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Das Raketentriebwerk XR-5M15 wurde für bemannte<br />
Raumfahrzeuge entwickelt und in der Wüste getestet.<br />
Ein XCOR-Ingenieur arbeitet am<br />
Lynx-Hauptantrieb XR-5K18.<br />
sich hinter diesen Wänden eine private<br />
Raumfahrtfirma verbirgt. XCOR wurde<br />
1999 unter anderem mit dem Ziel gegründet,<br />
einmal Suborbitalflüge für<br />
Weltraumtouristen und Forschungsinstitutionen<br />
anzubieten.<br />
GÜNSTIGE RAKETENMOTOREN<br />
Aufbau Lynx<br />
Kanzel<br />
knapp 4,2 Quadratmeter<br />
Fläche für gute Aussicht<br />
Cockpit<br />
Platz für zwei<br />
Personen<br />
Hitzeschild<br />
für die Absorption der<br />
hohen Temperaturen<br />
beim Wiedereintritt<br />
Behälter<br />
für wissenschaftliche<br />
Experimente<br />
In einem kleinen Nachbargebäude steht<br />
ein Mock-up des zweisitzigen Lynx. Mit<br />
seinen Deltaflügeln und dem weißen<br />
Rumpf mit schwarzer Unterseite ähnelt<br />
er dem Space Shuttle. Daneben steht die<br />
EZ-Rocket, eine Long-EZ, die von einem<br />
Raketenmotor so groß wie eine<br />
Bierdose angetrieben wurde und am<br />
21. Juli 2001 erstmals flog. Sie war der<br />
erste Versuchsträger von XCOR. Die<br />
EZ-Rocket ist das bisher einzige Raketenflugzeug,<br />
mit dem ein Touch-and-Go<br />
geflogen wurde.<br />
Zurück im Hangar 61, geht es zunächst<br />
durch ein Labyrinth aus Stahlschränken<br />
und Regalen in einen großen,<br />
offenen Bereich vor den Hallentoren.<br />
Hier steht ein Triebwerk des Lynx, das<br />
XR-5K18, eine Eigenentwicklung von<br />
XCOR. Einer der entscheidenden Unterschiede<br />
zu herkömmlichen Raketentriebwerken<br />
ist die Verwendung von<br />
Kolben- statt Turbopumpen. Sie sind<br />
einfach im Aufbau und zuverlässig. Dadurch<br />
lassen sich enorm Kosten sparen.<br />
Zudem kann eine Pumpe zwei Triebwerke<br />
gleichzeitig versorgen.<br />
Jeremy Voigt, Entwickler und Konstrukteur<br />
von XCOR, trägt seit Kurzem<br />
den Titel „Lead Engineer“. Seine Visitenkarte<br />
hat er mit einem Kugelschreiber<br />
aktualisiert. Mit seinem jugendlichen<br />
Aussehen macht er eher den Eindruck<br />
eines Studenten als den eines Raketeningenieurs.<br />
Er arbeitet gerade am Reaktionskontrollsystem<br />
(Reaction Control<br />
System, RCS). Mit ihm wird der Lynx<br />
gesteuert, wenn er außerhalb der Atmosphäre<br />
fliegt. Auf einem Werkstattwagen<br />
steht ein Triebwerk des RCS, das<br />
3 N 22. Es ist sehr einfach im Aufbau,<br />
entwickelt einen Schub von 177 Newton<br />
und hat mit mehr als 2000 Zündungen<br />
bereits seine Tauglichkeit bewiesen.<br />
Statt der üblicherweise benutzten hochgiftigen,<br />
hypergolen Treibstoffe wird eine<br />
eigene Treibstoffkombination verwendet,<br />
deren Zusammensetzung ein<br />
Treibstofftank<br />
fasst 750 kg<br />
Vier XR-5K18-Triebwerke mit<br />
Kerosin und flüssigem Sauerstoff<br />
betrieben, wiederzündbar<br />
und laut XCOR mehr als<br />
5000-mal zu verwenden<br />
Rumpf und Flügel<br />
aus Verbundwerkstoffen<br />
für<br />
möglichst geringes<br />
Gewicht<br />
Fotos: XCOR (4), Hans Jürgen Zimmermann (3)<br />
Lynx-Versionen<br />
Lynx bietet Platz für nur einen Weltraumpassagier,<br />
soll aber pro Tag bis zu fünfmal ins All fliegen<br />
können. Die im Bau befindliche Version Mark 1 dient<br />
in erster Linie der Erprobung aller Systeme und der<br />
Ausbildung zukünftiger Piloten. Die geplante maximale<br />
Flughöhe wird rund 62 km betragen. Mark 2<br />
soll eine Höhe von über 100 km erreichen und die<br />
ersten Passagiere befördern. Mark 3 soll mittels eines<br />
externen Behälters Nutzlasten wie wissenschaftliche<br />
Experimente befördern und Mikrosatelliten starten<br />
können. Ein Flug dauert etwa 30 Minuten, mit einer<br />
Phase der Schwerelosigkeit von fast sechs Minuten.<br />
Der aktuelle Preis für einen Flug liegt bei 150 000<br />
US-Dollar und damit deutlich unter dem anderer<br />
Anbieter. Bisher sind 300 Tickets verkauft worden.<br />
Firmengeheimnis ist. Für die Steuerung<br />
werden zwölf dieser Schubdüsen an<br />
Bug, Heck und Flügelspitzen benötigt.<br />
Auf der anderen Seite der Halle steht<br />
der Lynx Mark 1, der Raumgleiter, mit<br />
dem die erste Serie von Flügen stattfinden<br />
soll. Der Rumpf ist unlackiert, die<br />
Flügel fehlen noch. Bis zum Erstflug<br />
wird es wohl noch dauern. Der ursprüngliche<br />
Termin wurde immer wieder<br />
verschoben, und mittlerweile gibt es keine<br />
Angaben mehr dazu. Im Gegensatz<br />
zu anderen privaten Raumfahrtfirmen<br />
fehlen XCOR finanzstarke Investoren<br />
wie Elon Musk, Richard Branson oder<br />
Paul Allen. Deshalb kündigte das Unternehmen<br />
Ende Mai 2016 an, sich zunächst<br />
auf die Entwicklung des mit flüssigem<br />
Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff<br />
betriebenen Oberstufentriebwerks<br />
8H21 zu fokussieren. United Launch<br />
Alliance (ULA) hat Interesse daran bekundet,<br />
es in der neuen Vulcan-Rakete<br />
einzusetzen. Aufgeben will XCOR den<br />
Lynx aber nicht. Denn eines Tages soll er<br />
an die Grenze zum Weltraum fliegen,<br />
nicht nur im Simulator.<br />
FR<br />
HANS JÜRGEN ZIMMERMANN<br />
<strong>FLUG</strong> <strong>REVUE</strong> Februar <strong>2017</strong> 79