ebaut; die nicht bebauten Theile s<strong>in</strong>d meistens noch die Hausgärten der an den betreffenden<br />
Straßen belegenen Grundstücke. – Der Mauerweg ist nur <strong>bei</strong> der Scharfrichterei<br />
und zwar schon seit sehr langer Zeit mit Pflaster versehen. Sonst bef<strong>in</strong>det sich derselbe<br />
fast durchweg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ungepflasterten Zustande, ...“. 75<br />
An Funden wurden vor allem kle<strong>in</strong>teilige Scherben harter Grauware, frühneuzeitlicher<br />
und neuzeitlicher Keramik, Fragmente von plastischen Tonfigürchen, Glasund<br />
Metallobjekte sowie Fragmente an Tierknochen geborgen. Aus der Auffüllschicht<br />
stammen u. a. plastisch verzierte Ofenkacheln, der obere Teil e<strong>in</strong>es Kerzenständers<br />
aus heller Irdenware und e<strong>in</strong> glasierter Topfdeckel mit Pfannengriff [45 a-c]. Die<br />
jüngere mittelalterliche Kulturschicht erbrachte sehr wenige Fragmente an harter<br />
Grauware, die ältere h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e größere Anzahl an harter Grauware, darunter<br />
auch e<strong>in</strong> Fehlbrand [45 i]. Oberhalb des Pflasters fanden sich ebenfalls mehrere<br />
Fragmente an harter Grauware, darunter e<strong>in</strong> Fragment e<strong>in</strong>es Tüllengefäßes mit<br />
aufgesetzter Tülle im Gefäßunterteil. Derartige Tüllen f<strong>in</strong>den sich gewöhnlich an<br />
Standbodengefäßen und grapenförmigen Exemplaren des 14. bis 17. Jahrhunderts. 76<br />
Möglicherweise wurde dieses <strong>bei</strong> der Bierbrauerei verwendet. Für die Prozedur des<br />
Bierbrauens brauchte man e<strong>in</strong> Behältnis mit Abflusshahn, um zwei Ar<strong>bei</strong>tsgänge zusammenzufassen.<br />
In ihm wurde das Gemisch aus Wasser, Hopfen, Gerste oder Malz<br />
mehrere Stunden abgekocht. Anschließend kam e<strong>in</strong>e Schicht aus Haferstroh auf den<br />
Gefäßboden, <strong>in</strong> der sich <strong>bei</strong>m Ablassen der Flüssigkeit alle Unre<strong>in</strong>heiten absetzten.<br />
E<strong>in</strong> eisernes Messerfragment rundet das Fundspektrum ab [45 f]. Aus dem Innenbereich<br />
des Weichhauses 4 stammt der obere Teil e<strong>in</strong>es Kugeltopfes mit randständigem<br />
Henkel [45 h] aus dem späten 13. bis zur 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, und aus der<br />
Hausverfüllung e<strong>in</strong>es Gebäudefundaments konnte e<strong>in</strong>e Münze aus dem 18. Jahrhundert<br />
(Friedrich II.) geborgen werden [45 e].<br />
Mit der Untersuchung im nördlichen Stadtmauerweg zwischen der Parkstraße<br />
und der Mühlenstraße gelang es, neue Erkenntnisse sowohl zur Besiedlung vor der<br />
Errichtung der Befestigung als auch zur Nutzung des an die Befestigung angrenzenden<br />
Innenstadtbereiches, zu Form und Aufbau der Weichhäuser sowie generell zur<br />
Stadtbefestigung zu erzielen.<br />
42<br />
75 Wernicke 1992,45.<br />
76 Schmidt 1990, 18-19, Taf.10, 11.<br />
[45 e] Münze aus dem<br />
18. Jahrhundert (Friedericus<br />
Rex – Friedrich II.), Fund am<br />
nördlichen Stadtmauerweg<br />
1 cm
77 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2004: 108<br />
(M. Pytlik/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
[46] Mittelalterliches<br />
Kupferblech, vermutlich<br />
als Kästchenbeschlag oder<br />
Buchschließe verwendet<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Jahnstraße /<br />
Alte Ladeburger Straße [2004]<br />
Äußerer nördlicher Stadtwall an der Jahnstraße / Alte Ladeburger Straße<br />
Für die Anlage e<strong>in</strong>es Regenwasserablaufes von der Alten Ladeburger Straße zum<br />
wasserführenden äußeren Stadtgraben an der Jahnstraße erfolgte im Jahre 2004<br />
e<strong>in</strong>e archäologische Baubegleitung. 77 Hier<strong>bei</strong> bot sich die Möglichkeit zum fundierten<br />
E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Anlage des äußersten Stadtwalls. Bautechnisch wurde e<strong>in</strong> ca. 6 m<br />
tiefer und ca. 9 m langer Schacht <strong>in</strong> den Wall und <strong>in</strong> die Böschung zum Stadtgraben<br />
ausgehoben. Aufgrund der enormen Bautiefe und Ar<strong>bei</strong>tssicherheit waren jedoch nur<br />
die oberen 2 m des Walls dokumentierbar. Ebenso wurde nur der obere, an den Wall<br />
anschließende Teil der Grabenböschung erfasst, da ab etwa 3,50 m unterhalb der<br />
Geländeoberkante nur moderner Humus auf anstehendem Lehm lagerte.<br />
Das Querprofil be<strong>in</strong>haltete unterhalb des eigentlichen Walls e<strong>in</strong>e etwa 40 cm starke<br />
spätmittelalterliche Siedlungsschicht mit datierender harter Grauware. E<strong>in</strong>e fundleere,<br />
mit mehreren Schichten verfüllte Grube lag noch unterhalb dieser Siedlungsschicht<br />
und kann aufgrund ihres ebenen Bodens als e<strong>in</strong>e mittelalterliche Hausgrube<br />
angesprochen werden. Der Wallaufbau selbst zeigte sich <strong>in</strong> mehreren oben gekappten<br />
Schichten, die bis <strong>in</strong> den Stadtgraben h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ziehen. In dem abfallenden Teil des Querprofiles<br />
fanden sich ke<strong>in</strong>e Keramikfragmente mehr, so dass von e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>schneiden<br />
des Stadtgrabens <strong>in</strong> den älteren, mittelalterlichen Siedlungshorizont auszugehen ist.<br />
Neben der typischen mittelalterlichen Keramik und Tierknochen ist besonders der<br />
Fund e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en verzierten, rechteckigen Kupferblechs mit floralem Motiv zu<br />
nennen, das vermutlich als Kästchenbeschlag oder Buchschließe genutzt wurde [46].<br />
43
3. Kirchen, Friedhöfe,<br />
Hospitäler und Kaland<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
St.-Marien-Kirche<br />
Die heutige vierschiffige Backste<strong>in</strong>hallenkirche St.-Marien mit Chorumgang 78 ist<br />
aus e<strong>in</strong>em vermutlich spätromanischen, dann gotisch veränderten Feldste<strong>in</strong>bau<br />
hervorgegangen. 79 Spätestens ab 1296 bis zur Reformation war die <strong>Bernau</strong>er<br />
St.-Marien-Kirche Sitz e<strong>in</strong>es Propstes; das Patronat der Marienkirche übernahm<br />
der Rat der Stadt <strong>Bernau</strong> vom Markgrafen im Jahre 1545.<br />
Erster Kirchenbau mit zwei Bauphasen ca. 1250 - 1339<br />
Um ca. 1250 entstand der erste massive Kirchenbau <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong>: Hier<strong>bei</strong> wird es<br />
sich um e<strong>in</strong> basilikales Gebäude, ähnlich denen von Altlandsberg und Strausberg<br />
gehandelt haben. Dieser erste Kirchenbau wurde um 1300 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er 2. Bauphase<br />
mittels e<strong>in</strong>es breiteren Mittelschiffes und e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>schiffigen gewölbten Chores<br />
mit polygonalem Abschluss verändert. E<strong>in</strong>en Endpunkt dieser Bauphase könnte<br />
die überlieferte Altarweihe von 1339 markieren.<br />
Die <strong>in</strong> mehreren Bauphasen errichtete Kirchenhalle verfügt über e<strong>in</strong> Grundschema<br />
von vier Jochen mit zweijochigem, polygonal geschlossenem Hallenumgangschor.<br />
Von der dreischiffigen Feldste<strong>in</strong>basilika mit Westquerturm und unbekanntem<br />
Chorabschluss als Vorgängerbau aus dem 2. Viertel bzw. um die Mitte des 13. Jahrhunderts<br />
ist nur noch die Ostwand des 1838/39 abgetragenen Turms mit den<br />
44<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- St.-Marien-Kirche [1992]<br />
- Kirchgasse [1997]<br />
- Friedhof [1999]<br />
78 Friske 2000, 70 f. Anm. 281.<br />
Gesamtlänge (ohne Turm): 54,50 m, Gesamtbreite:<br />
30,30 m, Feldste<strong>in</strong>mauerwerk: 16 m hoch; Gewölbehöhen:<br />
Mittelschiff 15,25 m, Seitenschiffe ca. 13 m.<br />
79 Plate 2005, Kap. 3.1; Im Folgenden bes. Friske 2000,<br />
69 ff.
80 Friske 2000, 70 Anm. 282.<br />
Bis 1846 befand sich an der Stelle des modernen<br />
Backste<strong>in</strong>turms e<strong>in</strong> aus regelmäßigen Feldste<strong>in</strong>en<br />
gemauerter riegelartiger Westturmbau.<br />
81 Friske 2000, 69 Anm. 279-280.<br />
82 Friske 2000, 83 Anm. 334.<br />
83 Kunstdenkmäler, S. 73, Abb. 60. „Anno dom<strong>in</strong>i<br />
M°ccccc°xIx Completum est hoc opus per petrum …<br />
de luckov“ (Übersetzung: „Im Jahr des Herrn 1519 ist<br />
dieses [Bau-]werk durch Petrus von Luckov vollendet<br />
worden“)<br />
[47] Innenansicht der<br />
St.-Marien-Kirche<br />
vermauerten Spitzbogenöffnungen zu den Seitenschiffen erhalten. 80 Der jetzige<br />
schmale Backste<strong>in</strong>turm ist modern ausgeführt. Fensterreste <strong>in</strong>nerhalb der Feldste<strong>in</strong>wand<br />
über den nördlichen Mittelschiffarkaden im Dachstuhl deuten wohl auf den<br />
zuvor genannten Basilika-Umbau um 1300 h<strong>in</strong>, <strong>bei</strong> dem das Mittelschiff nahezu<br />
auf die heutige Breite erweitert sowie im Osten e<strong>in</strong> gewölbter Backste<strong>in</strong>chor mit<br />
7/12-Polygonalschluss errichtet wurde. Im Zuge von älteren Grabungen wurden für<br />
diesen Kirchenbau e<strong>in</strong> fünfseitiger Chorabschluss mit Strebepfeilern – bestehend aus<br />
e<strong>in</strong>em Feldste<strong>in</strong>fundament mit Backste<strong>in</strong>mauern – sowie e<strong>in</strong>e Sakristei nördlich des<br />
Chores nachgewiesen.<br />
Zweiter Kirchenneubau mit zwei Bauphasen ab 1400 bis 1519<br />
Vermutlich an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert wurde mit dem spätgotischen<br />
Kirchenneubau begonnen: zunächst <strong>in</strong> der ersten Bauphase mit e<strong>in</strong>er Erweiterung<br />
nach Norden mittels Errichtung der <strong>bei</strong>den nördlichen Hallenseitenschiffe, anschließend<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweiten Bauphase mit dem südlichen Seitenschiff und dem Hallenumgangschor.<br />
Für diesen ist e<strong>in</strong>erseits die Weih<strong>in</strong>schrift e<strong>in</strong>es Altars vom 2. Juli 1479,<br />
andererseits e<strong>in</strong> Dendrodatum für den Chordachstuhl um das Jahr 1485 bezeugt. 81<br />
Im Zuge dieser Bauphase ist die Öffnung der nördlichen Mittelschiffswand zu den <strong>bei</strong>den<br />
nördlichen Seitenschiffen h<strong>in</strong>zugekommen. In dieselbe Bauphase gehören ferner<br />
auch die Nordsakristei am Chor, die Südkapelle am östlichen Langhausjoch sowie die<br />
<strong>bei</strong>den Ziegelspitzen des alten Turms. Das Triumphkreuz wurde – wie die 1988 freigelegte<br />
Jahreszahl zeigt – wohl 1490 angebracht und markiert zugleich den Abschluss<br />
der Innengestaltung des Chors mit Malereien und Fenstern. 82<br />
Im Kirchen<strong>in</strong>neren wurden u. a. neben e<strong>in</strong>er Weih<strong>in</strong>schrift von 1479 am nordöstlichen<br />
Mittelschiffsgewölbe e<strong>in</strong>e Gewölbe<strong>in</strong>schrift von 1519 aufgedeckt, nach der Petrus<br />
H<strong>in</strong>r[icus] von Luckov als vollendender Baumeister genannt wird. 83 Die somit im Jahre<br />
1519 vollendete Kirche weist e<strong>in</strong>e Länge von 54,50 m sowie e<strong>in</strong>e Breite von 30 m auf;<br />
der ursprüngliche Doppelturm wurde im Jahre 1846 durch den gedrungenen quadratischen<br />
Westturm aus Backste<strong>in</strong> nach e<strong>in</strong>em Entwurf von Bau<strong>in</strong>spektor Butzke mit<br />
e<strong>in</strong>er lichten Höhe von 57,40 m ersetzt. Netz- und Sterngewölbe im Mittelschiff sowie<br />
<strong>in</strong> den nördlichen und südlichen Seitenschiffen schaffen e<strong>in</strong>en noch heute prägenden,<br />
weitläufigen Raume<strong>in</strong>druck [47].<br />
45
Die St.-Marien-Kirche ist vor allem aber auch durch die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em außergewöhnlichen<br />
Umfang erhaltene mittelalterlich-frühneuzeitliche Ausstattung des 15.-18. Jahrhunderts<br />
überregional bedeutend. Als großer Verlust s<strong>in</strong>d jedoch die 1572/73 von Hans<br />
Scherer errichtete und 1864 abgerissene Orgel – e<strong>in</strong>e erste ist mit Sicherheit ab 1519<br />
bezeugt – e<strong>in</strong>schließlich Empore und etliche Nebenaltäre zu nennen. 84 Das bedeutendste<br />
Ausstattungsobjekt stellt der Marienhochaltar mit drei Schauseiten aus<br />
dem 16. Jahrhundert dar, für den sich das Jahr 1339 als Gründungsdatum f<strong>in</strong>det. 85<br />
Dieser etwa um 1520 entstandene Hochaltar als Prunkstück der Kirchenausstattung<br />
besitzt e<strong>in</strong>e Gesamthöhe von 8 m und e<strong>in</strong>e Breite <strong>bei</strong> geöffnetem Zustand von 5,20 m,<br />
das Retabel (lat.: Tafel h<strong>in</strong>ter dem Altar, Schauwand oder Altaraufsatz) besitzt sechs<br />
Flügel. Höchstwahrsche<strong>in</strong>lich handelt es sich hier<strong>bei</strong> um e<strong>in</strong>e obersächsische Ar<strong>bei</strong>t. 86<br />
Zudem wies die St.-Marien-Kirche mit ca. 15-20 aufgestellten Altären die Höchstgesamtzahl<br />
im Barnimer Raum auf. Im Jahre 1527 wurden u. a. <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> neben<br />
20 Altären auch 5 Commenden (lat.: Übertragung der E<strong>in</strong>künfte e<strong>in</strong>es Kirchen- oder<br />
Klostervermögens auf e<strong>in</strong>e dritte Person unter Befreiung von den Amtspflichten. In<br />
späterer Zeit wurden die Niederlassungen der Ritterorden als Kommende bezeichnet)<br />
und die drei genannten Spitäler aufgeführt. 87<br />
Weitere bedeutende historische Ausstattungsstücke s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e 1,30 m hohe<br />
polygonale Taufe aus Sandste<strong>in</strong> aus der Zeit der ersten bzw. zweiten Bauphase<br />
46<br />
84 Friske 2000, 79f.<br />
85 Friske 2000, 74 Anm. 298.<br />
Mit Sicherheit gab es auch schon vorher e<strong>in</strong>en<br />
Hochaltar; hier<strong>bei</strong> handelt es sich wohl um das Jahr<br />
der Neuweihe im Zusammenhang mit dem Chorumbau<br />
während der zweiten Bauperiode.<br />
86 Sachs 1989, S. 125ff.; Friske 2000, 77.<br />
87 Friske 2000, 73 Anm. 290.<br />
[48-49] Stadtkirche <strong>in</strong><br />
Ausschnitten aus der Stadtansicht<br />
nach Merian 1652,<br />
sowie e<strong>in</strong>er Ansicht nach<br />
Seeger von 1829
88 Friske 2000, 79f. 85f.<br />
Das Chorgestühl ist vom Anfang des 16. Jahrhunderts,<br />
der Bürgermeisterstuhl vom Ende des 16. Jahrhunderts,<br />
der Diakonatsstuhl vom Anfang des 17. Jahrhunderts<br />
sowie zwei überdachte E<strong>in</strong>zelgestühle als Patronatslogen<br />
der Dorfkirchen stammen von 1617.<br />
[50] Kirchengrundriss<br />
nach Hegergott 1932<br />
mit E<strong>in</strong>tragungen von<br />
Untersuchungsschnitten<br />
der Notbergung und<br />
Sondagen, B. Eccarius,<br />
1992<br />
(13./14. Jahrhundert); e<strong>in</strong>e zweite, hölzerne Taufe aus dem Jahre 1606 mit e<strong>in</strong>em<br />
zugehörigen, immerh<strong>in</strong> 2,86 m hohen Taufdeckel; die Kanzel am nördlichen Pfeiler<br />
des Chore<strong>in</strong>gangs von 1609 mit späteren spätgotischen Figuren am Korb sowie an<br />
der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs e<strong>in</strong> wohl im 15. Jahrhundert geschaffenes<br />
Ölbergrelief aus Sandste<strong>in</strong> (1,40 m x 1,10 m). Auch nach der E<strong>in</strong>führung der Reformation<br />
kamen etliche Neuanschaffungen wie die gemauerten und hölzernen Emporen<br />
mit 75 Bildern und Kirchengestühl h<strong>in</strong>zu. Das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ältesten Teilen noch im<br />
16. Jahrhundert entstandene Kirchengestühl lässt auf soziale Abstufungen schließen:<br />
Es s<strong>in</strong>d Nummern vergeben, bestimmte Sitzplätze s<strong>in</strong>d mit Leder überzogen bzw. von<br />
unterschiedlicher Qualität, und e<strong>in</strong>ige Plätze konnte oder musste man pachten. 88<br />
Architektonisch ist der gesamte Innenraum <strong>in</strong> den unterschiedlichsten Formen<br />
überwölbt. Das Mittel- und Südseitenschiff sowie die nördlichen Seitenschiffe werden<br />
netzartig von Sterngewölben überspannt; der Chor sowie der Umgang s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen<br />
mit e<strong>in</strong>fachen Kreuzrippengewölben überdeckt. Die Schluss- und Konsolste<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d<br />
figürlich bzw. ornamental aus gebranntem Ton, die Pfeiler und Gewölbe h<strong>in</strong>gegen<br />
farbig gestaltet. Während sich die ältesten polychromen Detailformen noch <strong>in</strong> die<br />
Zeit zwischen 1400 bis 1425 datieren lassen, vermittelt der größte Kirchenteil die<br />
Farbigkeit aus der Zeit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert.<br />
47
Die vom Kurfürsten 1536 für das neu gegründete Cöllner Domstift konfiszierte<br />
<strong>Bernau</strong>er Glocke von 1475 soll e<strong>in</strong>e der größten der Mark Brandenburg gewesen se<strong>in</strong>.<br />
Erfreulicherweise ist aber noch die wohl erste Glocke mit 1,39 m Durchmesser vom<br />
Ende des 13., Beg<strong>in</strong>n des 14. Jahrhunderts erhalten. Sie trägt e<strong>in</strong> Majuskel-Schriftbild<br />
(lat.: etwas größer, Großbuchstaben) „O REX GLORIE XPE VENJ CV PACE“ (lat.: „Oh<br />
Christus König der Herrlichkeit, komm mit Frieden“), e<strong>in</strong>e weitere, nicht zu entziffernde<br />
kle<strong>in</strong>ere Umschrift sowie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geprägte, undef<strong>in</strong>ierbare Münze. Die dazu gehörige<br />
Glockengussanlage konnte nordwestlich des Turms archäologisch nachgewiesen<br />
werden. Zählt man die Uhrglocken mit h<strong>in</strong>zu, dann besitzt die <strong>Bernau</strong>er St.-Marien-<br />
Kirche noch e<strong>in</strong>e große Uhrglocke mit 80 cm Durchmesser von 1615 sowie e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />
mittelalterliche Uhrglocke mit 56 cm Durchmesser. Nach Friske besaß die St.-Marien-<br />
Kirche spätestens seit 1572, wahrsche<strong>in</strong>lich aber schon seit 1490 e<strong>in</strong>e große Turmuhr.<br />
Schließlich ist noch e<strong>in</strong>e große Anzahl an erhaltenen Grabste<strong>in</strong>en, Gedächtnisbildern<br />
und Epitaphen (lat.: zum Grab gehörig, Gedenkste<strong>in</strong> abseits des Grabes) seit der<br />
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu nennen, wo<strong>bei</strong> die mittelalterlichen Stücke<br />
jedoch im Jahre 1846 <strong>in</strong>nerhalb der Kirche überpflastert bzw. auf dem Kirchfriedhof<br />
vergraben worden s<strong>in</strong>d. Weitere exponierte E<strong>in</strong>zelstücke sollen stellvertretend für<br />
den reichen Kirchenschmuck genannt werden: die mittelalterliche Sakristeitür, zwei<br />
kniende Leuchterengel um 1500, e<strong>in</strong>e Sitzmadonna unter e<strong>in</strong>em Baldach<strong>in</strong> um 1520,<br />
48<br />
[51] Begräbnisbefunde<br />
im Kirchenschiff<br />
[52] Fund e<strong>in</strong>es älteren<br />
Fußbodenniveaus
89 BLDAM-Notbergungsmeldung vom 21.02.1992<br />
(Grabungsleiter: R. Clemens). Hr. B. Eccarius/<br />
Museumsleiter <strong>Bernau</strong> stellte freundlicherweise<br />
die Fotos zur Verfügung.<br />
90 Plate 2005, Kap. 3.1.<br />
[53-54] Gefäßfund aus der<br />
St.-Marien-Kirche mit der<br />
Inschrift „J.F. Thürl<strong>in</strong>g 1882“<br />
e<strong>in</strong> Kruzifix <strong>in</strong> der Sakristei aus dem 16. Jahrhundert, e<strong>in</strong> Holzrelief mit der Darstellung<br />
der Geißelung Christi aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sowie zwei<br />
eisenbeschlagene Opfergeldtruhen aus dem 16./17. Jahrhundert.<br />
Nach se<strong>in</strong>er Kirchenlandschaft zu urteilen war <strong>Bernau</strong> die bedeutendste Stadt des<br />
Barnim, zugleich markiert die letzte Ausbauphase dieser Kirche den Höhepunkt<br />
der Stadtentwicklung an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Die St.-Marien-<br />
Kirche gehört nach ihren Dimensionen zu den bedeutendsten Kirchen der Mark<br />
Brandenburg.<br />
Im Inneren der St.-Marien-Kirche erforderte der E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>er Fußbodenheizung im<br />
Jahre 1992 e<strong>in</strong>e Baustoppverfügung, daher war nur noch e<strong>in</strong>e begrenzte archäologische<br />
Untersuchung mittels dreizehn Schnitten bzw. Suchschächten bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tiefe<br />
von max. 2 m im Kirchenschiff möglich. 89 Insgesamt konnten noch drei Begräbnisebenen<br />
mit gestörten West-Ost-orientierten Körperbestattungen sowie <strong>in</strong> Schnitt 10<br />
e<strong>in</strong> älteres Fußbodenniveau <strong>in</strong> etwa 1,10 m Tiefe festgestellt werden [51-52]. Die hier<br />
im Kirchen<strong>in</strong>nenraum Beigesetzten wurden <strong>in</strong> Holzsärgen oder auf Leichenbrettern<br />
der letzten Ruhestätte übergeben. 90 E<strong>in</strong>ige gemauerte Grabgrüfte befanden sich <strong>in</strong><br />
der Kirchenmitte. Im südlichen und im nördlichen Seitenschiff wurden Feldste<strong>in</strong>fundamente<br />
vorgefunden, die zu e<strong>in</strong>em, wahrsche<strong>in</strong>lich aber sogar zu zwei ste<strong>in</strong>ernen<br />
Vorgängerbauten gehören. Im Nordteil des Umgangchores wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er beachtli-<br />
49
chen Tiefe von 2,60 m unter dem heutigen Fußboden noch e<strong>in</strong> Ziegelplattenfußboden<br />
angetroffen. Als besonderer E<strong>in</strong>zelfund ist e<strong>in</strong> Gefäß mit <strong>in</strong>nenliegender Inschrift<br />
„J.F. Thürl<strong>in</strong>g 1882“ aus der Kanzlei vom Kirchen<strong>in</strong>ventar zu nennen [53-54].<br />
Erstmals im Land Brandenburg konnten im Umfeld e<strong>in</strong>er Kirche Brennöfen und<br />
Gussgruben e<strong>in</strong>er mittelalterlichen Glockengussanlage nachgewiesen werden.<br />
Die Werkstätten des handwerklich anspruchsvollen Glockengusses lagen ca. 10 m<br />
nordwestlich des Kirchturms der St.-Marien-Kirche auf dem Kirchfriedhof [55-56].<br />
Diese archäologisch äußerst rare Buntmetallwerkstatt befand sich unterhalb e<strong>in</strong>er<br />
Mehrfachbestattung, wodurch e<strong>in</strong>e Datierung der Glockengussanlage sicher vor die<br />
Schließung des Friedhofes im Jahre 1598 zu setzen ist. Zudem lagen die Brennöfen<br />
etwa 1,80 m unter der heutigen Geländeoberkante, so dass Glocken spätestens <strong>bei</strong>m<br />
Umbau der Kirche im 15. Jahrhundert vor Ort gegossenen worden s<strong>in</strong>d, da der Umbau<br />
mit e<strong>in</strong>er deutlichen Erhöhung des Innen- und Außenniveaus e<strong>in</strong>hergeht. Insgesamt<br />
wurden zwei kreuzförmige, <strong>bei</strong>m Gießvorgang unter der zum Brand und Guss aufgestellten<br />
Glockenform bef<strong>in</strong>dliche Brennöfen sowie der untere Teil der Dämmgruben<br />
dokumentiert. E<strong>in</strong>e weitere Gussgrube nordwestlich der Gussanlage II konnte nicht<br />
weiter freigelegt werden. Zugehörige Schmelzöfen oder Gussr<strong>in</strong>nen ließen sich aufgrund<br />
der begrenzten Untersuchungsfläche nicht nachweisen, jedoch blieben e<strong>in</strong>ige<br />
Glockenformreste mit typischen Drehspuren und Kehlen, Bronzereste, verziegelter<br />
50<br />
[55] Abbildung des Fundortes<br />
der Glockengussanlage II im<br />
heutigen Pflaster<br />
[56] Zeichnerische<br />
Dokumentation von Brennöfen<br />
und Gussgruben der<br />
Glockengussanlagen (Markierung<br />
der Anlage II) sowie der<br />
Gräberbefunde nordwestlich<br />
vor der Kirche im Bereich des<br />
ehemaligen Kirchenfriedhofes
91 Wittkopp 2001, 577.<br />
[57-58] Beispiel e<strong>in</strong>es<br />
Glockengusses mit Tonmodel<br />
bzw. Matrize aus der Kunstgießerei<br />
Lauchhammer<br />
[59] Große Gocke der<br />
St.-Marien-Kirche, gegossen<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich vor Ort <strong>in</strong> der<br />
Gussanlage 1 im 15. Jahrhundert<br />
Lehm und Holzkohle erhalten. E<strong>in</strong>e entsprechende Vorstellung davon kann man sich<br />
<strong>in</strong> der Kunstgießerei Lauchhammer machen, wie die Darstellungen e<strong>in</strong>es aktuellen<br />
Gießvorgangs sowie e<strong>in</strong>es Tonmodels bzw. e<strong>in</strong>er Matrize es verdeutlichen [57-58]. Der<br />
Brennofen der Gussanlage II selbst war aus großen Feldste<strong>in</strong>en und Lehmverkleidung<br />
errichtet worden, auf dem sich noch Werkzeugspuren und Handabdrücke befanden.<br />
Die hier<strong>in</strong> hergestellte Kirchenglocke maß im Durchmesser ca. 0,90 m-1,00 m, was<br />
sich anhand der vorliegenden Formreste auf den flachen Ste<strong>in</strong>en des Ofens ermitteln<br />
ließ. Von der Gussanlage I fehlten zwei der <strong>in</strong>sgesamt vier Auflageste<strong>in</strong>e für die<br />
Glockenform; der Durchmesser betrug hier h<strong>in</strong>gegen 1,40 m. Die Anlage selbst wies<br />
noch e<strong>in</strong>en langen Feuerungskanal mit sehr kle<strong>in</strong>en seitlichen Lüftungskanälen auf.<br />
Die auch heute noch im Glockenstuhl hängende Gussglocke besitzt e<strong>in</strong>en Durchmesser<br />
von 1,39 m und datiert aufgrund e<strong>in</strong>er im Mantel bzw. <strong>in</strong> der Flanke abgedrückten<br />
Münze <strong>in</strong>s 15. Jahrhundert. Somit könnte diese Glocke mit sehr hoher<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>in</strong> der Gussanlage I vor Ort hergestellt worden se<strong>in</strong> [59]. Die <strong>in</strong><br />
der Gussanlage II gegossene Glocke existiert jedoch <strong>in</strong> der Kirche heute nicht mehr;<br />
e<strong>in</strong>e weitere noch vorhandene, 80 cm im Durchmesser zählende Uhrglocke stammt<br />
aus dem Jahre 1615 vom Spandauer Gießer Mart<strong>in</strong> Grund. Die Metallanalysen an<br />
Gussresten aus den Gussanlagen ergaben Bronzen mit e<strong>in</strong>em hohen Z<strong>in</strong>nanteil. 91<br />
51
Friedhof an der St.-Marien-Kirche<br />
Im westlichen Abschnitt der Kirchgasse im unmittelbaren Umfeld der Marienkirche<br />
wurde <strong>bei</strong> der Straßensanierung im Jahre 1997 der ehemalige St.-Marien-Kirchhof<br />
tangiert. 92 Neben bis <strong>in</strong> 1 m Tiefe durch moderne E<strong>in</strong>griffe stark gestörten Körpergräbern<br />
sowie e<strong>in</strong>igen wenigen ungestörten Gräbern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere die Fundamentreste<br />
e<strong>in</strong>es Ziegelbaus südlich der Marienkirche zu nennen. Hier<strong>bei</strong> könnte es<br />
sich möglicherweise um e<strong>in</strong>en Teil der ehemaligen Leichenhalle handeln.<br />
Die Verlegung von Versorgungsleitungen im Umfeld der Marienkirche im Jahre 1999<br />
bot die Gelegenheit für umfangreiche archäologische und anthropologische Untersuchungen.<br />
93 Etwa <strong>in</strong> der Mitte der heutigen Mühlenstraße wurden hier<strong>bei</strong> die Reste<br />
der ehemaligen Friedhofsmauer gesichtet. Die Kirche St. Marien wurde vermutlich<br />
schon im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts gegründet und im Laufe des Mittelalters<br />
mehrfach umgestaltet. Die Friedhofsgründung und der Beg<strong>in</strong>n der Bestattungen ist<br />
ebenfalls nicht genau belegt, dürfte aber mit der Kirchengründung e<strong>in</strong>hergegangen<br />
se<strong>in</strong>. Im Jahre 1598 wurde der Kirchfriedhof aufgrund mehrerer Pestwellen und der<br />
daraus resultierenden Überfüllung aufgegeben. 94 Demzufolge liegt mit dem <strong>Bernau</strong>er<br />
St.-Marien-Friedhof e<strong>in</strong> begrenzter Bestattungszeitraum vom 13. Jahrhundert bis zum<br />
Jahre 1598 vor.<br />
Die älteren mittelalterlichen Gräberschichten blieben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bereichen des Kirchhofs<br />
ungestört von sonst üblichen Überlagerungen jüngerer Bestattungen liegen.<br />
Etwa 1 m unterhalb des heutigen Kirchenfußbodens liegen die Fundamentreste e<strong>in</strong>es<br />
kle<strong>in</strong>eren Vorgängerbaus aus der Zeit um 1280/90, der wiederum darunter bef<strong>in</strong>dliche<br />
ältere Bestattungen stört. Auf dem untersuchten nordwestlichen Friedhofsteil<br />
wurde <strong>in</strong> der Neuzeit kaum noch bestattet. Die Keramik aus den Grabgruben enthält<br />
nur spätmittelalterliche harte Grauware, Ste<strong>in</strong>zeug und frühe glasierte Irdenware.<br />
Jedoch wurden im südöstlichen Teil des Kirchhofs <strong>in</strong> Richtung Marktplatz und Rathaus<br />
bereits ca. 50 cm unter der Geländeoberfläche neuzeitliche Gräber aufgedeckt, deren<br />
Datierung anhand der Lage und des Fundmaterials wie für das 17./18. Jahrhundert<br />
typische bronzene Stecknadeln, eiserne Sarggriffe und bemalte Keramik möglich ist.<br />
Vermutlich wurde hier der Großteil der <strong>in</strong> der alten <strong>Bernau</strong>er Stadtchronik95 erwähnten<br />
angesehenen Bürger und Garnisonsangehörigen <strong>bei</strong>gesetzt.<br />
52<br />
92 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1997: BAR<br />
190/191 (H. Kretzschmann/ehemals Fa. Strackenbrock<br />
& Urban).<br />
93 Wittkopp 2000, 122-124; Wittkopp 2001, 576-577.<br />
94 Plate 2005, Kap. 7.1.<br />
95 Wernicke 1894.
96 Wittkopp 2000, 122.<br />
97 Im Folgenden: Jungklaus 2009, 2009a.<br />
[60] Pest-Mehrfachgrab auf<br />
dem alten <strong>Bernau</strong>er Friedhof<br />
Insgesamt konnten 243 Gräber mit 252 Individuen identifiziert und anthropologisch<br />
bestimmt werden96 . Die Überzahl an Bestatteten gegenüber den Grabstellen ergibt<br />
sich aus den 32 Doppel- und Mehrfachgräbern [60].<br />
Bei der anthropologischen Bestimmung der 252 geborgenen Skelette durch W. Barth<br />
(2000) und H. Hornig (2002) konnten <strong>in</strong>sgesamt 218 Individuen altersdiagnostiziert<br />
werden. 97 Die <strong>in</strong>sgesamt hohe K<strong>in</strong>dersterblichkeit von etwa 37 % wird durch die<br />
höchste Mortalität mit etwa 22 % im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter sowie e<strong>in</strong>er stark erhöhten<br />
Mortalität im K<strong>in</strong>desalter zwischen 7-12 Jahren mit etwa 15 % bee<strong>in</strong>flusst. Ursachen<br />
hierfür s<strong>in</strong>d unzureichende Hygieneverhältnisse und e<strong>in</strong>e erhöhte Anfälligkeit für<br />
Infektionskrankheiten <strong>in</strong>folge von Mangelerkrankungen. Auch die Sterblichkeitsrate<br />
der Jugendlichen von etwa 14 % ist im Gegensatz zu anderen Skelettserien im Land<br />
Brandenburg erhöht. Da die Pest im 16. Jahrhundert <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> mehrfach wütete und<br />
der Friedhof 1598 gar wegen Überfüllung <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>er Pestwelle aufgegeben wurde,<br />
könnten sich unter den geborgenen Skeletten – <strong>in</strong>sbesondere die Bestattungen <strong>in</strong><br />
Doppel- und Mehrfachgräbern – auch an Pest Verstorbene bef<strong>in</strong>den. In diesen wurden<br />
fast ausschließlich die als anfälliger für Infektionskrankheiten geltenden K<strong>in</strong>der und<br />
Jugendlichen <strong>bei</strong>gesetzt. Die Skelettserie von <strong>Bernau</strong> zeigt mit se<strong>in</strong>er auffallend<br />
ger<strong>in</strong>gen Mortalität <strong>in</strong> der adulten (erwachsenen) Altersklasse mit etwa 7 %, dass<br />
nach Überw<strong>in</strong>den der Risiken im K<strong>in</strong>des- und Jugendalter die Bewohner durchaus<br />
e<strong>in</strong> höheres Alter erreichen konnten. Die verbesserte rechtliche Stellung der Bürger <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er mittelalterlichen Stadt und die mit der Ausweitung von Handel und Gewerbe<br />
verknüpften Ar<strong>bei</strong>tsmöglichkeiten <strong>in</strong> den Zünften und Gilden könnten sich auf die<br />
Lebensqualität der Bevölkerung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er guten Versorgungslage und längeren<br />
Lebenserwartung ausgewirkt haben. E<strong>in</strong> weiterer Sterbegipfel lässt sich mit etwa<br />
19 % im fortgeschrittenen Erwachsenenalter erkennen. Demnach verstarben die<br />
<strong>Bernau</strong>er nach Überw<strong>in</strong>dung der K<strong>in</strong>dheit hauptsächlich zwischen dem 40. und<br />
60. Lebensjahr. Im Gegensatz zu verschiedenen Vergleichspopulationen wie etwa<br />
Plaue, Stadt Brandenburg, Diepensee, Tasdorf oder Berl<strong>in</strong> (St.-Georgen-, St-Marienund<br />
St.-Nikolai-Friedhof u. a. m.) wurde für <strong>Bernau</strong> e<strong>in</strong>e verhältnismäßig hohe Mortalität<br />
im senilen Alter mit etwa 9 % ermittelt. Dieses Ergebnis kann im Zusammenhang<br />
mit den wohlhabenden Zünften und Gilden gesehen werden, die für die Altersversorgung<br />
und die Krankenpflege ihrer Mitglieder und deren Angehörige aufkamen.<br />
53
In der spätmittelalterlichen Skelettserie aus <strong>Bernau</strong> konnte <strong>bei</strong> <strong>in</strong>sgesamt 166 Indivi-<br />
duen das Geschlecht diagnostiziert werden, wogegen dieses <strong>bei</strong> 86 Individuen nicht<br />
mehr gelang. 95 Skelette wurden dem männlichen, 71 dem weiblichen Geschlecht<br />
anthropologisch zugeordnet. Der erhöhte Männeranteil könnte nach B. Jungklaus<br />
auf e<strong>in</strong>en Zuzug der mobileren Männer h<strong>in</strong>weisen, eventuell bed<strong>in</strong>gt durch die<br />
besseren Verdienst- und Ar<strong>bei</strong>tsmöglichkeiten <strong>in</strong> der spätmittelalterlichen Stadt.<br />
Für die Frauen konnte e<strong>in</strong>e durchschnittliche Körperhöhe von 161 cm und für<br />
die Männer von 167 cm ermittelt werden. Bei den über 60 Jahre alt gewordenen<br />
Individuen konnte e<strong>in</strong>e größere durchschnittliche Körperhöhe ermittelt werden<br />
als <strong>bei</strong> denen, die <strong>in</strong> jüngerem Lebensalter verstarben. Diese Individuen hatten<br />
vermutlich bessere Lebens- und Ernährungsbed<strong>in</strong>gungen und gehörten möglicherweise<br />
e<strong>in</strong>er sozial besser gestellten Schicht an.<br />
Die Skelette der <strong>Bernau</strong>er St.-Marien-Kirche bef<strong>in</strong>den sich derzeit zur weiterführenden<br />
Untersuchung am Institut für Biologie der Freien Universität zu Berl<strong>in</strong>, wozu<br />
bisher mehrere universitäre Abschlussar<strong>bei</strong>ten daran durchgeführt worden bzw.<br />
noch <strong>in</strong> Ar<strong>bei</strong>t s<strong>in</strong>d. 98 Schwerpunkt hier<strong>bei</strong> ist die Erforschung paläopathologischer<br />
Veränderungen: Erkrankungen der Zähne und der Kieferknochen, degenerative<br />
Gelenk-veränderungen, Mangel- und Infektionserkrankungen im K<strong>in</strong>desalter,<br />
Verschleißerkrankungen der Wirbelsäule und den Pathologica des Schädels.<br />
Chemische Analysen geben Aufschluss über die damalige Ernährungssituation<br />
und das Abstillalter.<br />
Die Paläopathologische Untersuchung an 73 Schädeln – 53 erwachsener und<br />
20 juveniler Individuen – der mittelalterlichen Populationen des <strong>Bernau</strong>er St.-Marien-<br />
Friedhofes99 diente zur Beurteilung des Gesundheits- bzw. Krankheitsstatus. Die<br />
Schädel wurden primär makroskopisch, als auch röntgenologisch untersucht und<br />
dokumentiert. Siebartige Veränderungen des Orbitadaches (Cribra orbitalia) traten<br />
<strong>bei</strong> der <strong>Bernau</strong>er Bevölkerung zu 53 % auf. Erkrankungen der Nasennebenhöhlen fanden<br />
sich <strong>in</strong> der <strong>Bernau</strong>er Bevölkerung mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von 44 %. Veränderungen<br />
des harten Gaumens im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Stomatitis kommen <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> zu 30 % vor. Die<br />
Lam<strong>in</strong>a <strong>in</strong>terna des Schädeldaches – immerh<strong>in</strong> <strong>bei</strong> der <strong>Bernau</strong>er Bevölkerung ebenfalls<br />
<strong>bei</strong> 44 % – zeigte besonders häufig Spuren pathologischer Veränderungen: u. a.<br />
verstärkte Impressiones digitatae, druckatrophische Prozesse, erweiterte Gefäßab-<br />
54<br />
98 Barth 2000; Faber 2001; Hornig 2002; Möws 2003;<br />
Schäuble 2006; Schmidt 2006; Laubenste<strong>in</strong> 2007;<br />
DeAlbuquerque Le<strong>in</strong>ebach (<strong>in</strong> Ar<strong>bei</strong>t); Jungklaus (<strong>in</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>t).<br />
99 Schmidt 2006.
100 Laut Möws/Jungklaus/Niemitz 2003 liegen für den<br />
Raum Brandenburg bisher nur wenige stomatologische<br />
Untersuchungen (Untersuchungen der Mund-, Kiefer-<br />
und Zahnmediz<strong>in</strong>) vor, die sich vorwiegend auf die<br />
mittelalterlich, dörfliche Bevölkerung beziehen (u.a.<br />
Zurth 1956, Garz 1999).<br />
101 Möws/Jungklaus/Niemitz 2003.<br />
102 Nach Möws/Jungklaus/Niemitz 2003 betrug die<br />
Kariesverhältniszahl etwa 18 %. Vorherrschend ist die<br />
Approximalkaries (Karies im Zahnzwischenraum), die<br />
Okklusalkaries (Karies auf den Kauflächen) ist trotz<br />
fortschreitender altersbed<strong>in</strong>gter Zahnabrasion (Zahnhartsubstanz-<br />
bzw. Zahnschmelzverlust) relativ häufig.<br />
Das Vorkommen der Zementkaries (Karies an der Zahnwurzel)<br />
korreliert mit dem zunehmenden Alveolarabbau<br />
(Abbau des Zahndamms) im Alter.<br />
103 Jungklaus 2009; 2009a.<br />
drücke sowie erweiterte Foveolae granulares. Traumatische E<strong>in</strong>wirkungen auf<br />
den Schädel konnten mit 7 % festgestellt werden. E<strong>in</strong> seniler männlicher Schädel<br />
offenbarte offensichtlich Lepra-Symptome. Normalerweise wurden Leprakranke im<br />
Mittelalter als Aussätzige <strong>in</strong> speziellen Leprosorien wie dem St.-Georgen-Hospital<br />
<strong>in</strong>terniert und nicht auf dem bekanntesten Stadtfriedhof bestattet. Vergleiche u. a.<br />
mit der Tasdorfer Dorfpopulation belegen <strong>in</strong>sgesamt, dass die dörfliche Bevölkerung<br />
e<strong>in</strong>e deutlich höhere Krankheitshäufigkeit als die der Stadt <strong>Bernau</strong> aufwies.<br />
Die Paläodontologische Untersuchungen der spätmittelalterlichen Skelettserie des<br />
<strong>Bernau</strong>er St.-Marien-Friedhofs liefert erstmals Erkenntnisse und Analysemöglichkeiten<br />
über die Erkrankungen an Zähnen von Bewohnern e<strong>in</strong>er mittelalterlichen Stadt<br />
der Mark Brandenburg. 100 Hier<strong>bei</strong> wurden die Krankheitsbelastungen der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Zahnarten sowie die geschlechts- und altersspezifischen Unterschiede <strong>bei</strong> den<br />
Zahnbefunden <strong>in</strong> Bezug auf die Rekonstruktion der damaligen Ernährung und<br />
Mundhygiene gebracht. Untersucht wurden die Gebisse von 77 Individuen, wo<strong>bei</strong><br />
<strong>in</strong>sbesondere die Kariesbefunde, der Zahnverlust, die Abrasionsgrade sowie der<br />
Zahnste<strong>in</strong> ermittelt wurden. Etwa 15 % der Zähne g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>travital, d. h. noch zu<br />
Lebzeiten verloren, am häufigsten die ersten Molaren, am seltensten die Eckzähne.<br />
Frauen zeigten gegenüber Männern e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gfügig höheren Intravitalverlust. Bei<br />
den Männern fanden die Anthropologen h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>en durchschnittlich höheren<br />
Abrasionswert. 101 Das Auftreten von ger<strong>in</strong>ger ausgeprägten Abrasionen im Vergleich<br />
zur Landbevölkerung ist vermutlich auf e<strong>in</strong>e für damalige Verhältnisse weniger<br />
abrieb<strong>in</strong>tensive Kost mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Hartfaseranteil zurückzuführen. Die<br />
Kariesfrequenz lag erwartungsgemäß hoch <strong>bei</strong> etwa 80 %. 102 Der Kariesbefall zeigt im<br />
Stadt-Land-Vergleich ke<strong>in</strong>e deutlichen Unterschiede. Jedoch kann <strong>in</strong> der wohlhabenden<br />
Stadt <strong>Bernau</strong> auf e<strong>in</strong>e verfe<strong>in</strong>erte Nahrung geschlossen werden, die vermutlich<br />
mehr Fleisch und besser entspelztes Brot für weite Teile der Bevölkerung be<strong>in</strong>haltete.<br />
Degenerative Gelenkerkrankungen gehören zu den häufigsten Knochenkrankheiten<br />
<strong>bei</strong> Skelettfunden. 103 Insbesondere Arthrosen s<strong>in</strong>d zumeist die Langzeitfolgen hoher<br />
mechanischer Belastungen und somit e<strong>in</strong> Maß für körperliche Beanspruchungen.<br />
Als weitere E<strong>in</strong>flussfaktoren treten noch das Alter, metabolische, genetische und<br />
hormonelle Ursachen sowie angeborene Fehlstellungen h<strong>in</strong>zu. An 87 erwachsenen<br />
<strong>Bernau</strong>er Skeletten wurden jeweils an den vier großen Gelenken H<strong>in</strong>weise auf<br />
55
degenerative Veränderungen untersucht. Bestimmt wurden nach Geschlechterund<br />
Alterstrennung sowohl die Häufigkeiten <strong>in</strong> quantitativer als auch das Ausmaß<br />
arthrotischer Erkrankungen <strong>in</strong> qualitativer H<strong>in</strong>sicht. Für den <strong>Bernau</strong>er St.-Marien-<br />
Friedhof ergab sich e<strong>in</strong> hoher Anteil arthrotischer Fälle: das Hüftgelenk (ca. 96 %) am<br />
häufigsten, nachfolgend das Ellbogengelenk (ca. 84 %), das Kniegelenk (ca. 81 %) und<br />
das Schultergelenk (ca. 76 %). Frauen waren <strong>in</strong> allen vier Gelenken weniger häufig und<br />
schwer erkrankt als ihre männlichen Zeitgenossen. Die deutlichsten geschlechtsspezifischen<br />
Unterschiede ergaben sich für die obere Extremität. Erwartungsgemäß<br />
nahmen über alle drei Altersstufen die Häufigkeiten zu, mit e<strong>in</strong>em deutlicheren<br />
Anstieg von der adulten zur maturen (reiferen, älteren) Altersstufe. Alle vier Gelenke<br />
zeigten nach dem Grad der Veränderungen bereits leichte bis mittelschwere Degenerationen.<br />
Die Ergebnisse sprechen e<strong>in</strong>erseits für e<strong>in</strong>e durch schwere körperliche Ar<strong>bei</strong>t<br />
geprägte Lebensweise, andererseits für ar<strong>bei</strong>tsteilige Verhältnisse mit verschiedenen<br />
Tätigkeiten <strong>in</strong> der handwerklichen Produktion der <strong>Bernau</strong>er Bevölkerung. Zudem s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong>dividuelle Verschiedenheiten <strong>in</strong> der Schwere der Erkrankungen möglicherweise der<br />
Ausdruck sozialer und wirtschaftlicher Unterschiede. Somit lassen sich über Arthrosen<br />
die Auswirkungen von körperlichen Belastungen und Alter beschreiben und<br />
ermöglichen damit e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Ar<strong>bei</strong>ts- und Lebensweise der untersuchten<br />
Bevölkerung und ergänzen damit wesentlich die bisherigen historischen Erkenntnisse.<br />
Entsprechend des christlichen Bestattungsritus kamen nur sehr selten Grab<strong>bei</strong>gaben<br />
oder Schmuckteile aus den Gräbern selbst bzw. aus den Friedhofsschichten zutage:<br />
U.a. aus Kupferblech zusammengebogene Röllchen meist im Kopfbereich, kle<strong>in</strong>e Spiel-<br />
56<br />
[61-62] Kopf e<strong>in</strong>er Heiligenfigur<br />
bzw. e<strong>in</strong>er Abbildung der<br />
Jungfrau Maria aus Pfeifenton,<br />
um 1500
104 E<strong>in</strong>beck 2002, 152f.<br />
105 Jungklaus 2009, 44ff.<br />
würfel aus K<strong>in</strong>dergräbern, Schreibwerkzeuge, e<strong>in</strong>e Buchschließe und e<strong>in</strong> gotisches<br />
Frauenköpfchen [61-62]. Dieses ca. 1,7 cm hohe Fundobjekt ist aus fe<strong>in</strong>em weißen<br />
Pfeifenton gebrannt und stellt den Kopf e<strong>in</strong>er Heiligen bzw. der Jungfrau Maria aus<br />
der Zeit um 1500 bis 1550 dar. Identische Vergleichsstücke hierzu f<strong>in</strong>den sich u. a.<br />
<strong>in</strong> Wusterhausen/Ostprignitz-Rupp<strong>in</strong> und E<strong>in</strong>beck/Niedersachsen. Dies spricht für<br />
hohen Verbreitungsgrad und Beliebtheit unter der Bevölkerung und ist im Zusammenhang<br />
mit Wallfahrten oder häuslicher Frömmigkeit zu sehen.<br />
Während diese Stücke sicherlich durch die zahlreichen Pilgerfahrten als Reiseandenken<br />
bzw. durch umherreisende Händler nach <strong>Bernau</strong> gelangten, ist h<strong>in</strong>gegen der<br />
Produktionsort dieser religiösen Tonfiguren bislang unbekannt. Zahlreiche H<strong>in</strong>weise<br />
auf sogenannte Heiligen- oder Bilderbäcker gibt es sowohl <strong>in</strong> den Niederlanden bzw.<br />
Belgien mit Utrecht, Leiden und Lüttich, <strong>in</strong> Süddeutschland mit Augsburg und Nürnberg<br />
als auch im Rhe<strong>in</strong>land mit Köln und Worms. 104 Das Herstellungsverfahren der<br />
Figuren <strong>in</strong> zweischaligen Modeln war relativ e<strong>in</strong>fach, so dass diese Pilgerzeichen e<strong>in</strong>e<br />
preiswerte Massenware darstellten, die wohl allen Bevölkerungsschichten für sehr<br />
persönliche religiöse Bedürfnisse dienten.<br />
Nach den Ergebnissen von B. Jungklaus105 ist die Lebenssituation für die Menschen <strong>in</strong><br />
vielen Aspekten spezifisch charakterisiert. Die ersten Lebensjahre waren für die K<strong>in</strong>der<br />
voller Gefahren. Die Neugeborenen waren mit der schlechten hygienischen Situation<br />
generell stark bedroht. Die Zeit des Abstillens mit 2-3 Jahren war aufgrund der Nahrungsumstellung<br />
besonders risikoreich. Zudem führte nicht k<strong>in</strong>dgerechte Nahrung<br />
und verdrecktes Essgeschirr schnell zu gefährlichen Durchfallerkrankungen. Im<br />
Alter von 4-6 Jahren waren die K<strong>in</strong>der vermutlich stark durch Infektionserkrankungen<br />
bedroht, wo<strong>bei</strong> das beengte Leben <strong>in</strong> der Stadt die schnelle Krankheitsausbreitung<br />
begünstigte. E<strong>in</strong>e bessere Nahrungsversorgung sowie e<strong>in</strong>e gewisse Altersfürsorge<br />
durch die Zünfte und Gilden dürfte die Lebensbed<strong>in</strong>gungen und -erwartungen<br />
verbessert haben. Allerd<strong>in</strong>gs waren besonders die Frauen gefährdet. Die Mehrfachbelastung<br />
durch Ar<strong>bei</strong>t, Haushalt, Schwangerschaft und Geburt führte zu e<strong>in</strong>em<br />
erhöhten Sterberisiko. Zudem wiesen Mädchen e<strong>in</strong>e höhere Sterberate als Jungen auf.<br />
Hierfür mögen ökonomische und soziale Zwänge verantwortlich se<strong>in</strong>, die möglicherweise<br />
zu e<strong>in</strong>er Vernachlässigung der Mädchen führte. Die Belastung durch körperliche<br />
Ar<strong>bei</strong>t dürfte allgeme<strong>in</strong> sehr hoch gewesen se<strong>in</strong>. Das Heben schwerer Lasten oder<br />
57
Ar<strong>bei</strong>ten im Stehen führte zu e<strong>in</strong>er erhöhten Beanspruchung des Hüftgelenks und<br />
somit zu degenerativen Veränderungen. Männer s<strong>in</strong>d aufgrund der körperlich schwereren<br />
Ar<strong>bei</strong>ten generell stärker von Verschleißerkrankungen betroffen als die Frauen.<br />
Als Ergebnis der paläodemographischen und paläopathologischen Untersuchungen<br />
lässt sich festhalten, dass es die K<strong>in</strong>der und Frauen waren, die <strong>in</strong> der damaligen<br />
Gesellschaft den höchsten Risiken ausgesetzt waren.<br />
Friedhöfe vor dem Mühlentor, vor dem Ste<strong>in</strong>tor und jüdischer Friedhof<br />
Neben den Friedhöfen an der St.-Marien-Kirche und an den Hospitalkapellen, die<br />
jeweils bis 1598 belegt worden s<strong>in</strong>d, existieren noch weitere Friedhöfe – vor dem<br />
Mühlentor ab 1598 sowie der neue Friedhof vor dem Ste<strong>in</strong>tor ab 1882. 106 Die<br />
Bevölkerung jüdischen Glaubens <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> ist <strong>in</strong> schriftlichen Quellen seit Mitte<br />
des 17. Jahrhunderts belegt, im Jahre 1756 ist e<strong>in</strong>e Vertreibung beschrieben. Der<br />
jüdische Friedhof lag am Rande des städtischen Friedhofes.<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Hospitäler<br />
<strong>Bernau</strong> unterhielt e<strong>in</strong>st drei Hospitäler, von denen jedes mit e<strong>in</strong>er eigenen Kapelle<br />
ausgestattet war. Außerhalb der Stadt lagen das St.-Georgen-Hospital von 1328<br />
nördlich vor dem Mühlentor und das St.-Gertrauden-Hospital von 1482/85 östlich vor<br />
dem Ste<strong>in</strong>tor. Innerhalb der Stadt am Ste<strong>in</strong>tor befand sich das Heilig-Geist-Hospital.<br />
Die <strong>bei</strong>den letztgenannten bestehen nicht mehr. Bis <strong>in</strong> die Zeit des 30jährigen Krieges<br />
wurden die Friedhöfe dieser Hospitäler bzw. Siechenhäuser noch belegt, danach<br />
wurden das St.-Gertrauden-Hospital sowie das Heilig-Geist-Hospital aufgegeben. 107<br />
58<br />
(a)<br />
(b)<br />
(c)<br />
(d)<br />
Standorte:<br />
(a) St.-Georgen-Hospital mit Kapelle<br />
(b) Kaland (Schwarzer Adler)<br />
und ehemals:<br />
(c) Heilig-Geist-Hospital<br />
(d) St.-Gertrauden-Hospital<br />
106 Barthel 2000, S. 41; Plate 2005, Kap. 6 und 7.<br />
107 Plate 2005, Kap. 4.
108 Friske 2000, S. 86f. bes. Anm. 342.<br />
109 Friske 2000, S. 87.<br />
110 http://www.heimatvere<strong>in</strong>bernau.de/altbernau/<br />
hospital/htm.<br />
St.-Georgen-Hospital<br />
Die Stiftung St.-Georgen-Hospital wurde im Jahre 1328 durch die <strong>Bernau</strong>er Gewandschneider-<br />
und Wollwebergilde zur Versorgung bedürftiger Bürger und als sogenanntes<br />
„Pest-Hospital“ vor den Mauern der Stadt gegründet und zählt somit zu den ältesten<br />
Stiftungen im Land Brandenburg. 108 Diese Stiftung ist e<strong>in</strong> Ausdruck der damaligen<br />
wirtschaftlichen und politischen Selbständigkeit der Stadt <strong>Bernau</strong> und spiegelt die<br />
wirtschaftliche Kraft der <strong>Bernau</strong>er Gewandschneider- und Wollwebergilde wider.<br />
Wurden zunächst die Ärmsten und Bedürftigsten der Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>in</strong> epidemiefreien<br />
Zeiten aufgenommen und bestattet, folgten zwangsläufig zunehmend die Pestkranken,<br />
die hier vor den Toren der Stadt die letzte Aufnahme und Ruhestätte fanden. Die<br />
Verwaltung des St.-Georgen-Hospitals und des Stiftungsvermögens obliegt seit jeher<br />
dem jeweiligen Oberprediger der St.-Marien-Kirche und dem Bürgermeister der Stadt<br />
<strong>Bernau</strong>. Das Hospital wurde im Laufe der Zeit mit großzügigen Stiftungen bedacht.<br />
Der <strong>Bernau</strong>er Bürger Klaus Ste<strong>in</strong>kopf verkaufte 1391 das Dorf Ützdorf an die Gilde<br />
der o. g. Gewandschneider und Wollenweber zu <strong>Bernau</strong> für 40 Schock böhmische<br />
Groschen zur ewigen Stiftung für das St.-Georgen-Hospital <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong>. Markgraf<br />
Jobst bestätigte im Jahre 1399 diese Stiftung.<br />
E<strong>in</strong>e Gedächtnistafel im Inneren der Kapelle zeugt von der Zerstörung der Kapelle<br />
und des Hospitals im Jahre 1432 durch die die Stadt <strong>Bernau</strong> belagernden Hussiten.<br />
Die Kapelle wurde noch im 15. Jahrhundert wieder errichtet. Ursprünglich bestand<br />
das jährliche Hussitenfest aus e<strong>in</strong>er Osterprozession zur wieder aufgebauten<br />
St.-Georgen-Kapelle nach 1432. 109<br />
Die o. g. Gilde der <strong>Bernau</strong>er Gewandschneider und Wollweber bestimmte im Jahre<br />
1466, dass „nur e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> ihrer Gilde oder <strong>in</strong> ihrem Gewerke geborene Person Priester <strong>bei</strong><br />
der St.-Georgen-Capelle werden und die E<strong>in</strong>künfte derselben erheben kann, dafür aber<br />
verpflichtet se<strong>in</strong> soll, des Sonntags die Messe zu bestellen, Wasser und Salz zu segnen ...<br />
und <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> zu wohnen“. 110 Wegen Schmälerung der Rechte reichten im Jahre 1612<br />
der <strong>Bernau</strong>er Bürgermeister, die Kirchenvorsteher und andere Beteiligte e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>gabe<br />
an den Kurfürsten Johann Sigismund e<strong>in</strong>. Hier<strong>in</strong> wird bestätigt, dass jener <strong>Bernau</strong>er<br />
Ste<strong>in</strong>kopf e<strong>in</strong>st dem Hospital und der Kirche <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> das Dorf Utstorff mit allem<br />
Zubehör mit Acker, Wiesen, Weiden, Grasung, Hölzung, Fischerei, Mühle und<br />
59
Mühlenrechten usw. vermachte. H<strong>in</strong>tergrund dieser Klage waren wohl die stark<br />
geschmälerten E<strong>in</strong>künfte des Hospitals <strong>in</strong>folge des allgeme<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zusammenbruchs als Folge des 30jährigen Krieges. Der Wassermüller Franz Wilke<br />
hatte die Ützdorfer Mühle 1643 gekauft, die schon damals <strong>in</strong> schlechtem Zustand<br />
war, während <strong>bei</strong> der Verödung der Dörfer die Mahlgäste fehlten. Wilke konnte<br />
se<strong>in</strong>en Verpflichtungen den Stiftungen gegenüber nicht mehr nachkommen.<br />
Darum erstand im Kaufvertrag von 1662 der Besitzer von Prenden und Lanke, der<br />
Freiherr Otto Christoph von Sparr, die Wassermühle samt der Feldmark Ützdorf,<br />
Wiesen, Hölzungen, Viehzucht und allem anderen Zubehör mit der Übernahme<br />
der weitestgehenden Verpflichtungen.<br />
Die <strong>Bernau</strong>er Sterberegister, namentlich aus den schweren Pestjahren 1637 und<br />
1638, zeigen den Lebens- und Sterbensweg so vieler dort e<strong>in</strong>gesessener Bürger,<br />
die hier <strong>bei</strong>gesetzt wurden. Von 1699 bis <strong>in</strong> die Mitte des 19. Jahrhunderts diente<br />
die St.-Georgen-Kapelle den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten als eigene Versammlungs-<br />
und Andachtsstätte. Am 16. März 1699 wurden durch e<strong>in</strong>e Verfügung<br />
des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. etwa 25 hugenottische Familien mit<br />
60<br />
[63] St.-Georgen-Hospital<br />
mit der am Anfang des<br />
15. Jahrhunderts errichteten<br />
St.-Georgen-Kapelle
111 Wernicke 1894/1992, S. 117; Friske 2000, S. 86.<br />
112 Friske 2000, S. 87 Anm. 345.<br />
113 Plate 2005, Kap. 4.1.<br />
87 Personen <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> untergebracht, die hauptsächlich Handwerker und Bauern<br />
waren. Im Jahre 1883 s<strong>in</strong>d immerh<strong>in</strong> noch 20 hugenottische Familien <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong><br />
gemeldet.<br />
Das Bauensemble des St.-Georgen-Hospitals nördlich vor der Altstadt besteht heute<br />
noch aus der gotischen, nach der Zerstörung 1432 wieder aufgebauten Backste<strong>in</strong>kapelle<br />
als dem ältesten noch erhaltenen Bauwerk <strong>Bernau</strong>s, dem Siechenhaus und<br />
den Resten der gotischen E<strong>in</strong>friedung [63]. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gelassener Feldste<strong>in</strong> dieser Mauer<br />
trug nach Wernicke die Jahreszahl 1564. 111<br />
Das Ensemble ist von e<strong>in</strong>er Backste<strong>in</strong>mauer mit breitem, z<strong>in</strong>nenbekröntem spätgotischem<br />
Portal umgeben. Die rechteckige Kapelle selbst ist als e<strong>in</strong> zweijochiger<br />
Saal aus Mischmauerwerk mit e<strong>in</strong>em vierseitigen Chorabschluss vom Anfang des<br />
15. Jahrhunderts ausgeführt. Sie hat e<strong>in</strong>e Länge von 11,20 m, e<strong>in</strong>e Breite von 7,50 m<br />
sowie e<strong>in</strong>e Höhe bis zum Dach von 5 m bzw. bis zum First 11,50 m. 112 Außen wird die<br />
aus unregelmäßigen Feldste<strong>in</strong>en errichtete Kapelle von Strebepfeilern aus Backste<strong>in</strong>en<br />
gegliedert, e<strong>in</strong>e spitzbogige Pforte als Zugang bef<strong>in</strong>det sich im Westen. Der<br />
Westgiebel weist e<strong>in</strong>e gestaffelte Blendengliederung auf. Der Saal wird von e<strong>in</strong>em<br />
zweijochigen Kreuzgewölbe sowie der Ostabschluss von e<strong>in</strong>em halben Kreuzgewölbe<br />
überspannt. Die Rippen des Kreuzgewölbes besitzen e<strong>in</strong> Birnstabprofil, die Konsolund<br />
Gewölbeschlußste<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen neu ausgeführt.<br />
Das ehemalige lang gestreckte Siechenhaus wurde im Jahre 1738 <strong>in</strong> Sichtfachwerk<br />
als Vierständerbau erbaut und besitzt e<strong>in</strong> Krüppelwalmdach. Im Jahre 1872 erfolgte<br />
e<strong>in</strong>e gründliche Erneuerung. 113 Seit der NS-Zeit verwahrlosten die Stiftungsgebäude<br />
zunehmend wegen Geldmangel. Um diese <strong>in</strong> der DDR-Zeit vor Verstaatlichung und<br />
weiterem Verfall zu schützen, nahm <strong>in</strong> den 1960er Jahren die diakonische E<strong>in</strong>richtung<br />
„Hoffnungstaler Anstalten“ aus Lobetal die Gebäude <strong>in</strong> ihre Obhut. Heute<br />
regeln Pachtverträge die Nutzung des Hospitalgebäudes. In Fortführung des e<strong>in</strong>stigen<br />
Stifterwillens stellt die Stiftung auch zukünftig Hilfe für bedürftige Menschen<br />
bereit. Daneben obliegt ihr die Unterhaltung des ehemaligen Hospitalgebäudes mit<br />
Kapelle und Mauer als geschütztes Denkmal. In den Jahren 2002/2003 wurde die<br />
Instandsetzung des Siechenhauses aus Mitteln der Städtebauförderung unterstützt.<br />
Die heutige bauliche Hülle der St.-Georgen-Kapelle entspricht der von 1872. Aus<br />
dieser Zeit stammt auch das Dachgestühl. Im Inneren der Kapelle wurde die alte,<br />
61
durch die Restaurator<strong>in</strong> A. Schauß wiederentdeckte Farbgestaltung aus dem Jahre<br />
1872 aufgetragen. Neben den älteren Farbschichten wurden auch Umbauspuren<br />
nachgewiesen, die darauf schließen lassen, dass die Fenster nachträglich verkle<strong>in</strong>ert<br />
wurden und dass sich ferner an der Ostwand der Kapelle ursprünglich e<strong>in</strong>e Seitentür<br />
befand.<br />
Heilig-Geist-Hospital<br />
Das e<strong>in</strong>st vor dem Ste<strong>in</strong>tor stadte<strong>in</strong>wärts gelegene Heilig-Geist-Hospital existiert<br />
heute nicht mehr, es wurde bereits nach dem 30jährigen Krieg aufgegeben. 114 Nach<br />
Hedergott wurde auf dem kle<strong>in</strong>en Platz zwischen der Berl<strong>in</strong>er Straße und der Stadtmauer<br />
– schräg gegenüber der Brüderstraße – die Heilig-Geist-Kapelle e<strong>in</strong>schließlich<br />
Hospital und umgebendem Kirchhof wohl um 1482 gebaut, da im 15. Jahrhundert<br />
die Bevölkerungszahl wuchs und der bewährte Kirchhof an der zentralen St.-Marien-<br />
Kirche nicht mehr genügte. Allerd<strong>in</strong>gs ist der genaue Gründungszeitraum nicht bekannt.<br />
Beim großen Stadtbrand von 1485 brannte die Kapelle ab und wurde danach<br />
wieder aufgebaut. 115 In schriftlichen Quellen wurde der Altar „<strong>in</strong> hospital S. Spiritus“<br />
im Jahre 1542 erwähnt. 116 Nach dem o. g. Niedergang Mitte des 17. Jahrhunderts trat<br />
an dessen Stelle später der Stadthof bzw. die Ratsmeierei. Im Jahre 1710 wurde auf<br />
dem verwaisten Platz die reformierte Kirche erbaut. 117<br />
St.-Gertrauden-Hospital<br />
Das unmittelbar vor dem Ste<strong>in</strong>tor stadtauswärts gelegene St.-Gertrauden-Hospital<br />
von 1482, dessen Gebäude ebenfalls heute nicht mehr besteht, wurde – wie auch<br />
das Heilig-Geist-Hospital – nach dem 30jährigen Krieg bzw. spätestens im 18. Jahrhundert<br />
geschlossen. 118 In der Lagedarstellung von Merian im Jahre 1652 ist das<br />
Hospital als rechteckiges Gebäude – entweder als Kapelle oder als Spitalgebäude –<br />
noch <strong>in</strong> der Nähe des Ste<strong>in</strong>tores e<strong>in</strong>getragen [64]. Nach Hedergott wurde vor dem<br />
Königstor bzw. Ste<strong>in</strong>tor gegenüber der Waschspüle, durch welche die Panke floss,<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e St.-Getrauden-Kirche nebst Hospital errichtet. 119 Im 18. Jahrhundert verfiel<br />
das Gertraudenspital völlig.<br />
62<br />
114 Plate 2005, Kap. 4.2.<br />
115 Friske 2000, S. 88.<br />
116 Herold, Bl. 215; Friske 2000, S. 88 Anm. 350.<br />
117 Jerchel/Seeger 1939, S. 60.<br />
118 Jerchel/Seeger 1939, S. 60; Plate 2005, Kap. 4.3.<br />
119 Hedergott 1932, S. 18.<br />
[64] St.-Gertrauden-<br />
Hospital vor dem Ste<strong>in</strong>tor<br />
außerhalb der Stadtmauer,<br />
Ausschnitt aus der Stadtansicht<br />
nach Merian 1652
[65] Archäologischer Lageplan mit Fundamentfunden<br />
am mutmaßlichen Standort<br />
des St.-Gertrauden-Hospitals und Befunde<br />
e<strong>in</strong>es historischen Bohlenwegs<br />
Befundbeschreibung:<br />
Bef. 3: Bohlenwege/Mittelalter<br />
Bef. 34: Holzspaltbohle/Mittelalter<br />
Bef. 35-37: Feldste<strong>in</strong>fundament und Kulturschichten<br />
des St. Gertraudenhospitals/Mittelalter<br />
Bef. 38: Holzpfostenreihe im Graben (Bef. 39)/<br />
Mittelalter<br />
Bef. 39: Graben/Mittelalter<br />
Bef. 40: Schicht mit Wagenspuren/Mittelalter<br />
63
Im Rahmen von Straßenbaumaßnahmen kam 2010 <strong>in</strong> Höhe der Hussitenstraße 10<br />
e<strong>in</strong> 5,50 m langer x 0,60 m breiter Fundamentrest, welcher Ost-Westorientiert war,<br />
zutage. Er bestand aus mittleren und größeren, <strong>in</strong> Sand gesetzten Feldste<strong>in</strong>en. Aus<br />
e<strong>in</strong>er direkt an das Fundament anstoßenden, holzverschalten Grube konnte nur spätmittelalterliche<br />
Keramik geborgen werden, wodurch sich das Fundament <strong>in</strong> diese Zeit<br />
datieren lässt. Schriftlich überliefert ist <strong>in</strong> diesem Bereich das 1482 gestiftete und im<br />
Merian-Stich von 1652 dargestellte St.-Gertrauden-Hospital. Vermutlich gehörte das<br />
freigelegte Fundament zu e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Gebäude.<br />
Im unmittelbaren Umfeld davon konnte <strong>in</strong> 1,10 m Tiefe e<strong>in</strong>e Eichenspaltbohle freigelegt<br />
werden [65-67]. Ihre dendrochronologische Bestimmung erbrachte das Datum<br />
1209 ( + /- 10). Dieser Nachweis (DP 14) und die Dendroprobe (DP 22) aus dem Bohlenweg<br />
<strong>in</strong> der Husittenstraße belegen die bislang ältesten nachgewiesenen Hölzer<br />
<strong>Bernau</strong>s.<br />
64<br />
[66-67] Ältester Holzbohlenfund<br />
und Reste e<strong>in</strong>es<br />
Feldste<strong>in</strong>fundaments an dem<br />
vermuteten Standort des<br />
St.-Gertrauden-Hospitals
120 Dehio 2000, S. 78; Plate 2005, Kap. 4.4.<br />
Anmerkung:<br />
Kaland (Kalandbruderschaften) ist die Bezeichnung<br />
für die ab dem 9. Jahrhundert gegründeten und von<br />
Kaisern und Päpsten begünstigten Bruderschaften zur<br />
Verrichtung guter Werke. Gründungen dieser religiösen<br />
Bruderschaften erfolgten offenbar <strong>in</strong> vielen Städten<br />
Mitteldeutschlands. Die meisten Kalandbruderschaften<br />
bestanden bis zum Beg<strong>in</strong>n der Reformationszeit im<br />
16. Jahrhundert.<br />
Kalandsbruderschaften setzten sich aus männlichen<br />
und weiblichen Mitgliedern zusammen und unterschieden<br />
ke<strong>in</strong>e Standesformen oder weltliche und geistliche<br />
Herkunft. Zweck der Zusammenkünfte des Kalands<br />
war das geme<strong>in</strong>schaftliche Gebet und die geme<strong>in</strong>same<br />
Verrichtung wohltätiger Werke an Armen und Kranken.<br />
Die Kalande gedachten außerdem geme<strong>in</strong>schaftlich<br />
ihrer verstorbenen Mitglieder und lasen für sie Seelenmessen.<br />
Die Treffen wurden oft mit e<strong>in</strong>er opulenten<br />
Mahlzeit beendet.<br />
Das Wort Kaland ist von dem late<strong>in</strong>ischen Wort<br />
„kalendae“ abgeleitet. Es bedeutet den ersten Tag<br />
e<strong>in</strong>es Monats und bezieht sich auf den Brauch der<br />
Mitglieder e<strong>in</strong>es Kalands, sich regelmäßig an diesem<br />
Tag zu treffen.<br />
121 Friske 2000, S. 68 Anm. 270, S. 73 Anm. 288.<br />
[68-69] Gaststätte „Schwarzer<br />
Adler“, ehemaliger Sitz der<br />
Kalandsgilde<br />
Kaland / Gaststätte „Schwarzer Adler“<br />
In der Berl<strong>in</strong>er Straße 33 bestand wohl seit dem 13. Jahrhundert bis zur Reforma-<br />
tion <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> <strong>in</strong> den Jahren 1540/1541 das Bethaus der Kalandsbrüder sowie der<br />
ehemalige Sitz der Kalandsgilde. 120 Die Kalandsbruderschaft wird <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> erstmals<br />
ab 1345/47 genannt. Im Jahre 1345 wird e<strong>in</strong> Kathar<strong>in</strong>enaltar der Kalandsgilde <strong>in</strong> der<br />
großen St.-Marien-Kirche aufgelistet. 121 Das Gebäude – e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger, ursprünglich aus<br />
zwei Häusern des 15./16. Jahrhunderts zusammengefügter spätgotischer Wohnbau<br />
– wurde zu Zeiten Friedrich II. (1712-1786) zur bekannten Restauration und Herberge<br />
„Schwarzer Adler“ umgebaut. Im Erdgeschoss bestehen Räume mit Stern- und Netzgewölben,<br />
z. T. auf Kopfkonsolen mit Wappenschlussste<strong>in</strong>en [68-69].<br />
65
4. Städtische Gebäude<br />
und E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Rathaus<br />
Das zentrale Rathaus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigen Form wurde im Jahre 1805 im klassizistischen<br />
Baustil nach den Entwürfen des königlichen Bau<strong>in</strong>spektors Dornste<strong>in</strong> aus Wriezen/<br />
Oder als nachweislich fünftes Rathaus an dieser Stelle errichtet [70]. Laut Hedergott<br />
g<strong>in</strong>g im Jahre 1483 die halbe Stadt <strong>Bernau</strong> nebst dem kle<strong>in</strong>en alten Rathaus<br />
durch e<strong>in</strong>e gewaltige Feuersbrust <strong>in</strong> Flammen auf. 122 Nach der Wernicke-Chronik von<br />
1894 ist das alte <strong>Bernau</strong>er Rathaus <strong>bei</strong> zwei größeren Stadtbränden <strong>in</strong> den Jahren<br />
1405/1406 und 1483 stark zerstört worden. Zudem wurde e<strong>in</strong> ursprünglich vorhandener<br />
Rathausbau durch e<strong>in</strong>en kompletten Neubau ersetzt. Das alte Rathaus wurde<br />
baufällig und im Jahre 1801 abgerissen. Der Neubau von 31,50 m Länge und 12,60 m<br />
Breite war e<strong>in</strong>schließlich Anbauten im Jahre 1805 fertiggestellt und besteht <strong>in</strong> dieser<br />
Bauform im Wesentlichen noch heute bis auf Umbaumaßnahmen im Inneren und<br />
die große Freitreppe an der Nordseite zum Marktplatz h<strong>in</strong>. Laut der Stadtchronik von<br />
T. Seiler von 1736 befand sich an der Südseite des Rathauses e<strong>in</strong> besonderes Gebäude,<br />
wor<strong>in</strong> die Wagenbude und Marktmeisterei e<strong>in</strong>schließlich Wagenmeisterwohnung<br />
untergebracht waren. Nach Wernicke be<strong>in</strong>haltete die Marktmeisterei die Ratswaage.<br />
Die Ausschachtung für e<strong>in</strong>en beh<strong>in</strong>dertengerechten Fahrstuhl im westlichen W<strong>in</strong>kel<br />
des historischen Rathaushofes erforderte im November 1999 e<strong>in</strong>e archäologische<br />
Baubegleitung, wo<strong>bei</strong> verschiedene Fundamentreste älterer Gebäude angetroffen<br />
66<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Rathaus [Innenhof 1999]<br />
Standorte:<br />
- Late<strong>in</strong>schule<br />
- Mühlenberg<br />
122 Hedergott 1932, S. 18; Plate 2005, Kap. 2.2.
123 BLDAM-Grabungsbericht UBO 1999-579<br />
(M. Roeder/ehemals Fa. GAD). Der Fundamentschacht<br />
war <strong>in</strong> etwa quadratisch und wies e<strong>in</strong>e Fläche von<br />
etwa 35 qm auf.<br />
[70] Blick vom Kirchturm der<br />
St.-Marien-Kirche auf das<br />
Rathaus aus dem Jahre 1805<br />
im Stil des Klassizismus<br />
[71] Fundamente e<strong>in</strong>es der<br />
<strong>in</strong>sgesamt vier Vorgängerbauten<br />
des Rathauses unter<br />
dem heutigen Marktplatz<br />
wurden [71]. 123 E<strong>in</strong> Teil der freigelegten Mauerreste war aufgrund des verwendeten<br />
Zementmörtels und -verputzes modern und kann als Keller oder gar als Fäkaliengrube<br />
<strong>in</strong>terpretiert werden. Zudem folgt die parallele Ausrichtung der Mauern dem heutigen<br />
Rathausbau. Interessanter h<strong>in</strong>gegen lassen sich die älteren Fundamente deuten,<br />
die zwar ebenfalls der Rathausausrichtung folgen, jedoch <strong>in</strong> Naturste<strong>in</strong> und Ziegelbruch<br />
im Verbund mit Kalkmörtel aufgemauert waren. E<strong>in</strong> dokumentierter Fundamentstreifen<br />
verlief unter der Rathausrückwand und war <strong>in</strong> diese <strong>in</strong>tegriert. Hier<strong>bei</strong><br />
handelt es sich um e<strong>in</strong>e Verstärkung für e<strong>in</strong>en Stützpfeiler. Im Rathaus<strong>in</strong>neren bef<strong>in</strong>det<br />
sich das Pfeilerpendant, das hier noch Ansätze e<strong>in</strong>es alten Kreuzrippengewölbes<br />
erkennen lässt. Weitere Fundamentreste lagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Abstand von ca. 4,75 m von<br />
der Rathausrückwand entfernt und waren ebenfalls parallel zu dieser ausgerichtet.<br />
Alle älteren Fundamentreste gründen ausschließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mittelalterlichen Kulturschicht<br />
mit entsprechend harter Grauware. Da die Breite des alten und neuen Rathauses<br />
<strong>in</strong> etwa gleich ist, können die freigelegten älteren Fundamentreste entweder<br />
als Bauteile der Marktmeisterei oder als Überdachung des E<strong>in</strong>gangsgebäudes zum<br />
Ratskeller <strong>in</strong>terpretiert werden.<br />
67
Im Jahre 2001 erfolgte auf dem Rathaush<strong>in</strong>terhof im Zuge von Erdar<strong>bei</strong>ten für neue<br />
Regen- und Schmutzwasserleitungen bis <strong>in</strong> 2 m Tiefe sowie für Hausanschlüsse e<strong>in</strong>e<br />
archäologische Fachaufsicht. 124 Dom<strong>in</strong>ierend waren mehrere Baubefunde, die sich<br />
zwar nicht zu Gebäuden erschließen lassen, aber teils zum Rathaus bzw. Rathausvorgängerbau<br />
gehörten bzw. mit diesen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung standen. Zum<strong>in</strong>dest lässt<br />
sich anhand der Mauerstrukturen, Baureste und E<strong>in</strong>tiefungen e<strong>in</strong>e ältere, dichtere<br />
Bebauung des H<strong>in</strong>terhofes ablesen. Neben den vorhandenen Resten des Rathausfundaments<br />
sowie weiteren Mauerzügen konnten Teile e<strong>in</strong>es Fachwerkhauses<br />
unbekannter Funktion freigelegt werden. In e<strong>in</strong>em Bereich lagen große Feldste<strong>in</strong>e,<br />
die eventuell als Sockel für Ständer dieses Fachwerkhauses dienten. Der Zweck e<strong>in</strong>es<br />
massiven, etwa 1 m breiten Mauerwerks südwestlich des Kellerzugangs bleibt aufgrund<br />
der räumlich begrenzten Untersuchungsfläche unklar. Unter den Mauerresten<br />
fanden sich erwartungsgemäß durchgehend mittelalterliche Kulturschichten, von<br />
denen e<strong>in</strong>ige mit gruben- und pfostenlochartigen Vertiefungen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Bebauungsphase<br />
aufwiesen. Die Datierung erfolgte über die typisch mittelalterliche<br />
harte Grauware <strong>in</strong>nerhalb der Kulturschichten. Weiterh<strong>in</strong> wurden noch Tierknochen,<br />
wenig Glasreste sowie e<strong>in</strong> Schleifste<strong>in</strong> geborgen.<br />
68<br />
124 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2001:142 (M. Roeder;<br />
ehemals GAD Berl<strong>in</strong>).<br />
[72] Late<strong>in</strong>schule am<br />
Kirchplatz aus dem<br />
16. Jahrhundert
125 Barthel 2000, S. 47; Dehio 2000, S. 78; Plate 2005,<br />
Kap. 5.<br />
126 Hedergott 1932, 19f. 22; Plate 2005, Kap. 8.<br />
127 Hedergott 1932, S. 19f.<br />
Late<strong>in</strong>schule, Am Kirchplatz 10<br />
Am Kirchplatz 10 nördlich der St.-Marien-Kirche befand sich die ehemalige Late<strong>in</strong>schule<br />
[72]. 125 Im Jahre 1595 wird <strong>in</strong> schriftlichen Quellen erstmals e<strong>in</strong> Schulmeister<br />
erwähnt. E<strong>in</strong> neues Schulgebäude wird für die Jahre 1696 sowie 1776/79 an dieser<br />
Stelle verzeichnet. Es handelt sich hier<strong>bei</strong> um e<strong>in</strong>en zweigeschossigen, verputzten<br />
Backste<strong>in</strong>bau mit bis zu 90 cm starken Wänden und e<strong>in</strong>em Walmdach. Das Gebäude<br />
stammt im Kern wohl noch aus dem 16. Jahrhundert mit späteren Veränderungen.<br />
Somit ist dieses Haus das älteste noch existierende Schulgebäude der Stadt <strong>Bernau</strong>,<br />
dessen berühmteste Lehrer oder Schüler Paulus Praetorius (1521-1565) und Georg<br />
Rollenhagen (1542-1609) waren.<br />
Mühlen: Roßmühle, W<strong>in</strong>dmühlen auf dem Mühlenberg,<br />
Wassermühle an der Panke<br />
E<strong>in</strong>e städtische Mühle, die 1548 erbaut wurde, befand sich zum Schroten des Braumalzes<br />
zwischen der Roßstraße und der Brüderstraße. 126 Diese wurde 1610 durch<br />
die städtische Wassermühle südlich der Stadt an der Panke abgelöst. Laut Hedergott<br />
befanden sich zudem auf dem Mühlenberg von alters her sechs W<strong>in</strong>dmühlen, von<br />
denen bis 1719 zwei abgebrochen wurden. Im Jahre 1932 war auf dem Mühlenberg<br />
ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Mühle mehr vorhanden. Die letzte Holländermühle an der Berl<strong>in</strong>er<br />
Chaussee erwarb 1932 die Stadt <strong>Bernau</strong>, um sie als Kulturdenkmal zu erhalten. 127<br />
69
5. Straßen und Plätze,<br />
Grundstücke und Gebäude<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Marktplatz<br />
Der Marktplatz von <strong>Bernau</strong> weist e<strong>in</strong>e rechteckige Form mit Rathaus an der Südseite<br />
etwa <strong>in</strong> der Mitte der Altstadt auf, sche<strong>in</strong>t aber ursprünglich wesentlich größer gewesen<br />
zu se<strong>in</strong>. 128 Seit dem 17. Jahrhundert bef<strong>in</strong>det er sich an der heutigen Stelle. Nach<br />
der Fertigstellung des Neubaus des Rathauses im Jahre 1805 im Süden sowie nach<br />
der Bebauung der gegenüberliegenden Platzseite im Norden erhielt er se<strong>in</strong>e jetzige<br />
Größe.<br />
Die Verlegung e<strong>in</strong>er Abwassertrasse im September 1992 parallel zur Nordseite des<br />
Rathauses und unmittelbar vor der Freitreppe auf dem Platz ermöglichte e<strong>in</strong>en<br />
begrenzten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die ältere Bebauungssituation des Marktplatzes [73]. 129<br />
Bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tiefe von ca. 2,20 m verliefen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e lehmige Schicht e<strong>in</strong>gebettet,<br />
mehrere Feldste<strong>in</strong>fundamente des Rathaus-Vorgängerbaus mit e<strong>in</strong>em angelehnten<br />
Ziegelmauerwerk aus klosterformatigen Ziegeln parallel und im rechten W<strong>in</strong>kel zum<br />
jetzigen Bauwerk. Im Ziegelmauerwerk befanden sich e<strong>in</strong>ige eiserne Anker und Ösen.<br />
Vermutlich handelt es sich hier<strong>bei</strong> nach Auskunft des Ausgräbers B. Eccarius um die<br />
Kellerfundamente des Vorgängerbaus. Somit erstreckte sich der ältere Rathausbau<br />
wohl weiter <strong>in</strong> nördliche Richtung des jetzigen Marktplatzes, wogegen der alte Marktplatz<br />
eher <strong>in</strong> Höhe des jetzigen Rathaus<strong>in</strong>nenhofes anzusiedeln sei.<br />
70<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Marktplatz [1992]<br />
- Marktplatz 1 [1992]<br />
Standort:<br />
- Markt 3 und 5<br />
128 Städtebuch Brandenburg und Berl<strong>in</strong> 2000, S. 41;<br />
Dehio 2000, S. 77; Plate 2005, Kap. 2.1.<br />
129 BLDAM-Grabungskurzbericht <strong>Bernau</strong>, Markt –<br />
Rathausportal von 1992 (Grabungsleiter: B. Eccarius/<br />
Museumsdirektor). Hr. Eccarius gab freundlicherweise<br />
die Fotos zur weiteren Verwendung frei.
130 BLDAM-Grabungskurzbericht (J. Häser/ehemals<br />
Fa. Strackenbrock & Urban).<br />
[73] Marktplatz mit dem<br />
Rathaus und den Gebäuden<br />
Marktplatz 1, 3 und 5<br />
Marktplatz 1 (ehemaliges „Raumsches Haus“)<br />
Die begleitende archäologische Untersuchung des Neubaus e<strong>in</strong>es Wohn- und<br />
Geschäftshauses der Dresdner Bank am Marktplatz 1 gestaltete sich aufgrund der<br />
Vorgeschichte des Grundstücks schwierig. 130 Die frühere Bebauung e<strong>in</strong>schließlich<br />
der gesamten Hofbebauung wurde bereits 1958 flächendeckend abgerissen und<br />
die Keller anschließend verfüllt. Aufgrund der Instabilität des Baugrundes wurde<br />
für den Neubau e<strong>in</strong> Oberflächenabtrag bis etwa 50 cm Tiefe und anschließend e<strong>in</strong>e<br />
Pfahlgründung durchgeführt. Für e<strong>in</strong>en Versorgungskeller und den Fahrstuhlschacht<br />
wurde e<strong>in</strong>e 6 m x 8 m messende Baugrube ausgehoben, so dass hier bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tiefe<br />
von etwa 2,50 m die älteren Schichten e<strong>in</strong>sehbar waren. Zwei ganz unterschiedliche<br />
Nutzungsperioden charakterisieren dieses Grundstück: Die 1. Periode umfasst die<br />
Nutzung als Friedhofsgelände der sich nördlich anschließenden St.-Marien-Kirche aus<br />
der Zeit nach 1280. Immerh<strong>in</strong> 29 Grabgruben mit typisch West-Ost-ausgerichteten<br />
Bestattungen <strong>in</strong> Holzsärgen mit Sarggriffen sowie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> bis zu drei Lagen übere<strong>in</strong>ander<br />
ließen sich noch fast ungestört bergen. Der darüber bef<strong>in</strong>dliche, etwa 1 m mächtige<br />
Horizont war <strong>in</strong>tensiv mit extrem stark gestörten Bestattungen belastet. Gründe<br />
hierfür waren Störungen durch die letzten Beisetzungen bis zum Ende des 16. Jahr-<br />
71
hunderts als auch die nachfolgenden Bauaktivitäten des 17.-20. Jahrhunderts. Nach<br />
Auskunft von Herrn Eccarius, der im Jahre 1992 Baumaßnahmen <strong>in</strong> diesem Abschnitt<br />
begleitete, erstreckte sich der Friedhof <strong>in</strong> etwa Höhe des heutigen Bürgersteigs auf<br />
der Nordseite des Marktplatzes und war durch e<strong>in</strong>en nachweislichen Graben als<br />
solcher klar vom öffentlichen Markt abgegrenzt. Die 2. Periode h<strong>in</strong>gegen setzte zu<br />
Beg<strong>in</strong>n des 17. Jahrhunderts mit der Errichtung des zentral gelegenen Hauses auf der<br />
dem Marktplatz zugewandten Seite e<strong>in</strong>, das jedoch urkundlich nachweisbar bereits<br />
1630 abbrannte. Zwanzig Jahre später – im Jahre 1650 – wurde an dieser exponierten<br />
Stelle wieder e<strong>in</strong> neues Gebäude errichtet, das wiederum im 19. Jahrhundert vor allem<br />
an der Süd- und Westfassade stark umgebaut wurde. Archäologisch konnten die<br />
Oberkanten der Kellerräume so weit erfasst werden, dass der Kellergrundriss ermittelt<br />
werden konnte. E<strong>in</strong> älterer Kellerraum des ersten Gebäudes wurde <strong>in</strong> die Südfassade<br />
des 1650 errichteten Hauses <strong>in</strong>tegriert. Laut der Wernicke-Chronik wurde der zur<br />
Kirche gelegene Bereich <strong>in</strong> den Jahren 1764 bzw. 1790 dem Grundstück durch Ankauf<br />
h<strong>in</strong>zugefügt. Aus e<strong>in</strong>er hier bef<strong>in</strong>dlichen, zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts geschlossenen<br />
Latr<strong>in</strong>e stammen Keramik und Gläser des 17./18. Jahrhunderts. Die Kellermauern<br />
auf der Nord-West-Seite s<strong>in</strong>d Bestandteil e<strong>in</strong>es klassizistischen Seitengebäudes, die<br />
Fundamentmauern auf der Nord-Ost-Seite gehören zu e<strong>in</strong>em weiteren Seitengebäude<br />
aus dem 19. Jahrhundert.<br />
Marktplatz 3 und 5 (Hakenbuden)<br />
An der Nordseite des Marktes vor der Kirchhofsmauer und gegenüber vom Rathaus<br />
werden die sogenannten „Hakenbuden“ erwähnt, wo<strong>bei</strong> die Eigentümer dieser<br />
Grundstücke ihre Parzellen um 1764 nach Norden erweitern konnten. Laut Hedergott<br />
wurden die alten Hakenbuden am Marktplatz vom Stadtbrand im Jahre 1483<br />
verschont und wurden im Jahre 1593 im Verzeichnis der „Haakenwaren“ erwähnt. 131<br />
Heute stehen an dieser Stelle die um 1890 erbauten repräsentativen und schmuckreichen<br />
Gebäude Markt 3 und 5 aus der Gründerzeit, deren Fassaden Elemente<br />
unterschiedlicher Architekturperioden aufweisen [74-76]. Auftraggeber für diese<br />
exponierten Gebäude am Marktplatz war die wohlhabende <strong>Bernau</strong>er Kaufmannsfamilie<br />
Thiede. Bei Restaurierungsar<strong>bei</strong>ten <strong>in</strong> den Jahren 1999-2000 wurde u. a. das<br />
72<br />
131 Hedergott 1932, S. 18ff.; Plate 2005, Kap. 2.3.<br />
Anmerkung:<br />
Hakenbuden – ehemalige Handels- und Lagerhäuser.<br />
Im Volksmund werden die Hakenbuden auch „Hökerbuden“<br />
genannt. In ihnen präsentierten und verkauften<br />
die Handwerker ihre Waren.<br />
132 Hedergott 1932, S. 23. 27; Plate 2005, Kap. 9
[74-76] Markt 3 und 5 mit<br />
der rekonstruierten Wanduhr<br />
und dem wiederentdeckten<br />
Rosettenfenster<br />
Rosettenfenster über der E<strong>in</strong>gangstür Markt 5 entdeckt sowie die verloren gegangene<br />
Wanduhr am Markt 3 nach ihrem historischen Vorbild wiederhergestellt. Ob sich<br />
hier auch die e<strong>in</strong>st im Jahre 1570 erwähnte, vom Rat der Stadt <strong>Bernau</strong> unterhaltene<br />
öffentliche Badestube befand, bleibt unklar.<br />
Richtplatz<br />
Laut Hedergott fanden H<strong>in</strong>richtungen und Verscharrungen auf dem Galgenberg, der<br />
als Richtstätte erst nach dem 30jährigen Krieg benutzt wurde, bis <strong>in</strong>s 18. Jahrhundert<br />
statt. Der später abgetragene Berg befand sich vor dem ehemaligen Berl<strong>in</strong>er Tor. Auf<br />
ihm stand e<strong>in</strong> Galgen, an dem das große Richtrad angebracht war, das sich jetzt im<br />
Museum der Stadt <strong>Bernau</strong> – dem Henkerhaus – bef<strong>in</strong>det. Das Rädern wurde im Ausgang<br />
des 18. Jahrhunderts zum letzten Male an e<strong>in</strong>em alten Mann vollzogen. 132<br />
73
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Am Henkerhaus<br />
Die Sanierungs- und Renovierungsar<strong>bei</strong>ten des im 17. Jahrhundert als Fachwerkhaus<br />
errichteten und unmittelbar an der Stadtmauer und dem ehemaligen Mühlentor gelegenen<br />
Henkerhauses erfolgten <strong>in</strong> den Jahren 1996 und 1997 unter archäologischer<br />
Aufsicht [77]. 133 Bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> diente dieses Gebäude am nördlichen<br />
Rand der Altstadt als Wohnhaus des städtischen Henkers. Im Innenraum konnten<br />
nach dem Entfernen des modernen Fußbodens 1996 Reste verschiedener älterer<br />
Fußböden aus Lehm, Ziegelste<strong>in</strong>en sowie Feldste<strong>in</strong>pflaster festgestellt werden. An der<br />
Südseite des Hauses wurden Reste e<strong>in</strong>er zweiphasigen Herdstelle sowie an der Nordseite<br />
e<strong>in</strong> aus Ziegeln gemauerter und <strong>in</strong>nen verputzter Schacht dokumentiert. Aus<br />
diesen genannten Befunden wurden besonders Keramikfragmente von frühneuzeitlicher<br />
glasierter Irdenware, aber auch vere<strong>in</strong>zelt von mittelalterlicher harter Grauware<br />
aufgelesen. Neben Glasflaschen und e<strong>in</strong>em Fragment e<strong>in</strong>es Gußtiegels traten größere<br />
Mengen Tierknochen zutage, deren Spektrum die E<strong>in</strong>ordnung als Koch- und Essstelle<br />
des Gebäudes unterstützt. Im Jahre 1997 zeigten sich im Nordraum des Erdgeschosses<br />
nach der Entfernung der alten Fußbodendielung und deren Unterbau 15 relevante<br />
Befunde. Drei Mauerzüge bzw. Fundamente offenbarten sich als Bestandteil der<br />
spätmittelalterlichen Stadtmauer mit Lughaus. Fünf weitere Baubefunde gehören zur<br />
aufgehenden Bausubstanz des Henkerhauses. Ferner konnte e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>erer Kellerraum<br />
erfasst werden, der im 19. Jahrhundert aufgegeben und anschließend verfüllt wurde.<br />
Aus der Kellerverfüllung stammen u. a. drei Glasmarken der Glashütten Globsow und<br />
Annenwalde aus dem 18. Jahrhundert sowie Keramik, unbear<strong>bei</strong>tete und bear<strong>bei</strong>tete<br />
Tierknochen, Glas sowie Metall aus Kupfer und Eisen.<br />
74<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Am Henkerhaus [1996-1997]<br />
- Hohe Ste<strong>in</strong>straße [2005]<br />
- Hohe Ste<strong>in</strong>straße 16 [1983]<br />
- Kirchgasse 3-5 [2009]<br />
133 BLDAM-Grabungskurzbericht (A. Wichgers/<br />
ehemals Fa. LAND); BLDAM-Grabungskurzbericht<br />
BAO 1997 : BAR 1801 (H. Kretzschmann/ehemals<br />
Fa. Strackenbrock & Urban).<br />
[77] Henkerhaus, heute<br />
Museum <strong>Bernau</strong>, ursprünglich<br />
e<strong>in</strong> Fachwerkbau aus<br />
dem 17. Jahrhundert
134 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2005: 3<br />
(M. Escobedo/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
Hohe Ste<strong>in</strong>straße zwischen Kirchgasse und Mühlenstraße<br />
Die Kontrolle der Sanierung bzw. Neuverlegung der Tr<strong>in</strong>kwasserleitung mit Anb<strong>in</strong>dung<br />
der Hausanschlüsse entlang der Hohe Ste<strong>in</strong>straße zwischen der Kirchgasse und<br />
der Mühlenstraße – teilweise entlang des Innenweges der Stadtmauer – erfolgte im<br />
Jahre 2005 über e<strong>in</strong>e Länge von ca. 160 m, e<strong>in</strong>e Breite von ca. 80 cm und e<strong>in</strong>er Tiefe<br />
von ca. 1,70 m. Auftraggeber waren der Wasser- und Abwasserverband „Panke/F<strong>in</strong>ow“<br />
und die Stadtwerke <strong>Bernau</strong>. 134 Das untersuchte Gelände ist relativ uneben und weist<br />
e<strong>in</strong>e Anhebung <strong>in</strong> nordöstliche Richtung zwischen 71,87 m und 72,60 m DHHN auf.<br />
Innerhalb der gesamten Untersuchungsfläche konnten acht mittelalterliche bis frühneuzeitliche<br />
Befundkomplexe dokumentiert werden. Durchgehend zeigten sich zwei<br />
Kulturhorizonte. Der erste Kulturhorizont mit e<strong>in</strong>er nachgewiesenen Bauaktivität<br />
ist <strong>in</strong> das Spätmittelalter bzw. <strong>in</strong> die frühe Neuzeit zu setzen. Hier kamen zahlreiche<br />
Grauwarefragmente, Tierknochen und e<strong>in</strong>ige Metallobjekte zu Tage. Die Schicht<br />
datiert <strong>in</strong> das späte Mittelalter bzw. die frühe Neuzeit und steht <strong>in</strong> direktem Zusammenhang<br />
mit der Stadtmauer. Unterhalb der ersten Kulturschicht erstreckte sich der<br />
Rest e<strong>in</strong>er Grabenverfüllung, die auf den südlich angrenzenden, <strong>in</strong>neren Stadtmauerbereich<br />
zuläuft. Die ursprüngliche Breite und Tiefe konnte nicht festgestellt werden.<br />
E<strong>in</strong> zweiter mittelalterlicher Kulturhorizont ließ sich darunter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tiefe von<br />
ca. 1,50 m erkennen. Dieser enthielt verbrannte Tierknochen und Grauwarefragmente<br />
mit organischen Resten auf der Innenfläche. E<strong>in</strong> Mauerfundament konnte nur im<br />
Profil aufgenommen werden und bestand aus e<strong>in</strong>zelnen großen und mittelgroßen<br />
Feldste<strong>in</strong>en. Entlang des gesamten Schachts wurde der Rest e<strong>in</strong>es verfüllten Grabens<br />
dokumentiert, der auf den südlich angrenzenden Stadtmauerbereich zuläuft. Se<strong>in</strong>e<br />
ursprüngliche Breite und Tiefe konnte im Rahmen der Baubegleitung nicht ergraben<br />
werden. Innerhalb der Verfüllung fanden sich zahlreiche Grauwarefragmente,<br />
kalz<strong>in</strong>ierte Tierknochen und Metallobjekte. Offensichtlich diente dieser Graben<br />
ursprünglich als Entwässerungsgraben, der bereits während der Zeit der zweiten<br />
spätmittelalterlichen/frühneuzeitlichen Kulturschicht nicht mehr <strong>in</strong> Funktion war.<br />
Im Anschluss an die o. g. Maßnahme folgte im Jahre 2005 die Sanierung der Regenund<br />
Schmutzwasserleitung mit Anb<strong>in</strong>dung der Hausanschlüsse entlang der Hohe<br />
75
Ste<strong>in</strong>straße zwischen Kirchgasse und Mühlenstraße unter archäologischer Aufsicht<br />
im Auftrag der Stadt über e<strong>in</strong>e Länge von ca. 170 m, e<strong>in</strong>e Breite von ca. 1,20 m und<br />
e<strong>in</strong>er Tiefe von ca. 1,70 m. 135 Anhand der stratigraphischen Auswertung sowie des<br />
vorhandenen Fundmaterials ließen sich etwa 20 spätmittelalterliche und frühneuzeitliche<br />
Komplexe – Baubefunde, Gruben und Kulturschichten – beobachten. An<br />
Baubefunden lassen sich die Reste e<strong>in</strong>es südwestlich-nordöstlich ausgerichteten<br />
Mauerfundaments aus Feldste<strong>in</strong>en registrieren, die sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er spätmittelalterlichen<br />
Kulturschicht erstreckten. Im untersten Bereich dieser Kulturschicht trat<br />
der Rest e<strong>in</strong>es zweiten, immerh<strong>in</strong> etwa 24 m langen Feldste<strong>in</strong>fundaments zu Tage.<br />
In e<strong>in</strong>igen Bereichen zieht dieses Mauerwerk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zweite, ältere Kulturschicht<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Dieser Befund entspricht e<strong>in</strong>er früheren Konstruktionsphase <strong>in</strong>nerhalb des<br />
mittelalterlichen Kontexts. Der Rest e<strong>in</strong>er dritten, vermörtelten Feldste<strong>in</strong>mauer<br />
konnte im Profil lokalisiert werden. Die 6-lagige, wiederum südwestlich-nordöstlich<br />
ausgerichtete Mauer bestand aus großen und mittelgroßen Feldste<strong>in</strong>en und war mit<br />
kle<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>en und Ziegelbruch verfugt. Aus dem Befund konnten ausschließlich<br />
mittelalterliche Grauwarefragmente geborgen werden. Zudem konnte e<strong>in</strong> verfüllter<br />
Feldste<strong>in</strong>keller aus großen und mittelgroßen Feldste<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>gemessen werden, der<br />
sich <strong>in</strong> Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er davor liegenden Pflasterung im Mörtelverbund zeigte.<br />
Die Verfüllung bestand aus Bauschutt mit Ziegelbruch, Mörtelresten, Porzellan,<br />
Ofenkacheln sowie neuzeitlichen Keramikfragmenten. Relativ chronologisch steht dieser<br />
Keller wahrsche<strong>in</strong>lich mit e<strong>in</strong>er frühneuzeitlichen bis neuzeitlichen Bauaktivität<br />
<strong>in</strong> Beziehung. Zuletzt konnten die vermörtelten frühneuzeitlichen Fundamentreste<br />
der ehemaligen Häuser Hohe Ste<strong>in</strong>straße Nr. 44 und 46 identifiziert werden, die <strong>bei</strong>de<br />
1970 abgerissen wurden und e<strong>in</strong>e weite Lücke im historischen Altbestand h<strong>in</strong>terließen.<br />
Besonders im Bereich des damaligen Hauses Nr. 44 wurden Teile e<strong>in</strong>es Kellergewölbes<br />
mit großen Feldste<strong>in</strong>en und rezenten Ziegeln vermauert. Vermutlich wurden<br />
hier ältere Mauerzüge von Vorgängerbauten bzw. ältere Bauelemente <strong>in</strong> den Hausbau<br />
mit e<strong>in</strong>bezogen. Im Bereich der Stadtmauer wurde im Abstand von e<strong>in</strong>em Meter<br />
e<strong>in</strong> Brunnen festgestellt, der – obertägig nicht mehr sichtbar – mit e<strong>in</strong>er Metallplatte<br />
abgedeckt war. Der runde, aus Feldste<strong>in</strong>en errichtete Brunnenkranz hat e<strong>in</strong>en<br />
Durchmesser von 2,50 m und erreicht e<strong>in</strong>e Tiefe von 7 m, dem aktuellen Niveau des<br />
Grundwasserspiegels [78-79]. E<strong>in</strong> Pumpkörper mit Pumpenschwengel aus Kiefernholz<br />
76<br />
135 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2005: 43<br />
(M. Escobedo/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).
[78-79] Brunnenfund <strong>in</strong> der<br />
Hohen Ste<strong>in</strong>straße<br />
wurde durch das Deutsche Archäologische Institut Berl<strong>in</strong> dendrochronologisch mit<br />
dem Fälldatum um 1900 bestimmt [80-81]. Ob der Brunnen bereits <strong>in</strong>s Mittelalter<br />
und <strong>in</strong> Zusammenhang mit der Stadtbefestigung zu setzen ist, konnte nicht geklärt<br />
werden, ist jedoch aufgrund der Lage zur Stadtmauer und der Bauweise denkbar. Die<br />
weiteren Befundkomplexe umfassen mittelalterliche Siedlungs-, Haus- und Abfallgruben<br />
sowie Kulturhorizonte. E<strong>in</strong>e Pfostengrube vertiefte <strong>in</strong> den anstehenden Boden<br />
und war mit dunkelbraunem Sand, Holzkohleresten und mit kle<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>en verfüllt.<br />
E<strong>in</strong>e Siedlungsgrube enthielt viele Kohlereste, Ste<strong>in</strong>e, Tierknochen und Grauwarefragmente.<br />
Beide Befunde stehen <strong>in</strong> Relation zur ältesten mittelalterlichen Kulturschicht,<br />
die von e<strong>in</strong>er massiven lehmigen Verfüllung besonders im Bereich der Stadtmauer<br />
überlagert wurde und sich somit von der jüngeren Kulturschicht deutlich trennt.<br />
Diese jüngere, spätmittelalterliche Kulturschicht zeigte sich als e<strong>in</strong>e braune, lehmige<br />
regelmäßige feste Schicht, die eventuell auch als Wegehorizont angesprochen werden<br />
kann. Das Fundmaterial stellte sich <strong>in</strong> Form von zahlreichen Grauwarefragmenten,<br />
d. h. über 260 Teile und e<strong>in</strong>igen Metallobjekten dar. E<strong>in</strong>ige dieser Grauwarefragmente<br />
gehören zu gehenkelten Kugeltöpfen, Kochtöpfen und Bechern aus dem 14.-15. Jahrhundert.<br />
Das Keramikfundspektrum war <strong>in</strong> Vergesellschaftung mit über 100 Tierknochenfragmenten,<br />
darunter Unter- und Oberkieferfragmente, Schafzähne, Wildschwe<strong>in</strong>zähne<br />
und Hornzapfenfragmente, des Weiteren Metallobjekte wie Eisen-<br />
77
nägel, Kupfer- und Eisenobjekte, Nonnenziegelfragmente, Fachwerkwandfragmente<br />
mit Abdrücken und Lederfragmente. Der ältere, mittelalterliche Kulturhorizont zeigte<br />
sich als e<strong>in</strong>e durchlaufende Kulturschicht aus dunkelbraunem Sand mit Holzkohleresten,<br />
Holzstücken, lehmigen Anteilen, zahlreichen Tierknochen und Keramikframenten<br />
sowie starken Brandspuren im obersten Bereich. Dieser Horizont verlief <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Tiefe von ca. 1,40 m unter der Geländeoberkante. Neben den typischen Grauwarefragmenten<br />
kamen auch Tierknochenfragmente und e<strong>in</strong> Bronzeobjekt zu Tage. Unter<br />
den Lesefunden ragt <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong> Mühlste<strong>in</strong>fragment mit Ritzverzierung hervor.<br />
Hohe Ste<strong>in</strong>straße 16<br />
Nach der E<strong>in</strong>planierung e<strong>in</strong>iger Altstadthäuser zwischen der Stadtmauer und der<br />
Hohen Ste<strong>in</strong>straße 16 konnte im Jahre 1983 der bisher e<strong>in</strong>zige bekannte frühneuzeitliche<br />
Münzschatzfund im Stadtkerngebiet <strong>Bernau</strong>s geborgen werden. 136 Nachdem<br />
die ersten zwei Münzen durch e<strong>in</strong>en Schüler am 2. Juni 1983 an e<strong>in</strong>em Wandertag<br />
gefunden und gemeldet wurden, erfolgte im Anschluss am 3. Juni 1983 e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />
78<br />
136 BLDAM-Ortsakten Fundstelle <strong>Bernau</strong> 3/14.<br />
[80-81] Pumpenstock der<br />
alten Brunnenanlage
137 Verbleib: BLMUF, Inv.-Nr. 1995-591; Quelle:<br />
Schauer, B. (Fundliste); BLMUF. OA <strong>Bernau</strong>, Fpl. 3;<br />
Fotos: R. Zumpe/bearb. G. Bethmann.<br />
138 Vs.: Vorderseite der Münze (Avers); Rs.: Rückseite<br />
der Münze (Revers).<br />
[82] Münzschatzfund mit<br />
<strong>in</strong>sgesamt 25 Münzen aus<br />
dem 14.-17. Jahrhundert<br />
Folgende Münzstätten bzw. Prägeorte lassen<br />
sich u. a. ablesen:<br />
Brandenburg, Georg Wilhelm – Kurfürst und<br />
Markgraf von Brandenburg und Herzog von<br />
Preußen 1619-1640, Münzstätte Cölln an der<br />
Spree, Sechsgröscher o. J. (um 1622) (Vs.) 138<br />
Sachsen, Johann Georg I., Kurfürst von<br />
Sachsen 1611-1656, Münzstätte Dresden,<br />
Groschen 1624 (Vs.)<br />
Sachsen, Johann Georg I., Kurfürst von<br />
Sachsen 1611-1656, Münzstätte Dresden,<br />
Groschen 1629 (Rs.)<br />
Holste<strong>in</strong>-Schaumburg, Adolf XIII., Graf von<br />
Holste<strong>in</strong> und Herzog von Schleswig 1427-1459,<br />
Münzstätte Altona, Groschen 1597 (Vs.)<br />
Holste<strong>in</strong>-Schaumburg, Adolf XIII., Graf von<br />
Holste<strong>in</strong> und Herzog von Schleswig 1427-1459,<br />
Münzstätte Altona, Groschen 1600 (Rs.)<br />
Stephanspfennig, ohne Jahr, Halberstadt<br />
Absuchung des Geländes durch Fachkollegen. Hier<strong>bei</strong> wurden <strong>in</strong>sgesamt 25 Münzen<br />
geborgen, die derzeit im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg im Paulikloster<br />
ausgestellt s<strong>in</strong>d. Neben neun guten Groschen, fünf Dreiern und e<strong>in</strong>em guten<br />
Zweier enhielt der Fund auch zehn e<strong>in</strong>fache Kippermünzen (1 Sechsgröscher,<br />
6 Dreigröscher, 1 Groschen) als Nom<strong>in</strong>ale [82]. 137 Die älteste Münze ist e<strong>in</strong> Prager<br />
Groschen der Prägezeit von 1310-1346, die jüngste Münze und somit die Schlussmünze<br />
ist e<strong>in</strong> Dresdner Groschen von 1629.<br />
79
Kirchgasse 3-5<br />
Die geplante Neubebauung der Kirchgasse / Ecke Hohe Ste<strong>in</strong>straße im Jahr 2009<br />
durch den Vere<strong>in</strong> Hoffnungstal e.V. ermöglichte e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die mittelalterliche<br />
und frühneuzeitliche Bebauungs- und Nutzungsgeschichte dreier städtischer<br />
Parzellen <strong>in</strong> der Kirchgasse 3 und 5. 139 Die Befunde spiegeln die kont<strong>in</strong>uierliche<br />
Wohnnutzung der Stadtparzellen vom 13. bis zum 20. Jahrhundert wider. Bis <strong>in</strong> die<br />
Mitte der 1980er Jahre befanden sich hier drei Wohngebäude mit Nebenbauten, die<br />
bis zur Geländeoberkante abgerissen und die Keller verfüllt wurden. Aufgrund der<br />
umfangreichen Befunderhaltung wurde von e<strong>in</strong>em geplanten Komplettaustausch<br />
für die Gründungsplanung zugunsten e<strong>in</strong>er Punktfundamentierung abgesehen. Es<br />
konnten zahlreiche bauliche Überreste wie Feldste<strong>in</strong>fundamente der Wohnbebauung,<br />
Parzellengrenzen sowie vier Keller, welche zum Teil noch bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert<br />
benutzt wurden, freigelegt werden. Im Hofbereich wurden zahlreiche Fundamente<br />
von Nebengebäuden dokumentiert. Die meisten Gebäudereste stammen <strong>in</strong> ihren<br />
Grundstrukturen aus dem 18. Jahrhundert mit weiterführenden Veränderungen bis<br />
<strong>in</strong>s 20. Jahrhundert. E<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>keller sowie mehrere Pfosten und Gruben im Hofbereich<br />
können e<strong>in</strong>er älteren Bauphase des 16./17. Jahrhunderts zugeordnet werden. In das<br />
Spätmittelalter und <strong>in</strong> die Stadtgründungsphase konnten e<strong>in</strong>ige wenige Gruben und<br />
Pfosten sowie zwei Keller und e<strong>in</strong> Brunnen datiert werden.<br />
Von den Funden s<strong>in</strong>d neben der großen Zahl an Keramikscherben vom Mittelalter bis<br />
zur Frühen Neuzeit folgende Objekte hervorzuheben: Blatt- und Schüsselofenkacheln,<br />
e<strong>in</strong> Feuerste<strong>in</strong> als Zündmechanismus e<strong>in</strong>er Feuerwaffe mit Ste<strong>in</strong>schloss, mittelalterliche<br />
Formziegel z. T. mit gotischem Bauschmuck, e<strong>in</strong>e Silbermünze, e<strong>in</strong> Sp<strong>in</strong>nwirtel<br />
und Scherben von importiertem, mit Wellenfuß versehenem Ste<strong>in</strong>zeug aus dem<br />
Mittelalter sowie dessen Kopie aus e<strong>in</strong>heimischer Harter Grauware.<br />
80<br />
[83] Blick vom Kirchturm der<br />
St.-Marien-Kirche auf die<br />
Ecke Hohe Ste<strong>in</strong>straße /<br />
Kirchgasse mit dem Neubau<br />
Kirchgasee 3-5
139 BLDAM-Grabungskurzbericht UBO 2009: 74<br />
(Th. Hauptmann/Fa. BAB).<br />
140 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1997: BAR<br />
190/191 (H. Kretzschmann/ehemals Fa. Strackenbrock<br />
& Urban).<br />
141 Wernicke 1992, 43.<br />
142 Bügel 1993, 44.<br />
143 Wittkopp 2000, 122.<br />
144 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2006, 95<br />
(K. Grüneberg/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
[84] Spätmittelalterlicher<br />
Graben <strong>in</strong> der Grünstraße<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Mühlenstraße und Grünstraße<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Mühlenstraße [1997/1999]<br />
- Grünstraße [2006]<br />
Während der Straßensanierung im Jahre 1997 <strong>in</strong> der Mühlenstraße zwischen der<br />
Hohen Ste<strong>in</strong>straße und Grünstraße konnten die Reste der 1785 abgerissenen Kirchhofmauer<br />
der St.-Marien-Kirche hier nun nicht mehr festgestellt werden. 140 Die<br />
Grünstraße bef<strong>in</strong>det sich im Nordwesten der Altstadt, verläuft von West nach Ost,<br />
vom Pulverturm bis zur St.-Marien-Kirche und stößt dort auf die Mühlenstraße, die <strong>in</strong><br />
Richtung Norden zum ehemaligen Mühlentor abzweigt. „Die Grünstraße, ca. 160 m<br />
lang und ca. 5,80-7,40 resp. 10-13,45 mtr. breit, erstreckt sich von der Stadtmauer<br />
resp. dem Rundturm (Pulverturm) <strong>in</strong> östlicher Richtung bis zum Kirchplatze.“ 141<br />
Insgesamt 15 Hausstellen lassen sich zur Jahrhundertwende feststellen: sieben<br />
Handwerker und e<strong>in</strong> Kaufmann auf der südlichen Seite, zehn Anlieger, davon sechs<br />
Ackerbürger, sieben mit Braurecht auf der nördlichen Seite. 142 Die Straßenbebauung<br />
wurde <strong>in</strong> den 1970/1980er Jahren durch den großflächigen Abriss aus dem Stadtbild<br />
ausradiert.<br />
Bei den nachfolgenden Untersuchungen im Jahre 1999 <strong>in</strong> der Mühlenstraße wie<br />
auch <strong>in</strong> der nördlichen Kirchgasse wurden gegenüber der heutigen Straßenflucht<br />
verschobene ältere Bebauungsreste und Brunnen erfasst. 143 Im Jahr 2006 wurden<br />
die Leitungstrassen <strong>in</strong> der Grünstraße neu verlegt sowie die Mühlenstraße unter<br />
archäologischer Begleitung grundhaft ausgebaut. 144 Die Grabungsergebnisse der<br />
jüngsten Grabung bestätigen die bisherigen dokumentierten Befunde. Da<strong>bei</strong><br />
konnten <strong>in</strong> der Grünstraße noch spätmittelalterliche Wegehorizonte, Kultur- und<br />
Planierschichten, mehrere Siedlungsgruben, Pfostenlöcher und e<strong>in</strong> Abflussgraben<br />
festgestellt werden.<br />
81
Über dem anstehenden Sand lag e<strong>in</strong> spätmittelalterlicher Wegehorizont mit e<strong>in</strong>er<br />
dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getieften Siedlungsgrube und Pfostengrube auf, der wiederum durch e<strong>in</strong>e<br />
Geländeplanierung überdeckt wurde. Beide genannten Schichten wurden durch e<strong>in</strong>en<br />
südwestlich-nordöstlich verlaufenden und somit den mittelalterlichen Weg parallel<br />
begleitenden trichterförmigen Graben geschnitten [84]. Der Graben war bis 1 m breit,<br />
etwa 80 cm tief und mit Holzkohle, Brandlehm, Ste<strong>in</strong>en, Fischschuppen, Tierknochen<br />
sowie harter Grauware verfüllt. Schließlich waren der Graben und die Planierung mit<br />
e<strong>in</strong>er Kulturschicht und e<strong>in</strong>er dünnen Schicht mit Brandrückständen im Laufe der Zeit<br />
bedeckt worden. Diese schmale Brandschicht ist vermutlich mit kle<strong>in</strong>eren Bränden<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen, nicht aber mit den flächigen katastrophalen Stadtbränden<br />
von 1404 oder 1483. E<strong>in</strong>e weitere jüngere, spätmittelalterliche Kulturschicht überlagert<br />
diese Brandschicht, oberhalb folgen frühneuzeitlich/neuzeitliche Auffüllschichten.<br />
Ab e<strong>in</strong>er Tiefe von ca. 1 m fanden sich m<strong>in</strong>destens fünf Kellerreste, die vorwiegend<br />
der oben angeführten Wohnhausbebauung bis um 1900 zuzuschreiben s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> gut erhaltener Feldste<strong>in</strong>keller enthielt e<strong>in</strong>en sekundär verwendeten Sandste<strong>in</strong> mit<br />
auf dem Kopf stehenden Ritzungen, der im unteren Teil der südwestlich verlaufenden<br />
Quermauer im Verband mit Feldste<strong>in</strong>en verbaut war. E<strong>in</strong> Kohleabdruck ergab vermutlich<br />
die Jahreszahl 1461 und ermöglicht e<strong>in</strong>e Datierung des Kellers post quem (nach<br />
diesem Zeitpunkt) [85-87]. Auch wenn der Zeitpunkt des Kellerbaus unklar bleibt, so<br />
82<br />
[85] Kellerfundamente <strong>in</strong><br />
der Grünstraße<br />
[86-87] Feldste<strong>in</strong> (Bild<br />
um 180° gedreht) mit der<br />
Ritzung 1461, sichtbar mit<br />
Hilfe e<strong>in</strong>es Kohleabdrucks
145 Wernicke 1992, 42.<br />
146 Bügel 1993, 57.<br />
147 Wernicke 1992, 66.<br />
[88-89] Hausfundament<br />
und Reste e<strong>in</strong>es Feldste<strong>in</strong>-<br />
brunnens <strong>in</strong> der Mühlenstraße<br />
war er archäologisch nachweisbar bis <strong>in</strong> die Neuzeit noch <strong>in</strong> Gebrauch, was zusätzlich<br />
durch neuzeitliche Fensterschließen am Kellerfenster unterstrichen wird.<br />
In der Mühlenstraße ließen sich unterhalb verschiedener frühneuzeitlich/neuzeitlicher<br />
Auffüll- und Abrissschichten sechs frühneuzeitliche Hausfundamente und<br />
e<strong>in</strong> nicht näher datierbarer Feldste<strong>in</strong>brunnen erfassen. Der Bereich des ehemaligen<br />
Standortes des Mühlentors wurde <strong>bei</strong> den Baumaßnahmen nicht tangiert.<br />
Wernicke schreibt <strong>in</strong> der <strong>Bernau</strong>-Chronik: „Die Mühlenstraße ist ca. 112 m lang und<br />
ca. 8,50 bis 17,10 m breit, führt von der Bürgermeisterstraße resp. Grünstraße <strong>in</strong> nordwestlicher<br />
Richtung an dem rechts belegenen Kirchplatze und der Hoheste<strong>in</strong>straße<br />
vorüber bis zu dem Mühlentor ....“. 145 Die Hausbesitzer waren von Beruf Barbier,<br />
Heilgehilfe, Restaurateur (Gastwirt), Mühlen-, Tischler- und Klempnermeister sowie<br />
Zigarrenmacher. 146 Konkret erfasst werden konnten die im Jahre 1918 abgerissenen,<br />
immerh<strong>in</strong> noch über 15 m langen Fundamente des Kieselackschen Hauses, früher<br />
Mühlenstraße 18, heute Mühlenstraße 5 [19, siehe Seite 24]. Wie schon mehrfach <strong>in</strong><br />
<strong>Bernau</strong> angetroffen, konnte auch <strong>in</strong> der Mühlenstraße e<strong>in</strong> Feldste<strong>in</strong>brunnen erfasst<br />
werden, der mit Ladeburger Ziegeln aufgemauert wurde. Dieser Brunnen wird <strong>in</strong> der<br />
Stadtchronik von Wernicke aus dem Jahre 1894 explizit angeführt: „Innerhalb der<br />
R<strong>in</strong>gmauer bef<strong>in</strong>den sich noch 36 Straßenbrunnen und zwar: <strong>in</strong> der Mühlenstraße 2 (vor<br />
den Häusern Nr. 4 und 6) ...“. 147 Die Dokumentation erstreckte sich nur auf das Planum,<br />
e<strong>in</strong>e Entnahme des Brunnen<strong>in</strong>haltes sowie e<strong>in</strong>e Erfassung der Baugrube im Profil<br />
erfolgte nicht [88-89]. Da er ansonsten ke<strong>in</strong>e chronologisch signifikante Baulichkeit<br />
aufweist, ist e<strong>in</strong>e genaue Datierung nicht gesichert.<br />
83
Unter den Funden s<strong>in</strong>d im Wesentlichen spätmittelalterliche harte Grauware wie<br />
Kugeltopf- und Topfkachelfragmente sowie e<strong>in</strong> Tüllengefäßfragment, Glasbruch,<br />
Eisenfragmente wie e<strong>in</strong>e stark korrodierte Gewandspange und vermutlich e<strong>in</strong> Angelhaken<br />
[92-93], Tierknochen und Fischschuppen zu nennen. Interessant ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nen<br />
braun glasiertes Renaissancetöpfchen, <strong>in</strong> dem entweder Arzneien oder Kosmetika<br />
aufbewahrt wurden. Das oben genannte Keramikfragment von e<strong>in</strong>em Tüllengefäß<br />
mit aufgesetzter scheibenförmiger Tülle weist e<strong>in</strong>en Innendurchmesser von 1,2 cm<br />
im Gefäßunterteil dicht über dem Bodenbereich auf [90]. Derartige Tüllen f<strong>in</strong>den<br />
sich – wie schon an e<strong>in</strong>em Fundexemplar vom nördlichen Stadtmauerweg zwischen<br />
Parkstraße und Mühlenstraße (5. Bauabschnitt) beschrieben – an Standbodengefäßen<br />
und grapenförmigen Exemplaren des 14. bis 17. Jahrhunderts und wurden möglicherweise<br />
<strong>bei</strong> der Bierbrauerei verwendet. 148 Das e<strong>in</strong>henklige, zyl<strong>in</strong>drische Töpfchen<br />
besteht aus ockerfarbener Irdenware, von dem der Rand und der Henkel fehlen.<br />
Aufgrund der braunen Innenglasur ist das Gefäß wasserdicht, am äußeren Randbereich<br />
f<strong>in</strong>den sich zwei parallel verlaufende Furchen und e<strong>in</strong> dazu parallel verlaufender<br />
brauner Streifen. Oberhalb der durch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>zug leicht abgesetzten Fußzone f<strong>in</strong>det<br />
sich e<strong>in</strong>e weitere umlaufende Furche. Das Töpfchen kann aufgrund von Vergleichs<strong>bei</strong>spielen<br />
<strong>in</strong> das 15./ 16. Jahrhundert datiert werden [91]. 149<br />
84<br />
148 Schmidt 1990, 18-19, Taf.10, 11.<br />
149 Vergleichs<strong>bei</strong>spiele aus Heldburg: AID 2, 2008,<br />
50-51.<br />
[90] Spätmittelalterliches<br />
Tüllengefäß aus dem<br />
14.-17. Jahrhundert<br />
[91] Frühneuzeitliches<br />
Töpfchen aus dem<br />
15.-16. Jahrhundert<br />
[92-93] Gewandspange und<br />
vermutlich e<strong>in</strong> Angelhaken<br />
2 cm 2 cm
150 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1997: BAR<br />
190/191 (H. Kretzschmann/ehemals Fa. Strackenbrock<br />
& Urban).<br />
151 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2007:63<br />
(K. Gessner/ Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
152 Seiler, 1736, 22.<br />
153 Seiler, 1736, 22f.<br />
154 Bügel, 1993, 43.<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Grünstraße, Tuchmacherstraße und Neue Straße<br />
Im östlichen Abschnitt der Grünstraße zwischen der Straße An der Alten Brauerei und<br />
der E<strong>in</strong>mündung <strong>in</strong> die Bürgermeisterstraße zeichnete sich <strong>bei</strong> der Straßensanierung<br />
im Jahre 1997 lediglich der Rest e<strong>in</strong>es Feldste<strong>in</strong>kellers mit e<strong>in</strong>er Ziegelüberwölbung<br />
e<strong>in</strong>es bisher unbekannten Gebäudes ab. 150<br />
Die während der Baubegleitung 2007 untersuchte Tuchmacher- und Grünstraße<br />
gehörten zum planmäßig angelegten Straßensystem, das nach e<strong>in</strong>em Gitterschema<br />
angelegt wurde. 151 Die Tuchmacherstraße trug bis zum Dreißigjährigen Krieg den<br />
Namen Fullerstraße152 , die alte Bezeichnung der Weber. E<strong>in</strong> Stadtbrand im Jahre 1485,<br />
der die halbe Stadt <strong>in</strong> Mitleidenschaft zog, soll Seiler zufolge – e<strong>in</strong>em Chronisten aus<br />
dem 18. Jahrhundert – von dem Eckhaus der Fullerstraße zur Neuen Straße ausgegangen<br />
se<strong>in</strong>. 153 Im Zuge des DDR-Flächenabrisses wurde jedoch die Straßenführung<br />
geändert, wie die Anlage der Straße „Alte Brauerei“ parallel zur Tuchmacherstraße<br />
und die Umverlegung der Neuen Straße zeigen. Die nach Norden verlegte Neue<br />
Straße führt heute durch die ehemaligen Wohnparzellen direkt auf das Kantorhaus <strong>in</strong><br />
der Tuchmacherstraße, das älteste, noch erhaltene Wohnhaus von 1582/83. Das über<br />
Jahrhunderte vom Kantor der Stadt genutzte Haus blieb vom Flächenabriss verschont<br />
und wurde 1981-1983 mit leichten Abweichungen von se<strong>in</strong>er ursprünglichen Form<br />
restauriert. 154<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Grünstraße [1997 / 2007]<br />
- Tuchmacherstraße [2007]<br />
- Neue Straße [2007]<br />
Die ältesten Befunde <strong>in</strong> den drei Straßen gehören der Stadtgründungsphase des<br />
13. Jahrhunderts an, die jüngsten reichen bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert. Ca. 40 cm unter<br />
der Straßendecke befand sich e<strong>in</strong> älteres Feldste<strong>in</strong>pflaster. Wie aus der <strong>Bernau</strong>er<br />
Chronik bekannt, wurde die gesamte Stadt 1873-1877 mit behauenen Feldste<strong>in</strong>en<br />
85
neu gepflastert. 155 Diese Neupflasterung ersetzte e<strong>in</strong> Rundpflaster von 1800. 156 Ferner<br />
kamen zahlreiche massive Überreste der <strong>Bernau</strong>er Altbebauung <strong>in</strong> Form von ste<strong>in</strong>ernen<br />
Hauskellern und Gebäudefundamenten der ehemaligen Fachwerkbauten zutage.<br />
Im Zuge der DDR-Umstrukturierung <strong>Bernau</strong>s, e<strong>in</strong>hergehend mit der Auflösung der<br />
Parzellen und der Verlegung ganzer Straßenzüge, wurden die Straßenfahrbahnen<br />
verbreitert. Die Wohnbauten der Tuchmacherstraße, Grünstraße und Neuen Straße<br />
aus dem 18./19. Jahrhundert bestanden aus e<strong>in</strong>er Holzfachwerkkonstruktion, die<br />
auf Ste<strong>in</strong>fundamenten gründete. Viele Gebäude waren <strong>in</strong> den 1930er Jahren unsachgemäß<br />
verputzt worden, was der Bausubstanz wegen mangelnder Durchlüftung<br />
erheblichen Schaden zufügt hatte. 157 Die spätmittelalterlichen, mit Siedlungsabfall<br />
verfüllten kasten- bzw. wannenförmigen Gruben, die ursprünglich mit organischem<br />
Material ausgesteift waren, dienten e<strong>in</strong>st zur Vorratshaltung. Zwei nachgewiesene<br />
Brandschichten s<strong>in</strong>d mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit auf die Brandkatastrophen des<br />
15. Jahrhunderts – 1406 und 1485 – zurückzuführen.<br />
In der Tuchmacherstraße zeigten sich <strong>in</strong> der heutigen Straßenmitte <strong>in</strong> den Trassen<br />
spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Kultur- und Wegeschichten sowie Siedlungsbefunde<br />
mit Grubenhäusern, Pfostenlöchern und Gruben. In den Trassen im<br />
heutigen Gehwegbereich befanden sich Baubefunde der abgerissenen Altbebauung<br />
<strong>Bernau</strong>s.<br />
Die spätmittelalterliche Wegeschicht wies mehrere Laufhorizonte zwischen 5-50 cm<br />
Stärke auf. E<strong>in</strong>e lockere, horizontale Ste<strong>in</strong>lage aus unbear<strong>bei</strong>teten Feldste<strong>in</strong>en <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Kulturschicht markiert e<strong>in</strong>e partielle Befestigung des Straßenniveaus. Die<br />
fundreiche Schicht be<strong>in</strong>haltete neben Tierknochen, Schlacke, Holzkohle, Metallobjekten<br />
(u. a. e<strong>in</strong> r<strong>in</strong>gförmiger Gegenstand [94]), große Mengen an Keramik aus<br />
harter Grauware und Fastste<strong>in</strong>zeug (hochgebranntes und nahezu wasserundurchlässiges<br />
Ste<strong>in</strong>zeug), deren Charakteristika e<strong>in</strong>e Datierung <strong>in</strong>s ausgehende Mittelalter<br />
ermöglichen.<br />
Neben den Wegeschichten trat e<strong>in</strong> spätmittelalterlicher Bebauungshorizont mit<br />
Gruben, Pfostenlöcher und Hausgruben auf, die an der Sohle Spatenstichspuren von<br />
der Entstehungszeit aufwiesen. Die Haus- und Speichergruben zeigten scharf abgegrenzte<br />
steile Grubenwände, waagrechte Grubensohlen, begleitende Pfostengruben<br />
sowie e<strong>in</strong>e Verfüllung mit Siedlungsabfällen wie Keramik und Tierknochen. Zahlreiche<br />
86<br />
155 Wernicke, 1894, 39.<br />
156 Wernicke, 1894, 8.<br />
157 Frdl. Mitteilung von Herrn Assmann, Bauregie<br />
<strong>Bernau</strong>.<br />
[94] R<strong>in</strong>gförmiger Gegenstand<br />
aus Metall, Fundort<br />
Tuchmacherstraße<br />
[95] Raseneisenerzbrocken<br />
deutet auf e<strong>in</strong>e lokale Eisenverhüttung<br />
h<strong>in</strong><br />
2 cm
158 Dieses Eckhaus ist den alten <strong>Bernau</strong>ern als<br />
Bubahaus bekannt, da hier bis vor dem Abriss e<strong>in</strong><br />
Gemüseladen untergebracht war, welcher der <strong>Bernau</strong>er<br />
Legende Buba gehörte.<br />
[96-97] Historische und<br />
heutige, zurückgesetzte<br />
Bauflucht, hier: Ansicht der<br />
Eckbebauung Berl<strong>in</strong>er Straße<br />
46 / Tuchmacherstraße 1,<br />
historische Aufnahme<br />
zwischen 1930-1940<br />
Gruben mit unregelmäßiger Form dienten vermutlich zur Entnahme von Sedimenten<br />
und anschließender Aufnahme von Vorräten oder Abfällen. E<strong>in</strong>ige wenige kasten- und<br />
wannenförmige Gruben stehen wohl mit e<strong>in</strong>er lokalen Eisenverhüttung <strong>in</strong> Zusammenhang.<br />
Deren Füllung aus holzkohlehaltigem Sand, Holzkohleschichten, gebranntem<br />
Lehm sowie Schlacken spricht für Schmiedegruben. E<strong>in</strong>en weiteren H<strong>in</strong>weis auf<br />
Eisenverhüttung liefert e<strong>in</strong> großer Raseneisenerzbrocken [95].<br />
Die frühneuzeitliche Nutzungsperiode wird durch e<strong>in</strong>e Kulturschicht repräsentiert,<br />
deren Keramik <strong>in</strong> Form von harter Grauware, bleiglasierter heller Irdenware, Sgrafitto-<br />
Keramik (Verzierungen mittels Kratztechnik) und Malhornware (Verzierung mittels<br />
Maltechnik) e<strong>in</strong>e Datierung <strong>in</strong> das 15.-18. Jahrhundert erlaubt.<br />
Die Flucht der Altbebauungsfront war der heutigen um etwa 3 m vorgesetzt, deren<br />
Reste <strong>in</strong> Form von Fundamenten, aufgehendem Mauerwerk und Quermauern zutage<br />
kamen [96-97]. Auf Höhe des heutigen Wohnhauses Tuchmacherstraße 2 befand sich<br />
die Außenfront der Unterkellerung des ehemaligen Eckhauses Berl<strong>in</strong>er Straße 42. 158<br />
Die <strong>in</strong> Zweischalenbauweise errichtete Mauer war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Läufer-B<strong>in</strong>der-Verband<br />
gesetzt und mit Kalkmörtel verfugt worden.<br />
Die Neue Straße, die erst <strong>in</strong> den 1980er Jahren angelegt wurde, verläuft durch die vormaligen<br />
Wohnparzellen. H<strong>in</strong>ter den Wohnhäusern erstreckten sich Anbauten <strong>in</strong> Form<br />
87
von Scheunen, Schuppen und Ställen. An der E<strong>in</strong>mündung Neue Straße / Tuchmacherstraße<br />
blieben Reste der Altbebauung <strong>in</strong> Form von Kellermauern erhalten. Anhand<br />
des Bebauungsplans gehörte der Mauerzug zum e<strong>in</strong>stöckigen Gebäude Tuchmacherstraße<br />
18, das <strong>in</strong> den 1970er Jahren abgebrochen wurde. Die <strong>in</strong> der Neuen Straße<br />
zutage tretenden, spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Schichten enthielten große<br />
Holzkohlekonzentrationen und Brandschutt und s<strong>in</strong>d auf den großen Flächenbrand<br />
von 1485 zurückzuführen, der den Chroniken zufolge <strong>in</strong> der Tuchmacherstraße ausgebrochen<br />
se<strong>in</strong> soll und sich nach Norden ausbreitete. Nach Stadtbränden wurde<br />
der Bau- und Brandschutt aus logistischen Gründen nicht weggeräumt, sondern<br />
ausgebreitet als Baugrund für neu zu errichtende Häuser genutzt. So entstanden<br />
die teils mächtigen Brandschichten. Daraus stammende Funde – Keramik, Brandlehm<br />
mit Flechtwerk und Strohabdrücken – s<strong>in</strong>d mit hohen Temperaturen sekundär<br />
gebrannt worden.<br />
Während die Breite der ehemaligen Grünstraße lediglich zwischen 10 m und 13 m<br />
betrug, verbreiterte man diese nach der Neuanlage <strong>in</strong> den 1980er Jahren auf 23 m.<br />
Da<strong>bei</strong> wurde die Flucht der südöstlichen Bebauung <strong>bei</strong>behalten, die nordwestliche<br />
Straßenflucht dagegen wurde verschoben [98-102]. Abgesehen vom ehemaligen<br />
Wohnhaus Grünstraße 12, dessen Keller vorgesetzt war, und dem Wohnhaus<br />
88<br />
[98] Gebäudeflucht der Grünstraße<br />
sowie der Verlauf der<br />
Neuen Straße vor und nach<br />
dem Flächenabriss<br />
[99-100] Blick von der Grünstraße<br />
<strong>in</strong> die Tuchmacherstraße<br />
damals und heute
[101-102] Blick von der<br />
Tuchmacherstraße <strong>in</strong> die<br />
Grünstraße damals und<br />
heute<br />
Grünstraße 8 waren alle Gebäude <strong>in</strong> diesem Bereich unterkellert. Bei den Kellerräumen<br />
handelt es sich <strong>in</strong> der Regel um Feldste<strong>in</strong>keller, wohl Braukeller, die mehrere<br />
Bauphasen vom ausgehenden Mittelalter bis <strong>in</strong> das 20. Jahrhundert aufwiesen.<br />
Im Kreuzungsbereich Tuchmacherstraße / Grünstraße kam u. a. e<strong>in</strong> 1,20 m breiter<br />
und 6 m langer, mit Schutt verfüllter Kellergang zutage, der e<strong>in</strong>st zur Grünstraße 14<br />
gehörte. Das aufgehende, mehrphasige Mauerwerk bestand aus zwei mehrlagig<br />
erhaltenen Mauerzügen, das vermörtelte Fundament aus bear<strong>bei</strong>teten Feldste<strong>in</strong>en<br />
und Ziegeln im wilden Verband. Die Außenseite war mit e<strong>in</strong>em Kalkgemisch bzw.<br />
mit e<strong>in</strong>er modernen Zementmörtelschicht verputzt. Vom ehemaligen Grundstück<br />
Grünstraße 10 zeigt sich e<strong>in</strong> ähnlicher Aufbau: Über dem anstehenden Boden<br />
lagerten sich neben der mittelalterlich/frühneuzeitlichen Schichtung auch zwei<br />
Schichten der Brandkatastrophen von 1406 und 1485 ab [103]. Die 80 cm starke<br />
Kelleraußenwand bestand aus teils bear<strong>bei</strong>teten F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gen, Feldste<strong>in</strong>en und Ziegelbruch<br />
im Kalkmörtelverband. Des Weiteren kamen die stark gestörten Kellerüberreste<br />
bzw. Grundstücksgrenzmauern der Grünstraße 6/8 sowie die südwestliche Außenwand<br />
des Kellers der Grünstraße 12 samt Baugrube zutage, die verschiedene Umbauphasen<br />
bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> erkennen ließ.<br />
89
Bei dem größten Teil der geborgenen mittelalterlichen Keramik handelt es sich um<br />
grautonige, reduzierend gebrannte Irdenware der jüngeren Kugeltopfkeramik aus der<br />
2. Hälfte des 12. Jahrhunderts bis um 1500. Darunter s<strong>in</strong>d Standbodengefäße wie<br />
rundbodige Kugeltöpfe, Grapen (historisches Kochgerät: Topf oder Kessel mit Standfüßen),<br />
Krüge, Becher sowie Reste e<strong>in</strong>es Vier- oder Mehrpassgefäßes (Gefäß mit vier<br />
oder mehr wellenartigen Ausgusse<strong>in</strong>buchtungen). An Verzierungsvarianten kommen<br />
Riefen, Rollstempeldekor und Leisten aus F<strong>in</strong>gerkniffen vor [104]. Anhaftungen von<br />
Ruß an e<strong>in</strong>er Reihe von Keramikfragmenten deuten die Nutzung der Gefäße als<br />
Kochgeschirr an. Unter der Ofenkeramik liegen besonders Napf- oder Spitzkacheln<br />
mit quadratischer Öffnung aus harter Grauware und grün glasierter Irdenware vor.<br />
Neben der o. g. typischen harten Grauware trat engobiertes Fastste<strong>in</strong>zeug des<br />
14. und 15. Jahrhunderts auf. Diese Ware ist mit e<strong>in</strong>er roten, violetten bzw. braunen<br />
glänzen-den Engobe (Beschichtung aus Tonschlick) überzogen, die sich aufgrund<br />
ihrer wasser-undurchlässigen Oberflächenbehandlung besser zur Aufnahme von<br />
Flüssigkeiten als die unbehandelte harte Grauware eignete. Die Gefäße s<strong>in</strong>d mittels<br />
Riefen und Zierleisten optisch aufgewertet worden. E<strong>in</strong>e weitere Keramikgattung ist<br />
90<br />
[103] Kellermauer neben<br />
mittelalterlich/frühneuzeitlichen<br />
Kulturhorizonten sowie<br />
Schichten der Stadtbrände<br />
von 1406 und 1485<br />
[104] Unterschiedlich<br />
verzierte Gefäßscherben aus<br />
dem 12.-15. Jahrhundert
[105] Gläserner Grabste<strong>in</strong> aus<br />
e<strong>in</strong>er Störung <strong>in</strong> der Grünstraße<br />
nahe der Kirche<br />
[106] Hand<strong>bei</strong>l, Nägel und<br />
Nadeln aus Eisen sowie<br />
die Reste e<strong>in</strong>er Feld- oder<br />
Pilgerflasche<br />
bleiglasierte, helle und rottonige Irdenware, die ab dem 15. Jahrhundert regelhaft <strong>in</strong><br />
den spätmittelalterlichen Inventaren vorkommt. Das Farbspektrum der Bleiglasuren<br />
reicht von grün über gelb und violett zu braun. Hervorzuheben s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Feld- oder<br />
Pilgerflaschenfragment aus heller Irdenware mit Resten von gelber Bleiglasur sowie<br />
e<strong>in</strong> Tellerfragment mit floralem Dekor <strong>in</strong> ausgeführter Sgraffito-Technik, die <strong>in</strong> Brandenburg<br />
erst ab 1750 e<strong>in</strong>geführt wurde. Unter den geborgenen Metallgegenständen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere die Kl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>es Griffzungenmessers, e<strong>in</strong> Hand<strong>bei</strong>l mit gebogener<br />
Schneide sowie teils stark korrodierte Nägel und Nadeln aus Eisen zu nennen [106].<br />
Unweit der Kirche <strong>in</strong> der Grünstraße wurde e<strong>in</strong> vielfach zerscherbter, im Jugendstil<br />
gehaltener Grabste<strong>in</strong> aus schwarzviolettem Glas aus e<strong>in</strong>er Störung geborgen [105].<br />
Der Grabste<strong>in</strong> war dem 23jährigen Erdmann Perwitz gewidmet, der 1918 mutmaßlich<br />
<strong>in</strong> den Gefechten des I. Weltkriegs verstarb, und trug die Inschrift: „In der Jugend<br />
schönen Tagen welkte früh me<strong>in</strong> Leben h<strong>in</strong>. Doch wie sollt ich darum klagen. Sterben<br />
ward mir zum Gew<strong>in</strong>n.“ Da der Friedhof an der St.-Marien-Kirche bereits Ende des<br />
16. Jahrhunderts aufgegeben wurde, stammt der Grabste<strong>in</strong> wohl vom neuen Kirchhof<br />
vor dem Mühlentor und wurde vermutlich im alten Schmutzwassergraben abgelegt.<br />
91
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Brauerstraße und Breite Straße<br />
Im Jahre 2007 wurden die Tiefbauar<strong>bei</strong>ten für den Straßenbau im nördlichen Teil der<br />
Brauerstraße sowie für den Straßenbau e<strong>in</strong>schließlich der Medienneuverlegung <strong>in</strong> der<br />
Breiten Straße archäologisch begleitet. Das betroffene Gelände bef<strong>in</strong>det sich zentral<br />
im mittelalterlich/frühneuzeitlichen Stadtkern <strong>Bernau</strong>s. 159 In der Brauerstraße wurden<br />
e<strong>in</strong>e durchlaufende mittelalterliche Kulturschicht mit e<strong>in</strong>getieften Hausgruben<br />
sowie e<strong>in</strong>e runde Ste<strong>in</strong>setzung bisher unklarer Funktion dokumentiert. Die <strong>in</strong>nerhalb<br />
dieser Kulturschicht e<strong>in</strong>schließlich Hausgruben enthaltene mittelalterliche harte<br />
Grauware erlaubt e<strong>in</strong>e relative Datierung <strong>in</strong> das 14./15. Jahrhundert. Vere<strong>in</strong>zelt trat<br />
auch rottonig, braun glasierte Keramik mit aufgesetzten Noppen <strong>in</strong> Brombeerform<br />
auf, wie e<strong>in</strong> ähnliches Fundobjekt im Museum <strong>Bernau</strong> veranschaulicht [107]. An<br />
mittelalterlichen Baubefunden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>e Kalklöschgrube sowie der<br />
Rest e<strong>in</strong>es Fundaments aus Feldste<strong>in</strong>en zu nennen, wo<strong>bei</strong> <strong>bei</strong> <strong>bei</strong>den die genaue<br />
Zeitstellung unklar ist.<br />
In der Breiten Straße konnte die durchlaufende mittelalterliche Kulturschicht weiter<br />
verfolgt werden. Im nördlichen Gehwegbereich fanden sich immerh<strong>in</strong> 16 große<br />
mittelalterliche Gruben, überwiegend Hausgruben, die vere<strong>in</strong>zelt mit Pfostengruben<br />
und Abfallgruben e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>e Brandschicht, die mehrfach an verschiedenen<br />
Stellen <strong>in</strong> der Breiten Straße festgestellt wurde, legt Zeugnis über e<strong>in</strong>en oder mehrere<br />
größere Brände <strong>in</strong> diesem Stadtbereich ab. E<strong>in</strong> weitgehend <strong>in</strong>takter Wegehorizont<br />
mit stellenweisen Pflasterresten unterstreicht die durchgehende Straßenlandnutzung<br />
der Breiten Straße seit dem Mittelalter. Neben den üblichen Keramikfunden an harter<br />
Grauware kamen auch importiertes Siegburger Ste<strong>in</strong>zeug, ferner Tierknochen, Buntmetallperlen<br />
[108], Glasschlacke sowie Eisenschlacke vor.<br />
92<br />
Archäologische Dokumentation::<br />
- nördliche Brauerstraße /<br />
Breite Straße [2007]<br />
- Berl<strong>in</strong>er Straße 33-35 [1996]<br />
- Berl<strong>in</strong>er Straße 52 [1994]<br />
159 BLDAM-Grabungskurzbericht UBO 2007: 22<br />
(K. Grüneberg/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
160 Dannenberg 1997, S. 109 Nr. 142 u. Taf. 7. Der<br />
Multiplikationswert (rechnerisches Produkt aus<br />
mittlerem Gewicht und Durchmesser) beträgt um 9,5;<br />
der prägezeitbestimmende Fund ist Hirschfeld Nr. 3.<br />
[107] Keramikscherbe<br />
mit Brombeermotiv
[108-109] Buntmetallperle<br />
(Fundort Brauerstraße) und<br />
Gürtelschnalle (Fundort<br />
Breite Straße)<br />
[110-111] Vorder- und Rückseite<br />
e<strong>in</strong>er mittelalterlichen<br />
Silbermünze um 1305<br />
2 cm<br />
Herausragende Fundobjekte aus der Breiten Straße s<strong>in</strong>d u. a. e<strong>in</strong>e eiserne Gürtelschnalle<br />
[109] sowie e<strong>in</strong>e mittelalterliche Silbermünze um 1305 [110-111]. Diese<br />
Münze misst im Durchmesser 14-16 mm und wiegt etwa 0,70 Gramm. Sie zeigt auf<br />
der Vorderseite zwei sitzende Markgrafen, die zwischen sich e<strong>in</strong> großes, unten auf<br />
e<strong>in</strong>em Bogen stehendes Lilienzepter halten. Die Markgrafen tragen Waffenröcke und<br />
e<strong>in</strong>e Spanhaartracht. Die Gesichter s<strong>in</strong>d undeutlich und die Münder zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />
Kreis bzw. Mundstrich zusammengezogen. Auf der Rückseite ist e<strong>in</strong>e bewurzelte<br />
Pflanze mit drei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dreiblatt endenden Zweigen dargestellt, die unten l<strong>in</strong>ks<br />
und rechts von je e<strong>in</strong>em Adlerschild gerahmt wird. 160 Das dargestellte Münzbild soll<br />
über das geme<strong>in</strong>same Regieren der askanischen Markgrafen von Otto IV. „mit dem<br />
Pfeil“ (ältere L<strong>in</strong>ie, Regentschaftsjahr bis 1308) und von Hermann, Sohn Ottos V.<br />
(jüngere L<strong>in</strong>ie, Regentschaftsjahre 1298-01. 02. 1308) <strong>in</strong> der Zeit von 1300 bis 1308<br />
<strong>in</strong>formieren. Der seit 1302 mitregierende Markgraf Woldemar ist ab 1309 bis zu<br />
se<strong>in</strong>em Tod am 14. 08. 1319 und Beisetzung im Kloster Chor<strong>in</strong> faktisch wieder Alle<strong>in</strong>herrscher<br />
des Gesamtgebietes der Mark.<br />
Im Straßenbereich lagen unter der genannten mittelalterlichen Kulturschicht drei<br />
Gruben der jüngeren Bronzezeit mit entsprechendem Fundmaterial (u. a. Scherben<br />
mit Turbanrandverzierung) im anstehenden Sand.<br />
93
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Brauerstraße Nr. 9<br />
Im Jahre 2001 führte der Bauforscher D. Schumann e<strong>in</strong>e bauarchäologische Unter-<br />
suchung der drei älteren Kellerräume des Hauses Brauerstraße 9 durch. 161 Bereits im<br />
14. oder frühen 15. Jahrhundert erhielt das Gebäude e<strong>in</strong>en gemauerten Feldste<strong>in</strong>-<br />
keller anstelle des hölzernen Vorgängerkellers. In den Kellerräumen 1 und 2 hat sich<br />
das lagenweise, <strong>in</strong> Lehm gebundene Mauerwerk noch bis heute erhalten. Der größte<br />
Kellerraum 1 bildete den eigentlichen Lager- und Kaufkeller. Im südlichen Bereich<br />
der Ostwand befand sich vermutlich der ursprüngliche Kellerzugang direkt von der<br />
Brauerstraße, wogegen sich e<strong>in</strong> gebäude<strong>in</strong>nerer Zugang an der Stelle des schachtartigen<br />
Kellerraumes 2 befand. E<strong>in</strong> Indiz hierfür ist e<strong>in</strong>e hier bef<strong>in</strong>dliche Mauernische<br />
mit e<strong>in</strong>er umrahmenden spitzbogigen Blende. Die älteste Kellerdecke wurde aufgrund<br />
von Analogien <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Balkendecke ausgeführt. Im späten 15. bzw. <strong>in</strong> der ersten<br />
Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand der zusätzliche Keller 3. In dieser Bauphase wurde<br />
auch der gebäude<strong>in</strong>nere Zugang im Keller 2 weitgehend verändert: Die Wölbung<br />
der Kellertreppe sowie die Durchgänge wurden nun architektonisch mittels speziellen<br />
Formste<strong>in</strong>en aufgewertet. Nach dem 30jährigen Krieg (1648) folgte die nächste gravierende<br />
Bauphase im Zusammenhang mit dem Neubau des aufgehenden Gebäudes<br />
als Fachwerkkonstruktion. Der Keller 1 erhielt e<strong>in</strong>e Tonnenwölbung und wurde <strong>in</strong> Richtung<br />
Süden verlängert, e<strong>in</strong> schachtartiger Raum wurde h<strong>in</strong>zugefügt, der vermutlich<br />
zum Bierbrauen genutzt wurde. Im 19. Jahrhundert fanden wiederum starke bauliche<br />
Veränderungen statt. Im Keller 1 wurde e<strong>in</strong> Unterzug e<strong>in</strong>gemauert und e<strong>in</strong> mächtiger<br />
Rauchzug gegründet sowie Keller 3 verkle<strong>in</strong>ert. Dies s<strong>in</strong>d Indizien dafür, dass im darüberliegenden<br />
Erdgeschoss Raumänderungen stattfanden, die mit größeren Lasten<br />
verbunden waren.<br />
94<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Brauerstraße 9 [2001]<br />
- Brauerstraße 11 [1995]<br />
- Brauerstraße 16-18 [1991/1992]<br />
161 Schumann 2001, 9f..
162 BLDAM-Grabungskurzbericht (B. Eccarius).<br />
163 Die Fotos und Grabungsergebnisse stellte<br />
Hr. Eccarius freundlicherweise zur Verfügung.<br />
[112-113] Gewölbekellerfund im<br />
Gehwegbereich vor der Brauerstraße<br />
1 / Berl<strong>in</strong>er Straße 24<br />
Brauerstraße Nr. 11<br />
In der Brauerstraße 11 konnte Herr Eccarius im Jahre 1995 die Baugrube des bis auf<br />
die Bausohle ausgehobenen Kellers e<strong>in</strong>sehen. 162 Vom Westprofil wurde aus e<strong>in</strong>er<br />
Störung e<strong>in</strong> Gemisch aus Kalk, Ziegelbruch und verziegelten Lehme<strong>in</strong>schlüssen festgestellt,<br />
an Fundmaterial wurden vorrangig glasierte Ofenkachelfragmente geborgen.<br />
Im Gehwegbereich der Brauerstraße <strong>in</strong> Höhe der Museumsklause kamen durch die<br />
Baumaßnahmen immer wieder angeschnittene und dadurch zerstörte Gewölbekeller<br />
aus der Frühen Neuzeit zutage [112-113]. 163<br />
Brauerstraße Nr. 16-18<br />
Die Brauerstraße trägt zu Recht ihren Namen: Zeitweilig ist für 17 von 18 Hausnummern<br />
das Braurecht bezeugt. Laut Ausweis der Lagerbücher mit e<strong>in</strong>er Auflistung der<br />
Gär- und Lagerkeller im Zeitraum von 1570 bis 1719 zählt dazu auch das Grundstück<br />
Nr. 16. <strong>Bernau</strong> war bis zum Jahre 1664 die stärkste märkische Braustadt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
95
versiegte die Ausfuhr nach 1775 drastisch, im Jahre 1787 gab es <strong>in</strong> ganz <strong>Bernau</strong> nur<br />
noch 8 Brauhäuser.<br />
Im Zuge des Sparkassen-Neubaus <strong>in</strong> der Brauerstraße 16-18 konnte hier e<strong>in</strong>e mittelalterliche<br />
Stadtparzelle mit e<strong>in</strong>em Feldste<strong>in</strong>keller archäologisch festgestellt werden. 164<br />
Der etwa 4,60 m x 5,30 m große Keller war aus unbehauenen, <strong>in</strong> Mörtel gesetzten<br />
Feldste<strong>in</strong>en errichtet worden. Anhand des Wandaufbaus und der unterschiedlichen<br />
Fußbodenbefestigung lassen sich zwei Bauphasen ablesen. Der ältere, etwa 4,60 m<br />
x 4,30 m messende Kellerteil im Norden war <strong>in</strong> der ersten mittelalterlichen Phase mit<br />
quadratischen Ziegelplatten ausgelegt. E<strong>in</strong>e mittig angeordnete Aussparung diente<br />
der Sickerwasserableitung, die später verfüllt wurde. Das ehemalige traufständige<br />
Haus besaß e<strong>in</strong>e Giebelwand mit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Ziegelste<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>gefassten Wandnische<br />
mit bogenförmigem Abschluss. An den Längswänden befanden sich Ansätze e<strong>in</strong>es<br />
jüngeren Deckentonnengewölbes. Die hofseitige Ostkellerwand enthielt mehrere<br />
zugemauerte Schlitzfenster. Der Zugang erfolgte e<strong>in</strong>st über e<strong>in</strong>e Treppe oder kle<strong>in</strong>e<br />
gebogene Rampe im Süden, da sich an der abgebrochenen Südkellerwand noch e<strong>in</strong><br />
über das ehemalige Fußbodenniveau herausragender Fundamentste<strong>in</strong> befand. Der<br />
jüngere, tonnengewölbte Keller wurde nach dem Abriss der älteren Südkellerwand<br />
sowie nach der Verlängerung der West- und Ostlängswand mit e<strong>in</strong>em Zugang im<br />
96<br />
164 Kerst<strong>in</strong>g 1997, 163-165; Kellerkataster 2006.<br />
[114] Umgesetztes<br />
Kellergewölbe unter dem<br />
Sparkassen-Neubau
Südosten errichtet. Der Fußboden weist nun anstelle von quadratischen Ziegelplatten<br />
<strong>bei</strong>m älteren Keller e<strong>in</strong>e Ziegelpflasterung auf. Aufgrund der massiven Mauerstärke<br />
von ca. 75 cm kann von e<strong>in</strong>em bedeutenden mehrstöckigen Bürgerhaus ausgegangen<br />
werden. Auf dem sich östlich anschließenden Hofgrundstück gelang der Nachweis<br />
e<strong>in</strong>es verstürzten Feldste<strong>in</strong>brunnens sowie e<strong>in</strong>er mit Siedlungsresten verfüllten<br />
Grube. Dazu zählen Lederreste, Hölzer, Keramik und Fischreste.<br />
Der hier erfasste Feldste<strong>in</strong>keller <strong>in</strong> der Brauerstraße 16 spiegelt alle<strong>in</strong> schon aufgrund<br />
der zentralen Lage mit Nähe zum Marktplatz und Rathaus sowie aus archäologischer<br />
und baugeschichtlich-historischer Sicht e<strong>in</strong> repräsentatives, <strong>in</strong> mehreren Bauphasen<br />
umgebautes Stadthaus e<strong>in</strong>er ehemals wohlhabenden Bierbrauerfamilie wider. Neben<br />
der Stadtmauer und der St.-Marien-Kirche stellt dieser aus Mitteln der Sparkasse<br />
wieder rekonstruierte und um ca. 5 m gegenüber der ursprünglichen Lage versetzte<br />
Feldste<strong>in</strong>keller e<strong>in</strong>es der wenigen <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> erhalten gebliebenen mittelalterlichen<br />
Zeugnisse dar. Während die Stadtmauer e<strong>in</strong>e verteidigungstechnische und die<br />
St.- Marien-Kirche e<strong>in</strong>e sakrale Funktion ausübte, ist dieser Befund stellvertretend<br />
für das bürgerliche Alltagsleben zu sehen. Im Orig<strong>in</strong>alzustand s<strong>in</strong>d nun die Nord-,<br />
West- und Ostwand unterhalb des neuen Sparkassengebäudes erhalten, der öffentlich<br />
begehbare Raum selbst dient zu verschiedenen Ausstellungszwecken [114].<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Louis-Braille-Straße<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Louis-Braille-Straße [1997]<br />
- Bürgermeisterstraße 2 [1994]<br />
- Bürgermeisterstraße 4 [1997]<br />
- Bürgermeisterstraße 6 [1995-1996]<br />
Im westlichen Abschnitt zwischen der Bürgermeister- und Brauerstraße konnten<br />
im Rahmen der Straßenerneuerung im Jahre 1997 nur vollständig modern gestörte<br />
Abschnitte erfasst werden. Sämtliche ältere Kultur- und Wegeschichten waren nicht<br />
mehr präsent.<br />
97
Bürgermeisterstraße 2<br />
Anlässlich e<strong>in</strong>er Lückenbebauung an der zentral gelegenen <strong>Bernau</strong>er Bürgermeisterstraße<br />
2 im Jahre 1994 wurden <strong>in</strong> den oberen Lagen Fundamentreste ebenerdiger<br />
Gebäude sowie Kellerräume freigelegt, die <strong>in</strong> den 1980er Jahren abgerissen worden<br />
waren. 165 Die <strong>in</strong>sgesamt 7 Kellerräume befanden sich im Westen und Nordwesten des<br />
Grundstücks und wiesen Treppen und Ziegelfußböden auf. Die ebenerdigen Räume<br />
lagen im Osten und zeichneten sich durch Rollste<strong>in</strong>lagen, Stampflehmböden bzw.<br />
Ziegelfußböden ab. Der südöstlichste dieser Kellerräume grenzte an e<strong>in</strong> Doppelgewölbe<br />
der bestehenden Ostwand. In den unteren Schichten wurde ausschließlich<br />
der mittelalterliche Horizont erfasst. Außerhalb der ehemaligen Bebauung ließen sich<br />
noch ungestörte Schichtenabfolgen beg<strong>in</strong>nend mit der mittelalterlichen Erstnutzung<br />
des Areals nachweisen. Innerhalb der ältesten mittelalterlichen Kulturschicht waren<br />
Pfostenlöcher und Siedlungsgruben e<strong>in</strong>getieft. Das daraus geborgene Fundmaterial<br />
enthält ausschließlich typisch spätmittelalterliche harte Grauware des 13.-15. Jahrhunderts.<br />
Als sensationeller, <strong>in</strong> Altstädten Brandenburgs äußerst seltener Fund ist e<strong>in</strong> mittelalterliches<br />
Boot zu nennen, das noch unterhalb der oben genannten Kulturschicht lag.<br />
98<br />
165 Wanzek/Wittkopp 1995, 136-137; BLDAM-<br />
Grabungskurzbericht (B. Wanzek/ehemals Fa. GAD)<br />
[115] Mittelalterlicher<br />
Bootsfund. Nur schwer zu<br />
erkennen s<strong>in</strong>d die Reste der<br />
verkohlten Plankenstruktur<br />
sowie der Holzpfosten,<br />
der Teil e<strong>in</strong>es Anlegestegs<br />
gewesen se<strong>in</strong> könnte.
166 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1995: BAR 1456<br />
(H. Kretzschmann/ehemals Fa. Strackenbrock & Urban)<br />
167 BLDAM-Grabungskurzbericht (B. Wittkopp)<br />
Das etwa 2,68 m lange und 55 cm hohe Boot wurde <strong>in</strong> Plankenbauweise hergestellt,<br />
wo<strong>bei</strong> Teile der Holzwand nur noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verkohlten Zustand erhalten waren. Aus<br />
der Bootse<strong>in</strong>füllung wurden Keramik der harten Grauware, Eisenteile, bear<strong>bei</strong>tete<br />
Knochen, Brandlehm, Fischschuppen und -flossen sowie e<strong>in</strong>e grün glasierte Kle<strong>in</strong>plastik<br />
<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Pferdchens bzw. Hündchens ohne Kopf geborgen. E<strong>in</strong>ige der<br />
Eisengegenstände befanden sich direkt an der Bootswand und <strong>in</strong>nerhalb der harzartigen<br />
Masse im Boots<strong>in</strong>neren und s<strong>in</strong>d als Konstruktionsteile anzusprechen. Im<br />
Befundumfeld des Bootes schloss sich e<strong>in</strong>e Holzpfostenstruktur an, die als Anlegesteg<br />
im Uferbereich gedeutet werden könnte [115].<br />
Im nördlichen Abschnitt der Bürgermeisterstraße zwischen dem Marktplatz und der<br />
E<strong>in</strong>mündung zur Grünstraße wurde im Jahre 1997 e<strong>in</strong>e spätmittelalterliche, unbefestigte<br />
Oberfläche mit e<strong>in</strong>zelnen Gruben – vorrangig Haushalts- und Abfallgruben<br />
– dokumentiert.<br />
Bürgermeisterstraße 4<br />
Der Umbau des Fachwerkhauses zum „Haus des Gastes“ auf dem Grundstück Bürgermeisterstraße<br />
4 im Jahre 1997 erbrachte <strong>in</strong> den untersuchten Streifenfundamenten<br />
auf <strong>in</strong>sgesamt 61 m Länge nur frühneuzeitliche Auffüllungen und gestörte Feldste<strong>in</strong>fundamente,<br />
die die mittelalterlichen Hofniveaus überlagerten. 166 E<strong>in</strong>e mittelalterliche<br />
Bebauung war hier nicht mehr nachzuweisen, zudem ist das Fundaufkommen<br />
als nur sehr ger<strong>in</strong>g zu werten.<br />
Bürgermeisterstraße 6<br />
Im Vorfeld der Lückenbebauung im Jahre 1995 wurden 6 Sondagen <strong>in</strong> der Bürgermeisterstraße<br />
6 angelegt. 167 Wie durch die anschließende Untersuchung im Jahre<br />
1996 bestätigt wurde, befanden sich im Norden und Nordwesten des Grundstücks<br />
zu DDR-Zeiten abgerissene und mit rezentem Schutt verfüllte Gewölbekeller. Die<br />
nicht unterkellerten Hof- und Torbereiche enthielten noch ungestörte mittelalterliche<br />
Stratigrafien (Schichtungen). Diese bargen an e<strong>in</strong>er Fundstelle konzentriert<br />
etwa 20 Eisenschlackestücke – so genannte Luppe – , was auf e<strong>in</strong>e örtliche Eisen-<br />
99
verar<strong>bei</strong>tung schließen lässt. Zudem wurden e<strong>in</strong> mittelalterliches Ste<strong>in</strong>pflaster und<br />
e<strong>in</strong>e Abfolge von mehreren Kulturschichten freigelegt, <strong>in</strong> denen Hausgrundrisse<br />
vermutet werden.<br />
Neben e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen spätbronzezeitlich/früheisenzeitlichen Wandungsscherbe<br />
kamen mittelalterliche Keramikfragmente, Eisenschlacke, Eisenluppe, Eisenfragmente<br />
sowie größere Stücke gebrannten Lehms mit Pflanzenabdrücken vom ehemaligen<br />
Hausverputz zum Vorsche<strong>in</strong>.<br />
In Bauvorbereitung e<strong>in</strong>es Wohn- und Geschäftshauses konnten im Jahre 1996 aus<br />
archäologischer Sicht nur 17 Bohrungen mit e<strong>in</strong>er Tiefe von 11 m und e<strong>in</strong>em Durchmesser<br />
von 65 cm protokolliert werden. 168<br />
Im Norden und Nordwesten bef<strong>in</strong>den sich Anfang der 1980er Jahre verfüllte Gewölbekeller.<br />
In den ungestörten Bereichen zeigten sich bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tiefe von etwa 5 m<br />
neuzeitliche bis mittelalterliche Schichtabfolgen. In den bebauten Zonen reichten die<br />
Sohlen der Feldste<strong>in</strong>fundamente bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tiefe von durchschnittlich 3,50 m unter<br />
der Geländeoberkante. E<strong>in</strong>e natürliche glaziale (eiszeitliche) Bodenbildung zeichnete<br />
sich <strong>in</strong> 8-9 m Tiefe ab.<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Klementstraße 2<br />
Die Wohnhausbebauung des vormals nur als Gartenland genutzten Grundstücks<br />
Klementstraße 2 berührte aus archäologischer Sicht die mittelalterliche Stadtbefestigung<br />
<strong>Bernau</strong>s und liegt somit außerhalb („extra muros“) des Bereichs der ehemaligen<br />
Grabenanlage südlich der Berl<strong>in</strong>er Straße. 169 Im Jahre 1998 konnten hier erstmals zwei<br />
parallel zur südlichen Stadtmauer verlaufende Stadtgräben nachgewiesen werden.<br />
Diese waren komplett modern verfüllt und auch teilweise sehr gestört, jedoch blieb<br />
100<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Klementstraße 2 [1998]<br />
- Berl<strong>in</strong>er Straße 52 [1994]<br />
168 BLDAM-Grabungskurzbericht (B. Wanzek/ehemals<br />
Fa. GAD Berl<strong>in</strong>)<br />
169 BLDAM-Grabungskurzbericht UBO 1998: 175<br />
(T. Wüstefeld/ehemals Fa. GAD)
170 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1994: BAR 1027/1<br />
(Th. Schobert/ehemals Fa. Archäologische Erkundungen)<br />
vom äußeren westlichen Graben die <strong>in</strong>nere Grabenkante noch gut erhalten. Die<br />
ehemalige östliche Böschungsbefestigung zeichnete sich nur noch durch Bodenverfärbungen<br />
der vergangenen Pfosten ab. Die M<strong>in</strong>destbreite dieses Stadtgrabens<br />
betrug ca. 6 m, die Grabensohle wurde aufgrund der vorgegebenen Bautiefe von etwa<br />
1,50 m unter der heutigen Geländeoberkante nicht erreicht. Parallel dazu erstreckte<br />
sich <strong>in</strong> etwa 8 m östlicher Entfernung dazu die Grenze e<strong>in</strong>es weiteren schwarzbraunen<br />
Verfärbungshorizontes. Dieser wurde vom Ausgräber als westliche Grabenkante<br />
e<strong>in</strong>es zweiten, <strong>in</strong>neren Stadtgrabens gedeutet. Dessen M<strong>in</strong>destbreite konnte aufgrund<br />
e<strong>in</strong>er massiven neuzeitlichen Störung <strong>in</strong> Richtung der östlichen Grabenkante<br />
nicht mehr ermittelt werden. Obwohl hier die vorgenommene Bautiefe von etwa<br />
2 m noch um 50 cm unter der des äußeren Grabens lag, wurde hier die ehemalige<br />
Grabensohle ebenfalls nicht erreicht. E<strong>in</strong> älterer schmaler Abflussgraben wurde durch<br />
diesen <strong>in</strong>neren Stadtgraben geschnitten. Aufgrund der späteren frühneuzeitlichen bis<br />
neuzeitlichen Verfüllung der <strong>bei</strong>den Stadtgräben präsentiert sich dementsprechend<br />
e<strong>in</strong> buntes Fundspektrum von mittelalterlicher Keramik wie harter Grauware bis zu<br />
frühneuzeitlicher heller und glasierter Irdenware, Tonpfeifenfragmenten, Metallobjekten,<br />
Tierknochen und Ziegelste<strong>in</strong>bruch.<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 52<br />
Der Neubau e<strong>in</strong>es Wohn- und Geschäftshauses <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Straße 52 im Jahre<br />
1994 bef<strong>in</strong>det sich außerhalb der ehemaligen Stadtmauer und bot hier den Anlass,<br />
den möglichen Verlauf der vorgelagerten mittelalterlichen Grabenanlage zu erfassen.<br />
170 Auf dem zuvor beräumten und entsorgten Ru<strong>in</strong>engrundstück zeigte sich der<br />
erwartete mittelalterliche Graben mit e<strong>in</strong>em trapezförmigen Querschnitt im Befund,<br />
der annähernd rechtw<strong>in</strong>klig von der Stadtmauer bzw. Stadtbefestigung wegführt.<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lich handelt es sich hier<strong>bei</strong> um e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>eren Stichgraben, der ausschließlich<br />
mittelalterliche harte Grauware <strong>in</strong> der Verfüllung enthielt. Organisches<br />
Fundmaterial hatte sich wegen des fallenden Grundwasserspiegels im Stichgraben<br />
nicht erhalten können. E<strong>in</strong> gemauerter Ziegelste<strong>in</strong>brunnen mit neuzeitlicher Keramik<br />
wurde an diesem Standort erst Anfang des 19. Jahrhundert errichtet.<br />
101
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße<br />
Im Jahre 2005 wurde im Zuge der Tr<strong>in</strong>kwasserrohrsanierung im Bereich der Berl<strong>in</strong>er<br />
Straße zwischen der Brüderstraße und der Bürgermeisterstraße e<strong>in</strong>e archäologische<br />
Begleituntersuchung über ca. 160 m Länge x 80 cm Breite x 1,80 m Tiefe erforder-<br />
lich. 171<br />
Wie bereits <strong>in</strong> der Hohen Ste<strong>in</strong>straße als auch im Stadtmauerweg zwischen der<br />
Parkstraße und dem Ste<strong>in</strong>torplatz traten auch hier zwei spätmittelalterliche Kulturhorizonte<br />
auf [116]. Im Zusammenhang mit dem jüngeren spätmittelalterlichen<br />
Kulturhorizont stehen die Reste von vier gleich ausgerichteten Feldste<strong>in</strong>fundamenten<br />
mit entsprechenden Baugruben. Bei zwei Fundamenten konnten anhand der noch<br />
vorhandenen Eckmauern Rückschlüsse auf Hausgrundrisse gezogen werden. In den<br />
ehemaligen Straßenfreiräumen befanden sich vere<strong>in</strong>zelt spätmittelalterliche Laufhorizonte<br />
aus geschichtetem Lehm und kle<strong>in</strong>en Holzresten.<br />
Die jüngere Kulturschicht selbst zeigte sich als durchlaufende, ca. 30-40 cm starke<br />
Schicht mit Holzkohleresten, starken Brandspuren und Ste<strong>in</strong>fundamentresten. Die<br />
Schicht wurde vielfach durch frühneuzeitliche Bauaktivitäten gestört. Der Kultur<strong>in</strong>halt<br />
erbrachte zahlreiche Grauwarefragmente, Tierknochen und e<strong>in</strong>ige Metallobjekte.<br />
Unter den Keramikfragmenten befanden sich Rand-, Wand-, Henkel- und Bodenscherben<br />
von alltäglichen Koch- bzw. Kugeltöpfen, u. a. die Gießtülle e<strong>in</strong>er Kanne.<br />
Der ältere, etwa 1,40 m unter Geländeoberkante liegende Kulturhorizont stellte sich<br />
als e<strong>in</strong>e bis zu 80 cm mächtige, durchlaufende Kulturschicht aus dunkelbraunem<br />
Sand mit vielen Holzkohleresten, Holzstücken, zahlreichen Tierknochen, Metallobjekten<br />
wie Nägel und Schlacken und über 80 Grauwarefragmenten des 13./14. Jahrhun-<br />
102<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Berl<strong>in</strong>er Straße [2005]<br />
- Berl<strong>in</strong>er Straße 24 /<br />
Ecke Brauerstraße [1997]<br />
- Berl<strong>in</strong>er Straße 33-35 [1996]<br />
171 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2005: 92<br />
(M. Escobedo/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).
[116] Zwei spätmittelalterliche<br />
Kulturschichten mit<br />
heller Trennschicht <strong>in</strong> Höhe<br />
der Markierung<br />
derts dar. E<strong>in</strong>ige Keramikteile wiesen Drehscheibenspuren der fabrizierten Massenware<br />
auf.<br />
E<strong>in</strong>e sandige Verfüllung trennt <strong>bei</strong>de Kulturhorizonte vone<strong>in</strong>ander. In Assoziation<br />
dazu konnten sowohl fünf Architekturbefunde e<strong>in</strong>er früheren Bauaktivität als auch<br />
verschiedene Siedlungs-, Bau- und Pfostengruben identifiziert werden. In Höhe der<br />
Fundamentreste erstreckte sich im untersten Bereich der Kulturschicht e<strong>in</strong> versiegelter<br />
Fußboden mit Brandspuren, Holzkohlekonzentrationen und unter Hitzee<strong>in</strong>wirkung<br />
stehenden Ste<strong>in</strong>en.<br />
Zu den Baugruben zählt u. a. e<strong>in</strong>e 3 m lange senkrechte Grube, deren Verfüllung sich<br />
aus graudunklem Sand, zahlreichen Grauwarefragmenten aus dem 14.-15. Jahrhundert,<br />
Tierknochen, Holzstücken, Brandlehmresten und kle<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>en zusammensetzt.<br />
E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes E<strong>in</strong>zelobjekt hob sich unter den Fundstücken vor. Hier<strong>bei</strong><br />
handelt es sich um e<strong>in</strong>e fragmentierte, z. T. grün glasierte Tonfigur <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />
Pferdchens [117]. Das K<strong>in</strong>derspielzeug ist vermutlich e<strong>in</strong> importiertes Objekt, das ab<br />
dem 14. Jahrhundert aus anderen Fundorten überliefert ist. Diese Baugrube steht<br />
im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em festgestellten Mauerfundament. Die 4 m breite Baugrube<br />
e<strong>in</strong>es Feldste<strong>in</strong>brunnens durchbricht die mittelalterlichen Kulturschichten<br />
103
und ist somit <strong>in</strong> die frühe Neuzeit zu setzen. Im Untersuchungsbereich wurden die<br />
Überreste von fünf Pfostengruben erkannt, die sich i. d. R. im Profil als ovalförmige,<br />
ca. 30 cm breite Verfärbung darstellten und e<strong>in</strong>e dunkelgraue, sandige Verfüllung mit<br />
Holzkohleresten aufwiesen. Dar<strong>in</strong> enthaltene zahlreiche Grauwarefragmente weisen<br />
<strong>in</strong>s 13./14. Jahrhundert. Insgesamt 6 Siedlungsgruben zeigten im Profil ähnliche<br />
Charakteristika: dunkelgraue, sandige Verfüllung, vermengt mit Kohleresten, Ascheresten,<br />
Ste<strong>in</strong>en und Grauwarefragmenten.<br />
Im untersten Niveau der älteren Kulturschicht befanden sich noch Reste e<strong>in</strong>es<br />
Pflughorizonts. Der Befund wird als sich <strong>in</strong> den anstehenden Boden vertiefende<br />
Spatenspuren <strong>in</strong>terpretiert und entspricht vermutlich e<strong>in</strong>em Teil des mittelalterlichen<br />
Ackersystems.<br />
Unmittelbar vor der Berl<strong>in</strong>er Straße 31 wurde teilweise e<strong>in</strong> Brunnen im Profil<br />
dokumentiert, der anschließend zugeschüttet wurde. Der Durchmesser des runden<br />
Brunnenkranzes beträgt 2,50 m und besteht aus großen und mittelgroßen Feldste<strong>in</strong>en.<br />
Der Befund ist Teil des gut erschlossenen Brunnensystems der ehemals<br />
zahlreich vorhandenen Brauereien, das auch die Innenstadt mit Wasser versorgte.<br />
Vere<strong>in</strong>zelt zeigten sich im obersten Bereich des anstehenden Bodens Reste e<strong>in</strong>es<br />
urgeschichtlichen Kulturhorizonts, woraus sehr wenige Keramikfragmente der<br />
Übergangszeit von der Späten Bronzezeit zur vorrömischen Eisenzeit geborgen<br />
wurden.<br />
Im Sommer 2009 wurde die Berl<strong>in</strong>er Straße zwischen der Brüder- und Bürgermeisterstraße<br />
e<strong>in</strong>schließlich Medienverlegung (Gas-, Elektro-, Regen- und Schmutzwasserleitung)<br />
auf e<strong>in</strong>er Länge von etwa 185 m komplett neu aufgebaut. 172 Die Trassenprofile<br />
boten da<strong>bei</strong> e<strong>in</strong>en guten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den Aufbau der südlichen Hauptachse<br />
der <strong>Bernau</strong>er Altstadt. Der moderne Straßenauftrag reichte bis etwa 80 cm unter<br />
der Geländeoberkante h<strong>in</strong>ab. Darunter konnten im gesamten Bereich wiederum die<br />
schon <strong>bei</strong> der Sanierung der Tr<strong>in</strong>kwasserleitung 2005 festgestellten zwei spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen<br />
Kulturschichten beobachtet werden, welche durch<br />
e<strong>in</strong>e dazwischen liegende Sandauffüllung klar getrennt waren [118]. Direkt unter<br />
der älteren mittelalterlichen Kulturschicht war e<strong>in</strong> diffuser Verbraunungshorizont<br />
nachweisbar, der durch Keramikfunde, e<strong>in</strong>e Siedlungsgrube und e<strong>in</strong>e Feuerstelle als<br />
vorgeschichtlicher Siedlungshorizont angesprochen werden kann [119].<br />
104<br />
172 BLDAM-Grabungskurzbericht UBO 2009: 51<br />
(M. Escobedo + P. Lutz/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>).<br />
[117] Fund e<strong>in</strong>er Pferdefigur<br />
aus der Berl<strong>in</strong>er Straße
173 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1996 : BAR 1654<br />
(H. Kretzschmann/ehemals Fa. Strackenbrock<br />
& Urban).<br />
[118] Schichtpaket <strong>in</strong> der<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße<br />
[119] Vorgeschichtliche<br />
Feuerstelle<br />
Von besonderem Interesse ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> etwa mittig dem Straßenverlauf folgender<br />
spätmittelalterlicher Graben [120]. Dieser wurde modern mehrfach längs geschnitten<br />
und konnte aufgrund des begrenzten Trassenbereiches nicht komplett im Querschnitt<br />
dokumentiert werden. Aussagen über dessen Breite und Tiefe s<strong>in</strong>d daher<br />
nicht möglich. Der e<strong>in</strong>st wasserführende Graben war mit feuchtem, torfigem Lehm<br />
sowie stellenweise mit großen und mittleren Feldste<strong>in</strong>en verfüllt [121]. Außerdem<br />
ließen sich neben e<strong>in</strong>igen Fragmenten an mittelalterlicher Keramik, Eisenteilen auch<br />
Leder- und Reisigreste bergen [122]. Dieser Graben diente im Mittelalter als Gosse,<br />
welche sowohl überschüssiges Regenwasser als auch Abwasser und alltäglichen<br />
Unrat entsorgte.<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 24 / Ecke Brauerstraße<br />
Die Sanierung des so genannten „Grünen Hauses“ am Eckgrundstück Berl<strong>in</strong>er<br />
Straße 24 / Brauerstraße e<strong>in</strong>schließlich der Neugestaltung bzw. Teilbebauung des<br />
Innenhofes bot im Jahre 1997 den Anlass für archäologische Untersuchungen. 173<br />
Die gesamte Hoffläche wurde um etwa 70 cm abgesenkt. Hier<strong>bei</strong> wurden etwa<br />
60 Befunde erfasst, <strong>bei</strong> denen es sich hauptsächlich um frühneuzeitliche bis neu-<br />
105
zeitliche Baubefunde e<strong>in</strong>schließlich Baugruben, alte Geländeoberflächen und Auffüllungen<br />
handelt. Der spätmittelalterliche Laufhorizont konnte nur an drei Stellen<br />
nachgewiesen werden. Drei parallel, Nord-Süd-verlaufende Mauerreste aus Feldste<strong>in</strong>en<br />
aus dem 16.-18. Jahrhundert weichen vom jetzigen Straßensystem und der<br />
vorhandenen Bebauung ab. Aus jüngerer Zeit – 19. Jahrhundert – stammen die Reste<br />
e<strong>in</strong>es Lagergebäudes e<strong>in</strong>schließlich bis dato unbekannter Unterkellerung. Die ältesten<br />
geborgenen Keramikscherben datieren <strong>in</strong>s 13./14. Jahrhundert, die Masse des Fundmaterials<br />
ist frühneuzeitlich bis neuzeitlich produziert worden.<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße 33-35<br />
Anlässlich der Neugestaltung des Hofbereiches der Berl<strong>in</strong>er Straße 33-35 wurden<br />
im Jahre 1996 ausschließlich neuzeitliche Schichten bzw. moderne Auffüllungen<br />
angetroffen, was sicherlich zum Teil auf die nur ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>griffstiefe von max. 1 m<br />
zurückzuführen ist. 174 Ferner wurden mehrfach querende Fundamentmauern e<strong>in</strong>er<br />
ehemaligen, nicht unterkellerten Bebauung angetroffen. Das geborgene neuzeitliche<br />
Fundmaterial setzt sich aus Keramikfragmenten, Glasbruch, Tierknochen, Porzellan,<br />
Eisenteilen und dem Rest e<strong>in</strong>es Holzfasses zusammen.<br />
106<br />
[120] Schichtungen mit<br />
deutlicher Grabenausbildung<br />
[121] Graben mit Ste<strong>in</strong>pflastersohle<br />
<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er<br />
Straße<br />
[122] Reste mittelalterlicher<br />
Lederzuschnitte im Grabenbefund
174 BLDAM-Grabungskurzbericht BAO 1996: BAR<br />
1344/2 (B. Wanzek/ehemals Fa. GAD Berl<strong>in</strong>)<br />
175 BLDAM-Grabungskurzbericht vom 03.04.1993<br />
(A. W<strong>in</strong>kelmann/BLDAM Außenstelle Frankfurt/Oder)<br />
176 BLDAM-Grabungsbericht UBO 2004: 109<br />
(M. Pytlik/Fa. <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong>)<br />
<strong>Bernau</strong> um 1620<br />
Brüderstraße 10 und 12<br />
Archäologische Dokumentation:<br />
- Brüderstraße 10 und 12 [1993]<br />
- Ste<strong>in</strong>torplatz [2002/2004]<br />
- Hussitenstraße [2002/2010]<br />
In Vorbereitung der Baumaßnahmen <strong>in</strong> der Brüderstraße 10 und 12 wurden im Jahre<br />
1993 <strong>in</strong>sgesamt vier Suchschnitte angelegt, von denen sich zwei im ehemaligen<br />
Hofbereich befanden und nicht <strong>in</strong> die mittelalterliche Substanz e<strong>in</strong>griffen. 175 Die<br />
<strong>bei</strong>den anderen Schnitte wurden erst nach dem Auskoffern e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>eren Kellers<br />
dokumentiert. Hier traten mittelalterliche Kultur- und Brandschichten sowie der Rest<br />
e<strong>in</strong>es abgebrannten Fachwerkgebäudes auf. Die Funde wie harte Grauware, Knochen,<br />
Metall und Eisenschlacke ermöglichen e<strong>in</strong>e mittelalterliche E<strong>in</strong>ordnung.<br />
Ste<strong>in</strong>torplatz (Brunnen)<br />
Die Stadt <strong>Bernau</strong> errichtete im Jahre 2004 auf dem Platz am Ste<strong>in</strong>tor e<strong>in</strong>en Zierbrunnen.<br />
Hierzu waren Erde<strong>in</strong>griffe für den Standort des Brunnens, des Wasserspeichers<br />
sowie für die Steuerkabel notwendig, die archäologisch begleitet wurden. 176 Die etwa<br />
quadratische Standfläche des Zierbrunnens wurde nur bis etwa 60 cm, die Baugrube<br />
für den Wasserspeicher sowie der Anschluss an die Wasserleitung h<strong>in</strong>gegen bis<br />
ca. 2,80 m Tiefe ausgekoffert. Dadurch konzentrierte sich die Dokumentation hauptsächlich<br />
auf die zuletzt genannten Bereiche, zudem war e<strong>in</strong> Großteil schon stark<br />
modern bis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tiefe von ca. 1 m gestört. Eventuell ehemals vorhandene frühneuzeitliche<br />
oder neuzeitliche Baustrukturen s<strong>in</strong>d durch die frühere Tiefauskofferung<br />
des Platzes abgetragen worden. Die Obergrenze der ungestörten Altstadtschichten<br />
bildete e<strong>in</strong>e partiell erhaltene, wohl frühneuzeitliche Brandschuttschicht mit gebranntem<br />
und ungebranntem Lehm. Es folgten mehrere horizontale ungestörte<br />
107
Wege- oder Befestigungsschichten. Darunter lagen zwei hochmittelalterliche Kulturschichten.<br />
Ab 1,20 m Tiefe folgten e<strong>in</strong>e Kulturschicht mit wenig Keramik, Tierknochen,<br />
Holzkohle und e<strong>in</strong> Pfostenloch für e<strong>in</strong>en vierkantigen vergangenen Pfosten als e<strong>in</strong>ziger<br />
Nachweis e<strong>in</strong>er Baustruktur. Über dem anstehenden Boden befand sich e<strong>in</strong>e<br />
schwarzbraune Kulturschicht mit Holzkohle und Asche. Sie enthielt sehr viel Keramik<br />
und Tierknochen, hier<strong>bei</strong> handelt es sich möglicherweise um den Boden e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en<br />
abgebrannten Hauses [123-124]. Das Gelände war entweder seit dem Mittelalter<br />
weitgehend unbebaut oder der Grabungsschnitt liegt schon im ehemaligen H<strong>in</strong>terhausbereich,<br />
<strong>in</strong> dem ke<strong>in</strong>e tieferen Erde<strong>in</strong>griffe stattgefunden haben.<br />
Die aufgelesene mittelalterliche Keramik ist ausschließlich hart gebrannte hell- und<br />
dunkelgraue Irdenware, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall ist e<strong>in</strong> Bauchumbruch (dickste Stelle bzw. größter<br />
Gefäßumfang ) mit gekreuzten Kerbstrichen verziert. Ca. 15 besonders hellgraue<br />
Scherben gehören zu e<strong>in</strong>em Kugeltopf mit gurtfurchenverziertem Hals. Da sich unter<br />
dem genannten Material ke<strong>in</strong>e glasierte oder rottonige Ware bef<strong>in</strong>det, dürfte der<br />
Fund <strong>in</strong>s 12./13. Jahrhundert zu setzen se<strong>in</strong>. Die unverzierten Scherben aus dem<br />
108<br />
[123] Ste<strong>in</strong>torplatz mit<br />
Zierbrunnen<br />
[124] Mittelalterliche<br />
Schichten am Ste<strong>in</strong>torplatz
177 BLDAM-Grabungskurzbericht UBO 2002: 61 vom<br />
30.09.2002 (M. Engel/Dr. Th. Urban & Partner)<br />
178 Westphal 2002, S. 65 (DAI-Labor-Nr.: C 13852;<br />
1253 WWK)<br />
179 BLDAM-Fundmeldung vom 4.6.1976<br />
(F<strong>in</strong>der: H. Smolny).<br />
anstehenden Boden s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>teilig zerbrochen, mürbe und durch eisenoxidhaltiges<br />
Grundwasser braun gefärbt. E<strong>in</strong>ige Scherben haben e<strong>in</strong>e grob geschlickerte Außenseite.<br />
Sie lassen sich allgeme<strong>in</strong> der Bronze- und vorrömischen Eisenzeit (ca. 1000-<br />
500 v. Chr.) zuweisen.<br />
E<strong>in</strong>e Baubegleitung des unmittelbar h<strong>in</strong>ter dem mittelalterlichen Stadttor gelegenen<br />
„Platz am Ste<strong>in</strong>tor“ im Jahre 2002 erbrachte unter zum Teil massiven neuzeitlichen<br />
Auffüllungen und Planierungen sowie Brandschuttschichten e<strong>in</strong>ige mittelalterliche<br />
Fundamente und Mauerzüge, e<strong>in</strong>e Schwellbalkenunterlage sowie verschiedene<br />
Pflasterungen. 177<br />
Hussitenstraße<br />
Während e<strong>in</strong>er Baubegleitung im Bereich Am Ste<strong>in</strong>tor / Hussitenstraße traten im<br />
Jahr 2002 mögliche Reste e<strong>in</strong>er Brückenkonstruktion auf, die laut dendrochronologischer<br />
Bestimmung e<strong>in</strong>es der Brückenhölzer auf das Jahr 1253 datiert werden kann. 178<br />
Bezieht man hierzu diese Datierung auf die vermutete Stadtgründung um 1230, führt<br />
uns diese Stadtbrücke vor dem Ste<strong>in</strong>tor <strong>in</strong> die erste Ausbauphase der sich entwickelnden<br />
Stadt <strong>Bernau</strong>. Immerh<strong>in</strong> bewegen wir uns hier noch rund 40 Jahre vor der Erstwähnung<br />
<strong>Bernau</strong>s im Jahre 1292 bzw. der Nennung als civitas im Jahre 1296. Diese<br />
spätmittelalterlichen Siedlungsnachweise werden zudem durch e<strong>in</strong>e während der<br />
Tiefbauar<strong>bei</strong>ten im Jahre 1976 nachgewiesene Brandschuttschicht <strong>in</strong> etwa 2,50 m<br />
Tiefe im Bereich Bahnhofstraße / Hussitenstraße vor dem Ste<strong>in</strong>tor bestätigt, aus<br />
der u. a. mehrere Keramikfunde e<strong>in</strong>es zur Hälfte wieder zusammensetzbaren, im<br />
Durchmesser 12 cm betragenden Henkelkruges aus harter Grauware stammen. 179<br />
Zudem fand man im näheren Umfeld dazu spätmittelalterliche Armbrustbolzen<br />
und Schusterwerkzeuge [125].<br />
Ebenfalls im Bereich Bahnhofstraße / Hussitenstraße wurden im Jahre 1992 <strong>bei</strong><br />
Schachtar<strong>bei</strong>ten für e<strong>in</strong>e Schmutzwasserleitung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tiefe von ca. 1,20 m-2,00 m<br />
mehrere gut erhaltene Holzlagen, Bohlenwege und Bretterauflagen freigelegt, die<br />
im Mittelalter und <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit angesichts der hier beg<strong>in</strong>nenden feuchten<br />
Pankeniederung e<strong>in</strong>en festeren Unterboden und Straßenland gewährten. E<strong>in</strong> regelmäßig<br />
angelegter Holzbohlenweg – konstruiert aus halbrunden Eichenbohlen mit<br />
109
darüber liegenden Knüppellagen aus Birke – verlief <strong>in</strong> etwa <strong>in</strong> derselben Richtung<br />
wie die heutige Hussitenstraße. E<strong>in</strong>e dendrochronologische Datierung verweist auf<br />
die Zeit vor 1232 und belegt so zusammen mit der Datierung der Brückenhölzer e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>tensive Ausbauphase <strong>in</strong> der Mitte des 13. Jahrhunderts.<br />
Die Untersuchungen des <strong>Archäologie</strong>büros <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong> im Bereich der Hussitenund<br />
Bahnhofstraße von Juli bis Oktober 2010 zum grundhaften Ausbau der Straße<br />
e<strong>in</strong>schließlich Medienneuverlegung bestätigen die alten Grabungsergebnisse und<br />
belegen neben dem Aufbau der gesamten Zw<strong>in</strong>geranlage des Ste<strong>in</strong>tors auch e<strong>in</strong>e<br />
Erweiterung des Bohlenwegbereiches im Kreuzungsbereich Bahnhofstraße / Hussitenstraße<br />
(siehe Seite 27 und 63). Von der E<strong>in</strong>mündung der Bahnhofsstraße bis <strong>in</strong><br />
Höhe Hussitenstraße 8 konnte <strong>in</strong> der nördlichen Straßenhälfte e<strong>in</strong> mittelalterlicher<br />
Bohlenweg auf bis zu 2 m Breite <strong>in</strong> mehreren Abschnitten dokumentiert werden. Er<br />
lag zwischen 1,00 und 1,50 m unter der heutigen Straßenoberfläche und bestand<br />
aus quer zur Fahrbahn liegenden Rundhölzern und Spaltbohlen aus Eiche, Weide,<br />
Erle, Kiefer, Ha<strong>in</strong>buche und Birke. Im Bereich der Bahnhofsstraße war der Bohlenweg<br />
zweilagig. Teilweise war er von e<strong>in</strong>er Reisiglage und e<strong>in</strong>er Torfschicht überdeckt. Der<br />
Bohlenweg diente der Befestigung des Zugangs zum Ste<strong>in</strong>tor an dieser im Mittelalter<br />
morastigen Stelle. Aus dem Bohlenweg geborgene Hölzer konnten dendrochronologisch<br />
<strong>in</strong> die Zeit von um/nach 1209 bis 1246 datiert werden [126-127]. 180<br />
110<br />
2 cm<br />
180 Die bislang ältesten nachgewiesenen Hölzer<br />
<strong>Bernau</strong>s s<strong>in</strong>d die Dendroprobe DP 22 um/nach<br />
1209 aus dem Bohlenweg Hussitenstraße und die<br />
Dendroprobe DP 14 1209 (+/-10) aus dem Umfeld<br />
des St.-Gertrauden-Hospital.<br />
[125] Mittelalterlicher<br />
Armbrustbolzen und<br />
Schusterwerkzeuge
[126-127] Fund e<strong>in</strong>es mittelalterlichen<br />
Bohlenwegs im<br />
Kreuzungsbereich Husittenstraße<br />
/ Bahnhofstraße<br />
111
112<br />
[128] Übersicht der archäologisch<br />
dokumentierten<br />
bebauten Flächen, Straßen<br />
und Plätze (Stand: November<br />
2010)
[129] Luftbild<br />
<strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
113
Literatur<br />
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115
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Biologie, Chemie, Pharmazie der Freien Universität Berl<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong> 2006.<br />
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120
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SÜNDER-GASS 2000 M. Sünder-Gass, St. Nikolai und St. Marien <strong>in</strong> Stendal und die spätgotischen<br />
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VASOLD 1999 M. Vasold, Pest, Not und schwere Plagen. Seuchen und Epidemien vom Mittelalter<br />
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121
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WERNICKE 2000 H. Wernicke (Hrsg.), Greifswald: Geschichte der Stadt. Schwer<strong>in</strong>, 1995.<br />
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zur prähistorischen <strong>Archäologie</strong>; Bd. 86: Schriften zur <strong>Archäologie</strong> der<br />
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für Denkmalpflege, Berl<strong>in</strong>/ Wien 1932, S. 135-143.<br />
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WITTKOPP 2001 B. Wittkopp: Glockengussgruben an St. Marien <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong>. In: Denkmalpflege im Land<br />
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122
WOLFF 1920 F. Wolff, Die Glocken der Prov<strong>in</strong>z Brandenburg und ihre Gießer, Berl<strong>in</strong> 1920.<br />
ZUHRT 1956 R. Zuhrt: Stomatologische Untersuchungen an spätmittelalterlichen Befunden von<br />
Reckahn (12.- 14. Jh.) – I. Die Zahnkaries und ihre Folgen. Deutsche Zahn-, Mund- und<br />
Kieferheilkunde Bd. 25, 1956, 1-24.<br />
123
Glossar<br />
Dendrochronologie<br />
Grapen<br />
Grauware, harte Grauware<br />
124<br />
ist e<strong>in</strong>e Datierungsmethode, <strong>bei</strong> der die Jahresr<strong>in</strong>ge von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen<br />
Breite e<strong>in</strong>er bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden.<br />
Am Holzquerschnitt oder anhand von Bohrproben kann unter bestimmten Voraussetzungen<br />
mit Hilfe von speziellen Jahresr<strong>in</strong>gtabellen neben dem Alter auch die<br />
Herkunft des Holzes bestimmt werden. Die Genauigkeit der Datierung ist jedoch von<br />
mehreren Faktoren abhängig. Präzise ist sie nur, wenn das verbaute Holz noch die<br />
sogenannte Waldkante zeigt, wenn das Holz erstverwendet wurde und sich noch am<br />
Ort der Erstverwendung bef<strong>in</strong>det. Die Waldkante ist die Mantelfläche des Baumes<br />
(R<strong>in</strong>de und Borke), sie ist der jüngste Teil (Jahresr<strong>in</strong>g) des Holzes und zeigt den Übergang<br />
zum Spl<strong>in</strong>t- oder Kernholz. Je nach Holze<strong>in</strong>schlag (<strong>in</strong> der Regel im W<strong>in</strong>ter) spricht<br />
man auch von der Sommerwaldkante. Meistens ist das Fälljahr des Baumes identisch<br />
mit dem Jahr des E<strong>in</strong>baus. Fehlen Jahresr<strong>in</strong>ge (Differenz zur Waldkante), s<strong>in</strong>d nur<br />
Annäherungswerte möglich (z. B. „+/- 10 Jahre”, „um/nach 1786”).<br />
ist e<strong>in</strong> im 12. Jahrhundert entstandenes Kochgeschirr, e<strong>in</strong> zunächst irdener (aus Ton),<br />
später bronzener Topf bzw. Kessel. Er besitzt üblicherweise die Form e<strong>in</strong>er leicht<br />
gedrückten Kugel mit schräg nach außen gezogenem Rand und drei Füßen, so dass<br />
er direkt <strong>in</strong> die Glut gestellt werden konnte. E<strong>in</strong> oder zwei Henkel erlaubten aber<br />
auch die Aufhängung an e<strong>in</strong>em Bügel. Damit konnte der Grapen auch an e<strong>in</strong>em<br />
höhenverstellbaren Kesselhaken (Hal) über die offene Feuerstelle gehängt werden.<br />
typische Gebrauchskeramik des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus reduziert<br />
gebranntem Ton. Die Oberfläche wird <strong>bei</strong> niedrigen Brenntemperaturen durch den<br />
Metallanteil grau bis dunkelgrau und ist meist schlicht gehalten, teils mit e<strong>in</strong>fachen<br />
Rillen oder E<strong>in</strong>kerbungen verziert.
Irdenware<br />
Malhornware<br />
Sgrafitto-Keramik bzw. -Technik<br />
stratigraphische Grabung<br />
bezeichnet handgefertigte Töpferware und unterscheidet sich zu Fastste<strong>in</strong>zeug,<br />
Ste<strong>in</strong>zeug und Porzellan durch die Brenntemperatur und die verwendeten Rohstoffe.<br />
Ste<strong>in</strong>zeug ist hochgebrannt und wasserundurchlässig, Irdenware durch die niedrige<br />
Brenntemperatur wasserdurchlässiger. Durch Auftragen e<strong>in</strong>er Engobe (oberflächige<br />
Beschichtung) z. B. aus Tonschlick konnte e<strong>in</strong>e glatte, wasserdichte Oberfläche erzielt<br />
werden.<br />
bezeichnet e<strong>in</strong>e Keramik mit malerischen Verzierungen mit Hilfe e<strong>in</strong>es Malhorns.<br />
Dieses spezielle Malwerkzeug, z. B. e<strong>in</strong> Kuhhorn dessen Spitze abgeschnitten und<br />
mit e<strong>in</strong>em Federkiel zur besseren L<strong>in</strong>ienführung versehen werden konnte, wurde<br />
mit farbigem Tonschlick (Engobe) gefüllt, welcher dann mit variantenreichen Mustern<br />
und Motiven auf die Tonware aufgebracht wurde. Die Oberfläche wurde <strong>in</strong> der<br />
Regel anschließend glasiert. Diese Malweise konnte auch mit der Sgrafitto-Technik<br />
komb<strong>in</strong>iert werden.<br />
erreichte im Mittelalter (12.-14. Jahrhundert) ihren Höhepunkt und bezeichnet e<strong>in</strong>e<br />
Schmucktechnik für Tongefäße. Hier<strong>bei</strong> wird durch Kratztechnik das weiche Material<br />
verziert und anschließend im Ofen gebrannt. Danach werden üblicherweise farbige<br />
Lasuren aufgetragen und der Gegenstand erneut gebrannt.<br />
Die Sgrafitto-Technik wurde auch als Kratzputz besonders während der Renaissance<br />
im 16. Jahrhundert <strong>in</strong> der Architektur zur Verzierung der Fassaden angewandt.<br />
beschreibt das Abtragen der <strong>in</strong> sich geschlossenen, im Regelfall unregelmäßig<br />
horizontal verlaufenden Natur- und Kulturschichten (Straten oder Horizont) e<strong>in</strong>er<br />
bestimmten Zeitstellung entsprechend ihrer tatsächlichen Mächtigkeit. Diese<br />
Methode unterscheidet sich grundsätzlich von der Planumsgrabung, <strong>bei</strong> der ohne<br />
Berücksichtigung des Verlaufes der Kulturschichten e<strong>in</strong>e möglichst gleichmäßig<br />
horizontal verlaufende, ebene Oberfläche (Planum) angestrebt wird.<br />
125
Bildnachweis<br />
126<br />
[historische Stadtansicht nach Merian<br />
1652; 6, 10-12, 15, 17-19, 21, 38, 48-49,<br />
64, 96, 99, 101, 129]<br />
Bildarchiv, Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
[1, 2, 82, 115]<br />
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege<br />
und Archäologisches Museum<br />
(BLDAM)<br />
[3, 4, 9, 23-26, 29-35, 37, 40-47, 50, 57-<br />
59, 61-62, 65-67, 69, 73, 78-79, 84-95,<br />
98, 103-111, 114, 116-122, 124-128]<br />
<strong>Archäologie</strong>büro <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong><br />
[5, 51-54, 71, 112-113 ]<br />
Stadtmuseum <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong>/<br />
B. Eccarius<br />
[7, 13-14, 20, 22, 27-28, 36, 39, 55, 63,<br />
68, 70, 72, 74-77, 80-81, 83, 97, 100, 102,<br />
123]<br />
ews Stadtsanierungsgesellschaft mbH<br />
[8]<br />
rekonstruierter Stadtgrundriss 1620<br />
nach Merian, aus: U. Michas: Die<br />
Eroberung und Besiedelung Nordostbrandenburgs.<br />
Entdeckungen entlang<br />
der Märkischen Eiszeitstraße, Heft 7,<br />
Eberwalde, 2003, S.42.; Markierung der<br />
archäologisch dokumentierten Bereiche:<br />
<strong>Archäologie</strong>büro <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong><br />
[16]<br />
B. Wanzek<br />
[56, 60]<br />
B. Wittkopp
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Der Bürgermeister<br />
Marktplatz 2<br />
16321 <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Tel./Fax.: 0 33 38 - 3 65 - 0/1 05<br />
stadtverwaltung@bernau-<strong>bei</strong>-berl<strong>in</strong>.de<br />
www.bernau.de<br />
Autor:<br />
Torsten <strong>Dressler</strong>, M.A.<br />
<strong>Archäologie</strong>büro <strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong><br />
Goethestr. 22a<br />
16548 Glienicke-Nordbahn<br />
Tel./Fax.: 0 33 0 56 - 43 79 - 60 /61<br />
e-mail: t.dressler@abd-dressler.de<br />
Homepage: www.abd-dressler.de<br />
Lektorat:<br />
Berna Kühne-Spicer, Storkow (Mark)<br />
Darstellungen/Karten:<br />
G. Bethmann + T. <strong>Dressler</strong>/<strong>ABD</strong>-<strong>Dressler</strong><br />
Gestaltung und Herstellung:<br />
ews Stadtsanierungsgesellschaft mbH<br />
Grünberger Straße 26<br />
10245 Berl<strong>in</strong><br />
Tel./Fax.: 0 30 - 29 38 11 - 0/20<br />
<strong>in</strong>fo@ews-stadtsanierung.de<br />
www.ews-stadtsanierung.de<br />
Redaktionsschluss:<br />
01. 11. 2010<br />
Auflage:<br />
1.000 Exemplare<br />
Druck:<br />
Tastomat Druck GmbH<br />
Petershagen/Eggersdorf<br />
Die Publikation wurde im Rahmen der Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t anteilig aus Mitteln<br />
der Stadterneuerung des Landes Brandenburg sowie des Bundes gefördert.<br />
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Stadt <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong> | Der Bürgermeister<br />
Marktplatz 2 | 16321 <strong>Bernau</strong> <strong>bei</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Telefon (0 33 38) 3 65 0 | Fax (0 33 38) 3 65 1 05<br />
stadtverwaltung@bernau-<strong>bei</strong>-berl<strong>in</strong>.de | www.bernau.de