Besser verkehren
16041214-VZ-09-96dpi
16041214-VZ-09-96dpi
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Was ist vordringlich?<br />
Zunächst einmal wurden vor Beginn der Projektbewertungen<br />
einige Projekte von einer erneuten Überprüfung<br />
ausgenommen, und zwar solche, die sich a) in Bau<br />
befinden – wo das natürlich Sinn macht, aber auch<br />
solche, die b) nur zugesagt waren (wie z.B. die meisten<br />
der 99 Projekte, die der Verkehrsminister 2014 und<br />
2015 jeweils nachträglich mal eben per Handstreich in<br />
den Straßenbauplan des Haushaltes eingestellt hat),<br />
oder gar c) solche, die man auf Grund eher windiger<br />
Begründungen wohl von einer erneuten Überprüfung<br />
ausnehmen wollte, wie die nächste Baustufe der A 100<br />
in Berlin. Diese sind jedenfalls alle gesetzt und sollen<br />
definitiv gebaut werden. Dadurch, dass sie nicht erneut<br />
überprüft wurden, liegen aber auch keine aktualisierten<br />
Kostenschätzungen und Nutzenberechnungen vor – die<br />
für die politische Arbeit immer hilfreich sind.<br />
Während bei Schiene und Wasser alles mehr oder<br />
weniger vordringlich, also bundesweit bedeutsam sein<br />
soll (S. 10), sind das bei Straßen nur ausgewählte Projekte.<br />
Besonders vordringlich sind dabei die mit VB-E<br />
gekennzeichneten Autobahn-Projekte, die der Engpassbeseitigung<br />
dienen. Wie die Karten auf den Seiten 17<br />
und 18 zeigen, liegen diese nicht im Osten, hier gibt es<br />
kein einziges neues VB-E Projekt. Das Volumen des<br />
VB-E umfasst insgesamt 19 Mrd. €, davon sind aber 5,5<br />
Mrd. € bei Projekten enthalten, die als laufend bezeichnet<br />
werden (S. 37). Positiv ist, dass eine Einstufung<br />
als VB-E kein Projekt erhalten hat, für das ein hohes<br />
naturschutzfachliches Risiko ermittelt wurde, weil<br />
dies als Ausschlusskriterium galt. Das gilt allerdings<br />
nicht für die im Folgenden dargestellten vordringlichen<br />
Bundesstraßenprojekte, hier wurde die entsprechende<br />
vorherige Zusage also nicht eingehalten. Die bundesweit<br />
bedeutsamen Bundesstraßen sind diejenigen, bei<br />
denen in der Spalte VFS eine 1 oder 0 steht (S. 36). VFS<br />
steht dabei für »Verbindungsfunktionsstufe«, das wird<br />
auf Seite 9 kurz erläutert. Das bedeutet im Umkehrschluss<br />
aber auch, dass das BMVI zugesteht, dass alle<br />
Bundesstraßen/Ortsumfahrungen ohne ein VFS eigentlich<br />
bundespolitisch ohne Bedeutung sind.<br />
Exkurs: Theoretisch könnte man sich anhand dieser<br />
Einteilung/Bewertung auch der bei der Diskussion um<br />
die Bundesfernstraßengesellschaft aufgekommenen<br />
Frage nach der Definition eines Bundesnetzes nähern,<br />
das auf keinen Fall alle Bundesstraßen beinhalten, aber<br />
auch nicht nur auf Autobahnen beschränkt sein sollte.<br />
Wie werden die Mittel im Straßenbau<br />
auf die Länder verteilt?<br />
Unabhängig davon, dass für uns als an einer sozialökologischen<br />
Verkehrswende interessierten es nicht<br />
gerade ein »Erfolg« ist, viele Straßenbaumittel zu<br />
bekommen, wird diese Frage der Mittelverteilung sicher<br />
im Zuge der Beratungen des BVWP eine größere Rolle<br />
spielen.<br />
Wie die Tabelle zeigt, gibt es im Vergleich zum BVWP<br />
2003 eine erhebliche Verschiebung der Projektvolumina<br />
in den Westen. Die West-Länder feiern das bereits<br />
entsprechend. Das lässt sich sicher z.T. damit erklären<br />
und rechtfertigen, dass es 2003 noch einen großen<br />
Nachholbedarf nach der Wiedervereinigung gab. Ob<br />
das Ausmaß der Verschiebung und die größte Kürzung<br />
ausgerechnet in Thüringen nicht auch einen politischen<br />
Hintergrund haben, mag ich noch nicht beurteilen. Der<br />
Verteilungskampf Ost-West, wie er mit den Regionalisierungsmitteln<br />
begann, geht jedenfalls damit vermutlich<br />
in eine weitere Runde.<br />
Dazu kommt, dass die Tabelle nur die halbe Wahrheit<br />
zeigt, die ganze ist »noch schlimmer«, zumindest aus<br />
Verteilungssicht. Denn »mindestens 80%« (S. 9) oder 75<br />
% (S. 14 und 36) der Straßenbaumittel sollen in die vorrangingen,<br />
überregional bedeutsamen Projekte fließen,<br />
also VB-E, Autobahnen im VB und die Bundesstraßen<br />
mit einer 1 oder 0 in der Spalte VFS. Für alle anderen<br />
Bundesstraßen bleiben als Restgröße 25% der Neu- und<br />
Ausbaumittel reserviert.<br />
Eigentlich müsste man pro Land alle VB-E, Autobahnprojekte<br />
und die Bundesstraßen mit VFS 0 und 1 addieren<br />
und schauen, wie sich diese dann auf die Länder verteilen,<br />
ob es hier größere Abweichungen zu den neuen<br />
Länderquoten gibt! Denn angesichts der geplanten Priorisierung<br />
von 75 oder 80% der Mittel könnte dies die Gewichte<br />
noch weiter zu Ungunsten des Ostens verschieben,<br />
wenn die Länder mit mehr vordringlichen Projekten<br />
auch tatsächlich mehr Geld bekommen, also ggfs. auch<br />
mehr als den ausgewiesenen Anteil (s. Tabelle).<br />
Wie will der Bund die Priorisierung durchsetzen<br />
und Bodewig II umsetzen?<br />
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Fernstraßengesellschaft<br />
zumindest für diese Legislaturperiode<br />
»tot« ist. Bislang ist es dem Bund aber nicht gelungen<br />
die Länder dazu zu bringen, die aus Bundessicht vorrangigen<br />
Projekte zu realisieren (siehe unsere Kleine<br />
Anfrage Bilanz BVWP 2003 Bundestagsdrucksache<br />
18/727: Projekte mit einem NKV < 3 wurden prozentual<br />
mehr realisiert als die mit NKV > 8!).<br />
Ohne eine Reform der Auftragsverwaltung aber wird sich<br />
daran wohl nicht viel ändern. Geht der Bund jetzt auf<br />
die Länder zu, um zumindest durch eine Umsetzung der<br />
Empfehlungen der Bodewig-II-Kommission mehr Einflussmöglichkeiten<br />
zu bekommen? Oder will der Bund über<br />
die Zuteilung der Mittel steuern? Oder bleibt alles beim<br />
Alten? Im Augenblick sieht es nach letzterem aus ...<br />
Wie geht’s weiter?<br />
Zunächst einmal gibt es eine Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
vom 21.März bis zum 2. Mai 2016. Die wird dann ausgewertet<br />
und anschließend wird der Plan evtl. etwas<br />
verändert, sowohl auf Basis der Stellungnahmen der<br />
Öffentlichkeitsbeteiligung als auch der der beteiligten<br />
Ressorts, insbesondere des Bundesumweltministeriums<br />
BMUB, das vorab gar nicht beteiligt war. Nicht einmal<br />
die Aussagen zu den Umweltauswirkungen und selbst<br />
der 252-Seiten umfassende Umweltbericht durfte das<br />
BMUB vor der Veröffentlichung sehen. Frau Ministerin<br />
Hendricks hat sich entsprechend per Brief echauffiert,<br />
was auch in der Presse seinen Niederklang fand.<br />
19