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LITERATUR<br />
Else und Rudolf Bosenius<br />
vor einem Grade-Eindecker (ca. 1912)<br />
schauer mit Spannung Bosenius’ Vorführungen.<br />
Er musste einen Höhenflug von<br />
50 (!) Metern präsentieren (viele kamen<br />
damals noch nicht in solch „schwindelnde<br />
Höhen“) und fünf Achten fliegen, was<br />
bedeutete, dass er sich eine ganze Weile<br />
in der Luft zu halten und dann auch noch<br />
eine Ziellandung zu bauen hatte. Wenige<br />
Tage darauf legte er beim Flugtag in<br />
Ankum bei seinen von Seitenwind beeinträchtigten<br />
Flügen „Geistesgegenwart<br />
und Kaltblütigkeit an den Tag“.<br />
Unter den Bewunderern des Quakenbrücker<br />
Flugtages stand auch ein junges<br />
Mädchen, die einzige Tochter Else des<br />
Realgymnasial-Oberlehrers Professor<br />
Hermann Morgenroth. Der Flugtag<br />
entschied das Schicksal des Piloten.<br />
Die junge Dame überreichte ihm einen<br />
Blumenstrauß, und es dauerte nicht<br />
lange, da schlossen Else Morgenroth und<br />
Rudolf Bosenius den Bund fürs Leben.<br />
Anfang 1914 diente Bosenius als Pilot<br />
an der Westfront. Aber schon im März<br />
1915 holte man ihn von dort weg, denn<br />
Rudolf Bosenius in seinem Büro des THW-Heimes (ca. 1957)<br />
nun wurde er als Fluglehrer nach Köslin,<br />
Graudenz, Posen und schließlich an<br />
die damalige Hohe Schule der Fliegerei<br />
Berlin-Johannisthal abkommandiert.<br />
Dort erlebte er das Ende des Ersten Weltkrieges.<br />
Bosenius blieb dem „Revier“ treu,<br />
so wurde er im Mai 1933 als Fluglehrer<br />
in Dortmund eingesetzt, ein Jahr darauf<br />
Stammflugzeugführer bei der Luftwaffe<br />
in Paderborn und anschließend in Werl.<br />
1937 musste er aufgrund eines Erlasses<br />
aus der Luftwaffe ausscheiden, denn<br />
Flieger in der Luftwaffe durfte man<br />
danach nur sein, wenn man jünger als 35<br />
Jahre war. Das bedeutete das Ende seiner<br />
aktiven Fliegerei.<br />
Im Zweiten Weltkrieg meldete sich<br />
Bosenius freiwillig zur Front und war in<br />
Nordnorwegen und Finnland eingesetzt,<br />
um anschließend nach Deutschland<br />
zurückkommandiert zu werden. Kurz vor<br />
dem Einmarsch der westlichen Alliierten<br />
meldete sich Bosenius freiwillig zum<br />
Infanterieeinsatz an die Front, geriet<br />
aber in Gefangenschaft und wurde von<br />
den Amerikanern 1945 nach Frankreich<br />
abtransportiert. Nach seiner Heimkehr<br />
1946 stellte sich Bosenius den vielfältigen<br />
Aufgaben des öffentlichen Lebens in<br />
Quakenbrück zur Verfügung. So wurde<br />
er als begeisterter Sänger 1948 Schriftführer<br />
des neu belebten Quakenbrücker<br />
Männerchores, und 1952 erfolgte auf<br />
seine Anregung unter Mitarbeit von Lore<br />
Pfaffendorf die Gründung des Gemischten<br />
Chores. Hier ernannte man ihn bald<br />
zum Ehrenvorsitzenden. Auch gehörte er<br />
dem Vorstand des Kyffhäuser-Bundes an.<br />
Doch der Name Rudolf Bosenius ist bis<br />
heute untrennbar verbunden mit dem<br />
Aufbau und der Entwicklung des Ortsverbandes<br />
des Technischen Hilfswerkes<br />
(THW), den er zunächst kommissarisch<br />
und ab 1956 als bestellter Ortsbeauftragter<br />
leitete. Bereits in den Jahren vor dem<br />
Zweiten Weltkrieg hatte es in Quakenbrück<br />
sozusagen als Vorläufer eine Technische<br />
Nothilfe gegeben. Konsequent<br />
arbeitete Bosenius in stiller Stube und in<br />
vielen Übungen an der Fortentwicklung<br />
des THW-Ortsverbandes, wobei ihm eine<br />
treue Helferschar zur Seite stand.<br />
Auf dem Hof der damaligen Stadtwerke<br />
an der Wilhelmstraße befand sich das<br />
mit Unterstützung durch den Kreis, die<br />
Stadt und das Entgegenkommen der<br />
Bundesvermögensverwaltung geschaffene<br />
erste Übungsgelände. Groß war die<br />
Freude, als 1956 die Schildsche Baracke<br />
mit Ölbunker als erste eigene Unterkunft<br />
bezogen werden konnte. Dieses<br />
Gebäude an der Artlandstraße auf dem<br />
Gelände der Firma Kynast wurde 1971<br />
abgebrochen (heute Standort Wohnhäuser<br />
Kynast und Hehler). Nach einer<br />
Übergangszeit in der Steinbaracke an<br />
der Danziger Straße (heute Heimstatt<br />
des Neustädter Schützenbundes und der<br />
Burgmannskapelle Quakenbrück) ist der<br />
THW-Ortsverband seit 1980 in der ehemaligen<br />
Ehrenhalle des Fliegerhorstes an<br />
der Ostlandstraße ansässig.<br />
Rudolf Bosenius ist am 5. Februar 1960<br />
in Quakenbrück verstorben. Leider ist die<br />
Familiengrabstätte Morgenroth-Bosenius<br />
unmittelbar an der evangelischen<br />
Friedhofskapelle bereits 1990 aufgelöst<br />
und neu belegt worden. Die Erinnerung<br />
an Bosenius, der in Quakenbrück eine<br />
markante Persönlichkeit war, halten die<br />
THW-Helfer bis heute wach. Er ist ihnen<br />
Vorbild für einen ehrenamtlichen Idealismus,<br />
durch den ein Verein sein festes<br />
Fundament hat.<br />
Ausgabe <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong> mq | 5