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Archivnachrichten Nr. 40 , März 2010 - Landesarchiv Baden ...

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8<br />

Kavaliersreisen in der Frühen Neuzeit<br />

Quellen zur adligen Reisekultur im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein<br />

Reisen waren in der Vergangenheit nur<br />

wenigen vorbehalten, Massentourismus<br />

gab es noch nicht. Bevorzugte Reisende<br />

waren Adlige. Ihnen galten Reisen als<br />

eine anstrebenswerte Unternehmung,<br />

nicht wegen der Erholung, sondern<br />

wegen des Bildungswerts. Man wollte<br />

fremde Länder und ihre Kultur durch<br />

eigene Anschauung und persönliches<br />

Erleben kennenlernen. Man spricht von<br />

Kavaliersreise, weil seit dem 17. Jahrhundert<br />

zunehmend junge Adlige – Kavalier<br />

bedeutete adliger Herr – im Anschluss<br />

an ihre Ausbildung solche Reisen unternahmen.<br />

Die ebenfalls übliche Bezeichnung<br />

Grand Tour verdeutlicht das Ausmaß.<br />

Es war kein Urlaub über einige<br />

Wochen, sondern eine mehrere Monate<br />

beanspruchende große Reise. Meistens<br />

erfolgte sie in Begleitung eines Erziehers<br />

oder Betreuers und war vom Vater weitgehend<br />

vororganisiert. Er stellte auch<br />

die Finanzierung sicher. Eine solche<br />

Tour führte durch verschiedene Territorien<br />

des Alten Reichs mit ihren prunkvollen<br />

Höfen und oft auch in fremde<br />

Länder, wobei Frankreich und Italien<br />

besonders beliebt waren.<br />

<strong>Archivnachrichten</strong> <strong>40</strong> / <strong>2010</strong><br />

Die Kavaliersreise war der Abschluss der<br />

Erziehung eines jungen Adligen. Sie gab<br />

ihm den letzten Schliff. Sie bot nicht nur<br />

Gelegenheit, die herausragenden Stätten<br />

der Kunst und wichtige Baudenkmäler<br />

sowie Kultur und Sitten fremder Länder<br />

durch eigenes Erleben kennenzulernen.<br />

Sie ermöglichte darüber hinaus, die im<br />

Unterricht erlernten Sprachkenntnisse<br />

zu vertiefen und praktisch anzuwenden,<br />

die höfischen Manieren durch neuen<br />

Umgang an fremden Höfen zu verfeinern<br />

und Kontakte zu knüpfen, die später<br />

dem Regenten nützlich sein konnten.<br />

Die Kavaliersreisen hatten also einen<br />

hohen Bildungswert im breitesten Sinn<br />

des Worts. Sie waren nicht beliebig und<br />

privat wie die heutigen Urlaubsreisen,<br />

sondern bedeuteten im Leben eines Adligen<br />

einen wesentlichen Abschnitt.<br />

Selbstverständlich waren solche Reisen<br />

auch bei den Hohenlohe beliebt. Zahlreiche<br />

und sehr unterschiedliche Zeugnisse<br />

aus dem Hohenlohe-Zentralarchiv<br />

gewähren interessante Einblicke.<br />

Gar nicht so selten sind Reiserechnungen,<br />

also Aufstellungen über Einnahmen<br />

und vor allem über die Kosten. Sie dien-<br />

Landschaft in Italien, Bleistiftzeichnung des<br />

Constantin Prinzen zu Salm im Reisetagebuch des<br />

Erbprinzen Ludwig Albrecht zu Hohenlohe-Jagstberg,<br />

1816.<br />

Vorlage: <strong>Landesarchiv</strong> HZAN Ni 50 Bü. 159 S. 11<br />

ten als Nachweis zur Abrechnung mit<br />

dem Vater. Rechnungen enthalten<br />

beispielsweise Belege über Transporte,<br />

Beköstigungen und Übernachtungen.<br />

Manches Detail wird hier erkenntlich,<br />

das in anderen Quellen untergeht. Erbprinz<br />

Ernst zu Hohenlohe-Langenburg<br />

beispielsweise buchte in seiner Rechnung<br />

über eine Englandreise dreimal<br />

24 Kreuzer Ausgaben an Schmiergeld,<br />

was ein interessantes Licht auf Reisehindernisse<br />

und ihre Bewältigung um 1800<br />

wirft. Oft machten junge Reisende in<br />

Briefen an den Vater auf weiteren<br />

Finanzbedarf aufmerksam mit dem Ziel,<br />

eine großzügigere Unterstützung zu<br />

erhalten. Auch hier ist manches Interessante<br />

zu erfahren.<br />

Es gibt regelrechte Reisetagebücher.<br />

Sie wurden häufig nach dem Ende der<br />

Reise zu ausformulierten Reiseberichten<br />

in Reinschrift ausgeschrieben. Teilweise<br />

wurden sie für den Geldgeber verfasst,<br />

meistens aber sind sie für den Reisenden<br />

Erinnerungsstücke, wurden bis ans Lebensende<br />

verwahrt und kamen dann in<br />

das Archiv. In den Nachlässen der Verwandten<br />

und Freunde finden sich oft

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