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Jugendliche Gewalttäter zwischen Jugendhilfe- und krimineller Karriere

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Kapitel 4<br />

Ergebnisse<br />

arabischsprachige Familienhilfe. Im weiteren Hilfeverlauf erfolgt eine familienrechtliche<br />

Anhörung, um einen Sorgerechtsentzug zu klären. Bei der Anhörung<br />

(Ende 2009) wird zunächst entschieden, dass die Eltern Talib auf einer<br />

Schule beziehungsweise einem Internat anmelden <strong>und</strong> für einen regelmäßigen<br />

Schulbesuch sorgen müssen, um ein Verfahren zum Sorgerechtsentzug zu verhindern.<br />

Obwohl Talib weiterhin nicht regelmäßig die Schule besucht, kommt<br />

es jedoch nicht zu einem tatsächlichen Sorgerechtsentzug. Das Familiengericht<br />

wird zu späteren Zeitpunkten noch zwei weitere Male eingeschaltet (Anfang<br />

2011 <strong>und</strong> Anfang 2013), aber letztendlich wird das Sorgerecht nicht entzogen.<br />

„Da hat sie immer versucht, von meiner Mutter <strong>und</strong> meinem Vater das Sorgerecht<br />

zu entziehen, <strong>und</strong> da hab ich erst mal gar nicht mehr das Jugendamt<br />

vertraut, egal, was die gesagt haben. Termine <strong>und</strong> so, bin ich nicht hingegangen.“<br />

Talib beschreibt im Interview sein fehlendes Vertrauen in das Jugendamt. Für<br />

ihn stellt es eine strafende Kontrollinstanz dar. Auch der Vater hat kein Vertrauen<br />

zum Jugendamt <strong>und</strong> ist insgesamt misstrauisch gegenüber Ämtern, der<br />

Polizei sowie der Justiz. Von Seiten der Jugendgerichtshilfe (JGH) wird das<br />

Verhältnis <strong>zwischen</strong> dem Regionalen Sozialen Dienst (RSD) <strong>und</strong> der Familie<br />

als sehr angespannt beschrieben, wodurch eine konstruktive Zusammenarbeit<br />

kaum möglich war. Dies zeigt sich im weiteren Hilfeverlauf immer wieder.<br />

„… <strong>und</strong> die Kollegen, die vorher die Familie betreut haben, der [Vater] war auch ihnen<br />

gegenüber sehr aggressiv, also das war nur noch, also von allen Seiten eine schlechte Stimmung.<br />

[…] aber meine Kollegin war auch aggressiv, das klang durch <strong>und</strong> das war dann für uns<br />

schwierig, bei denen, ähm, so'n neutralen Boden zu, zu schaffen, neutrale Atmosphäre zu<br />

schaffen.“ (JGH-Fachkraft)<br />

Der Vater 36 gibt den Institutionen die Schuld an der Entwicklung seines Sohnes.<br />

Aus seiner Sicht wurde Talib bereits in der Gr<strong>und</strong>schule stigmatisiert <strong>und</strong><br />

diskriminiert. Auch die <strong>Jugendhilfe</strong>, die Polizei <strong>und</strong> die Justiz macht er hier<br />

verantwortlich, während er sich <strong>und</strong> seiner Familie hingegen kein Fehlverhalten<br />

eingesteht. Talib thematisiert in den Interviews eine fehlende Vertrauensbasis<br />

aufgr<strong>und</strong> von Schuldzuweisungen <strong>und</strong> Respektlosigkeit seinen Eltern<br />

gegenüber. Auch verschiedene Wechsel der zuständigen Fachkräfte erschweren<br />

den Zugang zu Talib.<br />

„Weil das ist eklig, wenn ich lern diese Frau kennen, sie lernt mich kennen <strong>und</strong> dann ist sie auf<br />

einmal weg.“ (Talib)<br />

36 Mit dem Vater wurde ein Gespräch geführt, dass leider nicht aufgezeichnet <strong>und</strong> transkribiert<br />

werden konnte, da der Vater aus Misstrauen gegenüber der Forschung dafür nicht sein Einverständnis<br />

gab. Als Gr<strong>und</strong>lage dient hier ein Gedächtnisprotokoll des Gesprächs, dem der Vater<br />

zugestimmt hat.<br />

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