Unter anderen Umständen – Mutter werden in dieser Gesellschaft
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<strong>–</strong> wie auch sonst im Leben <strong>–</strong> natürlich das auswählen, was ihnen <strong>in</strong> der<br />
Gestaltung ihres Lebens und der Bewältigung ihres Lebensalltags nütz-<br />
lich ersche<strong>in</strong>t. Nun ist unser Lebensalltag auch nach wie vor noch davon<br />
geprägt, daß die Reproduktions- und Beziehungsarbeit <strong>–</strong> all das, was die<br />
sozialen Härten dieses Systems abfedert wie die Sorge um die, die noch<br />
nicht (K<strong>in</strong>der) oder nicht mehr funktions- und leistungsfähig s<strong>in</strong>d <strong>–</strong> Frau-<br />
en, »sozialen« und »biologischen« Müttern, obliegt.<br />
Auf der <strong>anderen</strong> Seite sollen und wollen Frauen aber <strong>in</strong>sbesondere auch<br />
im Berufsalltag funktionieren. Mit diesen Vorstellungen vom autonomen<br />
Subjekt ist »<strong>Mutter</strong>schaft« (»soziale« und »biologische«) nicht vere<strong>in</strong>bar.<br />
Sie be<strong>in</strong>haltet Abhängigkeiten, soziale Risiken durch Verb<strong>in</strong>dlichkeiten<br />
und Verb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> Beziehungen. So wird die genetische Kontrolle e<strong>in</strong>e<br />
Hilfsmöglichkeit für Frauen, diese doppelten Anforderungen sche<strong>in</strong>bar<br />
abzumildern. Und: Die gesellschaftlichen Strukturen können so unange-<br />
tastet bleiben.<br />
Immer mehr Frauen verweigern, wenn sie es sich leisten können, das »Mut-<br />
tern«. Indem sie sich für alle bequem dem Zeitgeist anpassen, wird <strong>dieser</strong><br />
Teil im Zusammenleben für überflüssig erklärt. Soziale Ausgrenzungen,<br />
Professionalisierung von Beziehungen und der Versuch, auffällige und stö-<br />
rende Menschen zu verh<strong>in</strong>dern, könnten e<strong>in</strong>e Folge se<strong>in</strong>. Der eugenische<br />
Schwangerschaftsabbruch als aktiver Akt von Frauen kann sowohl Anpas-<br />
sung an als auch Widerstand gegen gesellschaftliche Zumutungen an sie<br />
als »<strong>Mutter</strong>« se<strong>in</strong>. Er kann bedeuten, die Verantwortung für gesellschaftli-<br />
che Bed<strong>in</strong>gungen (hier Beh<strong>in</strong>dertenfe<strong>in</strong>dlichkeit), die sie nicht geschaffen<br />
haben, zurückzuweisen, aber auch eigene Vorstellungen von »gesunden«<br />
K<strong>in</strong>dern umzusetzen.<br />
Weiterh<strong>in</strong> ist es bedeutsam, daß der Wunsch und die Inanspruchnahme<br />
von Frauen nach selektiver Diagnostik dazu geführt hat, daß immer mehr<br />
Frauen mit <strong>dieser</strong> neuen Norm massiv konfrontiert <strong>werden</strong>. Für alle Frauen<br />
wird Schwangerschaft so zu e<strong>in</strong>er nach gesundheits-normierten Gesichts-<br />
punkten zu kontrollierenden gemacht.<br />
Perspektiven Nun <strong>–</strong> wozu das alles ? Me<strong>in</strong>e Ausführungen haben ihren er-<br />
kenntnisleitenden Ausgang <strong>in</strong> der praktischen Arbeit, <strong>in</strong> der Konfrontati-<br />
on mit den Widersprüchen <strong>dieser</strong> Technik. So möchte ich nun den Bogen<br />
84 Margaretha Kurmann