Jugendliche Gewalttäter zwischen Jugendhilfe- und krimineller Karriere
AST_Abschlussbericht_Gewalttaeter
AST_Abschlussbericht_Gewalttaeter
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kapitel 4<br />
Ergebnisse<br />
Probleme werden häufig schon in der Schule sichtbar – vor allem der Übergang<br />
in die weiterführende Schule erweist sich als schwierig<br />
Neben der Straffälligkeit, die bei den vier <strong>Jugendliche</strong>n Orhan, Said, Talib <strong>und</strong><br />
Murat etwa ab dem Alter von 12 bis 14 Jahren begonnen hat, haben sie zur<br />
gleichen Zeit auch Probleme in der Schule bekommen. Sie kommen alle aus<br />
einem B<strong>und</strong>esland, in dem der Übergang von der Gr<strong>und</strong>schule in die weiterführende<br />
Schule nach der sechsten Klasse, also mit zwölf oder dreizehn Jahren<br />
stattfindet, was entwicklungspsychologisch als eine besonders sensible Phase<br />
angesehen werden kann. Der Übergang in die neue Schule war für diese Fälle<br />
ein besonderer Bruch, der mit umfangreichen Schulversäumnissen <strong>und</strong> auffälligem<br />
Sozialverhalten bis zur Begehung von (Gewalt-)Straftaten in der Schule<br />
einhergegangen ist.<br />
Fast alle befragten <strong>Jugendliche</strong>n aus dem oben genannten B<strong>und</strong>esland berichten<br />
davon, dass der Übergang von der Gr<strong>und</strong>schule in die weiterführende<br />
Schule problematisch war, viele sehen ihn sogar als Zäsur <strong>zwischen</strong> einer<br />
„normalen“ Kindheit <strong>und</strong> einer „delinquenten“ Jugend an, was folgende Zitate<br />
verdeutlichen.<br />
„Oberschule war schon zu spät, da wurde ich schon kriminell.“ (Talib)<br />
„…in der Oberschule. Da hat´s angefangen mit Schule schwänzen erst mal.“ (Murat) 60<br />
Das folgenden Zitat von Murat zeigt, dass der Übergang von der Gr<strong>und</strong>schule<br />
in die weiterführende Schule in seinem Fall problematisch war, außerdem wird<br />
deutlich, wie die Schule auf Probleme reagiert. Die Eltern werden nur in<br />
schriftlicher Form informiert <strong>und</strong> es wird nicht überprüft, ob sie dadurch tatsächlich<br />
erreicht werden. De facto hat kein Kontakt mit den Eltern stattgef<strong>und</strong>en,<br />
denn Murat hat alle Kontaktversuche der Schule verhindert. Eindrücklich<br />
beschreibt er im folgenden Zitat sein konsequentes Vorgehen diesbezüglich.<br />
„Ich war eigentlich auch ein Fuchs, wenn ich früher von der Schule rausgegangen bin, hab ich<br />
vom Telefon Kabel rausgezogen. Dass wenn ich nicht zur Schule geh, die nicht anrufen können,<br />
heißt ja auch, dass meine Mutter es nicht mitbekommt. Weil meine Mutter steht auf, zieht<br />
meine kleine Schwester an, bringt die zur Schule, dann kommt sie wieder, dann macht sie die<br />
Wohnung sauber, hin oder her <strong>und</strong> danach geht sie wieder raus, meine Schwester abholen. Und<br />
meine Mutter geht immer sehr spät schlafen <strong>und</strong> steht sehr früh auf, <strong>und</strong> in der Zeit, wenn<br />
meine Mutter, meine Schwester in der Schule ist, wenn sie nicht raus muss, wenn sie allein ist,<br />
macht sie Mittagsschlaf. Dann hab ich immer diesen Kabel rausgezogen <strong>und</strong> dann war okay.<br />
Es hat funktioniert. Dann bin ich gegen 11 Uhr, 12 Uhr noch mal nach Hause gekommen,<br />
60 Auch die <strong>Jugendliche</strong>n, die nicht in die Fallauswahl aufgenommen wurden, berichten von Problemen<br />
beim Übergang in die weiterführende Schule, wie hier an zwei Beispielen illustriert wird.<br />
„Dann bin ich zur Oberschule, in die Oberschule gekommen <strong>und</strong> da hat eigentlich die Krimin alität<br />
angefangen. Da hat’s angefangen.“ (Jussuf).<br />
„Und […] so ist das ungefähr entstanden mit diesen ganzen Straftaten dann, dann war ich Obe r-<br />
schule, also 7. Klasse war ich da.“ (Kahil).<br />
67