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COMPACT-Magazin 05-2017

Der Osten leuchtet. Was der Westen lernen kann

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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Im Schrebergarten<br />

Familien mit Kindern lassen sich also von Pegida<br />

nicht abschrecken. Ersatzweise behaupten nun<br />

die Propagandisten des Establishments, die Bürgerbewegung<br />

verscheuche die Touristen. Tatsächlich<br />

hatte Dresden mit 4,4 Millionen Übernachtungen<br />

2014 einen Höchststand – in den Folgejahren<br />

fiel der Wert um 170.000. Ob das aber mit Pegida<br />

zu tun hat, ist völlig ungewiss. Gravierender dürfte<br />

sein, dass die Kommune Mitte 2015 eine Beherbungssteuer<br />

einführte – und zwar die zweithöchste<br />

in ganz Deutschland. «Es springen uns große Kongresse<br />

und Konferenzen ab», zog der Vorsitzende<br />

des lokalen Tourismusverbandes ein Jahr nach Inkrafttreten<br />

der Abgabe Bilanz.<br />

In Mecklenburg-Vorpommern<br />

hatte die AfD 2016 einen Bombenerfolg<br />

– und der Tourismus auch.<br />

Eine ähnliche Panik wurde in Mecklenburg-Vorpommern<br />

verbreitet, nachdem die AfD bei den Landtagswahlen<br />

im September 2016 über 20 Prozent eingefahren<br />

hatte. Besonders die beliebten Reiseziele<br />

an der Ostsee hatten blau gewählt – auf der Insel<br />

Usedom war es sogar jeder Dritte. Doch die Miesmacher<br />

hatten Unrecht: 2016 wurde mit 11,7 Millionen<br />

Übernachtungen zum bisherigen Rekordjahr, ein<br />

Plus von 4,6 Prozent im Vergleich zu 2015. Das zweite<br />

Halbjahr, in dem der Urnengang lag, übertraf das<br />

erste sogar noch. Man vergleiche dies mit dem Einbruch<br />

in München: Nachdem die Kanzlerin die Grenzen<br />

geöffnet hatte, ging der Besuch beim Oktoberfest<br />

zwei Mal in Folge zurück. 2016 lag er auf dem<br />

niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Kein Wunder: Auf<br />

und nach der Wiesn muss man verstärkt mit Rapefugees<br />

rechnen – am Stettiner Haff dagegen nicht.<br />

Der Zauberer aus der Lausitz<br />

Ein Geheimtipp für Reisende ist der Spreewald.<br />

Dort kann man einen ganz verschlungenen Weg zum<br />

1000-jährigen Deutschland finden – und zwar über<br />

die Sorben, eine ethnische Minderheit gerade nicht<br />

germanischen, sondern slawischen Ursprungs. Sie<br />

pflegen ihre Bräuche und bewahren ihre Sprache,<br />

die viel mit jener der weit entfernten Serben gemeinsam<br />

hat. Srp, die Sichel – das gemeinsame<br />

Stammwort verweist darauf, mit welchem Werkzeug<br />

dieses Völkchen in der Frühzeit sein Überleben<br />

sicherte. Im 6. Jahrhundert eingewandert, wurden<br />

die Sorben von den zahlenmäßig weit überlegenen<br />

Thüringern, Sachsen und Franken unterworfen<br />

– aber sie durften bleiben, und sie blieben. Egal ob<br />

unter den Kaisern, in der DDR und selbst am Anfang<br />

des Dritten Reiches – immer wurden sie und<br />

ihre Kultur respektiert. 60.000 bekennen sich heute<br />

noch als Sorben und natürlich auch als Deutsche,<br />

jeder Dritte spricht beide Sprachen. Zeigt das nicht,<br />

dass unser Volk immer schon bunter war, als es die<br />

antideutsche Propaganda wahrhaben will?<br />

Zu den bekanntesten Sagen der Sorben gehört<br />

die vom Zauberer Krabat, dem Schutzpatron der Lausitz.<br />

Der tat viele Wunder, unter anderem rettete er<br />

August den Starken vor den Türken. Wenn der gute<br />

Mann demnächst im Gebiet zwischen Cottbus, Hoyerswerda<br />

und Bautzen wieder auftaucht, bitte melden!<br />

Er wird vor allem im Westen gebraucht.<br />

«Nirgends lässt sich die deutsche<br />

Seele auf kleinstem Raum<br />

so farbenfroh besichtigen wie<br />

im Schrebergarten. (…) Seine<br />

größte Blüte erlebte der Schrebergarten<br />

paradoxerweise in der<br />

DDR. Wäre es nach dem Willen<br />

der SED gegangen, hätte das<br />

private Gärtnern allenfalls als<br />

Übergangslösung für die Nahrungsmittelknappheit<br />

der Nachkriegszeit<br />

toleriert werden sollen.<br />

Doch da sich Rhabarber und<br />

Radieschen hartnäckig weigerten,<br />

dem Fünfjahresplan zu folgen,<br />

gab das Regime schließlich<br />

nach und hob den grünen<br />

Daumen. (…) Im Sommer 1989<br />

besaß nahezu jeder zweite DDR-<br />

Haushalt sein Fleckchen im Grünen.<br />

Es stellt sich die Frage, ob<br />

es sich beim ”Arbeiter- und Bauernstaat”<br />

in Wahrheit nicht um<br />

einen Kleingärtnerstaat gehandelt<br />

hat.» (Richard Wagner/Thea<br />

Dorn, Die deutsche Seele)<br />

Bild oben: Links Faust und<br />

Mephisto, rechts die gaffenden<br />

Studenten: Figuren in der Leipziger<br />

Mädlerpassage am Abgang zu<br />

Auerbachs Keller. Foto: picture-alliance/<br />

ZB<br />

Kaiser Barbarossa am Kyffhäuser-Denkmal.<br />

Foto: Reinhard Kirchner<br />

(e), CC BY-SA 3.0, Wikimedia<br />

Commons<br />

Traditionelles Osterreiten der Sorben<br />

in der Oberlausitz. Foto: Dr.<br />

Bernd Gross, CC BY-SA 4.0, Wikimedia<br />

Commons<br />

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