einigkeit 06/15
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TARIFPOLITIK<br />
damals Geschäftsführer der NGG-<br />
Region Düsseldorf-Wuppertal:<br />
„Diese Tarifflucht des Arbeitgebers<br />
war für uns der Anlass, einen Arbeitskampf<br />
mit flexibler Streiktaktik<br />
zu führen, also raus und wieder<br />
rein in den Betrieb. Übrigens war<br />
das das erste Mal bei NGG. Das<br />
war die Lehre, die wir 2005 aus<br />
dem mit sechs Monaten längsten<br />
NGG-Streik beim Flughafencaterer<br />
Gate Gourmet gezogen haben:<br />
Mit einem unbefristeten Streik<br />
ist es nicht getan, weil dann der<br />
Arbeitgeber Streikende durch<br />
Leiharbeitskräfte ersetzen kann.<br />
Unser Ziel war es, die größtmögliche<br />
Wirkung zu erzielen.“ Der<br />
Arbeitskampf dauerte 14 Wochen,<br />
und die Streiks versetzten dem<br />
Unternehmen immer wieder Nadelstiche,<br />
auf die es sich nicht einstellen<br />
konnte. Die Medien wurden auf die<br />
Auseinandersetzung aufmerksam, und die<br />
bundesweite Solidarität war groß. Selbst der<br />
Rat der Stadt Düsseldorf beschäftigte sich<br />
mit dem Arbeitskampf. Unter dem ständig<br />
steigenden Druck auf den Suppenhersteller<br />
wurden schließlich die Gültigkeit des Manteltarifvertrages<br />
ohne Abstriche und die<br />
Anhebung der Löhne und Gehälter in zwei<br />
Stufen vereinbart.<br />
2012: 14 Wochen kämpften die Beschäftigten des Suppen- und Fertiggerichtherstellers Zamek gegen die Tarifflucht ihres Arbeitgebers.<br />
Flashmob<br />
Eine völlig neue Form des Arbeitskampfes<br />
oder Widerstandes kam im Oktober 2013<br />
im Bäckerhandwerk Ost zum Einsatz: ein<br />
so genannter Flashmob oder wie der Duden<br />
es formuliert: eine „kurze, überraschende<br />
öffentliche Aktion einer größeren Menschenmenge,<br />
die sich anonym, per moderner<br />
Telekommunikation dazu verabredet hat“.<br />
„Bewaffnet“ mit bunten Regenschirmen<br />
forderten damals Beschäftigte aus Berliner<br />
und Brandenburger Bäckereien kurz vor<br />
der nächsten Tarifverhandlung „Gutes Brot<br />
braucht gute Löhne“, also mindestens 8,50<br />
Euro pro Stunde für VerkäuferInnen in den<br />
Bäckereien und ein Lohnplus von sechs<br />
Prozent für die BäckerInnen. Birgit Weiland,<br />
Gewerkschaftssekretärin der NGG-Region<br />
Berlin-Brandenburg, erinnert sich: „Wir haben<br />
uns damals noch nicht über Facebook,<br />
sondern per Telefonkette und Email verabredet.<br />
Das war wirklich eine außergewöhnliche<br />
Aktion mit großem Publikumseffekt. Die<br />
Passanten konnten gar nicht glauben, dass<br />
die Arbeitgeber so wenig zahlen. Sie gingen<br />
davon aus, dass es bei Premiumware zu<br />
Premiumpreisen auch Premiumlöhne gäbe.<br />
Unsere Aktion war ein Erfolg: Eine Verkäuferin<br />
verdient jetzt zwischen 8,50 Euro und<br />
9,32 Euro die Stunde.“<br />
Variable auf Standorte abgestimmte<br />
Streiktaktik<br />
Wenn es um besondere Streiks bei NGG<br />
geht, ist sicherlich auch der fünfmonatige<br />
Arbeitskampf beim Autobahnraststättenbetreiber<br />
Autogrill in Bayern und Thüringen<br />
im Jahr 2014 zu nennen. Guido Zeitler,<br />
NGG-Referatsleiter Hotel- und Gaststättengewerbe:<br />
„Besonders war zum einen, dass<br />
die Auseinandersetzung bei einem bundesweit<br />
agierenden Unternehmen lediglich<br />
in zwei Bundesländern stattfand. Das hat<br />
Foto: NGG<br />
Foto: NGG<br />
2013: Flashmob vor dem Brandenburger Tor in Berlin für gute Löhne im Bäckerhandwerk Ost.<br />
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