KulturFenster Nr. 06|2014 - Dezember 2014
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Kritisch Hingehört<br />
Bläsermusik im Englischen Stil<br />
13. Internationales Brassfestival in Meran<br />
LONDON BRASS beim Auftakt zum 13. Internationalen Brassfestival im Meraner Kursaal<br />
Das heurige Internationale Meraner Brassfestival<br />
wurde mit einem musikalischen Paukenschlag<br />
eröffnet: Zwei Stunden lang präsentierte<br />
das renommierte Brassensemble<br />
LONDON BRASS Bläsermusik vom Feinsten.<br />
1986 aus dem legendären Philip-Jones-<br />
Brass-Ensemble entstanden, zählt die englische<br />
Formation rund um den Trompeter<br />
Andrew Crowley zu den Top-Adressen der<br />
Szene. Der dem Ensemble vorauseilende<br />
Ruf scheint allerdings in Südtirol nicht<br />
überall angekommen zu sein, denn gar<br />
einige Stühle im Kursaal sind leer geblieben.<br />
Schade für all jene, die diese Gelegenheit<br />
verpasst haben. Wenn auch einige<br />
der Musiker bereits mehrmals in Südtirol<br />
aufgetreten sind und auch LONDON<br />
BRASS selbst bereits vor elf Jahren beim<br />
Meraner Brassfestival zu Gast war, so ist es<br />
dennoch nicht alltäglich, dass solche Ensembles<br />
„vor unserer Haustüre“ auftreten.<br />
Mit transparentem Klang, beeindruckender<br />
Virtuosität und eigens auf das<br />
Ensemble zugeschnittenen Arrangements<br />
lassen die zehn Musiker fast kommentarlos<br />
und mit nur wenigen Moderationen die<br />
Musik für sich sprechen. Die Liebe zu alter<br />
englischer Musiktradition von vor 500<br />
Jahren ist dabei unüberhörbar. Das Programm<br />
wird mit Holbornes „The Fairie<br />
Round Suite“ eröffnet und mit einer einzigen<br />
Zugabe im gleichen Stil abgeschlossen.<br />
In feiner englischer Art, mit britischem<br />
Understatement und ohne viel Wortwitz,<br />
präsentiert sich das Ensemble ohne große<br />
Showeffekte – kammermusikalisch, zurückhaltend,<br />
aber auch immer wieder fordernd<br />
und imposant. Sie verneigen sich<br />
vor den großen Meistern wie Bach, Dvořák<br />
und Paganini, zeigen aber auch ihre feurige<br />
Seite im „Fire Dance“ von Manuel De<br />
Falla: Zum Puls der Tuba werfen sie sich<br />
die musikalischen Feuerbälle einander zu,<br />
lassen die lodernden Flammen erahnen,<br />
um sie in Variationen und verschiedenen<br />
Klangfarben weiterzureichen. Der zweite<br />
Konzertteil ist der zeitgenössischen Bläsermusik<br />
gewidmet, wobei LONDON BRASS<br />
das vorgedruckte Konzertprogramm verlässt,<br />
um zwei „druckfrische“ Arrangements<br />
zu präsentieren. In zwanzigminütigen<br />
Überraschungsvariationen („Surprise<br />
Variations“) präsentieren sich die Musiker<br />
einzeln, im Register und im Chor und zeigen<br />
– auch mit musikalischem Witz und<br />
etwas Selbstironie – eine unglaubliche<br />
Vielfalt im Bläserklang, in rhythmischen<br />
Spielereien und technischer Virtuosität.<br />
Dieser Auftakt bewies einmal mehr den<br />
hohen musikalischen Anspruch des Festivals<br />
und machte Freude auf die nächsten<br />
Termine: Die traditionelle Konzerttrilogie<br />
wurde am 11. Oktober von den derzeit<br />
besten Bläsern aus Ungarn mit dem SIR<br />
GEORG SOLTI BRASS ENSEMBLE fortgesetzt<br />
und am 18. Oktober mit dem oberösterreichischen<br />
Charme von PRO BRASS<br />
abgerundet.<br />
Stephan Niederegger<br />
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