Archivnachrichten Nr. 40 , März 2010 - Landesarchiv Baden ...
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Wenn einer eine Reise tut …<br />
Das fürstliche Haus Löwenstein-Wertheim unterwegs<br />
Im 18. und 19. Jahrhundert waren Kavalierstouren<br />
eine weitverbreitete und sehr<br />
beliebte Reiseart der europäischen Adligen.<br />
Bildung war damals ausschließlich<br />
den Privilegierten vorbehalten. Es galt,<br />
Eindrücke zu sammeln, das Leben an<br />
fremden Höfen kennenzulernen und<br />
Kontakte zu Personen zu knüpfen, die<br />
sich später als vorteilhaft erweisen konnten.<br />
Daneben standen Absichten wie<br />
Erziehung und Weiterbildung der angehenden<br />
Landesherren in Sprache wie in<br />
Kultur und Glauben fremder Gegenden.<br />
Das bevorzugte Reiseziel dabei war Italien.<br />
Oft entstanden bei diesen Reisen<br />
Tagebücher, die den anderen Zeitgenossen<br />
und den Daheimgebliebenen Aufschluss<br />
über das Erlebte geben sollten.<br />
Diese Reisebeschreibungen gehen bis ins<br />
16. und 17. Jahrhundert zurück. Daneben<br />
gibt es zahlreiche Schilderungen<br />
über Pilgerfahrten ins Heilige Land, die<br />
teilweise während der Reise von eigener<br />
Hand geführt, teilweise Mitreisenden<br />
in die Feder diktiert wurden.<br />
So nimmt es nicht wunder, dass das<br />
erste in Wertheim überlieferte Reisebuch<br />
über die Pilgerfahrt des Grafen Albrecht<br />
zu Löwenstein (1536–1587) nach Jerusalem<br />
im Jahr 1561 berichtet.<br />
Ein weiteres Tagebuch stammt aus der<br />
Hand des erst 16-jährigen Erbprinzen<br />
Constantin (1802–1838), in dem er seine<br />
Erlebnisse auf einer neuntägigen Reise<br />
durch Holland 1819 schildert.<br />
Eine längere Reise unternahm in den<br />
Jahren 1857 und 1858 sein Sohn Karl<br />
Fürst zu Löwenstein (1834–1921), bevor<br />
er sich ganz seinen Pflichten als Nachfolger<br />
der bisher über ihn wachenden Vormundschaft<br />
widmete. Mit dieser Fahrt,<br />
die über Italien, Ägypten und Palästina<br />
führte, waren gleich drei Absichten verbunden.<br />
In Italien wandte er sich dem<br />
künstlerischen Erbe dieser Landschaft<br />
zu, die ihm zu dieser Zeit schon nicht<br />
mehr ganz fremd war. Außerdem suchte<br />
er die von vielen Deutschen frequentierten<br />
Höfe und Haushaltungen auf, wo<br />
er – so ganz nebenbei – auch die Augen<br />
nach einer eventuell infrage kommenden<br />
Braut aufhielt. Das Klima in Ägypten<br />
sollte seiner zarten Gesundheit zugutekommen,<br />
und auf dem Rückweg über<br />
Palästina stellte der Besuch der heiligen<br />
Stätten in Jerusalem für den überzeugten<br />
Katholiken quasi den Höhepunkt dar.<br />
Von den beiden letztgenannten Reisetagebüchern,<br />
die unter anderem auch<br />
durch Briefe nach Hause ergänzt wurden,<br />
liegen Editionen vor.<br />
Dass diese Reisen gut organisiert waren<br />
und große Summen verschlangen, lässt<br />
sich zum Teil an den Hofhaltungsrechnungen<br />
der fürstlichen Häuser ablesen.<br />
Reiseliteratur findet sich unter Umständen<br />
in den Bibliothekslisten, die teilweise<br />
überliefert sind. Eher dem persönlichen<br />
Bereich gehören Pässe an, die sich ebenfalls<br />
in den Beständen des Staatsarchivs<br />
Wertheim finden. Die Namen der Personen,<br />
die den jungen Grafen oder Fürsten<br />
jeweils begleiteten, gehen oftmals nur<br />
aus den Tagebüchern selbst hervor.<br />
Reisen einzelner Familienmitglieder<br />
kamen weit öfter vor, als es diese Sonderform<br />
der Ego-Dokumente vermuten lassen.<br />
Davon künden zahlreiche Briefe,<br />
die untereinander gewechselt wurden.<br />
Eine wahre Fundgrube für die Befindlichkeiten<br />
der handelnden Personen sind<br />
die Briefe, die Gräfin Charlotte zu Löwenstein<br />
(1744–1820) an den Erzieher<br />
ihrer beiden Söhne Kirchenrat Georg<br />
Heinrich Hofmann richtete. Sie hielten<br />
sich zu Studienzwecken in den Jahren<br />
1790 und 1791 in Leipzig auf.<br />
Der schon genannte Fürst Karl zu Löwenstein<br />
musste oft zwischen seinen<br />
Besitzungen hin und her pendeln. Dazu<br />
kam, dass der Familienwohnsitz zwischen<br />
Kleinheubach am Main und<br />
Haid/Bor in Böhmen wechselte und er<br />
aufgrund seines Engagements in Sachen<br />
Laienkatholizismus in ganz Europa unterwegs<br />
war. Viele Briefe, die Aufschluss<br />
über seine Reiseerlebnisse und die geschäftlichen<br />
Ergebnisse geben, gingen<br />
an seine Gattin Sophie (1837–1899) und<br />
sind ebenfalls in den Beständen des<br />
Staatsarchivs Wertheim enthalten.<br />
Martina Heine<br />
Karl Fürst zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg,<br />
geboren am 21. Mai 1834 in Haid/Bor, gestorben<br />
am 8. November 1921 in Köln, kurz nach seiner<br />
Orientreise, vermutlich 1858.<br />
Vorlage: Paul Siebertz, Karl Fürst zu Löwenstein,<br />
Ein Bild seines Lebens und Wirkens, Kempten 1924,<br />
S. 48<br />
<strong>Archivnachrichten</strong> <strong>40</strong> / <strong>2010</strong> 13