Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„...wenn nicht, ist der Bürger machtlos“<br />
Landesvolksanwalt Dr. Josef Hauser über Raumordnung, Freude und Belastung in seiner letzten Amtsperiode<br />
(dgh/tom) Der Jahresbericht<br />
der Landesvolksanwaltschaft<br />
Tirol liegt vor. Ein besonderes<br />
Anliegen – und zwar seit Jahren<br />
– ist Dr. Josef Hauser aus Pians<br />
die Raumordnung. Der Jurist<br />
fasste zudem den Entschluss,<br />
sich nicht für eine weitere<br />
Amts-periode zu bewerben.<br />
Mittlerweile steht seine designierte<br />
Nachfolgerin mit Maria<br />
Luise Berger aus Barwies fest.<br />
Sie wird ihr Amt per 1. April<br />
2016 antreten.<br />
5858 Beratungs- und Beschwerdefälle<br />
hatte die Landesvolksanwaltschaft<br />
im vergangenen Jahr zu<br />
stemmen. Meist handelt es sich<br />
um Rat suchende Menschen – Beschwerden<br />
gibt es in Imst nicht mehr<br />
als in anderen Bezirken. Tirolweit<br />
sind es vor allem das Sozialrecht,<br />
Behindertenanliegen sowie Baurecht<br />
und Raumordnung, die Josef<br />
Hauser und Co. beschäftigen. Eine<br />
Oberland-spezifische Häufung kann<br />
Hauser grundsätzlich nicht feststellen.<br />
Besonders bei den Sozialanliegen<br />
gebe es eine stark auf die Stadt Innsbruck<br />
und die umliegenden Gemeinden<br />
bezogene Häufung, weil hier 80<br />
Prozent der Bezieher von Mindestsicherung<br />
wohnen. Demgegenüber<br />
sind in den ländlichen Bezirken mehr<br />
Beschwerden und Anfragen zu den<br />
klassischen Verwaltungsmaterien,<br />
insbesondere Baurecht und Raumordnung,<br />
privatrechtliche Anfragen<br />
(wo die Landesvolksanwaltschaft<br />
eigentlich nicht zuständig ist), Straßenrecht,<br />
Wohnbauförderung usw.<br />
festzustellen.<br />
Vertrauen dauerhaft<br />
zerstört. Gerade das Thema<br />
Rechtsschutz in der Raumordnung<br />
ist Hauser zunehmend sehr wichtig<br />
– im aktuellen Jahresbericht der<br />
Landesvolksanwaltschaft schildert er<br />
einen drastischen Fall: Zwei Familien<br />
konnten kein Haus bauen, weil das<br />
betreffende Grundstück zwar zentral,<br />
aber außerhalb der Baulandgrenzen<br />
lag und es in der betreffenden<br />
Gemeinde einen Bauland überhang<br />
gibt – also keine Widmung als Bauland.<br />
Mit anderen Worten: Es müsste<br />
ein Baugrund gekauft werden. Josef<br />
Hauser kommt zum unmissverständlichen<br />
Schluss: „Im Ergebnis wird<br />
damit massiv in die Lebensplanung<br />
von jungen Menschen eingegriffen<br />
und man muss davon ausgehen, dass<br />
in solchen Fällen das Vertrauen in<br />
Josef Hausers zweite Amtsperiode als Landesvolksanwalt läuft am 31. März 2016 aus – der Pianner Jurist bewarb sich nicht<br />
für eine dritte Amtsperiode. <br />
Foto: foto.albertbloch.at<br />
Politik und Verwaltung dauerhaft zerstört<br />
wird.“ Der Landesvolksanwalt<br />
gesteht den meisten Bürgermeistern<br />
und Gemeinderäten zu, dies sehr<br />
gut zu machen – „aber wenn nicht,<br />
ist der Bürger machtlos“. Er versucht<br />
seit Jahren, dem Tiroler Landtag eine<br />
ähnliche Regelung, wie sie in Vorarlberg<br />
seit 2010 besteht, schmackhaft<br />
zu machen: Dazu müsste das Tiroler<br />
Raumordnungsgesetz entsprechend<br />
novelliert werden. Im Vorarlberger<br />
Raumplanungsgesetz gibt es z.B. ein<br />
Antragsrecht von Grundeigentümern<br />
und die Verpflichtung der Gemeinde,<br />
Vorschläge zu prüfen, weiters einen<br />
unabhängigen Sachverständigenrat<br />
und das Recht der Landesregierung,<br />
den Beschluss der Gemeinde, kein<br />
Umwidmungsverfahren einzuleiten,<br />
aufzuheben. Josef Hauser lässt jedenfalls<br />
nicht locker.<br />
Abgrenzen. Und wie geht’s<br />
einem Juristen, der dauernd mit Problemfällen<br />
befasst ist? „Nun, schon<br />
im zwölften Jahr meiner Tätigkeit<br />
geht es mir als Landesvolksanwalt<br />
immer noch gut. Das ist eine sehr erfüllende<br />
– in rund 50% der Fälle können<br />
wir helfen –, oft aber durchaus<br />
auch belastende Tätigkeit. Man muss<br />
wirklich auch für sich selbst etwas<br />
tun.“ Hauser z.B. hat vor einigen Jahren<br />
die Ausbildung zum Lebens- und<br />
Sozialberater mit dem Schwerpunkt<br />
Mentaltraining absolviert, was auch<br />
ihm selbst helfe. Er achtet darauf,<br />
Kritik und verbale Angriffe nicht persönlich<br />
zu nehmen, viel Geduld beim<br />
Zuhören aufzubringen und sich laufend<br />
gut abzugrenzen (was gerade bei<br />
der morgendlichen und abendlichen<br />
Bahnfahrt von Landeck nach Innsbruck<br />
und zurück gut gelingt). Und:<br />
Josef Hauser muss für sich selbst akzeptieren,<br />
dass auch ein LVA trotz<br />
bestem Bemühen nicht einfach alles<br />
regeln kann. Hausers zweite Amtsperiode<br />
läuft am 31. März 2016 aus. In<br />
den meisten europäischen Ländern<br />
ist diese Tätigkeit ausdrücklich auf<br />
zwölf Jahre beschränkt, nicht aber<br />
in Tirol. Der Pianner Jurist könnte<br />
sich also für eine dritte Amtsperiode<br />
bewerben – und die ginge sich genau<br />
aus: 2022 kann Josef Hauser in<br />
die Regelpension gehen. Nach langer<br />
Überlegungszeit fasste er jedoch den<br />
Entschluss, sich für keine weitere<br />
Amtsperiode zu bewerben und noch<br />
einige Jahre als Jurist in der Verwaltung<br />
zu verbringen.<br />
Die Landesvolksanwaltschaft<br />
Maria Luise Berger aus Barwies ist die<br />
designierte Nachfolgerin von Landesvolksanwalt<br />
Hauser.<br />
Foto: privat<br />
Berger ab 1. April. Mit überwältigender<br />
Mehrheit wurde dieser<br />
Tage die Juristin Maria Luise Berger<br />
vom Tiroler Landtag zur neuen Landesvolksanwältin<br />
gewählt. Sie tritt ihr<br />
Amt am 1. April 2016 an. Landtagspräsident<br />
Herwig van Staa gratulierte<br />
der neuen Landesvolksanwältin im<br />
Anschluss an die Wahl. Die designierte<br />
Landesvolksanwältin ist 43<br />
Jahre alt, hat an der Universität Innsbruck<br />
im zweiten Bildungsweg Jus<br />
studiert und ist seit dem Jahr 2003<br />
beim Land Tirol beschäftigt. Ihre bisherigen<br />
Stationen im Landesdienst<br />
waren die Gewerbereferate an der BH<br />
Imst und an der BH Innsbruck, seit<br />
dem Jahr 2006 ist sie Mitarbeiterin<br />
der Abteilung Gemeinden des Amtes<br />
der Landesregierung. Berger, die aus<br />
einer Großfamilie stammt und bis<br />
zum Jahr 2001 als gelernte Zahnarztassistentin<br />
tätig war, lebt in Barwies.<br />
(tom) Der/Die LandesvolksanwältIn<br />
ist ein Organ des Landtages, untersteht<br />
diesem unmittelbar und ist auch nur<br />
dem Landtag verantwortlich. Er/sie<br />
hat in den Angelegenheiten der Landesverwaltung<br />
und der mittelbaren<br />
Bundesverwaltung kostenlos jedermann<br />
auf Verlangen Rat zu erteilen<br />
und Beschwerden entgegenzunehmen.<br />
Gemeinsam mit weiteren Anwaltschaften<br />
des Landes Tirol ist die Landesvolksanwaltschaft<br />
seit dem Jahr 2010<br />
im Haus der Anwaltschaften als zentrale<br />
Anlaufstelle für die BürgerInnen in<br />
der Innsbrucker Meraner Straße 5 zu<br />
finden. Die Landesvolksanwältin wird<br />
vom Landtag auf Vorschlag des Landtagspräsidenten<br />
auf die Dauer von<br />
sechs Jahren gewählt; eine Wiederwahl<br />
ist zulässig.<br />
RUNDSCHAU Seite 20 29./30. Dezember 2015