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zds#21

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stephani<br />

10.58 Uhr<br />

Jippen 1<br />

Eine blasse Gestalt läuft am<br />

„Seemannsheim“ vorbei. Stoppt kurz<br />

und schaut in den gelblich schimmernden<br />

Eingangsbereich, danach<br />

schlurft sie weiter.<br />

Fr, 9.23 Uhr<br />

Im „Seemannsheim“<br />

Durch den Flur schallt lautes Gelächter,<br />

das Geräusch eines an die<br />

Bande prallenden Kickerballs<br />

ist zu hören. Im „Seemannsheim“ ist<br />

diese Woche eine Schulklasse zu<br />

Besuch.<br />

11.12 Uhr<br />

Ein Mann sitzt in einem vollgestopften,<br />

schmalen Zimmer an<br />

einem Schreibtisch und tippt. Auf<br />

dem Bildschirm erkennt man das<br />

„Facebook“-Logo.<br />

reportage<br />

33<br />

Zwei Tage wird die „MS Federal Shimanto“ noch im Bremer<br />

Industriehafen liegen – einzige Gelegenheit für einen kurzen<br />

Landgang. Dann geht es wieder auf See, oft wochenlang<br />

74-jährige Italiener ist jahrelang unter<br />

deutscher Flagge zur See gefahren. Seit<br />

zehn Jahren bewohnt er ein Zimmer im<br />

Bremer Seemannsheim. Der kleine Raum<br />

im ersten Stock ist vollgestopft mit allem,<br />

was man zum Leben so braucht: links an<br />

der Wand ein Waschbecken, ein Kühlschrank,<br />

Toaster, Kaffeemaschine, Wasserkocher,<br />

ein paar Lebensmittel. Im Zentrum<br />

das Bett. Die Wände vollbehangen<br />

mit Fotos aus Italien, Erinnerungen und<br />

Schiffsbildern. Luxuriös ist das nicht.<br />

„Das ist die Hölle, aber mir reicht's.“ Sich<br />

eine eigene Wohnung zu nehmen sei ihm<br />

auch schon mal in den Sinn gekommen,<br />

sagt Parpaiola. Die brächte allerdings<br />

auch einen eigenen Haushalt mit sich.<br />

„Mir graut es davor, zu ‚Rossmann‘ zu gehen<br />

und ‚Ata‘ zu kaufen, damit ich dann<br />

mein Waschbecken putzen kann.“ Der<br />

Mann mit der Pilotenbrille muss schon<br />

bei dem Gedanken lachen. „Hier kommen<br />

jede Woche die Frauen zum Putzen, das<br />

gefällt mir besser“, erklärt er die Vorzüge<br />

des Heims.<br />

Die deutsche<br />

Seefahrt<br />

ist praktisch<br />

kaputt<br />

In seiner Freizeit verfasst der Rentner<br />

Aufsätze und Artikel, über sein Leben,<br />

seinen Beruf, über Seefahrt und Wirtschaft.<br />

„Die deutsche Seefahrt ist praktisch<br />

kaputt“, sagt er, es gebe nur noch<br />

900 deutsche Seeleute, viele Werftarbeiter<br />

seien arbeitslos. Und in den Seefahrtsstudiengängen<br />

der Universitäten, so ist<br />

er überzeugt, züchte man „die Arbeitslosen<br />

von morgen“ heran. Das alles sei den<br />

günstigen Arbeitskräften aus Asien und<br />

Russland zuzuschreiben, deutsche Schiffsbesatzungen<br />

seien schlichtweg zu teuer.<br />

Parpaiola macht die Reeder dafür verantwortlich,<br />

die stets nur die billigsten Arbeitskräfte<br />

unter Vertrag nähmen. Für ihn<br />

sei der Verband Deutscher Reeder „ein<br />

Haufen Krimineller“.<br />

Holger Winter packt seine Sachen zusammen,<br />

er muss weiter, die Außentreppe an<br />

der Bordwand wieder runter, andere<br />

Schiffe warten noch auf seinen Besuch.<br />

„Wir sehen uns dann später“, sagt Peter,<br />

der erste Offizier, und verabschiedet sich<br />

mit Handschlag. Zwei Tage hat die Crew<br />

noch Aufenthalt, das ist ganz schön lang.

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