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Jugendliche Gewalttäter zwischen Jugendhilfe- und krimineller Karriere

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Kapitel 2<br />

Forschungsstand<br />

Um Genaueres über die Delinquenzverläufe <strong>Jugendliche</strong>r zu erfahren, wird<br />

oft auf qualitative Untersuchungsmethoden zurückgegriffen, die bereits durch<br />

delinquentes Verhalten aufgefallene <strong>Jugendliche</strong> in den Blick nehmen. In Interviewstudien<br />

mit jugendlichen Strafgefangenen <strong>und</strong> Analysen ihrer (Straf-)<br />

Akten werden sowohl Ursachen für den Beginn <strong>und</strong> das Aufrechterhalten einer<br />

kriminellen <strong>Karriere</strong> als auch seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt Ursachen<br />

für den Abbruch <strong>krimineller</strong> <strong>Karriere</strong>n 9 erforscht (vgl. beispielsweise Stelly/Thomas<br />

2004; Ohder, 2007, 2011; Ohder/Huck 2006).<br />

In Bezug auf die Ursachen wird in den meisten Studien auf Multiproblemlagen<br />

der <strong>Jugendliche</strong>n verwiesen. In der Berliner Intensivtäterstudie (Ohder<br />

2007, 2011; Ohder/Huck 2006) wurden sogenannte Intensivtäterdateien der<br />

Berliner Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Schülerakten ausgewertet sowie Interviews mit<br />

Intensivtätern 10 in Haft <strong>und</strong> Jugendstrafvollzugspersonal geführt, um die Lebensumstände<br />

dieser <strong>Jugendliche</strong>n zu erhellen <strong>und</strong> die justiziellen Reaktionen<br />

auf deren kriminelle <strong>Karriere</strong>n nachzuzeichnen: Schwere Jugendkriminalität<br />

geht mit Problemen wie sozialer Exklusion, Schulversagen <strong>und</strong> riskantem Verhalten<br />

in der Adoleszenz einher, die Zielgruppe der Intensivtäter weist eine<br />

Vielzahl von Problemen im psychosozialen Bereich auf (instabile Familienverhältnisse,<br />

problematische Schullaufbahnen, eine an der Subkultur orientierte<br />

Freizeitgestaltung, Drogenkonsum <strong>und</strong> Inanspruchnahme der <strong>Jugendhilfe</strong>) <strong>und</strong><br />

kann kaum von protektiven Faktoren profitieren.<br />

Enzmann/Greve (2001) haben im Rahmen des Projekts „Gefängnis <strong>und</strong> die<br />

Folgen“ ausgewählte soziodemografische <strong>und</strong> situationale Merkmale der Lebenssituation<br />

jugendlicher <strong>und</strong> heranwachsender Strafgefangener in fünf norddeutschen<br />

Jugendstrafanstalten im Zeitraum von 1998 bis 2000 untersucht. Sie<br />

kamen zu dem Ergebnis, dass die Population im Jugendstrafvollzug stark sozial<br />

benachteiligt ist <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende Entwicklungs- <strong>und</strong> Sozialisationsdefizite<br />

aufweist, wobei einige dieser Faktoren eher als Folge <strong>und</strong> andere als Ursache<br />

der Jugendstrafe angesehen werden können. Insgesamt stellen sie fest, dass der<br />

Großteil der Inhaftierten aus strukturell unvollständigen Familien kommt, circa<br />

ein Drittel zumindest vorübergehend in einem Heim untergebracht war <strong>und</strong><br />

viele der Insassen mindestens ein Elternteil verloren haben. Die Häufigkeit<br />

von Gewalterfahrungen <strong>und</strong> Misshandlungen in der Kindheit ist in ihrem<br />

Sample überproportional hoch. Fast ein Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n gibt an, dass<br />

ein Elternteil vorbestraft ist <strong>und</strong> über ein Drittel berichtet von Suchtabhängigkeiten<br />

im Elternhaus. Auch die Inhaftierten selbst zeigen eine erhöhte Suchtproblematik.<br />

Die ungünstigen sozialen Faktoren beeinflussen auch die schulische<br />

beziehungsweise die berufliche Ausbildung: Circa die Hälfte der Inhaftierten<br />

haben keinen Schulabschluss, noch weniger verfügen über einen<br />

Berufsabschluss <strong>und</strong> über 50 % der Inhaftierten waren vor Haftantritt arbeitslos.<br />

9 Die sogenannte Desistance-Forschung (vgl. Hofinger 2012).<br />

10 Die Klassifizierung der <strong>Jugendliche</strong>n als Intensivtäter erfolgt durch die Staatsanwaltschaft.<br />

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