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Unter anderen Umständen – Mutter werden in dieser Gesellschaft

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<strong>in</strong> bezug auf die Fortpflanzung/Reproduktion von Menschen s<strong>in</strong>d sehr alt.<br />

Sie gehen e<strong>in</strong>her bzw. haben ihre Wurzeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dichotomen, spal-<br />

tendem Verständnis von Natur/Materie/Stofflichkeit und Geist, welches<br />

sich von der Antike bis heute herausgebildet hat. Diese Spaltung stellt die<br />

»bloße« Materie dem alles formenden und somit beherrschenden »Geist«<br />

gegenüber. Ausprägungen dieses Denkens f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Hierarchie<br />

von Natur <strong>–</strong> Kultur, Leben <strong>–</strong> Tod, Rationalität <strong>–</strong> Gefühl, Kopfarbeit <strong>–</strong> Hand-<br />

arbeit, Männlichkeit <strong>–</strong> Weiblichkeit.<br />

An der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert erfuhren diese Vorstellungen<br />

e<strong>in</strong>en rasanten Aufschwung. Es entstand die Eugenik. Das Ziel/ die Utopie<br />

der Eugeniker als e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Bewegung <strong>dieser</strong> Zeit war e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Gesellschaft</strong> von Menschen mit »guten« Genen, die als e<strong>in</strong>e leidfreie und<br />

gesicherte erhofft wurde.<br />

Bett<strong>in</strong>a Ra<strong>in</strong>er schreibt dazu: »Diese Utopie ist nur durch e<strong>in</strong>en (im wahrsten<br />

S<strong>in</strong>ne des Wortes) Großangriff auf die menschliche Natur zu erreichen,<br />

da sie als sterbliche, verletzliche und begehrende die Realisierung dieses<br />

Ziels grundlegend <strong>in</strong> Frage stellt«, (Ra<strong>in</strong>er, S.65).<br />

Diese eugenischen Vorstellungen waren völlig unabhängig von religiösen<br />

oder parteipolitischen Zugehörigkeiten. Gerade auch l<strong>in</strong>ke Parteien und<br />

soziale Bewegungen wie z.B. Teile der Frauenbewegung waren von den<br />

verme<strong>in</strong>tlich sozialen Lösungen <strong>–</strong> als Vermeidung von sozialem Leiden<br />

<strong>–</strong> die die Eugenik anbot, fasz<strong>in</strong>iert. Eugenik birgt <strong>in</strong> diesem Verständnis<br />

e<strong>in</strong>e Möglichkeit vom diesseitigen »Paradies« <strong>–</strong> wie Frauen heute das »ge-<br />

sunde K<strong>in</strong>d« erhoffen als Garant oder zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>en guten Anfang für<br />

glückliche Beziehungen, für e<strong>in</strong>e geglückte <strong>Mutter</strong>schaft. Das herrschen-<br />

de soziale Elend wurde verknüpft mit den Vorstellungen von defekten Ge-<br />

nen als deren eigentliche Wurzeln. So wurde die »Auslese«, Selektion zum<br />

Heilsversprechen, zur Lösung. Im Nationalsozialismus wurde Eugenik als<br />

Rassenhygiene durch Zwangssterilisation und Ermordung sogenannter<br />

»kranker«, beh<strong>in</strong>derter Menschen durchgesetzt. »In der Mehrheit arbeite-<br />

ten die deutschen Eugeniker und Genetiker aktiv mit den Nationalsozia-<br />

listen zusammen, als es darum g<strong>in</strong>g, die <strong>in</strong> »Rassenhygiene« umbenannte<br />

Konzeption <strong>in</strong> konkrete Schritte umzusetzen«, (Waldschmidt, s. 336). Die<br />

nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« erfolgte kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Weiterentwicklung <strong>dieser</strong> Wissenschaft <strong>in</strong> der Humangenetik ist von den<br />

78 Margaretha Kurmann

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