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Strukturen geschaffen, die der ÖSV später übernommen<br />
hat. Wir haben viel Wert auf die Technik gelegt<br />
und bei den ganz jungen Läufern und Läuferinnen<br />
die Rennen stark reduziert, um das Skifahren und den<br />
Spaß in den Vordergrund zu rücken. Das war damals<br />
revolutionär.<br />
Spaß ist ein gutes Stichwort: Warum hat man den<br />
Eindruck, dass die Norweger viel mehr Spaß haben?<br />
Reinhard: Bei uns gibt es einen enormen Druck,<br />
während die Norweger relativ schnell im Weltcup starten<br />
können. Die müssen sich nicht laufend im Team<br />
beweisen, auch wenn es vielleicht einmal nicht so rund<br />
läuft. Ich glaube, den norwegischen Langläufern geht<br />
es ähnlich wie den österreichischen Skifahrern. Wenn<br />
zu viel Dichte da ist, dann wird es mit dem Spaß eng.<br />
Deswegen hat der ÖSV ja auch ein bisschen den Ruf<br />
eines Talente-Killers ...<br />
Reinhard: Das System ÖSV funktioniert, weil die<br />
Vielzahl der Talente auch Fehler verzeiht. Das gleiche<br />
System würde in Norwegen nicht funktionieren. Da<br />
muss man schon mit feinerer Klinge arbeiten.<br />
Wir haben vorher über Verletzungen gesprochen.<br />
Wie gefährlich ist der Skirennsport?<br />
Reinhard: Er ist vor allem brutal schädlich geworden.<br />
Diese Materialzuspitzung richtet sich gegen den<br />
Körper. Das Zeug kann man ja kaum mehr richtig<br />
fahren, ohne körperlich Schaden zu nehmen. Ich<br />
denke da an den Riesentorlaufski – da gibt es nur eine<br />
Handvoll Leute, die ihn beherrschen.<br />
Manfred: Das Material ist ein Wahnsinn. In der letzten<br />
Saison war der halbe Weltcup verletzt. Von vielen<br />
weniger Bekannten hört man ja gar nichts.<br />
Reinhard: Interessant ist auch, dass sich die Art der<br />
Verletzungen geändert hat. Früher gab es vor allem<br />
Fußbrüche, heute fast nur mehr Bänderverletzungen.<br />
Manfred: Diese Dominanz des Materials ist wie in der<br />
Formel 1. Darunter leidet auch der Sport. Das Geld<br />
regiert, und die Läufer werden verheizt. Wer kann<br />
heute noch alle Disziplinen fahren? Das geht beinahe<br />
physisch nicht. Das ‚Wunder’ Hirscher – wenn man es<br />
so nennen will – sind nicht die 5 Kristallkugeln, sondern<br />
dass er 5 Saisonen unverletzt geblieben ist.<br />
Ich finde schade, dass heute so etwas wie fahrerische<br />
Intelligenz kaum mehr gefördert wird. Nehmt<br />
den Super-G – das waren Anfang der 1980er-Jahre,<br />
als er eingeführt wurde, richtige Ausscheidungsrennen<br />
mit einer Handvoll qualifizierter Leute. Und dann<br />
wurde gegen die Kurssetzer gewettert – dabei waren<br />
diese Kurssetzer die einzigen, die verstanden haben,<br />
worum es geht.<br />
Reinhard: Ich gebe dir absolut recht: Der Super-G<br />
ist sicher die anspruchsvollste Disziplin im alpinen<br />
Atomic Ra<strong>ci</strong>ng Team 1972 vlnr: Manfred Wallinger, Reinhard Tritscher, Annemarie Pröll,<br />
Wiltrud Drexel, Julia Spettel, Brigitte Totschnig, David Zwilling, Hansi Waltl, Ernst Winkler<br />
Skiweltcup, weil man mit hohen Geschwindigkeiten ohne Trainingsläufe<br />
zurechtkommen muss.<br />
Das Problem ist nur, dass man auch im Super-G mittlerweile fast<br />
überall mit voller Geschwindigkeit fahren kann. Wer sagt, dass man<br />
in einem Rennen nicht auch bremsen können muss?<br />
Reinhard: Es kann nicht sein, dass man den Ski querstellen muss,<br />
damit man runter kommt, das hat mit Rennlauf nichts mehr zu tun.“<br />
Manfred (vermittelnd): „Tempo rausnehmen, vom Gas gehen – das ist<br />
sicherlich erlaubt. Aber bremsen? Da hört sich der Rennsport auf!<br />
Aber in der Formel 1 werden die Kurven ja auch angebremst?<br />
Manfred: Es ist und bleibt ein Spiel mit den Grenzen, und gewinnen tut<br />
der, der das Ganze gerade noch fahren kann.<br />
Die Frage ist, warum der Skirennsport heute nicht mehr so attraktiv ist.<br />
Manfred: Es hat sicher mit der Vielzahl der Rennen zu tun. Ein Rennen<br />
wie die legendäre Abfahrt auf der Streif hat nach wie vor sensationelle<br />
Reichweiten.<br />
Reinhard: Ich glaube, da muss man etwas ausholen. Die Ski-Euphorie in<br />
der Nachkriegszeit rund um Toni Sailer war Balsam für die österreichische<br />
Seele. Wir waren plötzlich wieder wer. Da hat man gerne ein Auge<br />
zugedrückt und übersehen, dass Skifahren eine Randsportart ist, die in<br />
ein paar Ländern, wo es Berge gibt, betrieben wird. In diesem Sinn war<br />
der Begriff Skiweltcup von Anfang an ein Etikettenschwindel.<br />
Das mit der Randsportart gefällt mir. Vielleicht ist das die Antwort:<br />
Suche dir eine Randsportart – dort geht es zwar nur um die Lorbeeren<br />
und nicht um das große Geld, aber es ist lustiger!<br />
Manfred: Meine Antwort ist, dass junge Menschen sich Dinge suchen<br />
sollten, für die sie brennen. Wohlgemerkt: Die Kinder sollen sich die Dinge<br />
suchen, nicht die Eltern. Die Eltern sollen den Kindern den Freiraum<br />
geben, den sie auf diesem Weg brauchen.<br />
Reinhard: Dann hätten wir auch nicht mehr die Situation, dass bei<br />
Kinderrennen lauter kleine Weltmeister fahren. Das ist schon alles<br />
ziemlich affig geworden.<br />
Danke für das Gespräch.<br />
gangart 9