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FLUG REVUE 02/2017

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VIP-Interview<br />

Im Mai 2016 wurde der ESA-Astronaut Alexander Gerst für seine zweite Langzeitmission im All nominiert.<br />

2018 wird der 40-Jährige als erster Deutscher auf der ISS das Kommando führen. Im Interview spricht der<br />

gebürtige Künzelsauer über sein Training, die Zukunft der ISS und seine Ambitionen als Raumfahrer.<br />

Ist der zweite Flug zur Internationalen<br />

Raumstation genauso aufregend<br />

wie der erste, oder ist das<br />

schon fast ein bisschen Routine?<br />

Routine darf es nicht werden. In der<br />

Raumfahrt arbeiten wir an der Grenze<br />

des technologisch Machbaren. Man<br />

muss sich immer den Respekt davor<br />

bewahren. Das stellt sich auch automatisch<br />

ein, wenn man auf einer Rakete<br />

mit 300 Tonnen Treibstoff sitzt. Klar,<br />

ein Teil der Aufregung ist weg – die<br />

Anspannung vor einem Flug, weil man<br />

nicht weiß, was auf einen zukommt.<br />

Diese Gedanken kann ich nun getrost<br />

beiseite schieben. Ich freue mich<br />

darauf, dass ich jetzt Kapazitäten frei<br />

habe, einige Dinge bewusster wahrzunehmen.<br />

Die Geräusche bei meinem<br />

ersten Start habe ich zum Beispiel<br />

komplett vergessen.<br />

Was ist bei der Mission 2018<br />

anders als 2014?<br />

Zum einen werde ich auf dem Pilotensitz<br />

der Sojus fliegen, das ist der linke Sitz<br />

neben dem Kommandanten der Kapsel.<br />

Dafür gibt es zusätzliches Training. Im<br />

Prinzip habe ich das ganze Jahr 2016<br />

damit verbracht, mich in die Tiefen und<br />

Details des Flugkontrollsystems einzuarbeiten,<br />

um zu lernen, wie man eine<br />

Sojus-Kapsel steuert. Das geht so weit,<br />

dass ich mit zwei Joysticks an der Raumstation<br />

andocken oder die Kapsel manuell<br />

in die Atmosphäre fliegen muss.<br />

Das übt man auch in der Zentrifuge bei<br />

5 oder 6 g Beschleunigung. Das ist nicht<br />

ganz einfach, es macht aber riesigen<br />

Spaß, so ein Raumschiff komplett kennenzulernen.<br />

Zum anderen werde ich in<br />

der zweiten Hälfte meiner Mission<br />

Kommandant auf der ISS sein. Schon im<br />

Training bin ich nicht nur für mich selbst<br />

zuständig, sondern auch für meine Crew.<br />

Das ist eine spannende Aufgabe.<br />

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem<br />

bisherigen Trainingsstand?<br />

Sehr zufrieden. Für mich ist es jetzt<br />

leichter, weil ich einschätzen kann, was<br />

„Ein Flug zum<br />

Mond oder zum<br />

Mars, das wär’s!“<br />

wichtig ist. Vor dem ersten Flug war das<br />

schwierig. Im Training bekommt man<br />

sehr viele Informationen, und man muss<br />

selbst entscheiden, worauf es ankommt.<br />

Es ist aber nicht so, dass wir die Füße<br />

auf den Schreibtisch legen, es sind immer<br />

noch Zwölf-Stunden-Arbeitstage.<br />

Ihre letzte Mission hieß „Blue Dot“<br />

und war mit einer klaren Botschaft<br />

verbunden. Wie wird das 2018<br />

sein?<br />

Wir haben uns schon einen Namen<br />

überlegt, er wird allerdings erst im April<br />

<strong>2017</strong> bekannt gegeben. Aber es geht darum,<br />

dass wir zeigen, wie wichtig die<br />

Raumstation für unsere Erde ist, dass<br />

wir wichtige Erkenntnisse zurückbringen.<br />

In jedem Wissenschaftszweig gibt<br />

es eine Lücke, weil man bestimmte Dinge<br />

aufgrund der Gravitation nicht auf<br />

Foto: ESA<br />

der Erde erforschen kann. Die Raumstation<br />

ist das einzige Labor, wo wir<br />

diese Experimente durchführen können.<br />

Die zweite Botschaft ist, dass die Raumstation<br />

auch unser erster Schritt weiter<br />

in den Kosmos ist. Dort testen wir<br />

Lebenserhaltungssysteme, die wir brauchen,<br />

wenn wir zum Mond oder zum<br />

Mars fliegen wollen.<br />

Die ISS kann wohl maximal bis<br />

2<strong>02</strong>8 betrieben werden. Wie geht<br />

es danach weiter?<br />

Die europäische Raumfahrtagentur hat<br />

dafür schon Pläne. Einer davon ist das<br />

Orion-Modul, das die ESA zusammen<br />

mit der NASA baut. Die ESA ist für das<br />

Antriebsmodul verantwortlich. Es ist<br />

das erste Mal, dass die Amerikaner bei<br />

einem solchen Explorationsvehikel einen<br />

internationalen Partner auf den kritischen<br />

Pfad gelassen haben. Das ist ein<br />

schönes Kompliment, aber für uns auch<br />

eine Möglichkeit, weiter in den Weltraum<br />

zu fliegen. Das alleine ist aber<br />

noch kein Programm, das groß genug<br />

wäre. Deshalb untersucht die ESA gerade,<br />

welche Elemente man mit Partnern<br />

der internationalen Explorationsstrategie<br />

bauen könnte: ein Habitat, das man<br />

im Weltraum auf dem Weg zum Mond<br />

„parken“ kann, oder eben auch Habitate<br />

auf dem Mond selbst.<br />

Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund<br />

die Rolle Chinas? Als<br />

Konkurrenz oder als potenziellen<br />

Kooperationspartner?<br />

Beides. Konkurrenz belebt das Geschäft.<br />

Die Chinesen machen große Schritte,<br />

und ich finde das gut. Letztendlich arbeiten<br />

wir für dasselbe Ziel. Im Moment<br />

ist das noch eher ein Wettlauf, aber die<br />

ESA hat schon immer gesagt, dass sie<br />

offen ist für Kooperationen. Ich sehe<br />

künftige Weltraumexploration als internationale<br />

Zusammenarbeit. Es wäre<br />

schön, wenn alle mit dabei wären.<br />

Was ist Ihr persönlicher Traum als<br />

Astronaut?<br />

14 <strong>FLUG</strong> <strong>REVUE</strong> FEBRUAR <strong>2017</strong><br />

www.flugrevue.de

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