W+M Regional Sachsen-Anhalt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Interview <strong>W+M</strong> <strong>Regional</strong> |<br />
11<br />
Foto: <strong>W+M</strong><br />
Hartmut Möllring: Die Chemie hat hier eine<br />
große Zukunft vor sich. Es ist natürlich von<br />
Vorteil, dass in Leuna das gesamte russische<br />
Öl ankommt. Solange wir noch nicht<br />
mit Sonnenstrom Auto fahren und unsere<br />
Häuser weiter mit Öl heizen, werden Erdölprodukte<br />
stark nachgefragt sein. In der<br />
Chemie entwickelt sich ständig Neues. Inzwischen<br />
ist man dabei, aus Holz – also<br />
nicht aus fossilen, sondern aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen – chemische Produkte<br />
zu generieren. Da Chemie seit Generationen<br />
zu unserer Region gehört, gibt es dafür<br />
auch eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung.<br />
Darauf lässt sich aufbauen.<br />
<strong>W+M</strong>: Auch beim Maschinen- und Anlagenbau<br />
setzen die Unternehmen Ihres Landes<br />
Akzente. Auf welche Entwicklungen in diesem<br />
Bereich sind Sie besonders stolz?<br />
Hartmut Möllring: Magdeburg war schon<br />
vor der DDR-Zeit führend im Maschinenbau.<br />
Und dank der engen Kooperation mit<br />
der Otto-von-Guericke-Universität haben<br />
wir auf diesem Gebiet auch heute etliche<br />
Weltmarktführer.<br />
<strong>W+M</strong>: Gibt es ein Unternehmen aus dem Maschinen-<br />
und Anlagenbau, das Sie an dieser<br />
Stelle besonders hervorheben möchten?<br />
Hartmut Möllring: Nehmen wir nur die<br />
Firma Laempe Mössner Sinto in Barleben<br />
[Anm. d. Red.: siehe Seite 17]. Die ist Weltmarktführer<br />
im Bereich Kernschießmaschinen.<br />
Diese Anlagen werden unter anderem<br />
für die Herstellung von Fahrzeugteilen benötigt.<br />
Von diesen hochspezialisierten Firmen<br />
haben wir eine ganze Reihe in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong>.<br />
<strong>W+M</strong>: Welche Branchen sind – neben den<br />
bereits erwähnten – für <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
besonders zukunftsorientiert?<br />
Hartmut Möllring: Die Ernährungswirtschaft<br />
zählt zu unseren starken Branchen<br />
mit langer Tradition. In der Magdeburger<br />
Börde haben wir die fruchtbarsten Böden<br />
Deutschlands. Wir haben Viehzucht<br />
mit modernen Zerlegebetrieben, die einen<br />
großen Anteil ihrer Produkte<br />
exportieren. Es gibt wichtige<br />
Weiterverarbeitungsbetriebe<br />
für Getreide und Zucker.<br />
Beispielsweise sind alle drei<br />
Konzerne, die sich den deutschen<br />
Zuckermarkt teilen, bei<br />
uns vertreten. Oder Großbäckereien,<br />
die Discounter über<br />
Deutschland hinaus mit Pizzen,<br />
Brötchen und sonstigen<br />
Backprodukten beliefern. Wir<br />
sind so etwas wie der Backofen<br />
Deutschlands.<br />
<strong>W+M</strong>: Bringen Sie es doch bitte<br />
noch einmal auf den Punkt.<br />
Wofür steht <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
heute?<br />
Hartmut Möllring: Der Süden<br />
um Halle, Leuna und Bitterfeld<br />
steht für Chemie. Magdeburg<br />
für Maschinenbau und<br />
zunehmend für Medizintechnik.<br />
Wir haben hier den Forschungscampus<br />
STIMULATE,<br />
auf dem Ingenieure und Ärzte – und zwar<br />
in dieser Reihenfolge – gemeinsam an bildgesteuerten<br />
minimalinvasiven Operationsverfahren<br />
arbeiten. Da sind neben Siemens<br />
auch viele kleine heimische Firmen beteiligt.<br />
<strong>W+M</strong>: Der Mittelstand in <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> ist<br />
sehr kleinteilig und daher limitiert, was die<br />
eigene Forschung und Entwicklung betrifft.<br />
Schildern Sie uns doch bitte, wie es in Ihrem<br />
Land dennoch gelingt, Mittelstand und<br />
Forschungsexzellenz zusammenzubringen?<br />
Minister Möllring im Gespräch mit <strong>W+M</strong>-Herausgeber Frank<br />
Nehring (l.) und Chefredakteur Karsten Hintzmann (r.).<br />
Hartmut Möllring: Das sind dicke Bretter,<br />
die jeden Tag neu gebohrt werden müssen.<br />
Wir haben seit zehn Jahren das KAT<br />
– das Kompetenznetzwerk für Angewandte<br />
und Transferorientierte Forschung. Das<br />
bedeutet in der Praxis: Ein Unternehmer<br />
kann sich direkt an Beauftragte von Forschungsinstitutionen<br />
wenden. Dabei wird<br />
dann ermittelt, welches Institut bei der<br />
Lösung eines konkreten Problems eingeschaltet<br />
werden kann. Das ist eine wirkliche<br />
Erfolgsgeschichte. Hier kooperieren<br />
nicht nur mittelständische Industrieunternehmen<br />
mit Forschungseinrichtungen, sondern<br />
auch viele Handwerksbetriebe nutzen<br />
wissenschaftliches Know-how.<br />
Ein weiteres Beispiel: Wir haben inzwischen<br />
rund 1.000 Transfergutscheine vergeben.<br />
Damit unterstützen wir Studenten, wenn<br />
sie eine Abschlussarbeit in einem Unternehmen<br />
schreiben. Daraus entstehen Arbeitsverhältnisse<br />
und die jungen Akademiker bekommen<br />
dadurch in mittelständischen Firmen<br />
oft früh die Chance, Führungsverantwortung<br />
zu übernehmen.<br />
<strong>W+M</strong>: Welche Pläne und Ziele hat der<br />
Mensch und Politiker Hartmut Möllring für<br />
die Zeit nach der nahen Landtagswahl?<br />
Hartmut Möllring: Ich habe – offen gesagt<br />
– noch keine Pläne, weil niemand weiß, wie<br />
die Wahl ausgehen wird. Wir schauen mal.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
und Frank Nehring<br />
www.WundM.info