Das Erlebnis Journal 4_2016
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Manchmal läuft man Gefahr, sich selbst zu überholen, sodass die Lieder dann für einen gar nicht mehr<br />
aktuell sind. <strong>Das</strong> ist die Jagd nach der Perfektion. Mit der Coverplatte wollte ich aber die erste Euphorie<br />
und den magischen Moment einfangen. Den Druck, der einen sonst immer umtreibt, habe ich ausgemerzt<br />
und einfach nur pure Musik gemacht, ohne viel zu überlegen. <strong>Das</strong> Album klingt für mich wie eine<br />
Sammlung meiner Lieblingsplatten.<br />
Tokio Hotel hätte man allerdings nicht unter Ihren Lieblingsplatten vermutet. Was verbinden Sie<br />
mit dem Teenie-Hit „Durch den Monsun“?<br />
Louisan: Ein paar Lieder auf dieser Platte haben etwas mit meiner Vergangenheit zu tun. „Durch den<br />
Monsun“ etwa ist ein wunderbares Lied mit einer tollen Melodie. Die Band war damals noch sehr jung,<br />
dementsprechend ist auch der Text. Tokio Hotel und ich haben zur selben Zeit angefangen und stammen<br />
aus derselben Gegend. Ich fand es herausfordernd, gerade nicht nahe liegende Sachen aufzunehmen.<br />
Welche Songs haben Sie damals immer in Ihrem Kinderzimmer gesungen?<br />
Louisan: „Merci Chérie“ von Udo Jürgens gehört zu meiner Kindheit. Er war ein Schlagersänger, der<br />
seltenerweise nicht feige war und die heile Welt durchbrach. 2014, kurz vor seinem Tod, habe ich noch<br />
mit ihm arbeiten dürfen. Diese Begegnung hat mich nachhaltig beeinflusst. Udo ist mit allen Kollegen<br />
sehr höflich umgegangen. Nach seiner Geburtstagssendung sprach er mir auf den Anrufbeantworter,<br />
um sich zu bedanken. Ich hatte das Gefühl, dass er mich als Künstlerin und Musikerin wirklich sieht,<br />
denn die meisten großen Stars sehen eigentlich nur sich. Udo Jürgen ist so groß geworden, weil er<br />
einfach ein Menschenfreund war.<br />
Bei welchem Song fühlten Sie sich als Sängerin am meisten herausgefordert?<br />
Louisan: “Merci Chérie” hat nicht viel Text, deshalb muss man da viel zwischen die Zeilen legen. Ich wollte es<br />
so interpretieren wie eine Schlagersängerin aus den 70ern. Auch „Stark“ von Annette Humpe ist eine tolle<br />
Nummer. Ich habe Annette angerufen, um sie zu fragen, ob ich den Text ein bisschen ändern kann, weil ich<br />
ihn als Frau singen wollte. <strong>Das</strong> war eine große Hilfe. Dieses Lied ist eigentlich am weitesten von mir<br />
weg, aber es ging mir leicht von der Hand. <strong>Das</strong> liegt an der großen Leichtigkeit, die ich bei dieser<br />
Produktion verspürte. Wenn ich eigene Songs aufnehme, habe ich die manchmal nicht, weil ich in dem<br />
Moment wirklich sehr viel Verantwortung trage und sehr selbstkritisch vorgehe. Je älter ich werde,<br />
desto schlimmer wird es.<br />
Auf welche Weise können Sie sich mit „Stark“ von Ich + Ich identifizieren?<br />
Louisan: Als ich das Lied im Autoradio zum ersten Mal hörte, musste ich rechts ranfahren, weil ich es so<br />
berührend fand, wie darin die Position des Sängers beschrieben wird. Für mich geht das Lied sogar<br />
noch ein bisschen weiter. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man sich befindet: Auf der einen Seite wird<br />
man als Sänger mit Liebe überschüttet, auf der anderen macht einen dieses Leben auch einsam.<br />
Ich empfinde es manchmal als schwierig, einfach nach draußen zu gehen und mich in Restaurants<br />
mit Fremden zu unterhalten. <strong>Das</strong> war früher einfacher. Es ist auch ein egoistisches Leben, ich bin viel<br />
unterwegs und habe Schwierigkeiten, Freundschaften zu pflegen.<br />
Wer holt Sie von Ihrem Ego-Trip wieder runter?<br />
Louisan: Ich mich selbst. <strong>Das</strong> tue ich, indem ich nicht Vollzeit Annett Louisan bin. Ich habe Phasen, in<br />
denen ich mich von der großen Bühne zurückziehe und viel verreise. <strong>Das</strong> ist für mich ein Schutz. Ich bin<br />
viel zu sensibel, um das hundertprozentig durchzuziehen. Sonst würde ich krank werden. »<br />
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