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KulturFenster Nr. 06|2014 - Dezember 2014

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Blasmusik<br />

Die Saxtuba – ein „gewichtiges“ Instrument,<br />

das in Vergessenheit geraten ist …<br />

… ebenso wie die Posaune mit sechs<br />

Ventilen.<br />

Fast schon gespenstisch mutet diese<br />

„Posaune“ mit ihren 13 unabhängigen<br />

Trichtern an.<br />

nation mit den jeweiligen Obertönen das Instrument<br />

voll chromatisch nutzbar machten.<br />

Jeder Ton kann perfekt intoniert werden,<br />

da man den Zug genau platzieren kann.<br />

Der Erfinder baute daraufhin eine Posaune<br />

mit einer Rohrlänge, die auf dem<br />

siebten Zug basierte, also auf der weitesten<br />

Position. Ergänzt um sechs Ventile, die stets<br />

einzeln und nie in Kombination zu benutzen<br />

waren, entwickelte er ein System, bei<br />

dem mit jeder Ventilbenutzung das Rohr in<br />

Anlehnung an die entsprechenden Zugpositionen<br />

verkürzt wurde. Da es nun nicht<br />

mehr nötig war, mehr als ein Ventil zugleich<br />

zu betätigen, konnte jeder Ton genau intoniert<br />

werden.<br />

Das Rohr des Instruments war so geführt,<br />

dass man drei horizontal angeordnete Ventile<br />

mit der rechten Hand bedienen konnte<br />

und die anderen drei vertikal angeordneten<br />

Ventile mit der linken Hand. Das ganze Instrument<br />

erregte großes Interesse, wurde<br />

aber nie vollständig akzeptiert. Zum einen<br />

war da das Gewicht, mit dem sich das Instrument<br />

nicht gerade als marschiertauglich<br />

erwies. Darüber hinaus – wie bereits<br />

erwähnt – bevorzugten die Musiker die Flexibilität<br />

des Zuges gegenüber diesem komplizierten<br />

Mechanismus. Andererseits gab<br />

es keine Zweifel, dass die „trombone avec<br />

six pistons a tubes individuelles“ leichter zu<br />

intonieren war als auf einem Instrument mit<br />

einem oft schwerfälligen Zug.<br />

Es wurden Etüden geschrieben, von denen<br />

man behauptete, sie seien ausschließlich<br />

auf diesem 6-ventiligen Instrument<br />

spielbar. Die Spieltechnik unterschied sich<br />

allerdings sehr von derjenigen der 3- oder<br />

4-ventiligen Instrumente, deren Ventile üblicherweise<br />

das Rohr verlängerten. Außerordentliche<br />

mentale Fähigkeiten wurden vom<br />

Spieler verlangt. Schon das kleinste Zögern<br />

beim Überlegen, welches Ventil zu drücken<br />

sei, hatte – günstigenfalls – eine falsche Intonation<br />

zur Folge, die man ja eigentlich verbessern<br />

wollte. Schlimmstenfalls geriet die<br />

Aufführung zum Desaster. Musiker, speziell<br />

solche, die einen Ruf zu verlieren hatten,<br />

setzten sich ungern solchen Auftrittssituationen<br />

aus. Dies mag der Hauptgrund<br />

für die mangelnde Popularität des Instruments<br />

gewesen sein.<br />

Der Erfinder nutzte seinen Einfluss, um<br />

die 6-ventilige Posaune und die Saxhörner<br />

bei der Garde Républicaine und den Gidsen<br />

zum Einsatz zu bringen. Auch als Direktor<br />

der Bühnenmusik der Pariser Oper<br />

war er auf ähnliche Weise aktiv. So sah er<br />

das Posaunensolo im 1. Akt der Oper „Hamlet“<br />

von Ambroise Thomas als gute Gelegenheit<br />

zur Einführung des 6-ventiligen Instruments<br />

im Opernorchester. Von Ambroise<br />

Thomas wird berichtet, er habe das Instrument<br />

gerühmt mit den Worten „die letzte<br />

und bewundernswerteste Erfindung des<br />

Herrn Sax, dazu bestimmt, die Blechblasinstrumente<br />

zu revolutionieren.“<br />

Das endgültige Scheitern dieses Instruments<br />

kann aber auf keinen Fall Sax‘<br />

Feinden angelastet werden. Die Musiker<br />

mochten einfach nicht darauf spielen.<br />

Sax‘ Landsmann Victor Mahillon, der sich<br />

eifrig mit den Problemen des Blasinstrumentenbaus<br />

beschäftigt hat, sagte dazu:<br />

„Das System ist perfekt, wenn man nur<br />

die theoretische Seite betrachtet. Es gibt<br />

keinen Musiker, der nicht im ersten Moment<br />

einen Freudensprung vollführt. Auf<br />

praktischer Seite bringt es jedoch einige<br />

Schwierigkeiten mit sich.“ Sax konnte das<br />

Instrument noch einige Jahre in der Oper<br />

einsetzen, auch wenn der Solist in „Hamlet“<br />

bei erstbester Gelegenheit wieder auf<br />

die Zugposaune wechselte. Auch aus den<br />

Militärkapellen verschwand das Instrument<br />

bald. Am längsten hielt es noch Sax‘ Sohn<br />

Pierre aus, der es noch einige Jahre in der<br />

Garde Républicaine spielte.<br />

Es war überraschend, dass man bei<br />

einem Instrumentenbauer mit hervorragenden<br />

Fähigkeiten und schöpferischem<br />

Geist eine solch unpraktische Ader hatte.<br />

Aufgrund seiner Erfindungskraft war er oft<br />

so weltvergessen, dass er praktische Aspekte<br />

wie Gewicht, Transport und Kosten<br />

nicht bedachte. Das System der sechs rohrverkürzenden<br />

Ventile – eine Erfindung, die<br />

auch seine strengsten Kritiker anerkannten<br />

– war ein Paradebeispiel.<br />

Sax war nicht zufrieden mit unabhängigen<br />

Rohrverläufen, die alle in den gleichen<br />

Trichter mündeten: Er schuf sogar eine bizarre<br />

Konstruktion mit mehreren unabhängigen<br />

Schalltrichtern! Diese erhoben sich<br />

gespensterartig über den Kopf des Spielers<br />

und konnten in jede Richtung gedreht<br />

werden. Sieben Posaunen in einem Instrument<br />

vereinigt! Nicht nur das Gewicht war<br />

intolerabel, auch der Transport in einem<br />

passenden Koffer war eigentlich nicht zu<br />

bewerkstelligen. All dies sorgte bei möglichen<br />

Musikern nicht gerade für besondere<br />

Beliebtheit. Ein Patent für das Instrument<br />

wurde 1859 angemeldet, aber niemand<br />

schien dagegen zu verstoßen.<br />

Übersetzung: Joachim Buch<br />

<strong>Nr</strong>. 06 | <strong>Dezember</strong> <strong>2014</strong> 47

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