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Kapitel I<br />
Der Nebel umgibt mein Pferd und mich wie eine silbergraue Wand, die sämtliche<br />
Geräusche verschluckt. Alles, was ich hören kann, sind die dumpfen Hufschläge auf<br />
weichem Gras, das Knarren des Sattelleders und ab und zu das Schnauben meiner Stute.<br />
Die Sichtweite beträgt nahezu null, es fühlt sich an, als würden wir durch eine<br />
unwirkliche Szenerie traben, völlig losgelöst von der übrigen Welt. Ich liebe diese Ausritte<br />
im Herbst, wenn von den Bäumen gerade noch die Wipfel zu sehen sind, und die Spitzen<br />
der Kirchtürme über einem grauen Meer zu schwimmen scheinen. Heute jedoch kann ich<br />
dieses Schauspiel nicht so recht genießen. Meine Gedanken kreisen um das Verhalten<br />
meines Mannes. Vincent benimmt sich seit einiger Zeit – gelinde gesagt – merkwürdig.<br />
Dass er aufgrund seines Jobs als Versicherungsdetektiv häufig unterwegs ist, weiß ich. Es<br />
fing damit an, dass er immer häufiger auswärts übernachtete, selbst dann, wenn sein<br />
aktueller Fall es gar nicht erforderte.<br />
»Ich will eben nicht mitten in der Nacht noch Auto fahren müssen«, hatte er erklärt.<br />
Für eine Weile habe ich das akzeptiert, doch dann spürte ich, wie Vincent sich<br />
veränderte. Langsam, schleichend nur, aber ich bemerkte es, schließlich lebte ich mit ihm<br />
seit über neun Jahren zusammen. Er war immer der ruhigere von uns beiden,<br />
introvertiert, wo ich aufgeschlossen und kontaktfreudig bin. Das ist auch eine<br />
Vorrausetzung für meinen Beruf, meine Reitschüler rekrutieren sich aus allen<br />
Altersschichten. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und sogar ein paar Senioren sind dabei.<br />
Die älteste ist siebzig und der jüngste sechs Jahre alt. Gerade bei den Teenagern darf man<br />
nicht auf den Mund gefallen sein, aber auch die Erwachsenen fordern mich ganz schön.<br />
Vincent dagegen zieht sich zurück, sobald es ihm zu gesellig und laut wird. Partys zu<br />
feiern überlässt er lieber anderen. Doch jetzt bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht, ist<br />
er mal zu Hause, igelt er sich in seinem Büro ein, und als Krönung des Ganzen schließt er<br />
mittlerweile sogar ab. Und mich aus. Irgendetwas nagt an ihm, denn er schläft auch<br />
schlecht. Wirft sich des Nachts oft hin und her, wimmert oder stöhnt im Schlaf, und das<br />
nicht auf die Art, die auf feuchte Träume hindeutet. Eher auf Albträume. Jede meiner<br />
Nachfragen schmettert er ab, lässt mich nicht mehr an sich heran.<br />
Ich seufze tief, richte meine Aufmerksamkeit wieder auf mein Pferd, obwohl die Stute<br />
ihren Weg durchaus alleine findet. Sanft tätschele ich ihr den Hals. »Was hältst du von<br />
einem kleinen Galopp, Süße?«<br />
Sie antwortet mit einem Schnauben und wirft den Kopf hoch.<br />
»Okay, das war eine blöde Frage, ich weiß.« Grinsend setze ich mich zurecht und<br />
nehme die Zügel etwas auf. Ein Rennpferd zu fragen, ob es galoppieren will? Ist der Papst<br />
katholisch? Der Nebel hat sich ein klein wenig gelichtet, viel zu erkennen ist zwar immer<br />
noch nichts, aber die langgestreckte Wiese vor uns ist eben und misst etwa drei Kilometer<br />
in der Länge. Rechts und links zieht sich der Wald am Wiesenrand entlang, am Ende der<br />
Wiese geht diese in eine leichte Steigung über, bevor eine Hecke sie von der<br />
dahinterliegenden Straße trennt. Ideal, um meine Stute Malika mal wieder ein bisschen<br />
rennen zu lassen. Auf der Bahn liegt ihr Rekord bei über fünfundsechzig<br />
Stundenkilometern, da ist es schwer in der Natur Strecken zu finden, wo ich sie gefahrlos<br />
in vollem Tempo galoppieren lassen kann.