Besser verkehren
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Als im September 2015 der Abgasbetrug bei VW von<br />
den US-Behörden nachgewiesen wurde, schien die<br />
Empörung plötzlich groß. Verkehrsminister Dobrindt<br />
rief sogleich eine Untersuchungskommission ins Leben.<br />
Ergebnisse nach fast fünf Monate? Unbekannt. Immerhin<br />
wissen wir inzwischen (nachdem dies monatelang<br />
geheim gehalten worden war), wer überhaupt Mitglied<br />
der Kommission ist: Das ist neben Dobrindt selbst<br />
Staatssekretär Odenwald, zwei weitere Personen aus<br />
dem Verkehrsministerium und drei aus dem Kraftfahrt-<br />
Bundesamt (KBA): alle also aus Behörden, die erstens<br />
schon längst über die Manipulation von Abgaswerten<br />
Bescheid wussten und nichts, aber auch gar nichts<br />
unternommen hatten, dieser Praxis Einhalt zu gebieten.<br />
Einer einzige externe Person sitzt als »wissenschaftliche<br />
Begleitung« in der Kommission: ein Professor von<br />
der TU München, der in der Vergangenheit für die Fahrzeugindustrie<br />
gearbeitet hat. Der Spiegel titelte zurecht:<br />
»Vor dieser Truppe muss VW keine Angst haben«.<br />
Unabhängige Prüfungen, ließ inzwischen vor allem<br />
die DUH durchführen – und zwar in der Schweiz, weil<br />
es sich TüV oder DEKRA oder andere Prüfstellen in<br />
Deutschland nicht mit ihren Hauptauftraggebern (den<br />
großen Autoherstellern) nicht verderben wollen. So ist<br />
mittlerweile klar, dass nicht nur VW manipuliert. Bei<br />
Modellen von Daimler, BMW, Renault und Fiat wurden<br />
im realen Fahrbetrieb deutlich höhere Emissionen<br />
gemessen, als unter den Laborbedingungen für die Typenzulassung.<br />
Auch Dobrindts Kommission untersucht<br />
angeblich die Abgaswerte von bis zu 50 Fahrzeugtypen.<br />
Ergebnisse sind nicht veröffentlicht – die Herren<br />
müssen sich wohl noch von der Autoindustrie beraten<br />
lassen, wie diese zu interpretieren sind.<br />
Die Antworten auf Kleine Anfragen der Linksfraktion<br />
und der Grünen sind so gehalten, dass weder das Parlament,<br />
noch die interessierte und betroffene Bevölkerung<br />
wissen soll, was und wie getestet wird und was<br />
sich zukünftig ändern wird. Dass Minister Dobrindt von<br />
unangemeldeten Tests nach dem Vorbild von Dopingkontrollen<br />
redet, ist auch nur eine Nebelkerze. Solche<br />
Felduntersuchungen durch das Kraftfahrbundesamt<br />
(KBA) wurden bereits in der Vergangenheit durchgeführt,<br />
aber ohne die nötige Kompetenz – und ohne<br />
Ergebnis. Es scheint dass »das verspielte Vertrauen<br />
wiederherstellen« (Dobrindt) meint, dass die Verantwortlichen<br />
in den Chefetagen der Autokonzerne nicht<br />
zittern müssen.<br />
Unterdessen läuft der Rückruf der rund 2,4 Millionen<br />
Fahrzeuge, die nachweislich manipuliert sind, langsam<br />
an. Es geht dabei um nicht weniger als 17% der<br />
Diesel-Pkw auf Deutschlands Straßen! Unklar ist, wie<br />
die nachgerüsteten Fahrzeuge getestet werden, um<br />
die tatsächliche Einhaltung der Grenzwerte zu gewährleisten<br />
und welche Konsequenzen die Umrüstung auf<br />
andere Fahrzeugparameter wie Leistung und Verbrauch<br />
haben. Damit ist auch offen, ob sie danach überhaupt<br />
nennenswert weniger schädlich sind.<br />
Bisher ist die Luft für niemanden sauberer geworden.<br />
Und von den vielen Forderungen aus unserem Antrag<br />
vom Oktober 2015 zu den notwendigen Konsequenzen<br />
aus dem Abgasskandal ist noch fast nichts umgesetzt –<br />
er ist nach wie vor ganz aktuell.<br />
Eckpunkte »Elektromobilität«<br />
von Thomas Lutze, MdB<br />
Die aktuelle Debatte um die »Elektromobilität« ist<br />
schon vom Begriff her falsch. Elektromobilität gibt es<br />
schon seit dem 19. Jahrhundert – zum Beispiel in Form<br />
von elektrischen Straßenbahnen und Lokomotiven. Was<br />
jetzt im PKW-Bereich Einzug halten soll, sind batteriegetriebene<br />
PKW mit oder ohne zusätzlichen Verbrennungsmotor.<br />
»Akku-Mobilität« wäre korrekter.<br />
Fest steht: Die Linksfraktion setzt sich dafür ein, dass<br />
der öffentliche Verkehrsbereich (ÖPNV, Fernverkehr<br />
auf der Schiene) gestärkt wird und Vorrang bekommen<br />
muss. Außerdem muss die Frage der Verkehrsvermeidung<br />
eine stärkere Berücksichtigung in der Politik<br />
finden. Dies sind konstruktive Beiträge gegen den<br />
Klimawandel. Darüber hinaus müssen Fußgänger/innen<br />
und Radfahrer/innen (hier nimmt die »Elektromobilität«<br />
auch zu) aus ihrer Randlage befreit und als gleichberechtigte<br />
Verkehrsteilnehmer/innen behandelt werden.<br />
Bislang lehnt DIE LINKE Akkumobilität ab. Dafür gab es<br />
Gründe: 1. nicht markttaugliche Fahrzeuge (überteuert,<br />
zu geringe Reichweite), 2. kein aktiver Beitrag zu einer<br />
Verkehrswende und 3. indirekte Unterstützung des<br />
Gewinnstrebens der Automobilkonzerne.<br />
Doch was passiert, wenn folgende Situation eintritt?<br />
Der Automobilindustrie gelingt es, Fahrzeuge auf dem<br />
Markt zu bringen, die preislich unter den derzeitigen<br />
Preisen von PKW mit Verbrennungsmotor liegen (z.B.<br />
durch die wesentlich einfachere Antriebstechnik), die<br />
mit leistungsfähigen Akkus ausgerüstet sind und kurze<br />
Ladezeiten bzw. Wechselakkus haben. Gleichzeitig wird<br />
sichergestellt, dass der verwendete Strom in Anlagen<br />
produziert wird, die als »nachhaltig« und »regenerativ«<br />
gelten. Wie positioniert sich dann DIE LINKE? Immer<br />
noch ablehnend?<br />
Wichtig ist: Die Umstellung von Verbrennungsmotoren<br />
auf Akkutechnik im PKW-Bereich muss selbsttragend<br />
sein. Öffentlich zu fördern sind maximal Forschungsaufträge<br />
(das machen wir in anderen Bereichen auch) und<br />
durch Befreiungen von Einfahrtverboten in Innenstädten.<br />
Hier sind besonders Lieferfahrzeuge sinnvoll, die<br />
dann kaum Verkehrslärm und keine Abgase verbreiten.<br />
Kaufanreize lehnt DIE LINKE grundsätzlich ab. Dies<br />
wäre eine unberechtigte Verwendung öffentlicher<br />
Mittel, die anderswo wesentlich dringender benötigt<br />
werden. So könnte man die Fahrpreise im ÖPNV noch<br />
stärker und die Fahrpreise im Fernverkehr überhaupt<br />
subventionieren und diese Verkehrsbereiche dadurch<br />
attraktiver machen. Steuervorteile müssen – wenn<br />
überhaupt – zeitlich befristet sein und sich an der ge-<br />
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