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COMPACT-Spezial "Asyl unsere Toten"

Asyl, Unsere Toten Unsere Toten, Unsere Trauer

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<strong>COMPACT</strong> <strong>Spezial</strong><br />

_ Unsere Toten, <strong>unsere</strong> Trauer<br />

Die Pfarrgemeinde Ragösen entstand<br />

um das Jahr 1500.<br />

Foto: Martin Müller-Mertens<br />

Die 60-jährige Israelin Daliya Elyakim<br />

hinterlässt ihren Ehemann und<br />

zwei erwachsene Kinder.<br />

Ilustration: IF<br />

14<br />

Die Familie von Christoph H. bat<br />

<strong>COMPACT</strong>, keine Details über die<br />

Identität des Verstorbenen zu veröffentlichen.<br />

Foto: izzzy71, shutterstock.com<br />

Der 62-jährige Richard Ramirez zog<br />

vor etwa zehn Jahren aus Texas.<br />

nach Berlin. Ilustration: IF<br />

Angelika Klösters aus Nordrhein-<br />

Westfalen wurde 61 Jahre alt. Foto:<br />

Screenshot dg-lanzerath.de<br />

So war es auch nach dem Terror von Berlin. «Es<br />

ist aber auch deutlich geworden, wie bestimmte<br />

Akteure skrupellos versuchen, aus dem unsäglichen<br />

Leid der Opfer und ihrer Angehörigen politisches<br />

Kapital zu schlagen», behaupteten die Berliner<br />

Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und<br />

Linken in einer gemeinsamen Erklärung. Der zumindest<br />

in der Vergangenheit vom Bundesinnenministerium<br />

geförderte sogenannte Informationsdienst<br />

Blick nach Rechts titelte «Rechte Pilgerstätte<br />

Breitscheidplatz». «So nutzen Rechte die Tat in<br />

Berlin für ihre Zwecke», skandalisierte der Spiegel-<br />

Ableger Bento. Manche der Reaktionen erinnern in<br />

ihrer Borniertheit an die letzten Monate der DDR.<br />

Einen Soundtrack zu deren Untergang spielte die<br />

Band Keimzeit 1989: «Irre ins Irrenhaus, die Schlauen<br />

ins Parlament. Selber schuld daran, wer die Zeichen<br />

der Zeit nicht erkennt …» Keimzeits damaliger<br />

Schlagzeuger Roland Leisegang ist heute Bürgermeister<br />

von Bad Belzig, zu dem auch Ragösen<br />

gehört. «Es ist Betroffenheit und Bedrücktheit, dass<br />

es auch uns hier draußen in einem kleinen Dorf treffen<br />

kann», sagte er nach dem Anschlag.<br />

Unter Polizeischutz<br />

Was über den Ort hereinbrach, überstieg die<br />

Kräfte vieler Einwohner. Einen Tag vor der Beisetzung<br />

verwandelte die Polizei Ragösen in eine Art<br />

Hochsicherheitszone. Vor dem Pfarrhaus wartete<br />

ein Streifenwagen, um Sebastians Mutter Ilona,<br />

Schwester Steffi und Bruder Danny notfalls abzuschirmen.<br />

Von persönlichen Beileidsbekundungen<br />

am Grab bat die Familie abzusehen. Ihr Haus steht<br />

nur einen Steinwurf von der Kirche entfernt. Das<br />

Erdgeschoss wirkt ausgeräumt. Die Familie leidet<br />

still. «Deine Nichte Lisa und auch dein Neffe Thilo<br />

hätten viel von Dir lernen können, sie haben Dich<br />

sehr lieb und vermissen Dich sehr», heißt es auf einer<br />

Gedenkseite im Internet.<br />

Es war schon der zweite Schicksalsschlag für die<br />

Familie. 2004 kam Sebastians Vater Günther gerade<br />

von der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche nach<br />

Hause. «Er sagte noch: ”Mir geht’s nicht gut”», erinnert<br />

sich Walter F. Kurz darauf war Günther tot –<br />

Herzinfarkt mit 47 Jahren. Neben seinem Vater hat<br />

nun auch Sebastian auf dem kleinen Friedhof von<br />

Ragösen seine letzte Ruhe gefunden.<br />

«Wenn wir an Dich denken,<br />

fallen Sonnenstrahlen in <strong>unsere</strong><br />

Seelen.» <br />

Traueranzeige<br />

Die Rosen auf dem Grab haben zu welken begonnen.<br />

Noch mahnen Schleifen und Kerzen. «Keine<br />

Chance dem Terror. Mach’s gut Basti», steht in<br />

goldenen Lettern auf grünem Stoff. Carla Poggendorff<br />

will eigentlich nicht mehr über die Ereignisse<br />

sprechen. «Man muss es erstmal sacken lassen.<br />

Langsam geht’s wieder», sagt sie. An Sebastians<br />

Geburtstag werde es wohl noch einmal schlimm<br />

werden – und natürlich am Jahrestag des Anschlages.<br />

Irgendwann einmal wird die Wunde zur Narbe<br />

werden. Was bleibt, ist die Erinnerung. «Immer<br />

wenn wir an Dich denken und von Dir erzählen, fallen<br />

Sonnenstrahlen in <strong>unsere</strong> Seelen», heißt es in<br />

der Traueranzeige.

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