11.12.2012 Aufrufe

Adenauer und die deutschen Ostgebiete in den fünfziger Jahren

Adenauer und die deutschen Ostgebiete in den fünfziger Jahren

Adenauer und die deutschen Ostgebiete in den fünfziger Jahren

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>A<strong>den</strong>auer</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Ostgebiete</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>fünfziger</strong> <strong>Jahren</strong> 509<br />

stimmten, <strong>und</strong> daß „alle Nationen der Welt" dazu gelangen müßten, „auf <strong>die</strong> Anwendung<br />

von Gewalt zu verzichten" 101 . Durch <strong>die</strong> Erwähnung der Atlantik-Charta wollte<br />

der B<strong>und</strong>eskanzler, wie er versicherte, „unter anderem auch <strong>den</strong> Polen" zeigen,<br />

„daß man nicht an e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige, <strong>den</strong> <strong>deutschen</strong> Interessen alle<strong>in</strong> <strong>die</strong>nende Lösung,<br />

sondern an e<strong>in</strong>e vernünftige <strong>und</strong> gerechte Lösung des gesamten Territorialproblems,<br />

auch unter Berücksichtigung polnischer Wünsche, <strong>den</strong>ke" 102 . Dies sei notwendig,<br />

„um der starken sowjetischen Propaganda zu begegnen, <strong>die</strong> <strong>den</strong> Polen <strong>den</strong> Schrecken<br />

e<strong>in</strong>es wiederkehren<strong>den</strong> Eroberers an <strong>die</strong> Wand male, der nichts anderes im Auge<br />

habe, als <strong>die</strong> Polen aus <strong>den</strong> <strong>Ostgebiete</strong>n wieder zu vertreiben" 103 .<br />

<strong>A<strong>den</strong>auer</strong> hatte also durchaus nicht <strong>die</strong> Absicht, auf <strong>die</strong> <strong>Ostgebiete</strong> zu verzichten,<br />

sondern wollte <strong>die</strong> Lösung der Grenzfrage der Frie<strong>den</strong>sregelung vorbehalten. Er<br />

stellte <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser H<strong>in</strong>sicht ke<strong>in</strong>e konkreten Ansprüche <strong>und</strong> verlangte ke<strong>in</strong>e spezifischen<br />

B<strong>in</strong>dungen der Alliierten gegenüber <strong>den</strong> Deutschen. E<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Handlungsfreiheit der B<strong>und</strong>esregierung bei <strong>den</strong> späteren Frie<strong>den</strong>sverhandlungen<br />

wollte er bewahren. Damit <strong>die</strong> deutsche Verhandlungsposition nicht von vornhere<strong>in</strong><br />

geschwächt würde, bestand er allerd<strong>in</strong>gs darauf, daß auch <strong>die</strong> Westmächte ke<strong>in</strong>e<br />

über das Potsdamer Abkommen h<strong>in</strong>ausgehen<strong>den</strong> Verpflichtungen, <strong>in</strong>sbesondere gegenüber<br />

Polen, mehr e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen. Angesichts des neuen Verhältnisses zwischen der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> <strong>den</strong> westlichen Alliierten, das ja im Generalvertrag se<strong>in</strong>en sichtbaren<br />

Ausdruck f<strong>in</strong><strong>den</strong> sollte, war <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> rechtlich wie politisch vertretbarer <strong>und</strong><br />

ke<strong>in</strong>eswegs unbeschei<strong>den</strong>er Wunsch, zumal aus <strong>A<strong>den</strong>auer</strong>s Äußerungen se<strong>in</strong>e Kompromißbereitschaft<br />

im H<strong>in</strong>blick auf <strong>die</strong> <strong>Ostgebiete</strong> deutlich hervorg<strong>in</strong>g.<br />

Um <strong>die</strong> Lauterkeit se<strong>in</strong>er Absichten gegenüber Polen zu unterstreichen, schlug der<br />

B<strong>und</strong>eskanzler außerdem vor, <strong>den</strong> Absatz 1 des Artikels VII durch e<strong>in</strong>e Wendung zu<br />

ergänzen, <strong>die</strong> darauf h<strong>in</strong>weisen sollte, daß <strong>die</strong> Frie<strong>den</strong>sregelung - <strong>und</strong> <strong>die</strong>s schloß <strong>die</strong><br />

Festsetzung der deutsch-polnischen Grenze e<strong>in</strong> - dem Ziel <strong>die</strong>nen müsse, „künftig<br />

neue Spannungen unmöglich zu machen" 104 . Dieser Gedanke g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> <strong>den</strong> Generalvertrag<br />

e<strong>in</strong>. Die entsprechende Formulierung des Artikels VII, Absatz 1, wurde folglich<br />

nicht, wie Kaiser argumentiert, „von Acheson durchgesetzt", sondern ist auf<br />

<strong>A<strong>den</strong>auer</strong> zurückzuführen, <strong>in</strong> dessen Papieren sich auch e<strong>in</strong>e früher datierte handschriftliche<br />

Notiz ähnlichen Inhalts f<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong>e Erwähnung der Atlantik-Charta<br />

lehnte der amerikanische Außenm<strong>in</strong>ister dagegen ab. Sie beruhe auf „antiquierten"<br />

Pr<strong>in</strong>zipien, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lösung territorialer Fragen durch Volksabstimmungen sei e<strong>in</strong>e<br />

„durch <strong>die</strong> Entwicklung überholte Formel" 105 .<br />

101<br />

Text der Atlantik-Charta <strong>in</strong>: Berber/Randelzhofer (Hrsg.), Völkerrechtliche Verträge, S. 311 f.<br />

102<br />

Zit. nach <strong>A<strong>den</strong>auer</strong>, Er<strong>in</strong>nerungen 1945-1953, S.514; <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> zitierte das Protokoll nahezu<br />

wörtlich, fügte jedoch das verdeutlichende Wort „alle<strong>in</strong>" e<strong>in</strong>; vgl. Verlaufsprotokoll der Besprechung<br />

zwischen <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> <strong>und</strong> Acheson vom 21.11. 1951, <strong>in</strong>: AAPD, Bd. 1, S. 527.<br />

103<br />

Ebenda.<br />

104<br />

Ebenda, S.528; Aufzeichnung Grewes vom 14.11. 1951, <strong>in</strong>: AAPD, Bd. 1, S.577, Anm.16; Kaiser,<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung stellt ke<strong>in</strong>e Ansprüche, S. 50.<br />

105<br />

Verlaufsprotokoll der Besprechung zwischen <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> <strong>und</strong> Acheson vom 21.11. 1951, <strong>in</strong>:<br />

AAPD, Bd. 1, S.528.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!