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32 TIPPS<br />
<strong>Das</strong> <strong>Stadtgespräch</strong><br />
Homo Faber.<br />
Die Figuren Susanne Neuffers sind<br />
etwas ratlose, aber untragische<br />
Existenzen, die zu Täuschungen<br />
und Selbsttäuschungen neigen,<br />
sie rennen ihren Sehnsüchten<br />
hinterher und suchen sich Plätze<br />
im Ungefähren, so beschreibt es<br />
die Homepage der Autorin sehr<br />
treffend. Schon in ihrem Roman<br />
»Schnee von Teheran« sinniert<br />
die Heldin, eine frustrierte Lehrerin<br />
»Was ist es, das in solchen<br />
Situationen das Ruhigbleiben verhindert,<br />
die Souveränität wie eine<br />
ferne Göttin erscheinen lässt, die<br />
nur immer den anderen lächelt?«.<br />
Den Satz habe ich mir gemerkt.<br />
Doch auch die gerade bei MARO<br />
erschienenen Kurzgeschichten<br />
enthalten eine Menge fein formulierte<br />
Sätze und bei aller Alltäglichkeit<br />
der Themen ungewöhnliche<br />
Blickwinkel. Beinahe praktisch<br />
wird es in »Sie hören im Anschluss<br />
die Nationalhymne«, die beginnt<br />
mit: Zu den Dingen, die man Frauen<br />
nicht erzählen sollte, gehört,<br />
dass man die Nationalhymne<br />
zum Einschlafen braucht. Auch<br />
überzeugend fand ich die Mordgedanken<br />
eines Verlassenen, der<br />
sich haarklein überlegt, wie sich<br />
an der Ehemaligen mordend rächen<br />
kann. Wer schon mal selbst<br />
verlassen wurde, der kennt diese<br />
Gedanken, könnte es aber so fein<br />
nicht formulieren, da bin ich mir<br />
sicher. Die 22 Geschichten kosten<br />
in der witzig von Yvonne Kuschel<br />
illustrierten Ausgabe 18 Euro. Und<br />
mehr als einen Euro ist jede einzelne<br />
Geschichte alle Male wert!<br />
ROBERT KISCH<br />
»Möbelhaus«<br />
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich<br />
finde investigativen Journalismus<br />
wirklich wichtig. Vor allem in der<br />
heutigen Zeit. Doch es gibt da<br />
schon graduelle Unterschiede,<br />
ob ein mutiger Mensch Zustände<br />
in Russland, in der Türkei oder im<br />
Iran untersucht und dann darüber<br />
schreibt, oder ob jemand dann<br />
etwas »Schockierendes« über<br />
unsere Kanzlerin herausfindet<br />
und das dann veröffentlicht. <strong>Das</strong><br />
Leben der Schreiber über Diktaturen<br />
ist gefährdet und letzterer<br />
wird vermutlich einen Posten in<br />
der bayerischen CSU angeboten<br />
bekommen. Und natürlich war<br />
Günter Wallraffs Buch von 1985<br />
»Ganz unten« ein Meilenstein<br />
des Enthüllungsjournalismus und<br />
Pflichtlektüre. Doch mittlerweile<br />
hat der investigative Journalismus<br />
in Deutschland auch seltsame<br />
Züge angenommen. Gelegentlich<br />
drängt sich der Eindruck auf, als<br />
gäbe es mehr Journalisten als Enthüllungen,<br />
die dann verzweifelt<br />
gesucht und aufgeblasen werden.<br />
Diesen Vorwurf braucht sich allerdings<br />
Robert Kisch mit seinem<br />
Tatsachenroman »Möbelhaus«<br />
(Droemer, 315 Seiten, 12,99 Euro)<br />
nicht gefallen zu lassen. Dieser<br />
Journalist arbeitet zwar als Verkäufer<br />
in einer Möbelhauskette,<br />
doch von undercover kann keine<br />
Rede sein. Die traurige Realität<br />
ist, dass der Mann dort arbeitet,<br />
weil sich die schreibende Branche<br />
gesund schrumpft. Da hilft es<br />
ihm nichts, dass er als Edelfeder<br />
galt, renommierte Journalismus-<br />
Preise gesammelt hat und bis vor<br />
kurzem mit Hollywood-Stars und<br />
deutschen Promis vor der Fernsehkamera<br />
stand. <strong>Das</strong> alles nützt<br />
ihm nichts, denn er muss schlicht<br />
und einfach Geld für sich und vor<br />
allem für seine Familie verdienen.<br />
Und das ist als Möbelverkäufer im<br />
Mega Store weitaus schwieriger,<br />
als man sich das als Kunde vorstellt.<br />
Anhand von typischen Situationen<br />
mit Kunden, aber auch<br />
mit Kollegen, die ebenfalls aus<br />
den unwahrscheinlichsten beruflichen<br />
Ecken kommen (Hoteldirektor,<br />
Maurer, Architekturstudent),<br />
und mit der Geschäftsleitung,<br />
die auf verschiedenen Ebenen<br />
die Realität ignorieren, stellt der<br />
scharfsinnige Journalist seinen<br />
neuen beruflichen Wahnsinn dar.<br />
Es ist schon beeindruckend, wie<br />
perfide verkleidet Ausbeutung im<br />
Jahr <strong>2016</strong> daherkommt. Und das in<br />
einem Bereich, in dem zumindest<br />
ich das so nicht erwartet hätte.<br />
Was mich nur wieder bestätigt,<br />
dass ich lieber im heimischen<br />
Möbelhaus kaufe, aber das nur<br />
nebenbei erwähnt. So ganz richtig<br />
mutig ist Robert Kisch dabei<br />
allerdings nicht, denn seinen tatsächlichen<br />
Namen verrät er uns<br />
nicht. Die Wahl des Pseudonyms<br />
ist natürlich nicht ganz frei von<br />
Eitelkeit, denn der Name Kisch<br />
klingt wohl nicht zufällig nach<br />
Egon Erwin Kisch, einem der<br />
ganz Großen des frühen Enthüllungsjournalismus‘.<br />
Doch diese<br />
kleine Eitelkeit sei ihm gegönnt,<br />
musste er sich die Erkenntnisse,<br />
die er ohne es zu wollen für »Möbelhaus«<br />
gesammelt hat, hart erkämpfen.<br />
Bleibt zu hoffen, dass<br />
er mittlerweile seine Brötchen<br />
wieder mit dem verdient, das er<br />
definitiv besser kann als Möbel<br />
verkaufen, dem Schreiben.<br />
GRADY HENDRIX<br />
»Horrorstör«<br />
Wo wir schon einmal bei großen<br />
Möbelhäusern sind. Der Thriller<br />
»Horrorstör« von Grady Hendrix<br />
(Knaur, 275 Seiten, 16,99 Euro)<br />
könnte leicht mit dem Katalog<br />
eines nicht näher genannten<br />
schwedischen Möbelhausgiganten<br />
mit vier Buchstaben verwechselt<br />
werden. <strong>Das</strong> ist nicht zufällig<br />
so, sondern Absicht, fürchte ich.<br />
Der Laden in Hendrixs Thriller<br />
heißt jedoch ORSK. Und in der Filiale<br />
von ORSK in Cleveland, Ohio<br />
geht Seltsames vor sich. Wenn die<br />
Angestellten morgens eintreffen,<br />
finden sie zerstörte Kjerring-<br />
Bücherregale, zerschmetterte<br />
Glans-Trinkgläser und zertrümmerte<br />
Liripip-Schränke. Die Verkaufszahlen<br />
sind im freien Fall,<br />
auf den Überwachungskameras<br />
ist nichts zu sehen, und die Filialleitung<br />
ist ratlos. Schließlich erklären<br />
sich drei Mitarbeiter bereit,<br />
eine Schicht nach Einbruch der<br />
Dunkelheit bis zum Morgengrauen<br />
einzulegen, um die geheimnisvollen<br />
Vorfälle aufzuklären.<br />
In finsterer Nacht patrouillieren<br />
sie durch die Möbelausstellung,<br />
gehen unheimlichen Sichtungen<br />
und Geräuschen nach und treffen<br />
dabei auf Schrecken, die jenseits<br />
aller Vorstellungskraft liegen. Autor<br />
Grady Hendrix ist Journalist,<br />
der für Variety, The New York Post<br />
und den Playboy geschrieben hat.<br />
Außerdem hat er einige Jahre an<br />
der Telefonhotline einer parapsychologischen<br />
Forschungsorganisation<br />
gearbeitet. Möglicherweise<br />
hat das Folgen hinterlassen – zur<br />
Freude der Leser. »Horrorstör« ist<br />
sein erster Roman, bereitet viel<br />
Lesevergnügen und bleibt hoffentlich<br />
nicht sein letztes Buch.