stahlmarkt 9.2015 (September)
Aus dem Inhalt: Steel International / Skandinavien / Stahl & Automobil - Fahrzeuge / Stahlhandel & Stahl-Service-Center
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8 K Steel International<br />
US-Stahlproduzenten und<br />
Gewerkschaften streiten<br />
Weiterhin aber Einigkeit bei unfairen Stahlimporten<br />
New York (bln). Seit Jahr und Tag beschrieb der Begriff »Arbeitsfrieden«<br />
das Klima im US-Stahlsektor am besten. Vereint kämpften Unternehmensund<br />
Gewerkschaftsführer in Washington für Strafzölle gegen »unfaire<br />
Importe«, vereint setzten sich beide Seiten in Washington für ein<br />
langjähriges Investitionsprogramm für die zerbröckelnde Infrastruktur ein.<br />
In Tarifverhandlungen gab es keine so gravierenden Differenzen, dass man<br />
sich nicht einigen konnte.<br />
Das geschah gewöhnlich vor Auslaufen<br />
der alten Tarifverträge. Von Streiks war seit<br />
Langem keine Rede mehr. Seit Ende Juni der<br />
Tarifvertrag für die fast 4.500 Arbeiter bei<br />
Allegheny Technologies auslief und Wochen<br />
später keine Einigung in Sicht war, gab es<br />
jedoch Anzeichen für einen möglichen Klimawechsel.<br />
Das betraf vor allem den<br />
Arbeitsstreit bei Allegheny Technologies,<br />
warf allerdings auch Schatten auf die Tarifgespräche<br />
bei zwei großen Stahlherstellern,<br />
U.S. Steel und ArcelorMittal, wo die Tarifverträge<br />
mit dem 1. <strong>September</strong> 2015 ausliefen.<br />
Die Verhandlungen sind schwierig<br />
Hunderte Stahlarbeiter marschierten protestierend<br />
vom Hauptquartier der United Steelworkers<br />
Gewerkschaft (USW) zum Hauptsitz<br />
des Allegheny-Technologies-Unternehmens.<br />
Aktivisten schrien Fragen und Antworten in<br />
die Menge, die die Masse der Marschierenden<br />
wiederholte: »Was wollen wir? Einen<br />
fairen Tarifvertrag! Wann wollen wir den?<br />
Jetzt!« In seiner Rede vor den Protestierenden<br />
schlug USW-Vizepräsident Tom Conway,<br />
der das Gewerkschaftsteam in den Tarifverhandlungen<br />
anführt, eine schärfere Gangart<br />
ein als in den vergangenen Jahren. »Wenn<br />
dieses Unternehmen einen Arbeitskampf<br />
will, werden wir ihnen einen Kampf der alten<br />
Schule liefern«, erklärte er unter dem Jubel<br />
der Masse. »Wenn ihr einen Kampf mit einer<br />
Gewerkschaft provoziert, ist die USW die<br />
letzte, die ihr wählen solltet, weil wir genau<br />
wissen, wie man damit umgeht.«<br />
In seiner Erklärung zur Tarifsituation bei<br />
Allegheny war USW-Präsident Leo W.<br />
Gerard in seiner Rhetorik weniger konfrontativ.<br />
Die Gewerkschaft habe angeboten, die<br />
Tarifverhandlungen für ein »faires Abkommen<br />
für beide Seiten« fortzusetzen. Gerard<br />
unterstrich, dass die Differenzen der beiden<br />
Seiten »bedeutend« waren und warnte die<br />
Unternehmensleitung, keine Drohungen<br />
auszusprechen – beispielsweise in Bezug auf<br />
das mögliche Anheuern von Arbeitern auf<br />
Zeit, obwohl die Belegschaft trotz des abgelaufenen<br />
Tarifvertrages bereit war weiterzuarbeiten.<br />
Lokale USW-Funktionäre vermuteten auf<br />
Grund der von Allegheny Technologies,<br />
U.S. Steel und ArcelorMittal vorgelegten<br />
Verhandlungspositionen, dass die drei Un -<br />
ternehmen zusammenarbeiteten, um die<br />
Gewerkschaft zu schwächen oder zu brechen.<br />
Aber im nationalen USW-Hauptquartier<br />
war von solcher Verschwörungstheorie<br />
keine Rede.<br />
Dennoch, die Stimmung vor dem Auslaufen<br />
der Tarifverträge bei U.S. Steel, Arcelor-<br />
Mittal und Allegheny gaben jenen Gewerkschaftsvertretern<br />
recht, die seit geraumer Zeit<br />
vor »schwierigen Verhandlungen« warn ten.<br />
Die beiden Großunternehmen meldeten in<br />
diesem Jahr enttäuschende Ergebnisse – in<br />
der Hauptsache als Folge (1.) billiger Importe,<br />
(2.) eines rekordkalten Winters bis hinein in<br />
den Frühling und (3.) mangelnder öffentlicher<br />
Mittel für den Straßen- und Brückenbau.<br />
Arbeitgeber verlangen<br />
zu hohe Konzessionen<br />
Dass Stahlunternehmen, darunter die drei<br />
von Tarifverhandlungen betroffenen, seit<br />
geraumer Zeit in einer schwierigen Lage<br />
sind, bestritt die Gewerkschaft in ihren<br />
öffent lichen Äußerungen nicht. Eine Reihe<br />
von Unternehmen, allen voran U.S. Steel,<br />
haben Stahlarbeiter dauerhaft oder vorübergehend<br />
entlassen. Inmitten der Tarifverhandlungen<br />
wurde bekannt, dass U.S. Steel<br />
im Fairfield- Werk in Alabama den Hochofen<br />
stillegen und mehr Belegschaftsmitglieder<br />
als vor gesehen entlassen werden. Der alte<br />
Hochofen wird durch einen Elektrolichtbogenofen<br />
ersetzt, der Fairfield zu einer Mini-<br />
Hütte macht, wo Metallschrott anstelle von<br />
Eisen erz und Koks als Rohstoff dient.<br />
Laut USW rechtfertigen Probleme und<br />
Modernisierungen nicht die von der Arbeitgeberseite<br />
verlangten Konzessionen. Während<br />
sich die Unternehmensleitungen nicht<br />
oder nicht ausführlich über ihre Verhandlungspositionen<br />
äußerten, informierte die<br />
USW ihre Mitglieder und die Medien regelmäßig<br />
über den Stand der als unfair betrachteten<br />
Konzessionsforderungen der Unternehmen.<br />
In vergangenen Tarifverhandlungen wa -<br />
ren die hohen Krankenversicherungskosten<br />
für Ruheständler wiederholt Hauptstreitpunkte.<br />
In einem ersten, informellen Papier<br />
schlug U.S. Steel vor, die Eigenbeiträge zur<br />
Krankenversicherung für Belegschaftsmitglieder<br />
deutlich anzuheben. Nicht unerwartet<br />
löste dieser Vorschlag einen Proteststurm<br />
aus. Ebenso unwillkommen war in der Be -<br />
legschaft der Plan, die großzügige Unternehmensversicherung<br />
für jene Ruheständler<br />
zu streichen, die für die Krankenversicherung<br />
der Regierung (Medicare) qualifiziert<br />
sind. Das Unternehmen würde jenen Ehemaligen<br />
einen jährlichen Kredit von<br />
1.140 USD für eine zusätzliche Versicherung<br />
zahlen. Die USW-Gewerkschaft lehnte diesen<br />
Vorschlag ebenfalls ab.<br />
Bevor die Tarifverhandlungen die letzte<br />
Phase erreichten, gab U.S.-Steel-Chef Mario<br />
Longhi einen optimistischen Ausblick mit<br />
der Erklärung ab, dass er für das zweite<br />
Halbjahr 2015 eine vierfache Steigerung der<br />
Unternehmensgewinne erwarte. Er nannte<br />
»Kostenreduzierungen« und »verbesserte<br />
Marktbedingungen« als Gründe für seinen<br />
Optimismus. Während die Wall Street ap -<br />
<strong>stahlmarkt</strong> 0<strong>9.2015</strong>