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ticket April 2017

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Lovely Creatures Gemeinsam mit Gründungsmitglied<br />

Mick Harvey (2. v. r.) stellte Nick Cave<br />

„Lovely Creatures“ zusammen. Viele Ehemalige,<br />

darunter Blixa Bargeld (1. v. l.), schwelgen in<br />

Erinnerungen oder lassen tief in den<br />

privaten Foto-Fundus blicken.<br />

Ich glaube, ein überwiegender Großteil<br />

von dem, was Nietzsche jemals von<br />

sich gab, ist ausgemachter Schwachsinn.<br />

In diesem einen Fall kann ich<br />

ihm aber durchaus etwas abgewinnen<br />

– nicht weil die Aussage korrekt ist,<br />

sondern weil das Chaos als Vater einer<br />

Lichtgestalt irgendwie possierlich<br />

klingt. Traumata sind nachteilig für<br />

den Kreativprozess, da befindet sich<br />

die kreative Seele in einer kauernden<br />

Fötusstellung. Zumindest in dem Moment,<br />

in dem die absolute Katastrophe<br />

über dir aufsteigt, bist du hilflos verloren<br />

und alles andere als expressiv.<br />

Nicht das Chaos selbst, sondern allein<br />

die Überwindung dessen kann produktiv<br />

sein.<br />

Ist dein gerühmter – in der Breitenwirkung<br />

jedoch stark unterschätzter<br />

– Humor da auch ein gewisser Eskapismus?<br />

Die Charaktere, die in meinen Texten<br />

vorkommen, sind alle Verfremdungen<br />

meiner selbst, sind maskierte Triebtäter<br />

– und ja, manche davon auch<br />

mit einem schelmischen Grinsen in<br />

der Fratze, hinter denen sich dann<br />

meine Intimzone versteckt.<br />

10|<br />

In „20.000 Days On Earth“ sieht man<br />

dich bei einem inszenierten Psychiaterbesuch<br />

– ist dieses Überziehen von<br />

Masken für dich die wahre Form einer<br />

Katharsis?<br />

Der Arbeitsprozess definitiv, weniger<br />

die textliche Aufarbeitung von Lebensmomenten.<br />

Die Produktivität<br />

zeigt mir, dass das Leben so oder so<br />

weitergeht. Stillstand und das Verharren<br />

in Momenten ist nicht dienlich<br />

für mich und den Umgang mit der<br />

Außenwelt.<br />

Bekanntlich bist du auch ein renommierter<br />

Romancier und in diesem<br />

Metier heißt es, ein Roman brauche<br />

einen starken Eröffnungssatz, um<br />

den Leser zu fesseln. Wie weit trifft<br />

das auch auf die Musik zu?<br />

Nicht notwendigerweise, aber starke<br />

Eröffnungen machen mir selbst unglaublichen<br />

Spaß. Da hat der Volksmund<br />

schon recht: Durch sie ziehst<br />

du dein Publikum rasch und mit Vehemenz<br />

in deine ureigene Weltordnung.<br />

Was unterscheidet die Musik von<br />

anderen Künsten?<br />

Sie ist die beste aller Ausdrucksformen<br />

(lacht).<br />

Welche Rolle nimmt die kunstfertige<br />

Verfremdung der Realität heute, im<br />

postfaktischen Zeitalter, ein?<br />

Für mich ist die Fantasie naturgemäß<br />

schon postfaktisch. Der Wahrheitsgehalt<br />

ist bei jeglichem Kunstausdruck<br />

aber ohnehin peripher. Mir geht es in<br />

meinen Texten mehr um den Effekt,<br />

den sie haben können. Ich würde sagen,<br />

mein Fokus liegt auf der Authentizität<br />

und nicht auf der Wahrheit.<br />

Wie wichtig ist dir dein Vermächtnis?<br />

Dass ich als Person in Erinnerung behalten<br />

werde, ist für mich bedeutungslos.<br />

Ich mag jedoch die Vorstellung,<br />

dass meine Songs weiterleben und<br />

auch losgelöst von mir durch die<br />

Menschheitsgeschichte flirren und<br />

auch über meinen Tod hinaus für<br />

Menschen eine Bedeutung haben werden.<br />

Das volle Gespräch findet man ab 24.<br />

<strong>April</strong> auf <strong>ticket</strong>magazin.com.

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