Archivnachrichten Nr. 40 , März 2010 - Landesarchiv Baden ...
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42<br />
Die Belagerung von Steinfels<br />
Eine unbekannte Bildergeschichte aus dem 17. Jahrhundert<br />
Bei Forschungen im Hauptstaatsarchiv<br />
Stuttgart wurden vor einiger Zeit unter<br />
den Akten des württembergischen<br />
Oberrats drei Blätter mit bemerkenswerten<br />
Federzeichnungen aus dem<br />
17. Jahrhundert entdeckt. Der inhaltliche<br />
Zusammenhang zwischen den Schriftstücken<br />
der Akte und den beiliegenden<br />
Zeichnungen trat allerdings nicht zum<br />
Vorschein. Bei diesen Kriminalakten<br />
geht es um Otto Wenzel, einen ehemaligen<br />
Reiter eines kaiserlichen Regiments,<br />
der 1681/82 in Ebingen auf der Schwäbischen<br />
Alb des Mordes beschuldigt<br />
und angeklagt wurde. Die Bilder hingegen<br />
zeigen eine bewehrte Stadt mit vorgelagerter<br />
Burg und verschiedene Personengruppen.<br />
Einen Identifizierungshinweis<br />
bietet hierfür nur der zweimal<br />
ausgeführte Ortsname Steinfelß. Das<br />
Wasserzeichen, das sich auf allen Blättern<br />
findet, datiert das Papier ebenfalls<br />
in die Jahre um 1682/83.<br />
Die vier Zeichnungen erzählen offenbar<br />
eine zusammenhängende Geschichte,<br />
die bislang nicht näher bekannt ist.<br />
Das erste, beidseitig bemalte Blatt trägt<br />
die Aufschrift Daß ist die herumb Steinfelßen.<br />
Im Vordergrund ist eine mittelalterliche<br />
Burg auf einem Felsen erkennbar.<br />
Sie wird von einer schwer<br />
bewaffneten Besatzung mit Kanonen<br />
verteidigt. Im oberen Teil sind zwei<br />
ebenfalls bewachte Stadttürme sichtbar,<br />
wodurch die Wehrhaftigkeit der dahinter<br />
liegenden Stadt zum Ausdruck<br />
gebracht wird. Die Zeichnung auf der<br />
Rückseite des Blatts stellt offensichtlich<br />
auch die Rückseite der Stadt dar. Davor<br />
verläuft ein schmaler Fluss oder Bach,<br />
worauf vier Personen in einem Boot<br />
fahren.<br />
Das zweite Blatt zeigt eine Nahaufnahme<br />
derselben Burg. Es werden Geschützkugeln<br />
abgefeuert, wieder stehen<br />
zwei bewaffnete Soldaten Wache. Auf<br />
<strong>Archivnachrichten</strong> <strong>40</strong> / <strong>2010</strong><br />
dem dritten Blatt sind sieben Reiter<br />
auf ihren Pferden im Angriff dargestellt.<br />
Diese Reiter sind unterschiedlich bewaffnet;<br />
der Kommandant erhebt den<br />
Säbel, fünf Reiter ihre Büchsen, während<br />
einer mit einer Trompete oder<br />
Fanfare zum Angriff bläst. Offenbar<br />
zeigt diese Darstellung die Belagerer von<br />
Steinfels, die gerade gegen Burg und<br />
Stadt ziehen.<br />
Eine historische Einordnung der dargestellten<br />
Belagerung von Steinfels will<br />
bislang nicht gelingen. Als gleichnamiger<br />
Ort kommt offenbar nur der kleine<br />
Weiler Steinfels bei Markt Mantel in<br />
der Oberpfalz infrage. Dort gibt es auch<br />
noch ein heruntergekommenes Schloss,<br />
das früher ein Rittergut war. Auch ein<br />
kleiner Bach fließt vorbei, doch kann<br />
man sich kaum vorstellen, dass damit<br />
die stolze Stadt und Burg der Darstellung<br />
gemeint sein können. Oder wird<br />
doch eine bestimmte Kriegsepisode aus<br />
dem kriegerischen 17. Jahrhundert,<br />
vielleicht aus dem Dreißigjährigen<br />
Krieg dargestellt, als auch Schloss Steinfels<br />
teilweise zerstört wurde? Vielleicht<br />
handelt es sich gar nur um eine erfundene<br />
Geschichte aus Kinderhand?<br />
Aber eine Kindergeschichte aus dem<br />
17. Jahrhundert – das wäre beinahe einmalig.<br />
Jedenfalls eine faszinierende,<br />
wirklich rätselhafte Geschichte.<br />
Die Zeichnungen wurden im September<br />
2009 erstmals als Archivale des<br />
Monats in einer kleinen Kabinettsausstellung<br />
im Hauptstaatsarchiv präsentiert<br />
und dabei auch digital inszeniert:<br />
http://www.landesarchiv-bw.de/web/<br />
50418. Sie haben bereits die Aufmerksamkeit<br />
von Militärhistorikern wie<br />
Heimatforschern in der Oberpfalz gefunden<br />
und wollen zum Weiterforschen<br />
anregen.<br />
Peter Rückert<br />
1<br />
2<br />
1 | Die Burg Steinfelß in Verteidigung,<br />
Federzeichnung, nach 1682/83.<br />
Vorlage: <strong>Landesarchiv</strong> HStAS A 209 Bü. 877<br />
2 | Reiter beim Angriff, Federzeichnung,<br />
nach 1682/83.<br />
Vorlage: <strong>Landesarchiv</strong> HStAS A 209 Bü. 877