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schönen Herbstwochenende am Anfang des Gletschers einen<br />

kleinen Eignungstest machen würde, dann wüssten 80 Prozent der<br />

Berggänger nicht, wie sie mit Seilen einen Flaschenzug machen<br />

könnten.»<br />

Eigenverantwortung fängt bei der Selbsteinschätzung an<br />

Gerade weil die Freiheit in den Bergen immer noch so gross und<br />

unreglementiert ist – der Alpinismus ist in der Schweiz eine der letzten<br />

Sportarten mit erhöhtem Risiko, die man noch ohne Brevet ausüben<br />

kann –, ist Verantwortung hier oben ein so wichtiges Thema.<br />

Dabei kann auch ein Bergführer, der für eine Tour engagiert wird,<br />

mit all seinem Fachwissen und seiner Erfahrung immer nur einen Teil<br />

der Verantwortung übernehmen. Ganz wichtig ist und bleibt für Wey<br />

deshalb die Eigenverantwortung und die fängt für ihn schon vor der<br />

Tour bei einer gesunden Selbsteinschätzung an. Je nach Schwierigkeitsgrad,<br />

Dauer und zu überwindenden Höhenmetern müssen die<br />

Teilnehmer einer Tour bestimmte Kletterkenntnisse sowie eine ausreichende<br />

Grundkondition mitbringen.<br />

«Wer nach der ersten Steigung schon ans Leistungslimit kommt,<br />

kann später in einer schwierigen Situation für die ganze Gruppe zur<br />

Gefahr werden», erklärt Wey. «Entsprechend kann es vorkommen,<br />

dass ich solche Leute vor einer kritischen Passage an einem geschützten<br />

Punkt zurücklasse, wo sie auf die Rückkehr der Gruppe<br />

warten müssen. Verantwortung übernehmen heisst auch unangenehme<br />

Entscheidungen durchsetzen.»<br />

Nach dem Firn geht es ohne Steigeisen über ein teilweise recht<br />

rutschiges Geröllfeld weiter hinauf zum Vorgipfel. Zwischen dem<br />

Vorgipfel und dem Hauptgipfel kommt die Seilschaft zu einer Schlüsselstelle<br />

der Tour: ein schmaler, vielleicht 30 Meter kurzer, aber mit<br />

Schnee bedeckter Grat. Ein allfälliger Ausrutscher zur Linken führt<br />

unweigerlich über die 1000 Meter hohe Nordwand in den sicheren<br />

Tod. Trotzdem entscheidet sich Wey gegen das Anschnallen der<br />

Steigeisen. Der griffige Schnee, die als ausreichend eingestufte<br />

Trittsicherheit des Gastes und die Tatsache, dass sie nur zu zweit<br />

unterwegs sind und im Notfall der sichernde Sprung auf die gegen-<br />

Bergführer Verantwortung 9<br />

Bild links Unterwegs am Seil mit Steigeisen und Pickel: Das Iswändli ist die erste Schlüsselstelle beim Aufstieg zum Claridengipfel<br />

(Mitte). Bild Mitte Die zweite Schlüsselstelle: die mit Ketten ausgerüstete Kletterpassage unterhalb des Claridenhauptgipfels.<br />

Bergführer Wey sichert zusätzlich mit dem Seil. Bild rechts Sicher angekommen auf dem 326 Meter hohen Clariden folgt der obligate<br />

Händedruck zwischen Bergführer und Gast.<br />

überliegende Seite des Grates relativ einfach zu meistern ist, minimieren<br />

für ihn das Risiko auf ein vertretbares Mass.<br />

Über 220 Tage pro Jahr als Bergführer unterwegs<br />

Wey ist seit bald 25 Jahren Bergführer. Dabei ist er jedes Jahr zwischen<br />

220 und 250 Tagen mit Gästen unterwegs und gehört damit in<br />

der Schweiz zu einer kleinen Gruppe von vollamtlichen Bergführern –<br />

insgesamt sind rund 2500 registriert –, die von ihrem Beruf leben<br />

können. Das ist aber auch nur möglich, weil die Bergschule Uri, wo<br />

er Teilhaber und Technischer Leiter ist, nicht nur in der ganzen Schweiz<br />

Touren anbietet, sondern auch in Südamerika, Nepal oder Afrika. So<br />

hat Wey schon 14 Mal den Kilimandscharo bestiegen. Auch 2009<br />

war er im Oktober mit einer Gruppe in Afrika am Kilimandscharo<br />

unterwegs. Darüber hinaus ist er im Alpinen Rettungsdienst der<br />

Schweiz aktiv und leitet dort den Bereich des Hundewesens mit<br />

170 Lawinen- und 70 Sommersuchhunden.<br />

Und wann sieht er seine Frau und seine vier Kinder? «Im November<br />

recht viel.» Und wie geht er mit seiner persönlichen Verantwortung<br />

gegenüber seiner Familie um? Schliesslich kam es 2008 in<br />

den Schweizer Bergen zu 2277 Unfällen und davon endeten 104 tödlich.<br />

«Wenn ich in Zürich im Auto unterwegs bin, setze ich mich ungleich<br />

grösseren Risiken aus, auf die ich zumeist keinen Einfluss<br />

habe. Klar stürzen immer wieder auch erfahrene Bergführer ab und<br />

klar gibt es keine 100 -prozentige Sicherheit. Doch kann ich hier in<br />

den Bergen den Grad des Risikos und der Gefahr stärker selber<br />

bestimmen.»<br />

Händedruck und Eintrag im Gipfelbuch<br />

Das letzte Stück zum Gipfel steht bevor. Wey steigt in der kleinen<br />

Felswand entlang dem Grat vor und sichert mit dem Seil zusätzlich<br />

zu den fest verankerten Ketten. Ähnlich der eisernen Regel eines<br />

Kapitäns zur See ist der Bergführer immer der Erste der Seilschaft<br />

auf dem Gipfel und der Letzte, wenn es hinuntergeht. Nach etwas<br />

mehr als einer Viertelstunde ist auch der letzte Aufstieg geschafft.<br />

Bergführer und Gast sind sicher am Ziel: dem Clariden. Die Rund- ><br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 5/09

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