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zds#21

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stephani<br />

×<br />

14.33 Uhr<br />

Faulenstraße, Ecke<br />

Ölmühlenstraße<br />

Direkt neben einem Geschäft stehen<br />

drei große Plakatwände, die gerade<br />

Werbung von Urlaubs- und Handyanbietern<br />

zeigen. Ein kleines Graffiti<br />

am Rahmen des Aufstellers titelt:<br />

„No Racism“.<br />

14.45 Uhr<br />

Faulenstraße, Volkshochschule<br />

Aus der Straßenbahn steigt eine<br />

große Gruppe Menschen aus.<br />

Auf Spanisch unterhalten sie sich<br />

über das Aufgabenmaterial der<br />

letzten Stunde.<br />

Feature<br />

11<br />

Auf der Vorderseite der Plakatwand klebt längst wieder<br />

kommerzielle Werbung. Der Hinweis auf der Rückseite blieb<br />

Infoständen über den Anlass der Aktion.<br />

Nun antwortet G.: Er könne niemandem<br />

aufgrund dessen politischer Gesinnung<br />

kündigen, lässt er verlauten – biete aber<br />

an, den Mietvertrag nach dessen Ablauf<br />

im November 2011 nicht mehr zu verlängern.<br />

„Blödsinn“, schimpfen Hannah und<br />

Thomas noch heute. „Wer wie er keine<br />

Position ergreift, setzt damit auch ein<br />

Statement.“ Der Stephanikreis gibt sich<br />

mit dieser Antwort des Vermieters ebenso<br />

wenig zufrieden und beschließt, den gesellschaftlichen<br />

Druck gegen den „Sportsfreund“<br />

von allen Seiten zu verstärken.<br />

2010. Erst einmal aber folgt, wie Hillmann<br />

es ausdrückt, „eine Phase der Ratlosigkeit“.<br />

Eine erfolgsversprechende Aktionsidee<br />

entpuppt sich als nicht durchführbar<br />

und entfällt, das nimmt viel Schwung. Bis<br />

die Initiative alle Institutionen und Verbände,<br />

die mit dem „Sportsfreund“ als<br />

ortsansässigem Laden formal zu tun haben,<br />

zu einem runden Tisch einlädt, vom<br />

Beirat Mitte über die City-Initiative bis zu<br />

„Haus & Grund“. Gemeinsam formulieren<br />

sie eine Charta, in der sie klarstellen: „Wir<br />

lehnen derartige geschäftliche Aktivitäten<br />

entschieden ab!“ Über 40 Bremer Verbände,<br />

Vereine und Organisationen schließen<br />

sich ihnen an.<br />

Der öffentliche<br />

Protest<br />

war effektiv<br />

2011. Dann ist da noch die augenfällige<br />

Plakatwand neben dem unerwünschten<br />

Laden. Der Stephanikreis gewinnt über<br />

60 Vereine, Organisationen, Initiativen<br />

und Verbände, vom DGB bis zu kirchlichen<br />

Institutionen, die mit ihrem Logo<br />

auf der Plakatwand signalisieren: „Wir<br />

wollen keinen Nazi-Laden – im Stephaniviertel,<br />

in Bremen oder anderswo!“ Und<br />

plötzlich ist der ‚Sportsfreund‘ geschlossen.<br />

Ende April 2011 ist er vorzeitig ausgezogen,<br />

„er muss mit dem Vermieter eine<br />

vorzeitige Beendigung des Mietvertrags<br />

vereinbart haben“, glaubt Hillmann. Tatsächlich<br />

hat er sich allerdings vorerst nur<br />

geschlichen und einen Kilometer Luftlinie<br />

entfernt unter dem Namen „Gladiator“<br />

einen neuen Laden eröffnet. Auf der Plakatwand<br />

heißt es nun: „Wir wollen keinen<br />

Naziladen – auch nicht in der Falkenstraße“.<br />

Nach drei Monaten und einigen Demonstrationen<br />

dort ist auch das neue Geschäft<br />

dicht. „Der öffentliche Protest war<br />

schnell und effektiv“, erzählt Hillmann:<br />

Die ansässige Schule, die Antifa und die<br />

AnwohnerInnen der Falkenstraße führten<br />

die Aktionen aus dem Stephaniviertel fort.<br />

Ostendorf selbst will sich zu all dem nicht<br />

mehr äußern, auf mehrere Interviewanfragen<br />

reagierte er nicht.<br />

Völlig aufgegeben hat er sein Geschäft allerdings<br />

nicht. Er hat es schlicht als Internetshop<br />

bei „Ebay“ neu aufgebaut. „Wir<br />

arbeiten daran, den rechten Strukturen<br />

auch dort den Raum zu entziehen“, verspricht<br />

Hannah. Bis es so weit ist, vertreibt<br />

Ostendorf etwa die „Thor Steinar“-Klamotten,<br />

die er einst in der Faulenstraße<br />

verkaufte, über seinen privaten Account<br />

– ganz legal. Und noch sind die Bewertungen,<br />

die er dort kassiert, durchweg positiv:<br />

„Schnelle Lieferung, netter Kontakt,<br />

gern wieder.“

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