29.03.2017 Aufrufe

ticket April 2017

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

WORKING CLASS STAR<br />

Deep Purple feiern<br />

kommendes Jahr<br />

50 Jahre Bandbestehen<br />

und gehen mit ihrem<br />

bandneuen Studioalbum<br />

„Infinite“ nun auf große<br />

Europatournee.<br />

22<br />

Der Nestbeschmutzer.<br />

Als Nestbeschmutzer wurde<br />

Thomas Bernhard zu Lebzeiten<br />

angefeindet, heute<br />

gilt er als wortgewaltige Persona grata<br />

der Literaturgeschichte – deren<br />

Stücke naturgemäß in den renommiertesten<br />

Häusern gespielt werden,<br />

aktuell im Stadttheater Klagenfurt<br />

(„Vor dem Ruhestand“), dem<br />

Volkstheater („Alte Meister“), dem<br />

Salzburger Schauspielhaus („Der<br />

Theatermacher“), sowie dem Akademietheater<br />

(„Holzfällen. Eine Erregung“).<br />

Da wäre es freilich vermessen,<br />

den Musikkritiker Christian<br />

Schachinger (Der Standard) mit<br />

dem grantelnden Vater der Tragikomödie<br />

ex aequo zu setzen, doch<br />

auch dieser wird gern als Nestbeschmutzer<br />

er- und verachtet – tatsächlich<br />

liest man in seinen Kritiken<br />

selten Positives, meist werden<br />

Künstler mokant hochstilisiert, bevor<br />

sie rapide demoliert, der Lächerlichkeit<br />

preisgegeben werden. Schachinger,<br />

selbst mäßig talentierter Gitarrist<br />

bei Shampoo Boy, ist zweifelsohne<br />

ein Meister der Feder, dabei<br />

aber zuvörderst (so scheint es)<br />

auf Kontroverse und Fehde bedacht.<br />

Erst kürzlich platzte da Volksmusiker<br />

Hubert von Goisern in einem<br />

offenen Brief der Kragen, als er in<br />

den pastellen Seiten Schachingers<br />

harsche Worte über „Magic Life“<br />

von Bilderbuch las. Ein offener Diskurs,<br />

das ist im Grunde ja durchaus<br />

etwas Positives, doch einen argumentativen<br />

Fehler begeht dabei der<br />

Goiserer in seiner Wut: Er befeuert<br />

die alte Dichotomie zwischen<br />

Künstler und Nicht-Künstler – der<br />

Künstler macht Kunst. Der Kritiker<br />

kritisiert vor allem deshalb, weil er<br />

selbst nicht dazu in der Lage ist, selbige<br />

zu produzieren. Er wird ausschließlich<br />

als Parasit wahrgenommen,<br />

der das Kunstwerk anpatzt<br />

und ihm den Anstrich seiner zölestischen<br />

Einzigartigkeit nimmt. Gerade<br />

bei einem Verriss wird da der Vorwurf<br />

laut, der Kritiker hätte doch<br />

gar keine Ahnung! Übersehen wird<br />

dabei jedoch, dass dieser in seinem<br />

herzblutreichen Behufe zumindest<br />

als Kunsthändler, wenn nicht gar als<br />

Kunsthandwerker fungiert: er rezipiert<br />

Unmengen und hilft dabei Otto<br />

Normal in seiner Orientierung.<br />

Vielleicht haben somit doch beide<br />

Positionen ihre Berechtigung?<br />

Stefan Baumgartner (Chefredakteur)<br />

| 03

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!