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Unter anderen Umständen – Mutter werden in dieser Gesellschaft

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enden Frauen gegen die ärztliche Aufsichtspflicht, die übrigens auch<br />

dazu dienen sollte, den ahnungslosen Buchmediz<strong>in</strong>ern auf diese Weise<br />

Kenntnisse der Geburtshilfe zu verschaffen. Mit kriegerischem Vokabular<br />

beschreibt Bumm weiter: »Während die studierten Ärzte stolz beiseite<br />

stehen, unternehmen es die hiesigen maitres barbiers chirurgiens, die Al-<br />

le<strong>in</strong>herrschaft der Hebammen im Gebärzimmer zu brechen und gelangen<br />

alsbald dah<strong>in</strong>, für ihre Tätigkeit e<strong>in</strong> neues, großes Gebiet zu erobern. Daß<br />

unter ihren Händen die Ausbildung der Geburtshilfe zunächst nur nach<br />

der operativen Seite h<strong>in</strong> geschah, kann ihren Verdienst nicht im m<strong>in</strong>des-<br />

ten schmälern. Als wahre Helfer <strong>in</strong> der Not mußten sich die Vorkämpfer<br />

männlicher Geburtshilfe ihren durch Zeit und Sitte fest e<strong>in</strong>gesessenen<br />

Rival<strong>in</strong>nen gegenüber erst bewährt haben.« 10<br />

Durch die Hebammenordnungen am Ende des Mittelalters verloren die<br />

Hebammen wichtige Kompetenzen. Indem die Geburtshilfe zur Obstetrik,<br />

die Frauenheilkunde zur Gynäkologie wurde, verblaßten oder verschwan-<br />

den magische und ganzheitliche Aspekte ihrer Heilkunst. Dennoch: erst<br />

als die Gebäranstalten entstanden und gebärende Frauen <strong>–</strong> zum ersten<br />

Mal <strong>in</strong> der Geschichte der Menschheit <strong>–</strong> <strong>in</strong> Hospitälern von ausschließlich<br />

männlichen Ärzten behandelt wurden, geriet die Tradition der Geburtshil-<br />

fe endgültig unter den Herrschaftsanspruch der neuen Mediz<strong>in</strong>.<br />

Für die gebärenden Frauen bedeutete dieses zunächst e<strong>in</strong>e drastische<br />

Verschlechterung der Geburtsbed<strong>in</strong>gungen. Seuchenartig raffte das K<strong>in</strong>d-<br />

bettfieber, vor allem <strong>in</strong> der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, e<strong>in</strong>en ho-<br />

hen Prozentsatz der Wöchner<strong>in</strong>nen h<strong>in</strong>weg. Die größeren Anstalten, be-<br />

sonders die mit der Ausbildung von Mediz<strong>in</strong>studenten betrauten, hatten<br />

e<strong>in</strong>e höhere Sterblichkeitsrate zu verzeichnen als die kle<strong>in</strong>eren Kl<strong>in</strong>iken<br />

und Hebammenanstalten. Die Todesfälle schwankten zwischen zwei und<br />

fünfzig Prozent.<br />

Im Laufe der weiteren Entwicklung der Geburtshilfe wurde die Schwan-<br />

gere <strong>in</strong> den Augen der Ärzte zunehmend zu e<strong>in</strong>er Patient<strong>in</strong>. Der Anteil<br />

der Kl<strong>in</strong>ikentb<strong>in</strong>dungen stieg weiter kont<strong>in</strong>uierlich an. Die Vorschrift,<br />

nach welcher die E<strong>in</strong>weisung e<strong>in</strong>er Schwangeren zur Geburt <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik<br />

nur bei e<strong>in</strong>er zu erwartenden mediz<strong>in</strong>ischen Komplikation erfolgen solle,<br />

wurde <strong>in</strong> den 60er Jahren unseres Jahrhunderts endgültig aufgehoben.<br />

Schöpfungs-Geschichte<br />

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