Unter anderen Umständen – Mutter werden in dieser Gesellschaft
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dert, daß der Arzt bei der Geburt dabei ist! Nun kenne ich das selber aus<br />
me<strong>in</strong>er geburtshilflichen Tätigkeit auch sehr gut. Die Hebamme führt,<br />
leitet die komplika-tionslose Geburt, weiß aber, sie muß mich als Ärzt<strong>in</strong><br />
irgendwann dazurufen. Werde ich dann dazugerufen, fühle ich mich<br />
eigentlich überflüssig. Und dann bemühe ich mich, nicht überflüssig zu<br />
se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem ich mich <strong>in</strong> irgend-e<strong>in</strong>er Weise <strong>in</strong> das Geschehen e<strong>in</strong>kl<strong>in</strong>ke, z.B.<br />
auch Hebammentätigkeit übernehme. Als Ärzt<strong>in</strong> b<strong>in</strong> ich bei der normalen<br />
Geburt nicht unbed<strong>in</strong>gt erforderlich. Warum ist die ärztliche Anwesenheit<br />
dennoch die Realität <strong>in</strong> deutschen Krankenhäusern? Wenn wir den <strong>in</strong>ter-<br />
nationalen Vergleich sehen, wissen wir, daß es z.B. für Frauen <strong>in</strong> Schweden<br />
völlig ungewöhnlich ist, e<strong>in</strong>en Arzt bei der Geburt <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik dabei zu<br />
haben. Die schwedische Frau erschrickt, wenn sie e<strong>in</strong>en Arzt im Kreißsaal<br />
entdeckt, weil sie befürchtet, es könne e<strong>in</strong>e Komplikation e<strong>in</strong>getreten se<strong>in</strong>.<br />
Mir wurde schon berichtet, daß sich e<strong>in</strong> Arzt damit entschuldigte, daß er<br />
gekommen sei, sich nur e<strong>in</strong>e Tasse Kaffee zu holen. Auch <strong>in</strong> Norwegen<br />
und <strong>in</strong> Holland f<strong>in</strong>det die normale Geburt ohne Arzt statt. Die Ergebnisse<br />
<strong>dieser</strong> Art von Geburtshilfe s<strong>in</strong>d nicht schlechter als unsere! Warum ist es<br />
nicht möglich, auch <strong>in</strong> deutschen Krankenhäusern (vielleicht auch erstmal<br />
als Modellversuch) die Möglichkeit zu schaffen, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kreißsaal mit<br />
E<strong>in</strong>verständnis der Frauen, die dort gebären, normalerweise der Arzt nicht<br />
zur Geburt h<strong>in</strong>zugezogen wird.<br />
Herr Kentenich Ich möchte diese Idee neu aufgreifen: Es existiert e<strong>in</strong>e Fiktion,<br />
die von Ärzten vertreten wird, als ob nur e<strong>in</strong>e ärztlich geleitete Geburtshilfe<br />
s<strong>in</strong>nvoll sei. Auf der <strong>anderen</strong> Seite gibt es genau das Gegenteil, daß nur<br />
e<strong>in</strong>e Hebammen-geleitete Geburt s<strong>in</strong>nvoll sei. Mit beidem kann ich mich<br />
nicht identifizieren. Auch möchte ich dem widersprechen, daß die deut-<br />
sche Geburtshilfe schlechter als die holländische oder schwedische sei. Das<br />
Gegenteil ist der Fall: Deutschland nimmt im Vergleich zum europäischen<br />
Ausland mit e<strong>in</strong>er per<strong>in</strong>atalen Mortalität von unter 6 % die Spitzenstellung<br />
<strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>. Wir wissen, daß die Situation <strong>in</strong> Deutschland katastrophal<br />
schlecht vor 10 - 15 Jahren war. Jetzt ist das aber anders: Das ist e<strong>in</strong>e<br />
Tatsache!<br />
Man kann auch die Diskussion etwas idealistisch führen und so tun, als<br />
ob e<strong>in</strong>e Geburt nicht gefährlich sei. Die Geburt selbst ist für das Leben<br />
des betreffenden Menschen genauso gefährlich, wie etwa die nächsten<br />
168 Podiumsdiskussion