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MOTORRAD Classic 05/2016

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Außergewöhnlicher Härtetest:<br />

Als Ergänzung zum Vergleichstest<br />

mit der GT 750 wurde im<br />

April 1977 eine – bis auf die<br />

Ausstattung mit Halbschale,<br />

Stummellenker und Koni-<br />

Stoßdämpfern – serienmäßige<br />

Suzuki GS 750 von der<br />

<strong>MOTORRAD</strong>-Mannschaft 1000<br />

Kilometer mit Vollgas durch<br />

das Oval des Contidroms<br />

gedroschen. Eine gnadenlose<br />

Materialprüfung mit einer<br />

Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

von 195,4 km/h. Die absolvierte<br />

Suzukis erster Viertakt-Vierzylinder<br />

jedoch mit Bravour,<br />

wie die anschließende Zerlegung<br />

des Motors ergab<br />

WISSENSWERTES ÜBER DIE SUZUKI GS 750<br />

Die Suzuki GS 750 kam 1976 als<br />

ausgereiftes und zuverlässiges<br />

Motorrad auf den Markt. Die wenigen<br />

Kinderkrankheiten, wie undichte<br />

Ansaugstutzen oder ölende Kopfdichtungen,<br />

wurden damals auf dem<br />

Garantieweg beseitigt. Ab und an<br />

gab es noch Probleme mit Ölabstreif<br />

ringen, die Spannung verloren,<br />

und zu weichen Ventilführungen.<br />

Tipps für den GS 750-Kauf<br />

Die meisten GS 750 weisen einen<br />

sehr hohen Kilometerstand auf, der<br />

normalerweise aber keine Probleme<br />

mit sich bringt. Kurbeltrieb und<br />

Getriebe, das direkt von der GT 750<br />

abstammt, gelten als fast unzerstörbar.<br />

Bei Bedarf sind Ventile und<br />

Führungen problemlos verfügbar,<br />

ebenso Kolben im ersten Übermaß.<br />

Nicht jedoch solche im zweiten<br />

Übermaß. Alternativ kann man<br />

jedoch auf Zylinder, Kolben und Kopf<br />

der GS 850 umsteigen – das bringt<br />

sogar rund 15 PS mehr! Bei Motoren<br />

von 1976 bis 1978 sind geringe<br />

Nacharbeiten am Kurbelgehäuse<br />

erforderlich, der Umbau ist im Internet<br />

dokumentiert. Ein bei allen GS<br />

verbreitetes Problem sind undichte<br />

Wellendichtringe, oft am Steuerkettenspanner<br />

oder gelegentlich an der<br />

Zündanlage. Alle Wellendichtringe<br />

können jedoch ohne Demontage des<br />

Motors von außen gewechselt werden.<br />

Die Umrüstung auf die kontaktlose<br />

Zündung der späteren GS/GSX-<br />

Modelle ist einfach und empfehlenswert,<br />

da die Qualität der Unterbrecherkontakte<br />

stark nachgelassen<br />

hat. Verschleißteile sind noch gut<br />

verfügbar. Es gab vier verschiedene<br />

Vergaser, Kennzeichnungen 45011,<br />

45012, 45013 und 45060 mit unterschiedlicher<br />

Düsenbestückung.<br />

Diese daher nicht untereinander<br />

mischen! Rost ist speziell an der<br />

originalen Auspuffanlage ein Thema.<br />

An der Austrittsöffnung steht immer<br />

Wasser, wenn die Maschine nass<br />

wird, und die Unterseite rostet von<br />

innen nach außen durch. Die Auspuffanlage<br />

hat am Endstück eine<br />

kleine Belüftungsbohrung und am<br />

tiefsten Punkt eine Entwässerungsbohrung<br />

zwischen Krümmer und<br />

Endtopf, beide sollten frei sein. Bei<br />

intaktem Originalauspuff gelegentlich<br />

über die Belüftungsbohrung die<br />

An­lage mit Kriechöl fluten, bis es<br />

am tiefsten Punkt wieder austritt.<br />

Kondenswasser wird so ebenfalls<br />

ausgespült.<br />

Auch der ab Werk nicht grundierte<br />

Rahmen hat mehrere neuralgische<br />

Stellen. So kann die rechte Rahmenverstärkung,<br />

die Motor und Schwinge<br />

trägt, sogar von innen nach<br />

außen durch rosten! Dies betrifft die<br />

Modelle ab 1978. Bei einzelnen<br />

Rahmen wurde das Knotenblech an<br />

der Oberseite nicht durchgeschweißt,<br />

daher kann hier Wasser<br />

eindringen. Insbesondere, wenn<br />

­ohne Luftfilterkasten gefahren wird,<br />

der die Stelle abdeckt. Morsche<br />

Rahmenrohre können zudem Ursache<br />

bei unerklärlichem Spiel der<br />

Schwinge sein. Weiter darauf achten,<br />

dass die beiden M8-Gewinde<br />

der Rahmen-Querstrebe unterm<br />

Lenkkopf verschlossen sind, sonst<br />

dringt hier bei Regenfahrten Wasser<br />

in den Rahmen ein. Ein guter Indikator<br />

für das Vorleben einer GS 750 ist<br />

die verchromte Blende an der unteren<br />

Gabelbrücke, deren Innenseite<br />

ab Werk kaum konserviert wurde.<br />

Zeigt sich hier beim Blick mit dem<br />

Spiegel viel Rost, stand die Maschine<br />

oft feucht.<br />

Ansonsten ist das Fahrwerk problemlos,<br />

es kann auch mit moderneren<br />

Konstruktionen mithalten. Vielleicht<br />

ist ja was dran an dem Gerücht,<br />

dass Fritz Röth damals einen<br />

Moto Guzzi-Rahmen zur Ansicht<br />

nach Hamamatsu geschickt habe.<br />

Dennoch empfehlenswert: ein<br />

Umbau auf Kegelrollenlager im<br />

Lenkkopf und eine Überprüfung der<br />

Nadellager der Schwinge sowie die<br />

Umrüstung auf moderne Reifen und<br />

Federbeine. Achtung bei einem vergammelten<br />

Auspuff: Originale Anlagen<br />

gibt es nicht mehr. Und jeder<br />

Zubehörauspuff kostet Leistung,<br />

4-in-1-Anlagen erschweren den<br />

­Zugang zum Ölfilter. Die Sitzbank ist<br />

mit der GS 550 identisch. Problematisch<br />

sind hier weggerostete Grundplatten,<br />

die ab Werk nur mit einem<br />

Hauch von Lack versehen wurden.<br />

Es gibt heute Nachbauten, die qualitativ<br />

jedoch nicht an das Original<br />

heranreichen. Hochwertige Nachfertigungen<br />

der Sitzbankbezüge findet<br />

man dafür in Großbritannien. Identisch<br />

mit den GS 550-Teilen sind<br />

ebenfalls Tacho, Drehzahlmesser und<br />

Heckbürzel, sie sind gebraucht reichlich<br />

verfügbar. Das mit der GS 550<br />

identische vordere Schutzblech ist<br />

bei Suzuki sogar noch als Neuteil<br />

erhältlich. Auch Anlasser und Lichtmaschine<br />

entstammen dem GS-Baukasten,<br />

sie machen normalerweise<br />

keine Probleme. Kommen wir zu den<br />

Preisen: Hier zeigt sich, dass die<br />

Suzuki GS 750 zu den am meisten<br />

unterschätzten Motorrädern der<br />

70er-Jahre gehört, was sich insgesamt<br />

in einem Preisniveau bemerkbar<br />

macht, das noch lange nicht auf<br />

dem Level der damaligen Konkurrenz<br />

ist. Etwa 3600 GS wurden in<br />

Deutschland verkauft, ein guter Teil<br />

davon dürfte noch existieren. Gute<br />

originale Maschinen sind aber ausgesprochen<br />

selten. Es überwiegen<br />

wilde Umbauten, bei denen der<br />

Originalzustand nur schwer wieder<br />

herstellbar ist, da viele originale<br />

Anbauteile selbst gebraucht in<br />

­gutem Zustand kaum noch zu finden<br />

sind.<br />

Frank Lutz

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