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VANGARDIST MAGAZINE - Issue 57 - The Fat Issue

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früheren Schuldgefühlen befreien konnten, auf dem<br />

Weg dahin aber auch ein wenig das Lustprinzip aus<br />

den Augen verloren haben. Stattdessen fungiert Sex<br />

für uns heute vor allem als Mittel zur narzisstischen<br />

Unterscheidung. Er ist aufs innigste mit unserem<br />

Drang zur Selbstoptimierung und Selbstdarstellung<br />

verbunden. Es zählt nicht so sehr was geil macht,<br />

sondern was gut auf Instagram aussieht. Und das ist<br />

schade. Wer die ganze Zeit nur daran denkt, wie er<br />

beim Vögeln aussieht, hat eines sicher nicht: Guten<br />

Sex. Die Voraussetzung dafür ist nämlich das genaue<br />

Gegenteil von permanenter Selbstkontrolle. Klar ist<br />

aber auch, dass man sich nur gehen lassen kann,<br />

wenn man nicht verunsichert ist. Und da beißt sich<br />

die Schlange in den Schwanz. Ohne Selbstsicherheit<br />

gibt es keine Sexyness. Und wenn man nicht der<br />

Norm entspricht, ist es verdammt schwer, das nötige<br />

Vertrauen in die eigene Erscheinung zu entwickeln.<br />

Schönheit ist nicht zeitlos<br />

Die gute Nachricht ist aber: Der ganze Fitnesswahnsinn<br />

ist nur eine Konvention. Und die kann man brechen.<br />

Was als schön gilt und was nicht, ist seit jeher<br />

starken Veränderungen unterworfen. Man muss sich<br />

ja nur einmal die Pornographie vergangener Epochen<br />

anschauen um zu sehen, dass der schlanke Körper<br />

kein zeitloses Kriterium für Hotness ist. Vor nicht<br />

allzu langer Zeit war die Sache sogar umgekehrt.<br />

Wer nix auf den Rippen hatte, galt als eher unsexy.<br />

Wir haben das einfach nur verdrängt, weil es nicht<br />

mehr in unsere Zeit gepasst hat. Das geht so weit,<br />

dass wir uns wundern, was das Wörtchen<br />

Geil in Omas Lieblingskonditorei<br />

verloren hat. Dabei ist es schlicht und<br />

ergreifend ein etwas veraltetes Wort<br />

für Fett. Die Tatsache, dass wir es nach<br />

wie vor zur Benennung des äußersten<br />

sexuellen Erregungszustandes und der<br />

gesteigerten Attraktivität eines Objekts<br />

der Begierde gebrauchen, sollte<br />

uns zu denken geben.<br />

Ein Körper ist nur<br />

ein Stück Fleisch<br />

Im Übrigen ist Sex kein Sport und Attraktivität<br />

demnach nichts, was man<br />

physisch messen oder benennen kann.<br />

Ein Körper allein ist – auch wenn es nur<br />

um einen schnellen Fick geht – nichts<br />

weiter als ein Stück Fleisch. Wenn man<br />

nicht gerade zur verschwindend kleinen<br />

Gruppe jener gehört, die es lieber mit<br />

den Toten halten, ist der Grund für unser<br />

sexuelles Interesse einer Mischung<br />

aus Physis, Ausstrahlung und Charakter<br />

geschuldet. Nach einer Statistik<br />

von „match.com“ – einer der weltweit<br />

größten Datingseiten – ist für 90% aller<br />

Schwulen und 87% aller Hetero-Männer<br />

die physische Attraktivität eines<br />

potenziellen Partners wichtig. Erstaunlicherweise<br />

ist damit nicht unbedingt

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