Kapitel II »Könntest du das bitte noch mal wiederholen?« Ich umklammere meine Kaffeetasse und starre ungläubig auf Vincent, der mir auf der Couch gegenübersitzt. Es ist Abend, ich bin ziemlich geschafft und kann immer noch nicht so recht fassen, was mein Mann mir gerade erzählt hat. »Das kommt gar nicht so selten vor«, verteidigt er sich. »Bei diesem Kerl ist es allerdings schon extremer ausgeprägt.« »Das ist eine verdammt zahme Wortwahl für einen Brandstifter«, gebe ich angesäuert zurück. Ja, ich bin sauer. Stinksauer. Auf Vincent, dass er sich auf diesen Fall eingelassen hat, vor allem aber auf seinen Chef, der ihn einfach ins offene Messer hat laufen lassen. »Der Kerl ist ein Psychopath, wieso kümmert sich nicht die Polizei um ihn?« »Weil sie bislang noch nicht genug Beweise hatte. Uns ist er aufgefallen, weil zwei der Gebäude, die er abgefackelt hat, auf den Namen seiner Frau eingetragen waren. Die Dame ist allerdings bereits seit zehn Jahren tot. Ein Autounfall.« »Er wollte die Versicherungssumme nachträglich kassieren?« »Genau. Beide Gebäude hätten aufwendig saniert werden müssen, wenn er sie weiterverkaufen wollte. So brauchte er nur Benzin und Streichhölzer.« »Das leuchtet mir ein, dazu muss man nicht studiert haben.« Ich nippe an meinem Kaffee. »Du hast gesagt, dass er noch in drei weiteren Fällen verdächtigt wird.« Vincent schluckt nervös und weicht meinem Blick aus. »Ja, das ist der Teil, der dir nicht gefallen wird.« Ich hebe die Augenbrauen. »Ehrlich? Mir gefällt alles an diesem Fall nicht und schon gar nicht, dass du verletzt worden bist.« Seufzend stellt er seine Tasse weg. »Ich weiß, und das tut mir auch leid, aber ich hatte keine Ahnung, dass der Kerl mich schon seit längerer Zeit verfolgt. Erinnerst du dich an den beschädigten Zaun auf der großen Sommerweide?« »Natürlich. Jetzt sag nicht, das war er.« Wir hatten Jugendliche, die dort häufig im Sommer zelteten und Saufgelage veranstalteten, im Verdacht gehabt. Nachweisen konnten wir allerdings niemandem was. »Er war es auch, der die Tränke mit Fäkalien verunreinigt hat, ebenso die Sache mit den angezündeten Strohballen.« »Verdammte Scheiße, dabei hätten Menschen und Tiere verletzt werden können!« Mein Mann sieht total geknickt aus, als er zugibt: »Sind sie auch. Bei einem von ihm gelegten Brand sind zwei Menschen schwer verletzt worden, Obdachlose. Es handelte sich um ein altes Lagerhaus, die Ermittlungen wurden ziemlich rasch eingestellt.« »Sicher«, sage ich bitter. »Waren ja nur Obdachlose.« Mir wird übel, bei dem Gedanken daran, dass jetzt Vincent im Fokus dieses Psychopathen steht … und damit auch unser Hof. »Du hast das alles gewusst, deswegen bist du kaum noch zu Hause gewesen, oder? Du wolltest nicht, dass der Kerl dich hierher verfolgt. Nun, der Schuss ist ja dann wohl nach hinten losgegangen.« »Du bist wütend«, flüstert er mit erstickter Stimme. »Ja. Bin ich. Weil ich dich liebe, du Hornochse und nicht will, dass dir was passiert! Heute war es nur eine Beule am Kopf, aber was fällt dem Typen als Nächstes ein? Zündet
er uns das Haus über dem Kopf an? Oder den Stall? Skrupel scheint er ja keine zu haben.« »Ich könnte in ein Hotel …?« »Oh nein! Ich lasse dich keinen Schritt mehr von hier weg.« »Aber, du …« »Nein!« »Simon, du könntest ebenso verletzt werden.« »Mir egal, ich lasse dich nicht mehr aus den Augen. Wir sind ein Paar, Vince. In guten wie in schlechten Zeiten, weißt du noch?« Er seufzt kellertief. »Wer ist jetzt hier der Sturkopf?« »Das hast du gehört?« »Hmm …« Sein Blick wird weicher. »Simon?« »Ja?« »Ich liebe dich.« »Ich dich auch, Schatz. Ich dich auch.«