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Unter anderen Umständen – Mutter werden in dieser Gesellschaft

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außergewöhnliche Menschen. Stuttgart 1992.<br />

Ich habe im Workshop von V<strong>in</strong>darasen erzählt, um Distanz zu gew<strong>in</strong>nen<br />

zu den Selbstverständlichkeiten, die oft auch im kritischen Gespräch über<br />

pränatale Diagnostik stillschweigend mitlaufen. Dann haben wir die fol-<br />

genden Thesen besprochen, die alle um e<strong>in</strong>es kreisten: die falschen Wor-<br />

te im Gespräch um pränatale Diagnostik: Beratung, Diagnostik, Wissen,<br />

nicht-direktiv, K<strong>in</strong>d, Entscheidung, Sicherheit, Verantwortung, Zukunft.<br />

1. In der »genetischen Beratung« professionellen Typs, sei es durch Arzt oder<br />

Genetiker<strong>in</strong>, geht es nicht um »Beratung« oder gar Ratgeben im gu- ten<br />

und starken S<strong>in</strong>ne, sondern um die E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en entkörpernden<br />

Denkstil <strong>in</strong> bezug auf sich selbst und das kommende K<strong>in</strong>d. Die genetische<br />

»Beratung« stellt e<strong>in</strong>e soziale Umgangsform dar, die <strong>–</strong> ungeachtet der In-<br />

tention des Beraters <strong>–</strong> die Beratene desorientieren und <strong>in</strong> ihrer Alltags-<br />

wahrnehmung ver-rücken muß; das nenne ich nicht »Beratung« sondern<br />

professionell hergestellte Ratlosigkeit. E<strong>in</strong>e gute Beratung müßte versu-<br />

chen, der Frau zu erklären, daß Statistik nichts über die Zukunft aussagt<br />

und daß Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitszahlen für die e<strong>in</strong>zelne Person s<strong>in</strong>nlos s<strong>in</strong>d.<br />

Ist die fortgeschrittene Schwangerschaft der richtige Moment für e<strong>in</strong>e<br />

Expreß-E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> die Grenzen statistischer Aussagen ? Ich glaube<br />

nicht.<br />

2. Die sogenannte pränatale »Diagnostik« hat mit »Diagnostik« <strong>in</strong> der alten<br />

Bedeutung des Fachworts für e<strong>in</strong> ärztliches Verfahren <strong>in</strong> der Trias Diagno-<br />

se, Therapie, Prognose im Rahmen e<strong>in</strong>er Heilbehandlung nichts geme<strong>in</strong>.<br />

Ich er<strong>in</strong>nere die Klage e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>derarztes, der als Genetiker bei e<strong>in</strong>em Kon-<br />

greß darüber lamentierte, daß er nicht mehr als »Arzt« handeln kann. Es<br />

geht bei den »diagnostischen« Verfahren, das ist der e<strong>in</strong>zige Zweck der<br />

Sache, um Selektion, um die Aussonderung von Anlageträgern und nicht<br />

um ärztliches Handeln im guten S<strong>in</strong>n.<br />

3. Das genetische Labor liefert ke<strong>in</strong> »Wissen«, mit dem die Frau <strong>in</strong> bezug<br />

auf sich selbst etwas anfangen könnte, denn das genetische Screen<strong>in</strong>g<br />

liefert »Informationen« über Kodiertes, was e<strong>in</strong>em Befehlsempfang gleich-<br />

kommt. Wenn e<strong>in</strong>e sich ihr K<strong>in</strong>d als Anlageträger e<strong>in</strong>es genetisch kodierten<br />

Pränatales Genetisches Screen<strong>in</strong>g <strong>–</strong> moderne Wahrsagerei ? 145

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