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Adenauer und die deutschen Ostgebiete in den fünfziger Jahren

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488 Axel Frohn<br />

viel wird folglich schon hier deutlich: E<strong>in</strong> mit erpresserischen Metho<strong>den</strong> herbeigeführter<br />

Verzicht <strong>A<strong>den</strong>auer</strong>s auf <strong>die</strong> <strong>Ostgebiete</strong> läßt sich mit der verbürgt guten Stimmung<br />

auf der Pariser Konferenz nicht <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang br<strong>in</strong>gen. Das beschworene Verzichtsdokument<br />

konnte außerdem trotz <strong>in</strong>tensiver Suche weder im Archiv des Auswärtigen<br />

Amts noch im B<strong>und</strong>eskanzleramt, im B<strong>und</strong>esarchiv oder <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nationalarchiven<br />

<strong>in</strong> London, Paris oder Wash<strong>in</strong>gton aufgef<strong>und</strong>en wer<strong>den</strong>. Ebenso blieben Recherchen<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> schriftlichen Nachlässen <strong>A<strong>den</strong>auer</strong>s, Präsi<strong>den</strong>t Trumans, Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Achesons, des Hohen Kommissars John J. McCloy <strong>und</strong> des amerikanischen<br />

Botschafters <strong>in</strong> Paris David Bruce erfolglos.<br />

Zu guter Letzt wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> Archivare des Auswärtigen Amts, wie es schien, dann<br />

aber doch noch fündig. Sie entdeckten das Verlaufsprotokoll e<strong>in</strong>er Unterredung <strong>A<strong>den</strong>auer</strong>s<br />

mit Acheson vom 21. November 1951, <strong>in</strong> dem auch <strong>die</strong> Frage der <strong>Ostgebiete</strong><br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt. Dar<strong>in</strong> heißt es: „Acheson brachte das Gespräch dann auf<br />

<strong>den</strong> Artikel VII des Generalvertrags, Frie<strong>den</strong>sregelung <strong>und</strong> Wiedervere<strong>in</strong>igung.<br />

Hierzu machte <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> längere Ausführungen etwa folgen<strong>den</strong> Inhalts: Die B<strong>und</strong>esregierung<br />

stelle ke<strong>in</strong>e Ansprüche <strong>und</strong> verlange ke<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>dungen der Alliierten<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Gebiete östlich der Oder-Neiße. Sie erwarte aber, daß auch <strong>die</strong> Alliierten<br />

ke<strong>in</strong>erlei B<strong>in</strong>dungen gegenüber Dritten, sei es zum Beispiel gegenüber Polen,<br />

e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen. Dieses Problem müsse der Frie<strong>den</strong>sregelung vorbehalten bleiben." 13<br />

Kaiser <strong>in</strong>terpretierte <strong>die</strong>se Textstelle als e<strong>in</strong>e „<strong>in</strong> staatsmännischer E<strong>in</strong>sicht ausgesprochene<br />

Zusage der B<strong>und</strong>esregierung, h<strong>in</strong>sichtlich der Gebiete östlich der Oder-<br />

Neiße ke<strong>in</strong>e Ansprüche zu erheben", <strong>und</strong> sah dar<strong>in</strong> „<strong>in</strong> frappierender Weise e<strong>in</strong>en<br />

Hauptgedanken des Warschauer Vertrags von 1970" vorweggenommen 14 . Kritiker<br />

vermochten <strong>in</strong> der Aufzeichnung dagegen ke<strong>in</strong>en Beleg für Kaisers These zu erkennen.<br />

Robert Leicht schrieb, im Zusammenhang mit weiteren Dokumenten müsse<br />

man <strong>die</strong> Stelle eher wie folgt lesen: <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> stelle ke<strong>in</strong>e Ansprüche an <strong>die</strong> Westmächte,<br />

ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Absichten h<strong>in</strong>sichtlich der Gebiete östlich der Oder-Neiße zu<br />

unterstützen, <strong>und</strong> Josef Foschepoth sah durch das Schriftstück „das genaue Gegenteil"<br />

von Kaisers Auffassung bestätigt: <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> habe sich mit Erfolg dagegen gewehrt,<br />

<strong>in</strong> schriftlicher Form auf <strong>die</strong> <strong>Ostgebiete</strong> zu verzichten 15 .<br />

Die Konfusion um <strong>A<strong>den</strong>auer</strong>s Politik ist <strong>in</strong>des nicht ganz unverständlich. Vor allem<br />

ist sie darauf zurückzuführen, daß es bisher ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Erklärung gibt,<br />

weshalb der Kanzler <strong>die</strong> deutsch-polnische Grenzfrage bei <strong>den</strong> Verhandlungen über<br />

13 Verlaufsprotokoll der Besprechung zwischen <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> <strong>und</strong> Acheson vom 21. 11. 1951, <strong>in</strong>: Akten<br />

zur Auswärtigen Politik der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (künftig: AAPD), Bd. 1, <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Hohen Kommissare 1949-1951, hrsg. v. Hans-Peter Schwarz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Re<strong>in</strong>er Pommer<strong>in</strong>,<br />

bearb. v. Frank-Lothar Kroll <strong>und</strong> Manfred Nebel<strong>in</strong>, München 1989, S. 526 ff., Zitat S.527.<br />

14 Karl Kaiser, Die B<strong>und</strong>esregierung stellt ke<strong>in</strong>e Ansprüche ... Konrad <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Oder-<br />

Neiße-L<strong>in</strong>ie. Frühe E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> <strong>die</strong> Grenzen deutscher Politik, <strong>in</strong>: Die Zeit, 29.9. 1989, S. 49 f.,<br />

Zitate S. 50.<br />

15 Robert Leicht, Von e<strong>in</strong>er Legende zur anderen. Trotz alliierten Drucks war Konrad <strong>A<strong>den</strong>auer</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>em förmlichen Verzicht nicht bereit, <strong>in</strong>: Die Zeit, 28. 7. 1989, S. 4; Josef Foschepoth, <strong>A<strong>den</strong>auer</strong><br />

hätte als Verräter gegolten, <strong>in</strong>: Stern, 27.7. 1989, S.21f., hier S.21.

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