zds#21

stephani
Sa, 11.32 Uhr
Schlachte, Höhe Fangturm
Promenade am Ufer. Der Blick fällt
auf die Brücke, die bei ihrer Einweihung
noch einen anderen Namen
trug. Heute steht dort für alle sie
passierenden Touristenboote
geschrieben, dass „Baader lebt!“.
11.36 Uhr
Schlachte, Höhe „Radio Bremen“
Riechst du die Brauerei auf der
anderen Seite?
11.37 Uhr
Diepenau
Du gehst hoch. Vor dir ein Stück
pornografischer Architektur, auf der
mal die Hoffnung eines ganzen
Viertels ruhte. Heute ist selbst
das Nagelstudio nicht mehr da.
Prosa
×
Eine Frau,
geschätzt
Mitte 30,
steigt aus
dem weißen
Lieferwagen
und trägt
ein Paket
Richtung
Haus. Der
Türsummer
ist zu hören.
Die Frau
verschwindet
hinter
der Tür.
27
ANDA-
LUSISCHER
ENGEL
Text: Benjamin Tietjen
Illustration: Evantias Chaudat
„Du bist dieses Mal zu weit gegangen“, hatte ich damals zu meinem
Mann gesagt. Ich hatte gesagt: „Du hast schon viel Mist verzapft, aber
heute bist du zu weit gegangen.“ Er hatte den Mantel noch an und saß
auf der Couch. Er sagte: „Es tut mir wirklich leid“ und ich wusste,
dass es ihm leid tat, aber das war jetzt egal, denn ich war wirklich
sauer. Das war 1981 und meine Mutter lag frisch unter der Erde. Das
war noch, bevor die Kirche zur „Kulturkirche“ wurde und ich hatte
auch noch keine Kinder. Es war das erste Mal, dass ich meinen Vater
weinen sah.
Die Trauerfeier war wirklich gut, wenn man das so sagen
kann. Zum Schluss setzte die Orgel ein und die Sargträger erhoben
sich. Da waren die ganzen Kerzen um den Sarg herum und der eine
Sargträger, ein ganz alter Mann mit Buckel, der versuchte, die Kerzen
auszublasen, aber er hatte nicht genug Kraft dafür. Die Orgel spielte