1 2 3 1 In Scharen kamen kriegsgeschädigte Kinder, alle mit SRK-Namensschildchen um den Hals, an den Schweizer Bahnhöfen an. Die Kinderhilfe vermittelte unterernährte und traumatisierte Kinder zur physischen und psychischen Erholung an Gastfamilien in der Schweiz. 2 Jakob Josef Carigiet mit seiner Frau Julia (Hochzeitsbild von 1924): Das Ehepaar – selbst Eltern von zehn Kindern – nahm zusätzlich zwei Kriegskinder bei sich auf. 3 Faustin Carigiet: Er wandte sich Anfang 2009 an den Suchdienst des SRK, um seine Gastgeschwister von damals zu suchen.
Fotos: Dokumentation SRK, Bundesarchiv | Archiv der Familie Carigiet | Martin Stollenwerk | Peter Dammann, Agentur Focus Regel ist es umgekehrt: Es sind diese Kriegskinder, die sich beim Suchdienst melden, um ihre damaligen Gastfamilien ausfindig zu machen und sich bei ihnen zu bedanken. Die Kinder waren oft so jung, dass sie später gar nicht mehr wissen, wo oder bei wem sie in Pflege waren. Die Suche nach diesen Gastfamilien bedeutet daher für viele dieser Menschen eine Suche nach einem Teil ihrer eigenen Geschichte. Auch wenn es ein paar weniger glückliche Platzierungen gab, berichten viele dieser ehemaligen Kriegskinder, dass der Aufenthalt in der Schweiz einer Reise ins Paradies gleichkam: nach Krieg, Hunger und Verzweiflung erstmals Normalität, ein weiches Bett, warmes Essen, jemand, der Zeit hatte, sich um sie zu kümmern», so Windlin weiter. Aus Dankbarkeit für das (Über-)Leben «Wir sind dem Suchdienst des Roten Kreuzes wirklich dankbar dafür, dass sie uns geholfen haben, unsere zwei ‹Kriegskinder› ausfindig zu machen – auch wenn im Fall von Gertrude Nowak eine unserer Mitarbeiterinnen so geschickt im Internet recherchiert hat, dass wir letzten Endes sogar schneller an Gertrude gelangt sind als das Rote Kreuz», lacht Faustin Carigiet. Das freudige Wiedersehen mit beiden stehe kurz bevor. Auf die Frage, warum seine Eltern damals trotz der schweren Zeiten und der eigenen grossen Familie noch zwei Kinder aufgenommen hätten, antwortet Faustin Carigiet nachdenklich: «Sie haben das aus tiefer Dankbarkeit getan: Dankbarkeit darüber, dass sie zehn gesunde Kinder hatten, Dankbarkeit darüber, dass der Vater während zweier Weltkriege unversehrt aus dem Aktivdienst an der Front zurückgekehrt ist. Sie haben uns Nächstenliebe gelehrt und vorgelebt. Und so lautet die Widmung im Buch, das anlässlich des Firmenjubiläums geschrieben wurde: «Aus Dankbarkeit unseren Eltern und Vorfahren gegenüber und unseren Kindern und Nachkommen zur Erinnerung.» Mandana Razavi <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> und SRK Im Rahmen der langjährigen Partnerschaft zwischen dem <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Corporate Volunteering und dem SRK haben sich bisher 2000 Mitarbeitende der <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> an den regelmässig stattfindenden Blutspendeaktionen oder an der Geschenksammlung «Zweimal Weihnachten» beteiligt. Mehr Infos unter: www.redcross.ch «Jeder Fall ist anders» Tausende Menschen werden täglich von ihren Angehörigen getrennt – durch Kriege, Katastrophen oder Schicksalsschläge. Der Suchdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes versucht die Vermissten zu finden. bulletin: Was ist der Suchdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK)? Nicole Windlin: Das ist eine Dienstleistung, die bereits Henry Dunant auf dem Schlachtfeld von Solferino ausgeübt hat, indem er von den Kranken- und Totenbetten der Soldaten aus Briefe an die Angehörigen schrieb. Mittlerweile gibt es in 186 Ländern Suchdienste der Rotkreuz- oder Rothalbmond-Gesellschaft, die alle in einem Netzwerk, an dem auch das IKRK beteiligt ist, zusammenarbeiten. Der Suchdienst SRK steht allen in der Schweiz wohnhaften Personen offen, die ein Familienmitglied oder eine ihnen nahe stehende Person vermissen. Die Leistungen des Suchdienstes sind kostenlos. Was für Anfragen bekommen Sie? Der Suchdienst war ursprünglich vor allem auf Kriegs- und Katastrophensituationen ausgerichtet. Wir betreiben dabei auch lange Nachbearbeitungen, wie im Beispiel der Kinderhilfe. Auch haben wir pro Woche sicher zwei Anfragen, die sich noch auf den Zweiten Weltkrieg beziehen. Dieses Jahr bekamen wir besonders viele Anfragen in Bezug auf Sri Lanka: In der Schweiz leben viele Tamilen, die seit Monaten keine Nachrichten von ihren Angehörigen haben. Wie gehen Sie bei einer Suche vor? Für Anfragen im Ausland arbeiten wir stark mit dem IKRK und den nationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften zusammen. Im Inland sind unsere Hauptkontakte die Behörden wie Einwohnermeldeamt, Zivilstandesamt, Bundesamt für Migration sowie der Suchdienst des Bundesamtes für Polizei. Das ist von Fall zu Fall verschieden. Hin und wieder löst sich ein Fall sogar über Facebook oder Twixtel. Was für eine Erfolgsrate haben Sie? Weltweit spricht man von zirka 50 bis 60 Prozent. Aber das ist natürlich unterschiedlich. Es ist einfacher, jemanden in der Schweiz zu suchen als in Somalia. Dort fahren beispielsweise Freiwillige mit dem Velo in die hintersten Dörfer oder sie hören sich in den Clans um, aber oft sind die Umstände so schwierig, dass es gefährlich ist, sich für eine Suche frei zu bewegen. Nicole Windlin, Leiterin des Suchdienstes beim Schweizerischen Roten Kreuz. Es sind doch aber sicher nicht nur schöne Nachrichten zu überbringen. Wir versuchen Leute darauf vorzubereiten, dass eine Suche nach einem Vermissten auch mit einer Todesnachricht enden kann. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Ungewissheit das Schlimmste ist. Menschen, die jemanden vermissen, können ihr Leben oft kaum weiterleben, viele können in Ungewissheit auch nicht trauern. So haben wir beispielsweise zirka 100 offene Dossiers, die auf die Resultate der Exhumierungen von Massengräbern in Bosnien und Kosovo warten. Für diese Familien ist es schwierig, nicht zu wissen, was mit den Angehörigen passiert ist. Wie empfinden Sie die Arbeit beim Suchdienst ? Die Arbeit beim Suchdienst gefällt mir sehr gut. Sie ist vielfältig und geht häufig ans Herz. Eine Suche ist immer ein emotionaler Prozess. Keine Geschichte ist so wie die andere. Die Menschen sind sehr dankbar für unsere Unterstützung. Sie spüren, dass wir uns für sie einsetzen und die Hoffnung nicht aufgeben, ihre Angehörigen zu finden. mar