Schweine-Welt-2015-Dezember-web-blaettertest
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Infobox 3: Schmerzmittel<br />
Man unterscheidet verschiedene Klassen von Schmerzmitteln. Dabei kann man zwei Überklassen unterscheiden:<br />
Opioidanalgetika und nicht-Opioidanalgetika. Zu den nicht-Opioidanalgetika zählen z. B. die sog. nicht steroidalen<br />
Antiphlogistika (NSAID) wie z. B. Meloxicam & Flunixin, aber auch Metamizol. Auch Ketamin gehört in die Klasse<br />
der nicht-Opioidanalgetika. Daneben gibt es ein weites Feld von Opioidanalgetika. Der bekannteste Vertreter aus<br />
dieser Klasse ist sicherlich Morphin, aber es gibt zahlreiche weitere Vertreter wie Butorphanol, Buprenoprhin, Fentanyl<br />
und Methadon. Innerhalb dieser Klasse gibt es beträchtliche Unterschiede, welche sich durch die unterschiedliche<br />
Bindungsfähigkeit zu den verschiedenen Opioidrezeptoren im Körper erklären lässt. Fast alle Opioidanalgetika<br />
fallen aufgrund des erheblichen Suchtpotentials unter das Betäubungsmittelgesetz.<br />
für Eingriffe bei Tieren (wie z. B. die<br />
Kastration) erwähnt, bestand die<br />
Hoffnung ein solches Medikament zu<br />
finden. Hierbei richtete sich der<br />
Fokus auf Präparate aus dem Spektrum<br />
der Opioidanalgetika. Derzeit<br />
gibt es in der Veterinärmedizin nur<br />
einen Vertreter der Opioidanalgetika,<br />
welcher nicht unter das Betäubungsmittelgesetzt<br />
fällt. Es handelt sich<br />
hierbei um Butorphanol. Eine aktuelle<br />
Studie der Klinik für <strong>Schweine</strong> der<br />
LMU München 9 untersuchte die<br />
Potenz von Butorphanol in Hinblick<br />
auf seine schmerzreduzierende bzw.<br />
schmerzausschaltende Wirkung bei<br />
der Kastration von Ferkeln bei alleiniger<br />
Gabe oder in Kombination mit<br />
Meloxicam. Hierbei wurden die Paramater<br />
Vokalisation (Lautäußerung)<br />
und abermals Cortisolspiegel untersucht.<br />
Die Autorin zieht hierzu folgendes<br />
Fazit: „Weder anhand der<br />
Analyse der Cortisolkonzentration<br />
im Blut noch anhand der Vokalisationsanalyse<br />
konnte eine schmerzreduzierende<br />
Wirkung des Opioids<br />
Butorphanol bzw. der Kombination<br />
aus Butorphanol und dem Antiphlogistikum<br />
Meloxicam bei der Saugferkelkastration<br />
nachgewiesen werden<br />
9 .“<br />
II. Verzicht auf die Kastration<br />
Wenn vom Verzicht auf die Kastration<br />
die Rede ist, kommen aus heutiger<br />
Sicht nur zwei Möglichkeiten in<br />
Betracht: die Mast von Ebern oder<br />
die Mast von Ebern in einer Kombination<br />
mit der Impfung gegen den<br />
Ebergeruch.<br />
Ebermast<br />
Die Mast von Ebern wird von vielen<br />
als logischer Weg aus der Kastration<br />
angesehen, da der für das Tier belastende<br />
Eingriff der Kastration komplett<br />
entfällt, was neben dem Tierschutzaspekt<br />
auch weitere Vorteile<br />
12<br />
wie die Vermeidung der Kastrationswunde<br />
als Eintrittspforte für Krankheitserreger<br />
hat. Aus diesem Grund<br />
werden schon seit einigen Jahren<br />
auch in Deutschland in nennenswertem<br />
Umfang Eber gemästet und<br />
geschlachtet. Aktuell liegt der Anteil<br />
am Gesamtmarkt jedoch bei unter<br />
5% 10 und verzeichnet nur noch einen<br />
leichten jährlichen Anstieg bzw. stagniert.<br />
Derzeit schlachten vor allem<br />
die drei großen Schlachtunternehmen<br />
Tönnies, VION und Westfleisch<br />
Eber. Aufgrund der deutlich verbesserten<br />
Futterverwertung und der<br />
höheren Magerfleischanteile weisen<br />
Eber gegenüber Kastraten auch deutliche<br />
wirtschaftliche Vorteile für den<br />
Mäster auf. Während in Norddeutschland<br />
schon jetzt in nennenswertem<br />
Umfang Eber gemästet werden,<br />
ist der Anteil in Süddeutschland<br />
noch gering. Da Eber eine höhere<br />
Aggressivität aufweisen können 11 ,<br />
stellt sich die Frage welchen Einfluss<br />
dies auf das Tierwohl hat, speziell da<br />
Kastraten in der Endmast ruhiger<br />
werden und sich Eber genau gegenteilig<br />
verhalten 11 . Aktuelle Untersuchungen<br />
der Klinik für <strong>Schweine</strong> der<br />
LMU München an drei Betrieben 12<br />
zeigen vermehrtes Kampf- und Aufreitverhalten<br />
im Vergleich zu Kastraten<br />
bzw. weiblichen Masttieren sowie<br />
sog. Penisbeißen und eine hohe Rate<br />
an Penisverletzungen im Vergleich zu<br />
Kastraten 12 . Demgegenüber stehen<br />
einige Millionen von gemästeten und<br />
geschlachteten Ebern in zahlreichen<br />
Betrieben vor allem in Norddeutschland.<br />
Beachtenswert ist natürlich<br />
auch die Tatsache, dass eine<br />
Geruchsdetektion auf Grund der Problematik<br />
des Ebergeruchs am<br />
Schlachtband unvermeidbar ist, was<br />
natürlich auch einen zusätzlichen<br />
Aufwand für das abnehmende<br />
Schlachtunternehmen bedeutet. Eine<br />
weitere Herausforderung ist zudem<br />
die Tatsache, dass die Schlachtkörperbeschaffenheit<br />
eines Ebers sich<br />
von der eines Kastraten unterscheidet<br />
13 (z. B. hinsichtlich des Gehalts/<br />
der Zusammensetzung des Fettes)<br />
und somit andere Verarbeitungseigenschaften<br />
aufweist.<br />
Impfung gegen Ebergeruch<br />
Eine Mast von Ebern mit Impfung<br />
gegen Ebergeruch stellt die zweite<br />
derzeit verfügbar Alternative bei<br />
komplettem Verzicht auf die Kastration<br />
dar. Hierbei werden die unkastrierten<br />
Tiere 2x gegen Ebergeruch<br />
geimpft. Der Vorteil liegt dabei in der<br />
Tatsache, dass der unerwünschte<br />
Ebergeruch genauso effektiv kontrolliert<br />
wird wie mit einer chirurgischen<br />
Kastration. Daneben kommt es auch<br />
zu einer deutlichen Reduktion des<br />
unerwünschten Eberverhaltens nach<br />
der zweiten Impfung, d. h. gerade die<br />
kritischen Phase des Endmastbereiches<br />
wird hier abgedeckt. Die Impfung<br />
basiert hierbei auf folgendem<br />
Prinzip: Ein Analogon des natürlichen<br />
GnRF, welches in seiner Struktur<br />
so verändert ist, dass es nicht<br />
mehr an körpereigene Rezeptoren<br />
binden kann (und damit keinerlei<br />
Hormonwirkung hat), wird an ein<br />
stark immunogenes Trägerprotein<br />
gekoppelt wodurch das Immunsystem<br />
auch das GnRF Analogon als<br />
„fremd“ erkennt und eine Immunreaktion<br />
dagegen in Gang gesetzt wird.<br />
Bei der erstmaligen Impfung erfolgt<br />
dabei (wie auch von anderen Impfstoffen<br />
bekannt) ein sog. „Priming“<br />
des Immunsystems, d. h. es werden<br />
zunächst nur wenige Antikörper<br />
gebildet, dafür aber Gedächtniszellen<br />
welche auf einen erneuten Kontakt<br />
mit dem Antigen schnell reagieren<br />
können. Genau dies passiert nach<br />
der zweiten Applikation des Impfstoffs.<br />
Hier kommt es zu einer Bildung<br />
von Antikörpern, welche das<br />
<strong>Schweine</strong>-<strong>Welt</strong> - <strong>Dezember</strong> <strong>2015</strong>