stahlmarkt 9.2015 (September)
Aus dem Inhalt: Steel International / Skandinavien / Stahl & Automobil - Fahrzeuge / Stahlhandel & Stahl-Service-Center
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16 K Steel International<br />
Indiens Stahlindustrie in Not<br />
von Manik Mehta *)<br />
New York. Fallende Preise und verschärfter Wettbewerb sind nur zwei der<br />
vielen Probleme für den Stahlsektor in Indien. Vertreter der Stahlindustrie<br />
waren daher begeistert, als Narendra Modi vor einem Jahr zum Premierminister<br />
ernannt wurde. Die Stahlindustrie hatte sich von ihm »magische<br />
Kräfte« erhofft, die er als Regierungschef des Bundesstaates Gujarat<br />
bereits unter Beweis gestellt hatte. Allerdings war bis jetzt davon wenig zu<br />
spüren, wie manche Experten urteilen.<br />
Die anfänglich mit Modis Wahl aufgetretene<br />
Hochstimmung – die »Modiphoria«<br />
– flaut inzwischen langsam ab. Zwar ist die<br />
schwierige Situation der Stahlindustrie größtenteils<br />
auf die Entwicklung des Weltmarkts<br />
zurückzuführen. Dennoch werden Stimmen<br />
laut, Modi könne manches mehr tunm um<br />
die Wirtschaft durch Reformen anzukurbeln,<br />
vor allem aber Landreformen durchführen.<br />
Wie in anderen Ländern verzeichnete<br />
auch die indische Stahlindustrie einen starken<br />
Rückgang der Preise für Rohstahl und<br />
Stahlprodukte auf den Weltmärkten.<br />
Sorgen um finanzielle Stabilität<br />
Die Banken, die mit den Stahlunternehmen<br />
in Indien Geschäfte machen, sind um deren<br />
finanziellen Zustand besorgt. Denn eine<br />
weitere Verschlechterung der Finanzlage<br />
indischer Stahlunternehmen können den<br />
ihrerseits bereits unter Druck geratenen<br />
Banken großen finanziellen Schaden zufügen.<br />
Nach einer Einschätzung der Investmentbank<br />
Credit Suisse haben sich die<br />
Schulden bei den großen Stahlunternehmen<br />
bereits auf bis zu 50 Mrd. USD angehäuft.<br />
Diese Summe sei 15-mal so hoch wie die<br />
Gewinne dieser Unternehmen im Finanzjahr<br />
2015 zusammengenommen, warnen Ex -<br />
perten.<br />
Die Banken haben also guten Grund zur<br />
Sorge. Dem »Financial Stability Report« der<br />
*) Manik Mehta arbeitet als freier Journalist in New York<br />
indischen Zentralbank (Reserve Bank of<br />
India) vom Juni zufolge steht die Stahlindustrie<br />
des Landes für ca. ein Zehntel der<br />
schlechten Kredite des indischen Bankensystems<br />
insgesamt. Sicher verteilen sich die<br />
restlichen »faulen« Kredite u. a. auf Textilunternehmen,<br />
Stromverteiler und Infrastrukturprojekte.<br />
Doch ist die indische Stahlindustrie<br />
im Hinblick auf die globalen Stahlpreisschwankungen<br />
besonders verwundbar.<br />
Dabei mehren sich die Probleme noch.<br />
Nach dem »Financial Stability Report« stehen<br />
fünf der zehn führenden Privatstahlunternehmen<br />
wegen Verzögerungen bei der<br />
Umsetzung laufender Projekte unter zusätzlichem<br />
Druck. Grund für die Verzögerungen<br />
sind die nicht rechtzeitig erteilten Genehmigungen<br />
für Landerwerb und Umweltschutz.<br />
Davon sind auch ausländische Unternehmen<br />
betroffen. So ist der südkoreanische Stahlproduzent<br />
Posco bei der Errichtung eines<br />
nagelneuen Stahlwerks auch nach fast zehn<br />
Jahren keinen Schritt weitergekommen.<br />
Chinesische Importe drohen<br />
Nach einem Bloomberg-Bericht sind die<br />
chinesischen Exporte in den ersten sechs<br />
Monaten 2015 um 28 % auf 52,4 Mill. t<br />
angestiegen. Darunter leidet auch die indische<br />
Stahlindustrie. Die Regierung des Landes<br />
sei nun unter starkem Druck, höhere<br />
Zoll abgaben für Stahlimporte einzuführen,<br />
so einige Industrieexperten. Sie hat bereits<br />
eine sogenannte Anti-Dumping- Maßnahme<br />
gegen Importe einiger Stahlprodukte aus<br />
China, Südkorea und Malaysia eingeführt.<br />
Andererseits werden im Ausland selbst einige<br />
Maßnahmen gegen indische Stahlprodukte<br />
eingeführt. Die amerikanische Re -<br />
gierung z. B. hat verkündet, dass indische<br />
Stahlproduzenten zu den ausländischen<br />
Lieferanten gehören, die Stahl zu Dumpingpreisen<br />
an den US-Markt liefern.<br />
Die Stahlproduktion in Indien ist im Mai<br />
2015 geringfügig angestiegen. Die Stahlindustrie<br />
in Indien sei weit von einem Aufschwung<br />
entfernt, so die Meinung einiger<br />
Industrievertreter. Der Anstieg der einheimischen<br />
Produktion ist dabei hauptsächlich<br />
auf die Inbetriebnahme neuer Stahlwerke<br />
zurückzuführen. Laut dem Joint Plant Committee,<br />
dem offiziellen Statistikinstitut der<br />
indischen Eisen- und Stahlindustrie, haben<br />
die einheimischen Betreiber integrierter Hüttenwerke<br />
zusammen 12 Mill. t im zweiten<br />
Quartal von April bis Juni produziert – verglichen<br />
mit dem Vorjahreszeitraum entspricht<br />
das einem Wachstum von 4,3 %. Im<br />
Mai allein lag die Produktion bei 7,5 Mill. t,<br />
was einer Steigerungsrate von 1,7 % ge -<br />
genüber dem Vorjahr entspricht.<br />
Vom Nachfrageplus in Indien<br />
profitiert der Importstahl<br />
Das Dilemma der indischen Stahlindustrie ist<br />
dabei, dass gerade als die Produktion an -<br />
stieg, billige Importe aus China, Japan und<br />
Südkorea den indischen Markt überflutet<br />
haben. In China warem die Stahlpreise sogar<br />
auf das niedrigste Niveau seit 16 Jahren<br />
abgerutscht.<br />
Die Importe stiegen im zweiten Quartal<br />
des Jahres um 53 % auf 2,54 Mill. t gegenüber<br />
der Vorjahresperiode. Jayant Acharya,<br />
der für Commercial and Marketing Operations<br />
zuständige Direktor bei JSW Steel,<br />
stellt zwar eine wachsende Nachfrage vor<br />
allem in kleineren Infrastrukturprojekten<br />
sowie im Kraftfahrzeugbau, fest. Doch<br />
davon profitierten vor allem Importe.<br />
»Wenn diese Zustände fort bestehen, werden<br />
unsere Gewinne davon betroffen sein.<br />
Im Quartal April bis Juni war die Ge -<br />
winnspanne sehr unter Druck«, so Acharya.<br />
Viele Stahlexperten gehen er schwerend von<br />
einem schwächeren dritten Quartal aus.<br />
Denn die Zeit zwischen Juli und <strong>September</strong><br />
sei Monsunzeit, in der die Nachfrage etwa<br />
im Baubereich gewöhnlich nur sehr schwach<br />
ist.<br />
(sm 150902434) K<br />
<strong>stahlmarkt</strong> 0<strong>9.2015</strong>