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Jugendliche Gewalttäter zwischen Jugendhilfe- und krimineller Karriere

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Kapitel 4<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt ist festzustellen, dass sowohl Talib selbst sich die Schuld am<br />

Scheitern der Maßnahmen <strong>und</strong> der Fortführung des delinquenten Handelns<br />

gibt als auch dass die Fachkräfte die Verantwortung bei dem <strong>Jugendliche</strong>n sehen.<br />

Sie betonen, dass Talib nicht erreichbar war, sich in den Maßnahmen<br />

nicht einleben <strong>und</strong> Hilfe nicht annehmen konnte. Talib hat diese Sichtweise in<br />

sein Selbstbild übernommen. Er betont sowohl in Hinblick auf die Straftaten<br />

<strong>und</strong> auf den Drogenkonsum als auch auf die gescheiterten Interventionen seitens<br />

der <strong>Jugendhilfe</strong>, dass er die Verantwortung trägt, da er „diesen Weg gewählt“<br />

hat. Auch das gute Verhältnis zu Frau C. vom Schulprojekt <strong>und</strong> dem sich im<br />

Hilfeverlauf verbessernden Verhältnis zu der JGH Frau A. haben nicht ausgereicht,<br />

um die delinquente Laufbahn Talibs zu unterbrechen. Denn die <strong>Jugendhilfe</strong><br />

steht im Fall von Talib auch immer in Konkurrenz zu Peer-Group<br />

<strong>und</strong> Familie, die andere Interessen haben <strong>und</strong> oft schneller in der Lage sind,<br />

Vertrauen aufzubauen <strong>und</strong> Entscheidungen zu treffen, vor allem wenn die<br />

<strong>Jugendhilfe</strong> sich zu schnell nicht mehr zuständig fühlt <strong>und</strong> die Maßnahmen<br />

nicht zu greifen scheinen, wie es bei Talib häufig der Fall war.<br />

4.3.1.2 „Der Fall Lenni“ 43<br />

Das Interview mit dem 17 Jahre alten Lenni fand im Frühsommer 2012 in einer<br />

Jugendstrafanstalt statt, in der er eine ein Jahr <strong>und</strong> sechs Monate lange<br />

Jugendstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl, Hehlerei, Sachbeschädigung<br />

<strong>und</strong> Nötigung verbüßen musste. Mit angerechneter Untersuchungshaft,<br />

die er zum Teil in einer Strafanstalt <strong>und</strong> zum Teil in einer Einrichtung<br />

der Untersuchungshaftvermeidung verbracht hat, musste er zum Zeitpunkt<br />

des Interviews noch acht Monate der Jugendstrafe verbüßen. Zwischen<br />

der Haupttat <strong>und</strong> der Verhandlung lagen zweieinhalb Jahre, in denen er neben<br />

dem Aufenthalt in der Untersuchungshaft <strong>und</strong> in der Untersuchungshaftvermeidung<br />

über eineinhalb Jahre nicht institutionell untergebracht war. Zur Zeit<br />

der Interviews mit den Fachkräften im Spätsommer 2013 gab es bereits einen<br />

erneuten Hauptverhandlungstermin wegen Sachbeschädigung mit einem Sachschaden<br />

von über 1.500€ <strong>und</strong> Erschleichens von Leistungen. Die seit Ende<br />

2011 zuständige Fachkraft der JGH ging davon aus, dass Lenni erneut im Jugendstrafvollzug<br />

untergebracht werden wird.<br />

Lenni ist Ende 1994 in einer sächsischen Mittelstadt geboren, wächst bis zu<br />

seinem sechsten Lebensjahr bei seinen Urgroßeltern auf <strong>und</strong> zieht dann zu<br />

seiner Mutter bis sie ihn mit neun Jahren in ein Heim gibt. Daran schließen<br />

sich Stationen von Heim- <strong>und</strong> Wohngruppen-Unterbringungen, Psychiatrie-<br />

43 Die Fallbeschreibung wurde auf der Datenbasis der Interviews mit dem <strong>Jugendliche</strong>n „Lenni“<br />

(Name geändert), mit Frau G. <strong>und</strong> Herrn H. von der JGH, mit Frau E. <strong>und</strong> Frau F. vom ASD <strong>und</strong><br />

mit Herrn I. vom Freien Träger (Schulsozialarbeit) sowie der Akte der JGH <strong>und</strong> der Akte des ASD<br />

verfasst. Wenn es nicht anders gekennzeichnet ist, sind die Zitate aus dem Interview mit dem J u-<br />

gendlichen entnommen. Zur Veranschaulichung befindet sich der Zeitstrahl der Perspektive der<br />

JGH im Anhang (vgl. Abbildung 4: Zeitstrahl JGH-Perspektive, Fallbeispiel Lenni, Seite 102).<br />

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