0 - Credit Suisse - Deutschland
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Foto: Mathias Hofstetter Wirksame<br />
Arbeitsmarkt Wirtschaft 4<br />
Instrumente<br />
gegen Arbeitslosigkeit<br />
Die Arbeitslosigkeit steigt seit Sommer 200 an und hat sich seitdem um mehr als<br />
zwei Drittel erhöht. Der stärkste Einbruch des Bruttoinlandprodukts seit der Erdölkrise<br />
19 schlägt zunehmend auf den Arbeitsmarkt durch.<br />
Text: Tanja Zehnder, Economic Research<br />
Der Anstieg der Arbeitslosenquote wird bis<br />
Mitte 2010 schrittweise weitergehen, und wir<br />
rechnen mit durchschnittlich 207 000 Arbeitslosen<br />
(5,2 Prozent) im Jahr 2010. Die Arbeitslosigkeit<br />
nimmt aus zwei Gründen weiter zu:<br />
Erstens reagiert der Arbeitsmarkt stets verzögert<br />
auf Veränderungen des BIP-Wachstums.<br />
Ein Auf- oder Abschwung schlägt sich<br />
erst mit einem halben Jahr Verzögerung spürbar<br />
in den Arbeitslosenzahlen nieder. Die<br />
Auswirkungen der Rezession auf den Arbeitsmarkt<br />
werden sich also in den kommenden<br />
Monaten noch akzentuieren. Zweitens ist<br />
die von uns prognostizierte Erholung des BIP<br />
im Jahr 2010 (Wachstum von 0,6 Prozent)<br />
zu schwach, um einen weiteren Anstieg der<br />
Arbeitslosigkeit verhindern zu können.<br />
Damit wird die Arbeitslosigkeit vermutlich<br />
Niveaus erreichen wie zuletzt 1997. Damals<br />
war allerdings die Arbeitslosenquote ab 1990<br />
von einem tiefen Niveau aus (0,5 Prozent)<br />
für damalige Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich<br />
stark angestiegen. Heute ist der<br />
Anstieg der Arbeitslosigkeit zwar ebenfalls<br />
rezessionsgetrieben, das höhere Niveau indes<br />
auch das Resultat der gestiegenen Sockelarbeitslosigkeit.<br />
So reduzierte sich die Arbeitslosigkeit<br />
in der zu Ende gegangenen,<br />
längsten Aufschwungsphase seit den 1980er-<br />
Jahren nicht im gleichen Ausmass wie im<br />
Boom um die Jahrtausendwende. Die tiefste<br />
Arbeitslosenzahl im jüngsten Boom war um<br />
37 000 höher als im Boom um die Jahrtausendwende.<br />
Die Arbeitslosigkeit steigt bekanntlich<br />
nicht nur in der Schweiz an. Jedoch fällt die<br />
Schärfe des Anstiegs auf den Wachstumseinbruch<br />
von Land zu Land unterschiedlich<br />
aus. Dabei beeinflussen die Eigenschaften<br />
und Leistungen eines Arbeitslosenversicherungssystems<br />
die Reaktion der Arbeitsmärkte<br />
auf einen Wachstumseinbruch mit.<br />
Die Schweiz verfügt über ein sehr gut ausgebautes<br />
Arbeitslosenversicherungssystem.<br />
Dieses wirkt aus zwei Gründen konjunkturstabilisierend:<br />
Erstens erlauben umfassende<br />
Arbeitslosenunterstützungszahlungen, den<br />
privaten Konsum aufrechtzuerhalten. Zweitens<br />
verhindert Kurzarbeit einen schärferen<br />
Anstieg der Arbeitslosigkeit. Unterstützungszahlungen<br />
mindern Einkommensverluste von<br />
arbeitslosen Personen und bilden so nebst<br />
der Verfolgung sozialpolitischer Ziele eine<br />
wichtige Stütze des privaten Konsums.<br />
In der Schweiz beträgt die Arbeitslosenunterstützung<br />
70 respektive 80 Prozent für<br />
Personen mit Unterhaltspflichten des zuletzt<br />
erzielten Einkommens. Diese Unterstützung<br />
wird während 400 Tagen ausgezahlt. Die Bezugsdauer<br />
kann in einer Region verlängert<br />
werden, wenn dort die Arbeitslosenquote ein<br />
bestimmtes Niveau überschreitet. So hat der<br />
Bundesrat in der aktuellen Krise die Bezugsdauer<br />
in bisher zwei Kantonen von 20 auf<br />
26 Monate verlängert (Neuenburg und Jura).<br />
Durch Kurzarbeit kann ein Nachfragerückgang<br />
statt über Entlassungen zumindest<br />
teilweise über Arbeitszeitreduktionen kompensiert<br />
werden. In der Schweiz wurde im<br />
Rahmen des zweiten Konjunkturpakets die<br />
Bezugsdauer von 12 auf 18 Monate verlängert,<br />
was den Rückgriff auf die Kurzarbeit<br />
begünstigt haben dürfte. Einerseits konnte<br />
dadurch bisher ein markanterer Anstieg der<br />
Arbeitslosigkeit verhindert werden. Andererseits<br />
könnte damit ein weiterer Anstieg bevorstehen,<br />
da das Instrument der Kurzarbeit<br />
nur temporär wirkt. Bleibt eine Belebung der<br />
Nachfrage aus, dürften etliche der jetzt kurzarbeitenden<br />
Angestellten arbeitslos werden.<br />
Der Blick über die Grenzen zeigt, dass auch<br />
in <strong>Deutschland</strong> bisher eine massivere Zunahme<br />
der Arbeitslosigkeit durch Kurzarbeit<br />
verhindert werden konnte. Dagegen verzeichneten<br />
die USA, die das Instrument der Kurzarbeit<br />
nicht kennen, einen kräftigeren Anstieg<br />
der Arbeitslosenzahlen.<br />
Kurzarbeit mag in der Krise ein willkommenes<br />
Instrument zur Abfederung von Härten<br />
sein, hat aber auch unerwünschte Nebenwirkungen.<br />
Erstens kann der Strukturwandel<br />
behindert werden, falls durch die Kurzarbeit<br />
ein notwendiger Beschäftigungsabbau hinausgezögert<br />
wird. Denn das Instrument<br />
reduziert die Mobilität der Arbeitnehmer zwischen<br />
Sektoren und Unternehmen. Zweitens<br />
kann Kurzarbeit zu Verzerrungen bei der<br />
Lohnbildung führen: Branchen, die relativ<br />
häufiger von Beschäftigungsschwankungen<br />
betroffen sind, weisen ein höheres Beschäftigungsrisiko<br />
aus. Solche Unternehmen müssten<br />
zur Kompensation dieses Risikos höhere<br />
Löhne zahlen. Doch die Möglichkeit von<br />
Kurzarbeit erhöht die Bereitschaft von Arbeitnehmern,<br />
die Stelle auch ohne diese Kompensation<br />
anzunehmen. Damit sind Unternehmen<br />
in der Lage, die Kosten von Beschäftigungsschwankungen<br />
zu überwälzen. <<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> bulletin 5/09