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zds#21

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DER<br />

SCHUTZ-<br />

RAUM<br />

40<br />

heit, teils der Freizeitangebote und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

wegen, teils<br />

auch wegen des Mittagessens. „Ich mag<br />

nicht alleine kochen“, sagt sie. „Und was<br />

soll ich auch alleine zu Hause sitzen?“<br />

Etwa ein bis zwei Dutzend Besucherinnen<br />

zählt der Treff pro Tag, die meisten<br />

davon sind wohnungslos, einige gar<br />

obdachlos. Bedingung ist nichts davon.<br />

„Auch arme Frauen mit Wohnraum oder<br />

Rentnerinnen kommen hierher“, sagt<br />

Leiterin Britta Klocke. Nur Männer haben<br />

keinen Zutritt. „Das ‚Frauenzimmer‘ ist<br />

ein Schutzraum für Frauen“, begründet<br />

sie. Vielen der Frauen, die hierherkämen,<br />

falle es schwer, sich gegen Männer zu behaupten<br />

oder gegenüber Männern ihre<br />

Grenzen zu wahren, nicht wenige seien<br />

schon Opfer von Herabwürdigung, Gewalt<br />

oder Missbrauch geworden. Geduldet<br />

im „Frauenzimmer“ sind daher lediglich<br />

der Pastor, der hier regelmäßig Andachten<br />

abhält, ein Freiwilliger, der alle<br />

zwei Wochen einen Computerkurs anbietet,<br />

der Paketbote „und vielleicht mal<br />

ein Klempner“. Auch männliche Journalisten<br />

dürfen nur außerhalb der Öffnungszeiten<br />

kommen.<br />

„Ich würde ja auch wieder arbeiten gehen“,<br />

sagt Hannelore E. „Aber das verdiente<br />

Geld ziehen sie mir gleich wieder<br />

von der Rente ab.“ Einmal in der Woche<br />

hilft sie noch in einer Schule, Frühstück<br />

zuzubereiten. An den anderen Tagen<br />

schaut sie im „Frauenzimmer“ vorbei.<br />

Früher, erinnert sie sich, war das Mittagessen<br />

hier noch ein Tagesgericht und umsonst.<br />

„Da ist dann aber viel in den Müll<br />

gegangen, weil manche Leute das nicht<br />

mochten.“ Nun gibt es jeweils eine kleine<br />

Auswahl an Speisen, die Mahlzeit kostet<br />

jedoch zwei Euro. „Seitdem kommen<br />

nicht mehr so viele zum Essen her“,<br />

hat Hannelore E. beobachtet. Das Geld<br />

ist eben knapp.<br />

Anonymer<br />

Rat und Hilfe<br />

Die Räume sind in cremigem Gelborange<br />

gestrichen, weiße IKEA-Regale<br />

voll mit Büchern dienen als Raumtrenner.<br />

In der Mitte stehen Tische und Stühle,<br />

an der Wand hängen Ankündigungen und<br />

Poster und in einer Ecke neun kleine<br />

quadratische Leinwände, die verstorbener<br />

Besucherinnen gedenken. Auch<br />

Hannelore E. hat mal eine davon bemalt,<br />

eine der ersten sogar, für eine Freundin,<br />

die sie hier kennengelernt hatte und die<br />

dann gestorben ist.<br />

Und was<br />

soll ich<br />

auch alleine<br />

zu Hause<br />

„Wichtig sind hier vor allem Frieden und<br />

Respekt“, sagt Britta Klocke. Was nicht<br />

immer ganz selbstverständlich ist, wenn<br />

Besucherinnen mit psychologischen Problemen,<br />

unter Drogeneinfluss oder einfach<br />

schlecht gelaunt ins Haus kommen<br />

und versuchen, zu provozieren. Richtig<br />

Streit, sagt Klocke, gebe es aber nur selten<br />

und wenn, dann meistens nur wegen<br />

Kleinigkeiten. „Es kann mal sein, dass jemand<br />

laut telefoniert und die anderen<br />

stört“, sagt Hannelore E. „Manchmal gibt<br />

es auch Reibereien, weil hier so viele<br />

unterschiedliche Charaktere sind.“ Sie<br />

selbst versucht sich dann meist rauszuhalten.<br />

„Natürlich gibt es hier auch welche,<br />

mit denen ich mich nicht verstehe“,<br />

sagt sie. „Aber denen gehe ich dann auch<br />

aus dem Weg.“<br />

Wer ins „Frauenzimmer“ kommt, kann<br />

sich anonym beraten und helfen lassen,<br />

muss weder Ausweis noch Krankenversicherungskarte<br />

vorzeigen. In den Gesprächen<br />

geht es um Sozialleistungen, Entzugsangebote,<br />

Vermittlung von Wohnraum<br />

und Beratungsstellen, Ärger mit<br />

den Ämtern, manchmal auch einfach nur<br />

um ein offenes Ohr für die vielen Sorgen.<br />

Einmal die Woche hält eine Ärztin eine<br />

kostenlose Sprechstunde ab, bei Bedarf<br />

vermittelt sie weiter an Fachärzte – „medizinische<br />

Nothilfe“ heißt das. Außerdem<br />

können die Besucherinnen des Treffs sich<br />

hier duschen sowie ihre Kleider waschen<br />

und bügeln. Wer will, bekommt eine<br />

Postanschrift, für Briefe etwa vom Jobcenter<br />

Bremen oder von der Agentur für<br />

Arbeit. Einige Frauen treffen sich zum gemeinsamen<br />

Kochen oder Stricken. Daneben<br />

sind Bastel-, Näh- und Computerkurse<br />

im Angebot. „Malen und Tanzen<br />

hängen etwas nach“, sagt Hannelore E.,<br />

manchmal ist sie die einzige im Tanzkurs.<br />

„Das liegt aber wohl daran, dass so unterschiedliche<br />

Altersgruppen auch zu verschiedener<br />

Musik tanzen wollen.“ Die<br />

Altersspanne der Besucherinnen des<br />

„Frauenzimmers“ reicht von 18 bis 80 Jahre.<br />

Der Tagestreff sei in seiner Art der einzige<br />

in der Hansestadt, sagt Britta Klocke.<br />

Betreiber ist der Verein für Innere Mission<br />

in Bremen, finanziert wird der Treff<br />

allein durch Spenden, meist von Kirchengemeinden<br />

oder Stiftungen; manchmal<br />

stellen Filialen einer Drogeriekette Hygieneartikel<br />

zur Verfügung. Neben Klocke,<br />

die zugleich auch den „Jakobustreff“ der<br />

Inneren Mission betreut, der Männern<br />

wie Frauen offensteht, arbeiten eine<br />

hauptamtliche und zwei Dutzend ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterinnen regelmäßig<br />

hier. Erst im letzten Dezember hatte die<br />

Einrichtung ihr zehnjähriges Jubiläum.<br />

Trotzdem sei sie relativ unbekannt, so<br />

Klocke: „Die meisten kennen eben nur<br />

den Jakobustreff.“<br />

Drei Monate<br />

in der<br />

Notunterkunft<br />

„Vielen Frauen merkt man die Wohnungslosigkeit<br />

häufig gar nicht an“, berichtet<br />

Klocke. „Da gibt es große Unterschiede<br />

zu den Männern.“ Frauen ohne<br />

Wohnung kämen eher mal noch bei<br />

Freundinnen und Freunden unter und<br />

landeten deshalb nicht so schnell auf<br />

der Straße. „Verdeckte Wohnungslosigkeit“,<br />

nennt Klocke das. Sie schätzt, dass<br />

dies für ein Viertel der wohnungslosen<br />

Frauen gilt. Darunter fallen auch jene, die<br />

sich im Austausch gegen eine Unterkunft<br />

zwangsweise prostituieren oder missbraucht<br />

werden. Für Obdachlose ist dem<br />

„Frauenzimmer“ eine ebenfalls nur Frauen

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