Nr. 9 (I-2015) - Osnabrücker Wissen
Nr. 9 (I-2015) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de
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WIE WEHRT(E) SICH<br />
OSNABRÜCK GEGEN<br />
DIE POCKEN?!<br />
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870 / 71 erkrankten in Deutschland rund<br />
600.000 Menschen an „Blattern“ oder Pocken. In Osnabrück wurden die Erkrankten und<br />
Verstorbenen handschriftlich festgehalten. Im Niedersächsischen Staatsarchiv an der Schlossstraße<br />
sind noch viele Berichte und Statistiken - z.B. ein „Monatsbericht über den guten<br />
Fortgang der Schutzblatternimpfung“ (Schledehausen, September 1872) - zu finden.<br />
Hier wird auch ein Schreiben des Kreiswundarztes<br />
Dr. Brandt aufbewahrt. Es zeigt,<br />
dass im Sommer 1880 eine neue Epidemie<br />
drohte, aber auch schnelle Gegenmaßnahmen<br />
ergriffen wurden: „Der Aufforderung<br />
königlichen Amtes hierselbst vom 14. des<br />
Monats zufolge begab ich mich am selbigen<br />
Tage nach Grafeld, um die dort ausgebrochene<br />
Varioloiden-Epidemie<br />
näher zu untersuchen. Die<br />
Anzeige des Dr. Schreckenberger<br />
aus Berge fand ich<br />
bestätigt. Es hatten sich<br />
die Varioloiden/modifizierte<br />
Blattern in 4 Häusern<br />
verbreitet. Die geeigneten<br />
Vorsichtsmaßnahmen gegen die<br />
Verbreitung sind von mir sofort angeordnet,<br />
sowie auch der Gemeindevorsteher<br />
Colon Johanning mit den entsprechenden<br />
Anweisungen versehen. Die allgemeine<br />
Impfung wird unverzüglich vorgenommen<br />
werden.“<br />
WER ERFAND DIE POCKEN-<br />
SCHUTZIMPFUNG?<br />
Die Inokulation (Animpfen, Einpfropfung<br />
der Pocken oder Schutzblattern) von<br />
Pockenviren war als weit verbreitete und<br />
vorbeugende Maßnahme schon lange vor<br />
der Vakzination (Pockenschutzimpfung<br />
mit Erregern der Kuhpocken, vacca = Kuh)<br />
des englischen Wundarztes Edward Jenner<br />
(1749 - 1823) bekannt. Jenner hatte aber<br />
beobachtet, dass Melkerinnen, die sich mit<br />
Kuhpocken infiziert hatten, nicht an Menschenpocken<br />
erkrankten. Er impfte 1796 ein<br />
gesundes Kind mit Kuhpocken und infizierte<br />
es Wochen später mit Pockenviren. Das<br />
Kind überlebte.<br />
Der deutsche Arzt, Dr. Christian Struwe<br />
(1767-1807) hatte von Jenners Methode erfahren<br />
und begann nach dem Tod seines<br />
an Pocken erkrankten Sohnes 1801<br />
in der Lausitz mit der Schutzimpfung.<br />
Fünf Jahre später<br />
waren 5.125 Menschen<br />
geimpft. Die Vakzinationen<br />
nahmen damit ihren<br />
Lauf. Als erstes Land<br />
weltweit führte Bayern im<br />
Jahr 1807 eine Impfpflicht<br />
gegen die Pocken ein, 1874 erließ<br />
Kanzler Otto von Bismarck das<br />
Pockenschutzgesetz für das Deutsche Reich.<br />
Während des oben erwähnten Deutsch-<br />
Französischen Krieges verzeichnete die<br />
französische Armee übrigens 23.400 Pockentodesfälle,<br />
die deutsche „nur“ 278.<br />
Auf Beschluss der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) wurde die Impfung ab 1967<br />
weltweit Pflicht.<br />
Am 12. Februar 1976 hob der Deutsche Bundestag<br />
die Impfpflicht für die Bundesrepublik<br />
auf, denn inzwischen hatte die WHO die<br />
Pocken für weitgehend ausgerottet erklärt.<br />
WER SETZTE POCKEN<br />
ALS WAFFE EIN?<br />
Durch Tröpfcheninfektion und Kontakt mit<br />
Haut oder Wäsche des Erkrankten kann das<br />
Virus übertragen werden. Als Tod bringende<br />
Biowaffe setzten Briten die Pocken im 18.<br />
Jahrhundert gegen die Indianer in Amerika<br />
ein, indem ihnen von der britischen Armee<br />
kontaminierte Decken ausgehändigt wurden.<br />
Offiziell wurde die weltweite Ausrottung<br />
der Pocken von der WHO am 8. Mai<br />
1980 verkündet. Daher besteht heute keine<br />
Gefahr sich anzustecken, es sei denn, es<br />
kommt zu einem bioterroristischen Anschlag.<br />
Doch für diesen „worst case“ wurde<br />
Vorsorge getroffen und seit 2002 wieder<br />
Impfstoff bevorratet.<br />
KANN HEUTE NOCH EINE<br />
EPIDEMIE AUSBRECHEN?<br />
In zwei Sicherheitslaboratorien in den USA<br />
und der ehemaligen Sowjetunion liegen<br />
noch Bestände an Pockenviren – im Juli<br />
2014 wurden in der Abstellkammer eines<br />
amerikanischen Labors offenbar „vergessene“<br />
Erreger entdeckt. „Es lässt sich nicht<br />
völlig ausschließen, dass Pockenviren an<br />
anderen Orten existieren und damit die<br />
theoretische Möglichkeit einer vorsätzlichen<br />
Freisetzung bestünde, um dadurch gezielt<br />
Schäden zu verursachen“, sagt das Robert-<br />
Koch-Institut (RKI).<br />
Seit den Anschlägen vom 11. September<br />
2001 sind auf Initiative der Bundesregierung<br />
und des RKI die Gesundheitsämter<br />
alarmiert. Für die gesamte Bevölkerung ist<br />
ausreichend Pockenimpfstoff vorhanden,<br />
Pläne für eine Massenimpfung für einen<br />
„worst case“ liegen bereit. Es soll sich um den<br />
gleichen Impfstoff handeln, der bis 1976 im<br />
Rahmen der Pockenpflichtimpfung in den<br />
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