seitenbühne Nr. 6 - Niedersächsische Staatstheater Hannover
seitenbühne Nr. 6 - Niedersächsische Staatstheater Hannover
seitenbühne Nr. 6 - Niedersächsische Staatstheater Hannover
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Urtext-Ausgabe, die diesen Namen auch<br />
verdient. Denn dass Fingersätze von fremder<br />
Hand in den Noten stehen oder dynamische<br />
Vorzeichen des Komponisten in Klammern<br />
gesetzt werden, empfindet er als<br />
störende Elemente. Nicht selten macht sich<br />
Buchbinder dann auf zum Quellenstudium<br />
ins Beethoven-Haus Wien, um „im Safe zu<br />
stöbern“, die Originale zu studieren und so<br />
in direkte Kommunikation mit dem Werk<br />
und dem Komponisten zu treten. Und kürzlich<br />
hielt er im Wiener Musikverein das<br />
Autograph von Mozarts d-Moll-Klavierkonzert<br />
in der Hand. Da weht den Pianisten<br />
schon mal der Geist des 18. Jahrhunderts an,<br />
allein die schwarzen Flecken an den Rändern<br />
der Notenblätter üben eine besondere<br />
Magie aus: „Dort, wo man umblättert, ist<br />
das Papier ganz dunkel. Dann versuche ich<br />
heimlich, meinen Daumen drauf zu drücken<br />
wo der Mozart auch geblättert hat, damit<br />
irgendetwas rüberkommt. Ein erhebendes<br />
Gefühl.“ 18 Ausgaben der Beethoven-Sonaten,<br />
zahlreiche Autographe und Erstdrucke<br />
von Mozarts Klavierkonzerten – diese beiden<br />
Komponisten ziehen sich wie ein roter<br />
Faden durch Buchbinders Pianistenleben,<br />
beiden Komponisten widmete er sich in<br />
unzähligen Konzerten und Plattenaufnahmen.<br />
Die Liebe zu Beethoven – „mit Beethoven<br />
kann man ein Leben verbringen“ –<br />
kann dann auch mal zum Exzess werden:<br />
2003 spielte Rudolf Buchbinder im Wiener<br />
Konzerthaus alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte<br />
an einem Tag, ein Marathon, den<br />
er im Mai 2007 in der Alten Oper Frankfurt<br />
mit den Wiener Symphonikern wiederholte.<br />
Und mit allen 32 Beethoven-Sonaten interpretierte<br />
er das „Neue Testament“ der Klaviermusik<br />
als kompletten Zyklus in zahlreichen<br />
Städten, darunter München, Wien,<br />
Hamburg, Zürich und Buenos Aires. Neben<br />
Mozart und Beethoven spielte mit Joseph<br />
Haydn auch der dritte Komponist der Wiener<br />
Klassik für Buchbinders Pianistenlaufbahn<br />
eine wichtige Rolle. 1976 erregte er<br />
mit seiner Einspielung des Klavier-Gesamt-<br />
Konzert <strong>seitenbühne</strong> | Seite 13<br />
Mozart auch geblättert hat“<br />
werkes von Haydn besonderes Aufsehen und<br />
wurde für diese Aufnahme mit dem „Grand<br />
Prix du Disque“ ausgezeichnet. Darüber<br />
hinaus stehen die Brahms-Klavierkonzerte<br />
wie das Gershwin-Konzert häufig auf den<br />
Konzertprogrammen Buchbinders. Daneben<br />
spielte er auch Raritäten ein, wie die<br />
Sammlung der Diabelli-Variationen von<br />
Beethoven, Liszt, Hummel oder Czerny und<br />
knapp 50 anderen österreichischen Komponisten.<br />
Auf die Frage, welchen Komponisten<br />
er gerne mehr Zeit widmen würde, nennt er<br />
eine kaum enden wollende Liste mit Namen<br />
und Werken: „Das Problem der Pianisten<br />
besteht darin, dass für uns so viel geschrieben<br />
wurde, dass ein Leben nicht ausreicht,<br />
um alles zu lernen.“ Und was hat er sich ganz<br />
konkret für die nächsten Jahre vorgenommen?<br />
„Ehrlich gesagt: nichts – denn ich<br />
möchte noch ruhig schlafen.“ Vom Schlaf<br />
hält Buchbinder jedoch nicht nur das Wissen<br />
um unzählige vernachlässigte Komponisten<br />
und Werke ab, sondern auch etliche<br />
Hobbies und Verpflichtungen neben der<br />
Pianistentätigkeit: Seit 2007 ist er Intendant<br />
des von ihm neu gegründeten Musikfestivals<br />
Grafenegg in Niederösterreich. Darüber<br />
hinaus liest der begeisterte Cineast viel und<br />
ist zudem passionierter Amateurmaler, für<br />
den Pinsel und Farbkasten nicht zuletzt eine<br />
Therapie sind, „um endlich ruhig sitzen<br />
zu bleiben“.<br />
Dorothea Hartmann<br />
2. Sinfoniekonzert<br />
Sonntag, 4. November, 17.00 Uhr<br />
Montag, 5. November, 19.30 Uhr<br />
Kurzeinführungen jeweils eine halbe Stunde<br />
vor Vorstellungsbeginn.<br />
Joseph Haydn Sinfonie <strong>Nr</strong>. 60 C-Dur<br />
„Il distratto“ (1774)<br />
Wolfgang Amadeus Mozart<br />
Klavierkonzert <strong>Nr</strong>. 20 d-Moll KV 466 (1785)<br />
Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie <strong>Nr</strong>. 38<br />
D-Dur „Prager Sinfonie“ (1786)<br />
Alfred Schnittke „Moz-Art à la Haydn“<br />
(nach dem Fragment KV 416d, 1977)<br />
Solist Rudolf Buchbinder<br />
<strong>Niedersächsische</strong>s Staatsorchester <strong>Hannover</strong><br />
Dirigent Lutz de Veer<br />
Mit freundlicher Unterstützung der<br />
Stiftung Staatsoper <strong>Hannover</strong>