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singen können – und dies auch gerne tun: Zugausfälle,<br />

Verspätungen, defekte Toiletten und Bordrestaurants,<br />

die berühmte umgekehrte Wagenreihung, ein undurchschaubarer<br />

Tarifdschungel (siehe dazu den Artikel auf<br />

S. 48) und das mehr als löchrige WLAN im Zug. Das<br />

sind nicht nur Anekdoten von Reisenden, sondern es<br />

ist auch mit Statistiken belegbar. So ist mehr als ein<br />

Viertel der Züge verspätet – trotz einer sehr großzügigen<br />

Definition von sechs Minuten, ab denen ein Zug<br />

überhaupt erst als unpünktlich gilt. Für viele Fahrgäste<br />

bedeutet das verpasste Anschlüsse und tatsächliche<br />

Verspätungen am Ankunftsort von einer Stunde und<br />

mehr.<br />

Diese Qualitätsmängel im Fernverkehr haben vielschichtige<br />

Ursachen: Züge werden aus Kostengründen<br />

unzureichend gewartet, was man oft daran sieht, dass<br />

sie schon mit defekten Türen und Toiletten auf den Weg<br />

geschickt werden. Es wurde in den letzten beiden Jahrzehnten<br />

massiv Personal abgebaut, und auch die Reservekapazitäten<br />

an Zügen wurden minimiert, so dass<br />

bei technischen Problemen oft kein Ersatz verfügbar<br />

ist. Dazu kamen viel zu späte Bestellungen von neuen<br />

Zügen, weil Hartmut Mehdorn die DB AG lieber fit für<br />

die Börse als fit für die Zukunft auf der Schiene machen<br />

wollte. Erst langsam kommt jetzt mit der Inbetriebnahme<br />

der doppelstöckigen »IC2« (auch wenn sie gerade<br />

noch ein »Wackelproblem« zu haben scheinen) und ab<br />

2017 der ICE4 Linderung – und die Käufe in großem<br />

Maßstab belasten die DB-Bilanz nun umso mehr.<br />

Beim Thema Qualität im Fernverkehr verspricht Grube,<br />

der schon bei seinem Amtsantritt 2009 vergeblich angekündigt<br />

hatte, das »Brot-und-Butter-Geschäft« in Ordnung<br />

bringen zu wollen, nun wieder einmal <strong>Besser</strong>ung.<br />

Aber ob eine neue Programmierung der Zuganzeiger<br />

an den Bahnsteigen das Problem wirklich im Sinne der<br />

Fahrgäste lösen kann, darf bezweifelt werden. Dass diese<br />

Maßnahme so in den medialen Mittelpunkt gestellt<br />

wird, zeigt eher die Hilflosigkeit des DB-Managements.<br />

Auch im DB-Fernverkehr gibt es aber noch weitere<br />

Gründe für die Krise, die nicht im Einflussbereich des<br />

DB-Managements liegen: Durch die Fernbusse sind der<br />

DB AG in erheblichem Maßstab Fahrgäste abgeworben<br />

worden, und der niedrige Ölpreis nutzt vor allem dem<br />

Straßenverkehr – ob mit Privat-Pkw oder Fernbus, während<br />

die DB AG für ihren Antriebsstrom kaum weniger<br />

zahlt und seit diesem Jahr zu allem Überfluss und zusätzlich<br />

zur Energiesteuer auch noch durch die Umlage<br />

für das Erneuerbare-Energien-Gesetz extra belastet<br />

wird. Die Planung für regelmäßige Preiserhöhungen im<br />

Fernverkehr ab nächstem Jahr 14 dürfte die Situation des<br />

DB-Fernverkehrs gegenüber den mit Niedrigpreisen<br />

werbenden Fernbussen eher noch weiter verschlechtern.<br />

Aber nicht nur der DB-Fernverkehr ist in der Krise, sondern<br />

auch beim Nahverkehr (DB Regio) sieht es alles<br />

andere als rosig aus. Bei den letzten Ausschreibungen<br />

14<br />

Thomas Wüpper: Bahn plant weitere Preiserhöhungen. Stuttgarter<br />

Zeitung vom 12.12.2015.<br />

40<br />

von Nahverkehrsleistungen ging die DB AG häufig<br />

leer aus: So blieb DB Regio beim neuen Rhein-Ruhr-<br />

Express außen vor, bei der S-Bahn Nürnberg klagt sie<br />

noch gegen die Vergabe an das britische Unternehmen<br />

National Express, und auch beim Stuttgarter Regionalzugnetz<br />

ging die DB zuletzt leer aus. Aber auch dort,<br />

wo DB Regio die Ausschreibungen gewinnt, sind damit<br />

nicht mehr die großen Gewinne zu erzielen wie mit den<br />

exklusiven Verträgen, die die DB AG in der Vergangenheit<br />

oft – teilweise unter zwielichtigen Bedingungen<br />

wie in Baden-Württemberg – mit den Aufgabenträgern<br />

abgeschlossen hatte.<br />

Zu der aktuellen Krise im Betrieb in den verschiedenen<br />

Sparten kommt noch eine strukturelle Krise, nämlich<br />

die Verschuldung der DB AG. Obwohl das Unternehmen<br />

mit der Bahnreform am 1.1.1994 völlig schuldenfrei<br />

gestartet war – die Altschulden hatte komplett der<br />

Bund übernommen, hat sie inzwischen wieder fast 18<br />

Milliarden Euro an Schulden angehäuft. 15 Im Zuge der<br />

aktuellen Krise ist schon von einem Anstieg auf bis zu<br />

22 Milliarden die Rede. 16 Diese Schulden sind vor allem<br />

durch die oben beschriebene internationale Expansionsstrategie<br />

entstanden. Sie belastet die finanzielle<br />

Lage der DB AG durch die Zinsen in erheblichem Umfang<br />

und vermindern den Spielraum des Managements<br />

ganz erheblich, mit – teilweise teuren – Maßnahmen<br />

gegen die anderen Krisenherde anzusteuern. Dass<br />

sich die DB AG mit einem unnützen und immer teurer<br />

werdenden Großprojekt wie Stuttgart 21 auch noch zusätzlich<br />

selbst ein milliardenschweres finanzielles Bein<br />

stellt, verschärft die Probleme noch.<br />

Die Strategie von McKinsey –<br />

zum Scheitern verurteilt<br />

Die von den McKinsey-Leuten entwickelten Lösungsansätze,<br />

die der DB-Aufsichtsrat nun heute beschließen<br />

soll, kommen nach allem, was davon in die Öffentlichkeit<br />

durchgesickert ist, einem weiteren Kahlschlag<br />

gleich: Im Schienengüterverkehr sollen 5000 Arbeitsplätze<br />

– ein Sechstel der Belegschaft – abgebaut<br />

werden. Mehrere Instandhaltungswerke, unter anderem<br />

das traditionsreiche Werk in Eberswalde, sollen<br />

geschlossen werden. Und für die ohnehin in rasantem<br />

Abbau befindlichen Nachtzüge soll ab nächstem Jahr<br />

nun das komplette Aus anstehen. Damit verspricht<br />

sich die DB die Vermeidung von einigen Millionen Euro<br />

Verlusten, die sie aber zum größten Teil erst durch die<br />

Rückzugsstrategie der letzten Jahre selbst verursacht<br />

hat und die teilweise auch durch bewusstes Schlechtrechnen<br />

zustande kommen – unter anderem wurde der<br />

positive Effekt der in den Tagesrandzeiten an die Züge<br />

angehängten »Pendlerwagen« nicht berücksichtigt und<br />

nicht nachvollziehbare Overhead-Kosten in Millionenhöhe<br />

eingerechnet.<br />

Das ist mit ziemlicher Sicherheit die falsche Strategie,<br />

um die Probleme wirklich in den Griff zu bekommen.<br />

15<br />

17,6 Milliarden Euro zum 30. Juni 2015 lt. Halbjahres-Bilanz der DB AG.<br />

16<br />

Nikolaus Doll: Deutsche Bahn ist ein Sanierungsfall. Die Welt vom<br />

2.12.2015

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